Die Neolithische Revolution in Europa - Wie und warum?

Die Ansicht, die neolithische Kultur sei von Anatolien aus nach Europa gelangt, vertritt Dr. Bott schon seit Jahren, wobei das Ursprungsgebiet dieser Kultur auch den nördlichen Bereich des Fruchtbaren Halbmondes (Zagros-Gebirge) einschließt.

Über die Frage des "Gelangens" diskutierten archäologisch-paläologische Expertenkreise seit vielen Jahrzehnten, Humangenetiker seit 20 Jahren, ebenso wie Kreise außerhalb dieser Expertise wie Kunsthistoriker, Journalisten oder Theologen. Welcher Theorie die sich mit welcher Begründung anschlossen, war für die Forschungsdiskussion ohne Belang.

Theorien gab es viele, indigene lokale Modelle, demic oder cultural diffusion, Migrations- oder Expansions- und sogar Kolonialmodelle.

In dem verlinkten Aufsatz geht es auch nicht um Spekulationen über Kulturtransfer, sondern um das Modell der Neolithic Demographic Transition (NDT), und dazu humangenetische Nachweise eines zuvor spekulativen demographic shift, seiner Zeitpunkte und seiner Intensität.

Einige Hinweise zur Forschungsgeschichte findest Du zB in:

Bocquet-Appel/Bar-Yosef, The NDT and its Consequences
Perlès, The Early Neolithic in Greece
oder "The Origins of Agriculture" in Pinhasi/Stock, Bioarchaeology of the Transition to Agriculture, mit den wesentlichen Exponenten der verschiedenen Theorien, so u.a. auch den indigenen Modellen der Transformation zu unterschiedlichen Zeiten in der ersten Hälfte des Holozäns (Smith 1998, Diamond 2002, Bellwood 2005).
 
Ich zitiere aus Botts von mir ins Englische übersetzten Essay "The Origin of Patriarchy and Warfare in the Neolithic" (Titelgebung von mir), ausführlicher nachzulesen bei:

(Anm: Link und Zitat hier aus Gründen der Barmherzigkeit entfernt, da die Lektüre zweier Absätze bereits mittelschwere gesundheitliche Folgen zeitigen kann.... )

Warum zitierst du die englische Fassung, wenn der Text auch im deutschen Original zur Verfügung steht? Sofern es dir dabei nur um Eigenwerbung geht, wäre das zwar eine Erklärung, allerdings ist die Lektüre der - äh: Übersetzung nicht anzuraten. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, daß die Originalversion in derselben Weise und in ähnlichem Ausmaß Schwurbelprosa mit grammatikalischen Ausgleitern beinhaltet wie die beiden eingestellten Absätze der Übersetzung. So etwas Lesern allen Ernstes zuzumuten grenzt an vorsätzliche Körperverletzung.
 
Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, daß die Originalversion in derselben Weise und in ähnlichem Ausmaß Schwurbelprosa mit grammatikalischen Ausgleitern beinhaltet wie die beiden eingestellten Absätze der Übersetzung.

Ich fürchte, der Orginaltext von Bott ist nicht viel besser.

Bei den oben genannten einschlägigen Fachrichtungen findet das theologisch angehauchte Geschwurbel des Laien Bott, was man so findet, ohnehin keine Resonanz.
 
Ist das derselbe?

Chan geht es vermutlich weniger um solche "fundierten" Statements zur NDT oder neolithischen Revolution (eines Bott), als vielmehr um seinen weltanschaulichen Dauerbrenner und die Kernbotschaft von der Muttergottheit, Patriarchat und den Wurzeln des Krieges. Daher auch die wiederholte platte Werbung.

Leider werden die zahlreichen Hinweise auf seriöse Forschungsliteratur, wenn man schon an solchen Themen ernsthaft interessiert ist, beständig ignoriert. Im Internet kann man sich dafür an jedem beliebigen Müll bedienen. Das ist halt ein Problem der heutigen Zeit.
 
Ich fürchte, der Orginaltext von Bott ist nicht viel besser.

Nachdem Sepiola gestern die beiden Beiträge verlinkt hat (Dankeschön, du hast meinem alten Mützenständer ordentlich auf die Füße geholfen!), habe ich auch die Seite des Dr. gen. jur. Bott aufgesucht. Ich fürchte, ich muß dir widersprechen, silesia: Bott schwurbelt 'nur' inhaltlich. Der Sprachstilschwurbel sowie die grammatischen und sonstigen sprachlichen Verweigerungen vorm Doppeloxer mit anschließendem Badengehen in Pulvermanns Grab gehen à conto des Übersetzers.
 
Bei den oben genannten einschlägigen Fachrichtungen findet das theologisch angehauchte Geschwurbel des Laien Bott, was man so findet, ohnehin keine Resonanz.

