Madrid der Habsburger

Lässt sich feststellen, woher Pfandl die Sache mit dem Fernrohr hat?
Leider nein. Pfandl gibt als Hauptquelle die "Colleccion de documentos ineditos para la historia de Espana", Madrid 1842-95, an, macht aber keine Fußnoten.
Er war Hispanist und Historiker, und sein Werk erschien bis 1979 in 8 Auflagen. Dass er sich mit dem "Fernrohr" einen veritablen Anachronismus geleistet haben könnte, passt nicht zu ihm, aber denkbar ist's natürlich. :grübel:
 
Vielleicht gibt es Hinweise aus der Ära Philipps III? Dieser verlegte ja die Residenz wieder nach Vallodolid bevor er den Hof 1605 nach Madrid zurückbrachte.
 
Vielleicht gibt es Hinweise aus der Ära Philipps III? Dieser verlegte ja die Residenz wieder nach Vallodolid bevor er den Hof 1605 nach Madrid zurückbrachte.
Gute Idee, aber da muss ich passen. Vielleicht steht etwas in der 2-bändigen Historia de Valladolid von Juan Ortega y Rubio – Problem: ich kann kein Spanisch.

Dafür kann ich aber mit drei weiteren Hypothesen aufwarten:

William Prescott [1] schreibt, mit der Wahl Madrids als Hauptstadt habe Philipp Ideen seines Vaters Karl umgesetzt (carried out the ideas of his father), der den Ort wegen des ihm bekömmlichen Klimas geschätzt hatte.

Fernand Braudel [2] stellt die Rationalität in den Vordergrund: "Die spanischen Staaten hatten [beim Tode Karl V.] drei Hauptstädte und drei Regierungen": Brüssel (Philipp), San Yuste (Karl) und Valladolid (Prinzessin Johanna), und die Berichte aus dieser Zeit sind voller Klagen über die unglaublichen Wege, welche etwa die Post zurücklegen musste. An der Zentralität gemessen, war Madrid doch erheblich günstiger.

Sowohl Prescott wie Braudel weisen darauf hin, dass Valladolid (neben Sevilla) die einzige größere Stadt war, in der die Protestanten Anhänger gefunden hatten. Unter Karl hatte die Inquisition Milde walten lassen. Das änderte sich unter Philipp, dessen lebenslanger Leitstern allein der katholische Glaube war. Martin Philippson [3]:
Zuerst brach die Verfolgung über die Protestanten von Valladolid herein: am 21. Mai 1559 wurden vierzehn von ihnen lebendig verbrannt, während sechszehn ihren Glauben öffentlich abschwuren und an dem Marterpfahl [nur] erdrosselt wurden. Unter den Hingerichteten befanden sich ... mehrere adelige Damen. ... Am 8. Oktober desselben Jahres neues Auto [de fé] in Valladolid ...; der König, sein junger Sohn Carlos, der ganze Hof, Hunderttausende wohnten den letzten Qualen der Unglücklichen wie einem erhebenden Schauspiele bei.
Will sagen: Dass es überhaupt Protestanten dort gegeben hatte, mag Philipp gegen diesen Ort eingenommen haben.


[1] History of the reign of Philip the second king of Spain, London 1857, Vol. 1, S. 243
[2] Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II,, Liz. Frankfurt 1992, Dritter Band, S. 82
[3] Westeuropa im Zeitalter von Philipp II., Elisabeth und Heinrich IV. [Teilband 2], Berlin 1882, S. 82 (Allgemeine Geschichte in Einzelsdarstellungen, Hg. W. Oncken, Dritte Hauptabteilung, Zweiter Theil)
 
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Die Karte von Menéndez Pidal, Los caminos en la historia de España, 1951, die auch Braudel, Méditerranée, t.1, 9. Aufl. Paris: A.Colin 1990, S. 341 bringt, zeigt, dass Madrid von den wichtigsten Hauptverkehrsachsen eingeschlossen wurde, ohne direkt an ihnen zu liegen, was strategisch vorteilhaft gewesen sein dürfte. Hinzu kommt, dass Madrid zentral liegt und dadurch sowohl vor einer Land- als auch Seeinvasion als sicher gegolten haben sollte.
 
