Die Papias-Fragmente

So wie Du es schreibst, ist es halt falsch. Oder zumindest sehr missverständlich (ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt...)

Missverständlich leider ja, falsch aber nicht, wenn man es richtig versteht. Zahn stärkte, wie ich mit ein paar Andeutungen gezeigt habe, ganz entschieden und sehr engagiert die konservative katholische Position in der theologischen Forschung des 19. Jahrhunderts gegen die historisch-kritische Strömung im Protestantismus. Das zeigt auch seine Papias-Exegese, in der Papias als Schüler des Apostels Johannes gilt, was exakt dem konservativ-katholischen Papias-Bild des Joseph Ratzinger aka Ex-Benedikt XVI. entspricht.

Es gibt für die katholische Kirche also keinen Papias-Exegeten, der ihre Position besser vertritt als Theodor Zahn.

Von daher ist meine Formulierung, wenn auch missverständlich, absolut gerechtfertigt.

Natürlich kannst du dagegen wieder protestieren, ich schlage aber vor, aus diesem Punkt keinen Dauerbrenner zu machen, der von viel wichtigeren Einzelthemen ablenkt.
 
Das zeigt auch seine Papias-Exegese, in der Papias als Schüler des Apostels Johannes gilt, was exakt dem konservativ-katholischen Papias-Bild des Joseph Ratzinger aka Ex-Benedikt XVI. entspricht.

Ratzinger habe ich nicht gelesen, aber laut dieser Rezension sagt Ratzinger das Gegenteil: Der Apostel Johannes und der Presbyter Johannes seien zwei Personen, der zweite sei ein Schüler des ersten gewesen:

"Dabei greift er wie andere konservative Exegeten zu dem Modell, der bei Papias erwähnte ‚Presbyter Johannes‘ (vgl. 2/3 Joh) sei Schüler des gleichnamigen Apostels und Zebedäussohns gewesen."


Falls der Rezensent hier Mist erzählen sollte, bitte ich um Lieferung der entsprechenden Ratzinger-Zitate.
 
Der protestantische Theologe Wilhelm Weiffenbach wendet sich in seinem Buch „Das Papias-Fragment bei Eusebius“ (1874, acht Jahre nach Zahns Papias-Analyse) entschieden gegen Zahns Behauptung, die beiden Johannesse in HE 3.39.4 seien ein- und diesselbe Persönlichkeit. Um Papias als Schüler des Apostel Johannes darzustellen, hat Zahn eine separate Identität des "Presbyter Johannes" - wie von mir schon ausgeführt - negieren müssen. Als exegetischen "Vorläufer" Zahns (Weiff. S. 2) nennt Weiffenbach den katholischen Papias-Exegeten Moritz von Aberle, der in den ´Beiträgen zur neutestamentlichen Einleitung´ 1864 schrieb, dass "viel Verblendung dazu gehört, aus den (...) Worten des Papias herauszulesen, dass dieser nicht ein Schüler des Johannes gewesen" (zit. n. Weiff. S. 2).

Wie wichtig es für eine Papias-Exegese ist, sich am Originaltext zu orientieren statt an einer Übersetzung, die oft eine irreführende Interpretation sein kann, wird an folgender Diskussion um die Bedeutung des Wörtchens ´kai´ im ersten Satz des Absatzes HE 3.39.3 deutlich:

Οκ κνήσω δέ σο κασα ποτ παρ τν πρεσβυτέρων καλς μαθον κα καλς μνημόνευσα συγκατατάξαι τας ρμηνείαις, διαβεβαιούμενος πρ ατν λήθειαν .

Ich zögere aber nicht, für dich auch das, was ich von den Presbytern genau erfahren und genau im Gedächtnis behalten habe, mit den Erklärungen zu verbinden, mich verbürgend für dessen Wahrheit.

´kai´ (κα) kann u.a. bedeuten: und, also, sogar, für, wenn, dass, darum, weil, jedoch. Als ´kai...kai´ kann es für ´einerseits...andererseits´ bzw. ´sowohl...als auch´ stehen.

Zahn interpretiert das ´kai´ als "auch" (so wie in obiger Übersetzung) und folgert daraus, dass Papias auf diese Weise auf eine in seinem Werk zuvor genannte schriftliche Quelle Bezug nimmt, zu der "auch" eine mündliche Quelle hinzutritt, und zwar die mündlichen Mitteilungen der Presbyter, die Papias "genau im Gedächtnis behalten" hat. Jene schriftliche Quelle sind für Zahn schriftlich festgehaltene Herrenworte in den Evangelien (Zahn S. 670). Auch der Zahn nahestehende Exeget Riggenbach konstruiert aus einem so verstandenen "auch", dass Papias sein Wissen über ´Herrenworte´ primär aus den Evangelien bezogen hat, was für Weiffenbach eine "rücksichtslose Ausbeutung" des ´kai´ darstellt (S. 18).