Insgesamt 150 Downloads der drei englischsprachigen Texte aus allen Ecken des Globus (die meisten aus den USA, darunter Professoren und Doktoren) zeigen, dass zum einen ein intensives Interesse an ihren Inhalten besteht und zum andern die sprachliche Darstellung ausreichend ist, wenn auch sicher nicht perfekt. Der Autor hat auch in Europa Befürworter in der arrivierten Historikerszene, darunter Harald Haarmann und ein weltbekannter Sumerologe (einer der bekanntesten überhaupt), den ich jetzt nicht namentlich nennen möchte, da er mir (ungefragt) seine Zustimmung zu Botts Thesen privat per Email mitgeteilt hat.

Natürlich war eine Negativreaktion seitens des Forum-Teams absolut vorhersehbar. Ich nehme sie entsprechend gelassen und auch ein bisschen amüsiert auf.

... als vielmehr um seinen weltanschaulichen Dauerbrenner und die Kernbotschaft von der Muttergottheit, Patriarchat und den Wurzeln des Krieges.

Du sagst: "weltanschaulicher Dauerbrenner". Ich nenne das: "Korrekturen an einem patriarchalisch geklitterten Geschichtsbild".
 
Wie oft ich schon was aufgrund eines vielversprechendes Titels runtergeladen oder ein Buch aus dem Bibliotheksregal gezogen habe, um erst später zu merken, dass ich es nicht brauchte oder es Schrott war - das also ist kein Qualitätsargument.

Natürlich war eine Negativreaktion seitens des Forum-Teams absolut vorhersehbar.
So gesehen wärest du ein Teil des Teams. Aber es ist schon klar, dass du dich gegen Widerspruch zu immunisieren versuchst.
 
Nach dem Bott-Geschwurbel wieder zurück zum Thema.

Eine neue Untersuchung zu Irland, die dort den genetischen Nachweis neolithischer (kleinasiatischer) und bronzezeitlicher ("Steppenvölker") Einträge in den Genpool für erbracht hält, also hier von mehreren (mindestens zwei) Wellen ausgeht:

"Modern Europe has been shaped by two episodes in pre- history, the advent of agriculture and later metallurgy. These innovations brought not only massive cultural change but also, in certain parts of the continent, a change in genetic structure. The manner in which these transitions affected the islands of Ireland and Britain on the northwestern edge of the continent remains the subject of debate. The first ancient whole genomes from Ireland, including two at high coverage, demonstrate that large-scale genetic shifts accompanied both transitions. We also observe a strong signal of continuity between modern day Irish populations and the Bronze Age individuals, one of whom is a carrier for the C282Y hemochromatosis mutation, which has its highest frequencies in Ireland today."

Neolithic and Bronze Age migration to Ireland and establishment of the insular Atlantic genome. - PubMed - NCBI
 
Eine aktuelle Publikation befasst sich mit der Frage, wie sich die Ausbreitung und Übernahme neuer Techniken der s.g. Neolithischen Revolution auf die Sterblichkeitsraten und Krankheiten ausgewirkt haben, die eigentlich konträr zu der verbesserten Ernährungslage und dem Bevölkerungsanstieg stehen.

Die Verfasser gehen offenbar davon aus, nun einen empirischen Nachweis für die Adaption gefunden und sozusagen die Mechanik der Übernahme und Ausbreitung erklärt zu haben, da die Studie die langsame Veränderung von Sterblichkeiten und Bevölkerungsanstieg bei einer ursprünglichen Jäger/Sammler-Gruppe darstellt.

Reproductive trade-offs in extant hunter-gatherers suggest adaptive mechanism for the Neolithic expansion
 
Während die Richtung Levante/Ägäis-Europa nun klar scheint, ist die entgegengesetzte Richtung nach Osten offenbar rätselhaft.

Jedenfalls scheint die neolithische Revolution Richtung Südostasien und Steppe/spätere Yamnaya - jedenfalls anhand der genetischen Analysen - auf einer separaten Entwicklung zu beruhen:

Abstract:
We sequenced Early Neolithic genomes from the Zagros region of Iran (eastern Fertile Crescent), where some of the earliest evidence for farming is found, and identify a previously uncharacterized population that is neither ancestral to the first European farmers nor has contributed significantly to the ancestry of modern Europeans. These people are estimated to have separated from Early Neolithic farmers in Anatolia some 46-77,000 years ago and show affinities to modern day Pakistani and Afghan populations, but particularly to Iranian Zoroastrians. We conclude that multiple, genetically differentiated hunter-gatherer populations adopted farming in SW-Asia, that components of pre-Neolithic population structure were preserved as farming spread into neighboring regions, and that the Zagros region was the cradle of eastward expansion.

Und aus dem Text:

"The Neolithic transition in SW-Asia involved the appearance of different domestic species, particularly crops, in different parts of the Neolithic core zone, with no single center. Early evidence of plant cultivation and goat management between the 10th and the 8th millennium BCE highlight the Zagros as a key region in the Neolithisation process.

Given the evidence of domestic species movement from East to West across SW-Asia, it is surprising that EN human genomes from the Zagros are not closely related to those from NW-Anatolia and Europe. Instead they represent a previously undescribed Neolithic population.