Zur Fernrohrgeschichte: Mal abgesehen davon, dass dieses zu Philipps II. Zeiten noch nicht erfunden war, liegt El Escorial in einer Art Kessel in der Abhängen der Sierra de Guadarrama. Zudem liegt noch ein kleiner Höhenzug zwischem dem Escorial und Madrid, was es very unlikely macht, dass der Escorial von Altmadrid zu sehen war. Was ich bestätigen kann, ist, dass man die modernen Banktürme, die bis 2008 in Madrid gebaut wurden, vom Escorial aus sehen kann.

Die katholische Kirche, die Philipp II. durch eine Ehe mit der Protestantin Elisabeth zu brüskieren bereit gewesen wäre,
Darum ging es nicht. Es war eher eine Versuch der katholischen Restauration in England, der von Elizabeth zurückgewiesen wurde. Obwohl Philipp wohl mit seiner Frömmelei ein guter Protestant gewesen wäre...

Hinzu kommt, dass Madrid zentral liegt und dadurch sowohl vor einer Land- als auch Seeinvasion als sicher gegolten haben sollte.
Und diese Vorzüge hatten Toledo, Burgos oder Valladolid nicht? Tut mir leid, aber das Argument ist unplausibel.

Vielleicht gibt es Hinweise aus der Ära Philipps III? Dieser verlegte ja die Residenz wieder nach Vallodolid bevor er den Hof 1605 nach Madrid zurückbrachte.
Dass der Hof nach Valadolid verlegt wurde, lag an einem der Günstlinge Philipps III., der mit ihm auch zusammmen aufgewachsen war. Dieser überredete den König zur Hofverlegung, um den Einfluss der Königsmutter zurückzufahren und bereicherte sich nebenbei selbst an der Hofverlegung, er hatte nämlich in Valladolid zuvor Ländereien erworben, die er nun verpachtete oder verkaufte und so Gewinne machte.
 
Dass der Hof nach Valadolid verlegt wurde, lag an einem der Günstlinge Philipps III., der mit ihm auch zusammmen aufgewachsen war. Dieser überredete den König zur Hofverlegung, um den Einfluss der Königsmutter zurückzufahren und bereicherte sich nebenbei selbst an der Hofverlegung, er hatte nämlich in Valladolid zuvor Ländereien erworben, die er nun verpachtete oder verkaufte und so Gewinne machte.

Das war wohl Francisco de Sandoval y Rojas, I duque de Lerma. Aber alle Macht hat einmal ein Ende. Und so mußte sich Lerma nach ständigen Intrigen seines eigenen Sohnes geschlagen geben. Philipp III. der sein Leben zwischen Festen und Gebeten verbrachte blieb still und passiv zwang aber Lerma am Ende den Hof am 4. Oktober 1618 zu verlassen. Dieser hatte das wohl geahnt und überzeugte Papst Paul V. schon im März 1618 ihn zum Kardinal zu machen. Er zog sich in seinen Palast von Lerma zurück.

Als dem sterbenden Philipp III. eine Liste von Gefangenen und Exilierten präsentiert wurde um ihnen zu vergeben, ließ er Gnade walten für alle außer Kardinal Lerma.

Unter der Herrschaft von Philipp IV., die 1621 begann, wurde Lerma um eine Teil seines Vermögens gebracht. Der Kardinal wurde am 2. August 1624 dazu verurteilt dem Staat über eine Million Dukaten zurückzugeben. Lerma starb 1625 in Valadolid. - Sicher nicht in Armut.
 
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Genau der war es und in Lerma steht auch eine kleine "Kopie" des Escorial, also ein Herzogspalast, der dem Escorial architektoisch nachempfunden, aber viel kleiner ist. Gestern fiel mir einfach der Name nicht ein.
 
Zur Fernrohrgeschichte: Mal abgesehen davon, dass dieses zu Philipps II. Zeiten noch nicht erfunden war, liegt El Escorial in einer Art Kessel in der Abhängen der Sierra de Guadarrama. Zudem liegt noch ein kleiner Höhenzug zwischem dem Escorial und Madrid, was es very unlikely macht, dass der Escorial von Altmadrid zu sehen war. Was ich bestätigen kann, ist, dass man die modernen Banktürme, die bis 2008 in Madrid gebaut wurden, vom Escorial aus sehen kann.