Weiffenbach interpretiert das ´kai´ ganz anders. Für ihn hat es die Bedeutung ´einerseits´ bzw. ´sowohl´ in Verbindung mit dem zweiten ´kai´ im ersten Satz des folgenden Absatzes 3.39.4:

ε δέ που κα παρηκολουθηκώς τις τος πρεσβυτέροις λθοι (...)

Wenn aber irgendwo jemand, der den Presbytern nachgefolgt war, kam (...)

(die dt. Übersetzung lässt das ´kai´ weg, weil es an dieser Stelle vom Übersetzer wohl als überflüssiges Füllwort ´dann, also´ verstanden wird)

Dieses zweite ´kai´ in 3.39.4 ergänzt, so Weiffenbach, das erste ´kai´ = ´einerseits/sowohl´ in Absatz 3 als ein ´andererseits/als auch´. In dieser Sicht bringt die ´kai...kai´-Klammer ganz schlicht zum Ausdruck, dass Papias einerseits die Presbyter und andererseits die ´Nachfolgenden` (Hörer, Schüler) der Presbyter als Informationsquelle genutzt hat. Das macht Zahn´sche und Riggenbach´sche Spekulationen über eine im Eusebius-Papias-Fragment ungenannte schriftliche (und eventuell primäre) Quelle, die ihm vorgelegen haben soll, obsolet.

Man sieht, wie viel an dem kleinen ´kai´ hängen kann, nämlich die religionswissenschaftlich hochrelevante Behauptung, Papias habe unmittelbar aus den Evangelien geschöpft - ´hochrelevant´ insofern, als die Existenz der (kanonischen) Evangelien zum Zeitpunkt der Niederschrift des Papias-Werks (ca. 140) bisher historisch nicht nachgewiesen ist.

Zahn hat unter den papianischen ´Presbytern´ Apostel bzw. Herrenjünger verstanden und durch Identifizierung von Apostel und Presbyter Johannes ein Schüler- oder Hörerverhältnis des Papias zu Johannes behauptet.

Weiffenbach dagegen sieht, wie in diesem Thread von mir bereits erwähnt, die ´Presbyter´ als Gemeindeälteste und Apostelschüler in Personalunion. Um ihre Behauptung, die Presbyter seien Apostel, zu belegen, müssten die entsprechenden Exegeten, so Weiffenbach, drei Bedingungen verifizieren:

(1) dass ´Presbyter´ überhaupt ´Apostel´ bedeuten könne, (2) dass es zur Papias-Zeit Usus gewesen sei, die Apostel auch ´Presbyter´ zu nennen, (3) dass das Fragment diese Deutung erfordert oder zumindest nahelegt.

Zu (1):
Weiffenbach: "Für die in Punkt 1 berührte Voraussetzung (...) beruft man sich wohl, aber mit Ungrund, auf 2 Joh 1; 3 Joh 1; 1 Petr 5,1" (S. 29). Für alle drei Briefe stellt er ihre Echtheit in Frage. Im letzteren sei die Selbstnennung als ´Mit-Presbyter´ ohnehin nur Ausdruck einer Höflichkeit des Petrus gegenüber den adressierten Presbytern (hier: Gemeindeältesten). Daraus könne man nicht folgern, dass sich alle Apostel ´Presbyter´ genannt haben. Aus der eventuell gleichfalls höflichkeits- oder bescheidenheitsbedingten Selbstnennung des Verfassers als ´der Presbyter´ in 2 und 3 Joh folgt für Weiffenbach nicht, dass - die zweifelhafte Echtheit der Briefe vorausgesetzt - auch andere Menschen den oder die Apostel als ´Presbyter´ bezeichnet hätten.

Zu (2):
Weiffenbach sieht keinen Beleg dafür, dass Apostel irgendwo ´Presbyter´ genannt werden. Er zitiert ein Argument des Exegeten Lützelberger (S. 30), dass es sinnlos sei, den Apostel Johannes ´der Presbyter´ zu nennen, wenn jeder Apostel ein Presbyter wäre. Zahns diesbezügliches Argument habe ich kürzlich dargestellt (als ´DER Presbyter´ wurde Johannes bezeichnet, um ihn aus allen anderen Aposteln=Presbytern hervorzuheben).

