Brettspiele in Mittelalter und Neuzeit

Q

Question

Gast
Ich habe dazu 2 Fragen:
1. Ich habe gehört, dass Spielkarten wegen ihrer Verwandschaft zu Tatro-Karten und weil sie in Verdacht standen, Geheimbotschaften zu übertragen, verboten waren.
Aber seit wann gab es Kartenspiele überhaupt? Kann es sein, dass sie ein "relativ" neuer Typ von Spielen waren, der erst nach den Buchdruck aufkam und deshalb von den Adligen, die eher Brettspiele spielten (da nur sie sich die Figuren leisten konnten) verpönt war?
(Bis auf sowas wie Mühle, das auch einfache Leute spielen konnten, tut der Überlegung aber keinen Abbruch.)
2. Mir ist aufgefallen, dass die meisten Mittelalterlichen oder Frühneuzeitlichen Spielen im Grunde vor sehr langer Zeit entweder in Europa oder im Orient entwickelt wurden.
Mühle, Schach (wobei es im Mittelalter modifiziert wurde, z. B. bekamen die Springer andere Bedeutungen), Dame (als Modifikation von Schach), Pachisi, Backgammon.
Bis auf eine Ausnahme: Zahlenkampfspiel ? Wikipedia und eben Dame als Modifikation.

War es damals verpönt sich neue Spiele auszudenken oder verbreiteten sich neue Varianten einfach kaum? (Dafür würde sprechen, das "Go" z. B. aus Asien nicht importiert wurde.)
Oder war es etwa eine ganz andere Lebenseinstellung, das man lieber im Traditionellen die Meisterschaft erlangte, als Neues zu erproben?
 
Wie hätte man Go überhaupt importieren wollen? Es gab doch keine direkten Kontakte; wahrscheinlich kannte man es gar nicht. Selbst Marco Polo hat nicht über das Spiel geschrieben, obwohl er es garantiert gelernt hat, wenn er wirklich am Yüan-Hof gewesen war. Leibniz hätte für ein Brett, Steine und Kenntnis der Regeln seine Seele verkauft.
 
Ich habe dazu 2 Fragen:
1. Ich habe gehört, dass Spielkarten wegen ihrer Verwandschaft zu Tatro-Karten und weil sie in Verdacht standen, Geheimbotschaften zu übertragen, verboten waren.
Aber seit wann gab es Kartenspiele überhaupt? Kann es sein, dass sie ein "relativ" neuer Typ von Spielen waren, der erst nach den Buchdruck aufkam und deshalb von den Adligen, die eher Brettspiele spielten (da nur sie sich die Figuren leisten konnten) verpönt war?

Kartenspiele werden in Europa seit dem 14. Jahrhundert in Texten erwähnt, hauptsächlich in Verboten. Man nimmt an, dass sie aus dem orient kamen, vermutlich über das Mittelmeer, da sie in Italien und an der spanischen Mittelmeerküste die frühesten Erwähnungen finden (zB. in einem Verbot in Barcelona in 1310).

Ein Grund für die vielen Verbote wird der religiöse Aspekt gewesen sein, da sie der Wahrsagerei und damit der Magie dienten. Der Begriff "des Teufels Gebetsbuch" für die Spielkarten ist auch entsprechend alt. Die Kirche wird diese Teufeleien von Anfang an misstrauisch beäugt haben.

Man darf aber auch nicht vergessen dass Karten hauptsächlich zum Glückspiel dienten, dass im Gegensatz zu den meisten Brettspielen viele mitspielen konnten, "Glück" eine größere Rolle spielte und diesem mit allen möglichen Mogeleien nachgeholfen wurde. Das alles führt unweigerlich dazu dass es oft zu Streitigkeiten, Mord und Totschlag geführt hat.