Darum ging es nicht. Es war eher eine Versuch der katholischen Restauration in England, der von Elizabeth zurückgewiesen wurde. Obwohl Philipp wohl mit seiner Frömmelei ein guter Protestant gewesen wäre...


Und diese Vorzüge hatten Toledo, Burgos oder Valladolid nicht? Tut mir leid, aber das Argument ist unplausibel.

Madrid ist, bevor es Philipp II zur Hauptstadt gemacht hatte, offenbar ein richtiges Kaff gewesen. Jedenfalls besass es nicht einmal das Stadtrecht.
Deshalb nehme ich auch an, dass Philipp das Dorf, abgesehen von seiner relativen Nähe zum späteren Escorial, gerade aus diesem Grund zur Hauptstadt gemacht hat. Da Madrid so unbedeutend war, dürfte es dort auch keinen grösseren Lokaladel gegeben haben, mit dem er sich hätte herumärgern müssen. Aus solcherlei Gründen soll jedenfalls bereits der wittelsbachische Herzog von Bayern-Landshut das vergleichsweise unbedeutende Burghausen zu seiner Residenz gemacht haben.
Zudem meine ich mal gelesen oder gehört zu haben, dass die Region bereits vorher ein von Philipp favorisiertes Jagdgebiet gewesen sei. Angeblich soll Madrid im Mittelalter grüner gewesen sein als heute.
 
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Und diese Vorzüge hatten Toledo, Burgos oder Valladolid nicht? Tut mir leid, aber das Argument ist unplausibel.

Doch, natürlich hatten diese Städte die gleichen Vorzüge. Ich will Dir auch kein letztgültiges Argument liefern, sondern nur einen Mosaikstein zu Deiner Frage beitragen. Dazu gehört mE die geograph Lage von Madrid. Klimat Argument, schwierig, Madrid ist heiß im Sommer u kalt im Winter
 
Madrid ist, bevor es Philipp II zur Hauptstadt gemacht hatte, offenbar ein richtiges Kaff gewesen. Jedenfalls besass es nicht einmal das Stadtrecht.
Da bin ich mir jetzt nicht sicher, m.E. gab es ein Fuero, alsod die spanische Variante des Stadtrechtes (das spanische Wort fuero ist eine semanstisch verschobene Ableitung von forum)

Deshalb nehme ich auch an, dass Philipp das Dorf, abgesehen von seiner relativen Nähe zum späteren Escorial, gerade aus diesem Grund zur Hauptstadt gemacht hat. Da Madrid so unbedeutend war, dürfte es dort auch keinen grösseren Lokaladel gegeben haben, mit dem er sich hätte herumärgern müssen.
Auch das halte ich für eher unplausibel und wenn ich das richtig sehe, entsprecht das auch nicht der Gründunsgchronologie: Erst Madrid als HS, dann Baubeginn des Klosterpalastes San Lorenzo.
Beide Orte, El Escorial wie auch Madrid, waren ja präexsistent.

Zudem meine ich mal gelesen oder gehört zu haben, dass die Region bereits vorher ein von Philipp favorisiertes Jagdgebiet gewesen sei. Angeblich soll Madrid im Mittelalter grüner gewesen sein als heute.
Man ist bereits in der Madrider Eben bei gut 800 m NN, dann gibt es dort die bebuschte Sierra de Guadarrama und natürlich die Flusstäler des Guadarrama, des Manzanares und des Jarama.
Die Landschaft zw. Madrid und der Sierra de Guadarrama ist, so nicht modern zersiedelt, parkähnlich.
Madrid ist heiß im Sommer u kalt im Winter
...und i.d.R. ziemlich trocken.
 
Madrid ist, bevor es Philipp II zur Hauptstadt gemacht hatte, offenbar ein richtiges Kaff gewesen. Jedenfalls besass es nicht einmal das Stadtrecht.

Begriffe wie Stadt oder Kaff kann man nicht ohne Weiteres auf Spanien vor 500-700 Jahren anwenden. Zu dem schon erwähnten "Munizipalrecht", das aufgrund des Fuero real 1262 verliehen wurde, müsste man wohl die spanischen Quellen bemühen (vielleicht ausgehend von https://es.wikipedia.org/wiki/Fuero_de_Madrid).