Our data show that the chain of Neolithic migration into Europe does not reach back to the eastern Fertile Crescent, also raising questions about whether intermediate populations in southeastern and Central Anatolia form part of this expansion. On the other hand, it seems probable that the Zagros region was the source of an eastern expansion of the SW-Asian domestic plant and animal economy. Our inferred persistence of ancient Zagros genetic components in modern day S-Asians lends weight to a strong demic component to this expansion."

Broushaki et. al., Early Neolithic genomes from the eastern Fertile Crescent
Early Neolithic genomes from the eastern Fertile Crescent | Science
 
Der von Silesia verlinkte Artikel besagt, dass es im frühen Neolithikum im fruchtbaren Halbmond unterschiedliche, nicht näher verwandte Bevölkerungen gab, die sich der landwirtschaftlichen Lebensweise zuwandten. Das ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass sich der fruchtbare Halbmond von der Levante über Anatolien bis in den Iran erstreckt. So wie die anatolischen Bauern Europa besiedelten, und es eine levantische Migration nach Afrika gab, so breiteten sich die untersuchten frühen Bauern aus dem Zagros-Gebirge (Iran) am östlichen Rand des fruchtbaren Halbmonds östlich und südöstlich bis nach Südasien (Indien) aus.

Interessant ist die Feststellung, dass es nach dem Neolithikum eine Homogenisierung innerhalb der Bevölkerung im fruchtbaren Halbmond und möglicherweise einen Einfluss aus der Steppe gab, während der neolithische Einfluss auf die pre-Jamnaja Steppebevölkerung nicht aus der untersuchten Bevölkerung aus dem Zagros-Gebirge stammt.
 
Vielen Dank!

Ich würde noch einen weiteren Aspekt hinzufügen: nicht die levantinischen Bauern breiteten sich in diesem Fall aus, sondern die Kulturtechnik Landwirtschaft durch Transfer des Wissens.

Die jetzt identifizierte Population spaltete sich vor der neolithischen Revolution ab und zeigt keine Durchmischung wg. Migration.

We sequenced Early Neolithic genomes from the Zagros region of Iran (eastern Fertile Crescent), where some of the earliest evidence for farming is found, and identify a previously uncharacterized population that is neither ancestral to the first European farmers nor has contributed significantly to the ancestry of modern Europeans. These people are estimated to have separated from Early Neolithic farmers in Anatolia some 46-77,000 years ago and show affinities to modern day Pakistani and Afghan populations, but particularly to Iranian Zoroastrians. We conclude that multiple, genetically differentiated hunter- gatherer populations adopted farming in SW-Asia, that components of pre-Neolithic population structure were preserved as farming spread into neighboring regions, and that the Zagros region was the cradle of eastward expansion.

Das legt jedenfalls die Radiobarbon-Untersuchung nahe, die die landwirtschaftlichen Nahrungsbestandteile und die neolithische Revolution belegt, ohne dass genetisch eine Vermischung nachgewiesen ist.

Dieser Transferweg könnte auch die pre-Yamnaya-Population über den Kaukasus/Schwarzmeerküste erreicht haben, da es keine genetische Verbindung gibt.
 
Ich finde, das die Kernaussage Botts dadurch untermauert wird.

Wenn sich aus dem Zagros Bauern auf den Weg nach Norden und Nordwesten gemacht haben und dann in Steppengebieten zu Hirtennomaden mit patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen wurden, dort das Pferd domestiziert und der Wagen erfunden wurde, erscheint mir die These Botts nicht mehr so abwegig. Und wenn diese patriarschalischen Krieger-Reiter-Nomaden dann nach SO- und Westeuropa einfallen, so haben die hiesigen, seßhaften und eher unkriegerischen Ackerbauern ihnen militärisch nicht viel entgegenzusetzen.

Ich will nicht behaupten, das alles, was Herr Bott schreibt, so richtig ist, aber gewisse Dinge scheinen mir auch nicht falsch zu sein.
 
Ich finde, das die Kernaussage Botts dadurch untermauert wird.

Wenn sich aus dem Zagros Bauern auf den Weg nach Norden und Nordwesten gemacht haben und dann in Steppengebieten zu Hirtennomaden mit patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen wurden, dort das Pferd domestiziert und der Wagen erfunden wurde, erscheint mir die These Botts nicht mehr so abwegig.

Mich überzeugt das nicht.
Warum sollten vorderasiatische Bauern, die sich auf der Suche nach neuem Ackerkand ausbreiten, in die Steppen Südrusslands ziehen, um dort zu Steppenreitern zu mutieren?

Die frühen Ackerbauern haben Richtung Westen immer neues Land in Besitz genommen und sich über Anatolien und den Balkan in Europa ausgebreitet. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, aber immer noch die glaubhafteste Erklärung zur Neolithisirung Europas. Mit den Steppenbewohnern zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer und ihrer hypothetischen Ausbreitung hat das meines Erachtens nichts zu tun. Es handelt sich um zwei chronologisch, geografisch und ethnografisch völlig unterschiedliche Komplexe. Kulturelle Anregungen sind freilich nicht auszuschließen, worauf die frühbronzezeitliche Maikop-Kultur hindeuten könnte..
 
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