Brettspiele sind aber m.W. nie ein Privileg reicher Leute gewesen. Diese werden sich vielleicht teurere Figuren geleistet haben, einfache Brettspiele in Fliesen oder brettchen geritzt kennt man seit der Antike und findet man auch in jedem Legionslager, so wie man auch heute noch in jedem Zouk im Nahen Osten die Händler dabei sehen kann, wie sie die Zeit mit Taule (Backgammon), Dame, oder Schach totschalgen.

(Bis auf sowas wie Mühle, das auch einfache Leute spielen konnten, tut der Überlegung aber keinen Abbruch.)
2. Mir ist aufgefallen, dass die meisten Mittelalterlichen oder Frühneuzeitlichen Spielen im Grunde vor sehr langer Zeit entweder in Europa oder im Orient entwickelt wurden.
Mühle, Schach (wobei es im Mittelalter modifiziert wurde, z. B. bekamen die Springer andere Bedeutungen), Dame (als Modifikation von Schach), Pachisi, Backgammon.
Bis auf eine Ausnahme: Zahlenkampfspiel ? Wikipedia und eben Dame als Modifikation.

War es damals verpönt sich neue Spiele auszudenken oder verbreiteten sich neue Varianten einfach kaum? (Dafür würde sprechen, das "Go" z. B. aus Asien nicht importiert wurde.)
Oder war es etwa eine ganz andere Lebenseinstellung, das man lieber im Traditionellen die Meisterschaft erlangte, als Neues zu erproben?

Einfache, allseits bekannte Spiele dienen der Kommunikation und der Integration. Ich habe als Junge und heranwachsender in verschiedenen Ländern mehrmals feststellen können, wie nützlich es war, die üblichen Kartenspiele zu kennen oder wie schlecht es war diese nicht zu kennen. Wenn man irgendwo an einer südamerikanischen Grenze auf die Weiterfahrt wartet und zwischen Gendarmen sitzt die einen argwöhnisch beäugen, sollte man etweder die lokalen Fussballvereine gut kennen oder Truco spielen können.
 
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Man darf aber auch nicht vergessen dass Karten hauptsächlich zum Glückspiel dienten, dass im Gegensatz zu den meisten Brettspielen viele mitspielen konnten, "Glück" eine größere Rolle spielte und diesem mit allen möglichen Mogeleien nachgeholfen wurde. Das alles führt unweigerlich dazu dass es oft zu Streitigkeiten, Mord und Totschlag geführt hat.
Ein Spielkartensatz galt früher umgangssprachlich als "des Teufels Gesangbuch". Das sagt eigentlich alles.
 
Marco Polo hat gar nicht geschrieben ;) Nehmen wir mal einfach an, er hätte Go kennen gelernt: Wäre Go wichtig genug gewesen, um darüber zu berichten?

@Question: Viele Spiele waren im MA verboten oder verpönt, weil es sich um Glücksspiele handelte - was aber die Menschen nicht daran hinderte, sie zu spielen.
Insbesondere Schach ist natürlich interessant. Das ursprüngliche indische Spiel Chaturanga war ein Spiel, welches zu vier Spielern gespielt wurde (jeweils zwei Mal weiß und zweimal Schwarz). Die Figuren entspachen der indischen Wirklichkeit, nicht der europäischen, die sich v.a. in Spanien herausbildete.
So war z.B. der Läufer ein Elefant. Im islamischen Raum wurde dann der Elefant abstrahiert (Darstellngsverbot von beseelten Lebewesen) und durch einen Elefantensattel dargestellt. Dieser Elefantensattel würde dann missgedeutet als Mitra oder Narrenkappe, wodurch der Läufer zum Bischof oder Narren wurde. Der Turm war ursprünglich ein vierrädriger Streitwagen des indischen Heeres. Von diesem Streitwagen - im Pahlavi rah im Deutschen noch - nicht ohne Deformierung des ursprünglichen Pahlavi-Wortes durch das Persische, Arabische und Spanische - im Spielzug der Rochade erhalten.
Die Araber haben aus dem zweiten König den Fahnenträger (al-Faris) gemacht, der dann im Spanischen zunächst zum alferez wurde und dann feminisiert zur alfereza - unsere heutige Dame.
 