... wird von einem Anstieg der Bevölkerung von 9000 in 1561 bis 85000 in 1598 berichtet.
Guter Hinweis!

Was die Bevölkerungszahlen betrifft: Volkszählungen gab es kaum; viele Historiker helfen sich, indem sie die Zahl der Häuser/Haushalte (vecinos) hochrechnen.

Von daher nimmt es nicht wunder, dass z.B. Braudel (II, 87, unter Verweis auf Gonzales 1829) ganz andere Zahlen für die "Region Madrid" liefert: 1541: 13.312, 1591: 31.932. Die meisten Einwohner hatten hiernach (1591) die Regionen Salamanca (176.708), Toledo (147.549) und Zamora (146.021).
 
Madrid ist, bevor es Philipp II zur Hauptstadt gemacht hatte, offenbar ein richtiges Kaff gewesen. Jedenfalls besass es nicht einmal das Stadtrecht.
Deshalb nehme ich auch an, dass Philipp das Dorf, abgesehen von seiner relativen Nähe zum späteren Escorial, gerade aus diesem Grund zur Hauptstadt gemacht hat. Da Madrid so unbedeutend war, dürfte es dort auch keinen grösseren Lokaladel gegeben haben, mit dem er sich hätte herumärgern müssen. ...

Ganz so kann es nicht gewesen sein. Madrid beteiligte sich an dem Aufstand der Comunidades und stellte einen Kontigent der Stadtmiliz die an den Kämpfen teilnahm. Neben Toledo war es eine der letzten Städte die nach der Schlacht von Villalar capitulierten.
 
Ganz so kann es nicht gewesen sein. Madrid beteiligte sich an dem Aufstand der Comunidades und stellte einen Kontigent der Stadtmiliz die an den Kämpfen teilnahm. Neben Toledo war es eine der letzten Städte die nach der Schlacht von Villalar capitulierten.

Ihr scheint recht damit zu haben, dass Madrid nicht unbedingt ein Kaff gewesen ist (ich hatte das, wie auch das mit dem Stadtrecht, in einer Biographie von Philipp II glesen). Dies scheint jetzt aber nicht zu stimmen. Offensichtlich hatte Madrid sogar bereits zur maurischen Zeit eine Stadtmauer, konnte sich aber mit Toledo oder Guadalajara dennoch nicht messen. Gemäss dieser kleinen Beschreibung der Statdentwicklung ist Madrid aber tatsächlich kein Dorf gewesen.
MADRID HISTÓRICO - Historia

Warum Madrid zur Hauptstadt wurde ist also nach wie vor offen. Das mit der "zentralen Lage" glaube ich nicht, denn Toledo ist auch zentral.
 
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Warum Madrid zur Hauptstadt wurde ist also nach wie vor offen. Das mit der "zentralen Lage" glaube ich nicht, denn Toledo ist auch zentral.

Was brachte Philipp II. auf die Idee des Escorial. Seine Zeit wurde als "Goldenes Jahrhundert" bezeichnet, sein religiöser Fanatismus schrieb „Schwarze Legenden“ und 1557 erlebte den ersten Bankrott der Finanzen. 1557 aber auch entstand die Idee des Escorial als Denkmal für den Sieg 1557 über den König von Frankreich Henri II. Dieser mußte schon als junger Mann mit seinem Bruder 1526 als Geisel in Madrid zurückgelassen werden von seinem Vater Francois I. dem Charles Quint (Karl V.) zugesagt. Und die Tochter dieses Henri II., Isabelle de Valois, wird später Gattin des Philipp II. und genießt das gute Klima Madrids. 1559 entwickelt Philipp II. mit dem Architekten Juan Bautista de Toledo das Projekt Escorial. 1563 ist Baubeginn und 21 Jahre später ist das Ensemble errichtet. Noch 14 Jahre lang kann Philipp II. darin regieren. Das Gebäude, 224 x 153 Meter, hätte unmöglich in Madrid Platz gefunden. Nur ein Verrückter wie Causescu läßt für einen Palast von 275 x 235 Metern die Häuser von 40000 Einwohnern in Bukarest plattmachen.

Die Hauptsache war das Escorial - eine Hauptstadt Madrid hat sich dann sicher zwangsläufig ergeben.
 
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