Spielsucht ist kein modernes Phänomen. Der olle Tacitus beschreibt es schon bei den Germanen und die russischen Klassiker des 19. Jahrhundert erwähnen es auch immer wieder, dass adlige Nichtstuer ihr Vermögen und Erbe verspielen, was auch mal im Duell oder Selbstmord endet. Die überlieferten Beispiele, wo Söldner ihre Heuer verticken, sind Legion.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass beim Zirkus die Zeltarbeiter und Stallburschen wöchentlich ausgezahlt werden, weil sie normalerweise am ersten Tag alles verspielen und versaufen.
 
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So war z.B. der Läufer ein Elefant. Im islamischen Raum wurde dann der Elefant abstrahiert (Darstellngsverbot von beseelten Lebewesen) und durch einen Elefantensattel dargestellt. Dieser Elefantensattel würde dann missgedeutet als Mitra oder Narrenkappe, wodurch der Läufer zum Bischof oder Narren wurde. ...

Der Läufer heist im spanischen "Alfil" vom persischen "Pil" oder Fiil: Elefant.
 
Arabisch al-fīl, Pahlavi pīl, Neupersisch sind beide Formen möglich:فيل (fīl) und پيل (pīl). Allerdings ist der Begriff alfil für die Spanier eben nur noch die Spielfigur beim Schach. Die eigentliche Bedeutung ist ihr gewissermaßen verloren gegangen - was es eben ermöglichte, die Spielfigur als Bischofsmütze oder Narrenkappe zu erkennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf der Ruine "Baldenburg" an der Fehla, Raum Albstadt-Sigmaringen hat man 2 kpl. Schachspiele gefunden.
Eines relativ grob aus lokalen Geweihen hergestellt. Ziemlich sicher nach dem Muster des anderen vor Ort gefertigt.

Das andere aus Rentier-Geweihen! Sehr fein gearbeitet! Offensichtlich das Werk eines "Profis".
Man nimmt deshalb an, dass es evt. eine zweite Linie der Einführung des Schachspiels über Skandinavien gab.

Die Baldenburg ist bereits im beginnenden 14. Jahrhundert abgegangen.
Nachweise bei Bedarf gerne.
 
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass beim Zirkus die Zeltarbeiter und Stallburschen wöchentlich ausgezahlt werden, weil sie normalerweise am ersten Tag alles verspielen und versaufen.

In Amerika ist es teilweise bis heute üblich, seinen Gehaltscheck am Samstag, bzw. Freitag überhändigt zu bekommen.


@Leibniz: Der gute Gottfried war auch fasziniert von der Vorstellung der chinesischen Sprache, bzw. ihrer Schriftzeichen. Er glaubte, die Masse an Zeichen lernen zu müssen stärke die Auffassungsgabe und das Gedächtnis. Das ganze ist eher mit einer allgemeinen Fernostschwärmerei zur Zeiten von Leibniz zu erklären als dass er Go unbedingt lernen wollte. So gibt es ja auch japanische Gärten usw., ohne das man unbedingt original japanische Architektur oder original japanische Pflanzen importierte.
Das ist sicher interessant, aber einen eigenen Thread wert. Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zum "Glasperlenspiel" (Hesse)?
 
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Das andere aus Rentier-Geweihen! Sehr fein gearbeitet! Offensichtlich das Werk eines "Profis".
Man nimmt deshalb an, dass es evt. eine zweite Linie der Einführung des Schachspiels über Skandinavien gab.
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Aus dieser Richtung kommen ja die Lewis-Schachfiguren aus Walross-Elfenbein die man in Schottland fand.

Lewis-Schachfiguren ? Wikipedia

Eine Annahme ist, dass die Mitglieder der Warägergarde dieses Spiel aus Bizanz in ihre Heimat im Norden einführten.

Die Baldenburg ist bereits im beginnenden 14. Jahrhundert abgegangen.
Nachweise bei Bedarf gerne.
Gibt es dazu irgendwo Bilder ?
 
Die Formen der Figuren sprechen allerdings dafür, dass es sich hier um eine Entwicklung handelt, wie sie im europäischen Schachspiel in Spanien vollzogen wurde: die Dame - ursprünglich ja der zweite König - und der Bischof - der sich ja aus der Verwechslung des Elefantensattels mit einer Bischofsmitra entwickelt hat - sprechen dafür.
 
Die Formen der Figuren sprechen allerdings dafür, dass es sich hier um eine Entwicklung handelt, wie sie im europäischen Schachspiel in Spanien vollzogen wurde: die Dame - ursprünglich ja der zweite König - und der Bischof - der sich ja aus der Verwechslung des Elefantensattels mit einer Bischofsmitra entwickelt hat - sprechen dafür.

Im russischen heißt Läufer (slon) Elefant. Ähnlich wie beim Läufer (Bishop) war es auch beim Turm, der ursprünglich die Streitwagen symbolisierte. Das stilisierte Wagenrad wurde von den Europäern als Turmzinnen interpretiert.

Auch wenn manche Regeln des Schachspiels wie en passant schlagen noch nicht so alt sind, muss das Schachspiel in Europa schon vor den Kreuzzügen bekannt gewesen sein. Im lateinischen Versepos Ruodlieb, das um die Mitte des 11. Jhds entstand, wird das Spiel ausdrücklich erwähnt, und es erweist sich der Titelheld auch auf dem Schachbrett als vorbildlicher Ritter.
 
Im russischen heißt Läufer (slon) Elefant. Ähnlich wie beim Läufer (Bishop) war es auch beim Turm, der ursprünglich die Streitwagen symbolisierte. Das stilisierte Wagenrad wurde von den Europäern als Turmzinnen interpretiert.

Auch wenn manche Regeln des Schachspiels wie en passant schlagen noch nicht so alt sind, muss das Schachspiel in Europa schon vor den Kreuzzügen bekannt gewesen sein. Im lateinischen Versepos Ruodlieb, das um die Mitte des 11. Jhds entstand, wird das Spiel ausdrücklich erwähnt, und es erweist sich der Titelheld auch auf dem Schachbrett als vorbildlicher Ritter.

Dass passt gut. Der älteste europäische Text, in welchem die Regeln des Schachspiels festgehalten sind, soll eine hebräische Reimdichtung des jüdischen Dichters Abraham ibn Ezra (1089 - 1164) aus Spanien sein.
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als Begründer der europäischen Schachwissenschaft gilt Damiano, der 1512 ein Lehrbuch herausgebracht hat, in dem er nachwies, dass, wenn Schwarz nach e4, e5, Sf3 den Bauern e5 mit f6 deckt, Weiß e5 trotzdem mit dem Springer schlagen kann. Gilt heute noch, "Gambit des Damiano".
 
als Begründer der europäischen Schachwissenschaft gilt Damiano, der 1512 ein Lehrbuch herausgebracht hat, in dem er nachwies, dass, wenn Schwarz nach e4, e5, Sf3 den Bauern e5 mit f6 deckt, Weiß e5 trotzdem mit dem Springer schlagen kann. Gilt heute noch, "Gambit des Damiano".

Also das Buch der Spiele von Alfons dem Weisen ist gut 250 Jahre älter und Vorläufer der Schachzabelbücher quer durch Europa. Als unspielbar gilt das alfonsinische Riesenschach.
 
also erstens ist das Buch der Spiele nicht gut 250 Jahre älter sondern 228 oder 229 und zweitens hat das mit Schach wie wir es kennen nicht viel zu tun
 
Als bekennendem Zuschauer der Serie "Vikings" fällt mir noch der einprägsame Name "Hnefatafl" eines offenbar skandinavischen Brettspiels ein.
 
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