Zu (3):
Zahn deutet, wie kürzlich von mir ausgeführt, die Fragenkette "was hat Andreas und was hat Petrus usw. gesagt" als explikative Apposition zu den ´Worten/Berichten der Presbyter´, nach denen Papias sich erkundigt, woraus die Identität von Presbytern und Aposteln folgt. Weiffenbach dagegen interpretiert die Fragenkette als indirekten Fragesatz, woraus die Nicht-Identität von Presbytern und Aposteln folgt. Er begründet das mit aus Zahns Identifizierung sich ergebenden Ungereimtheiten.

Zunächst einmal "müsste man", so Weiffenbach, "dem alten apostolischen Vater einen wunderlichen Sprachgebrauch, ja eine wahre Virtuosität unklarer und vieldeutiger Ausdrucksweise imputiren" (S. 31 / imputiren = zuschreiben, beilegen). Zudem wäre es verwunderlich, wenn Papias dem in seiner Vorrede adressierten Freund die Apostolizität des ´Presbyters´ (dessen Worte er gehört hat) nicht durch die direkte Bezeichnung ´Apostel´, sondern nur durch den unklaren Ausdruck ´Presbyter´ kenntlich gemacht hätte. Ebenso verwunderlich wäre, dass Papias "die hochberühmten Apostel in der magna et ignota turba der Presbyter verschwinden lasse" (S. 32).

(magna et ignota turba = große und unbekannte Menge, also ´graue Masse´)

Auf S. 39 bezeichnet Weiffenbach seine Deutung der Presbyter als ´Gemeindevorsteher / Gemeindeälteste´ als "dem Wortlaute des Fragments am angemessensten" und mit der größten "Schärfe" an "allen vier Stellen unseres Bruchstücks, wo das Wort vorkommt".
 
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Das zeigt auch seine Papias-Exegese, in der Papias als Schüler des Apostels Johannes gilt, was exakt dem konservativ-katholischen Papias-Bild des Joseph Ratzinger aka Ex-Benedikt XVI. entspricht.

Es gibt für die katholische Kirche also keinen Papias-Exegeten, der ihre Position besser vertritt als Theodor Zahn.

Ratzinger habe ich nicht gelesen, aber laut dieser Rezension sagt Ratzinger das Gegenteil: Der Apostel Johannes und der Presbyter Johannes seien zwei Personen, der zweite sei ein Schüler des ersten gewesen:

"Dabei greift er wie andere konservative Exegeten zu dem Modell, der bei Papias erwähnte ‚Presbyter Johannes‘ (vgl. 2/3 Joh) sei Schüler des gleichnamigen Apostels und Zebedäussohns gewesen."


Falls der Rezensent hier Mist erzählen sollte, bitte ich um Lieferung der entsprechenden Ratzinger-Zitate.


Offensichtlich hast Du Ratzinger auch nicht gelesen. Jetzt habe ich das Buch vor mir und kann selber zitieren, was Ratzinger zu Papias, zum Apostel Johannes und zum Presbyter Johannes schreibt:

Eusebius berichtet uns von einem fünfbändigen Werk des ca. 120 gestorbenen Bischofs Papias von Hierapolis, der darin erwähnt habe, er habe die heiligen Apostel selbst nicht mehr gekannt oder gesehen, aber die Glaubenslehre von solchen empfangen, die den Aposteln nahegestanden hätten. Er spricht dabei von anderen, die ebenfalls Jünger des Herrn gewesen seien, und nennt die Namen Aristion und einen Presbyter Johannes. Wichtig ist nun, dass er zwischen dem Apostel und Evangelisten Johannes einerseits und dem Presbyter Johannes andererseits unterscheidet. Während er den Ersteren persönlich nicht mehr gekannt habe, sei er dem Letzteren selbst begegnet (Kirchengeschichte, III 39).

Diese Nachricht ist durchaus bemerkenswert; aus ihr und aus verwandten Indizien ergibt sich, dass in Ephesus so etwas wie eine Johannes-Schule bestand, die sich auf den Lieblingsjünger Jesu selbst zurückführte, in der aber dann ein "Presbyster Johannes" als die bestimmende Autorität waltete. Dieser "Presbyter" Johannes erscheint im Zweiten und im Dritten Johannes-Brief (jeweils 1,1) als Absender und Verfasser des Briefes schlicht unter dem Titel "der Presbyter" (ohne die Namensangabe Johannes). Er ist ganz offensichtlich mit dem Apostel nicht identisch, so dass wir hier im kanonischen Text ausdrücklich der geheimnisvollen Gestalt des Presbyters begegnen.

Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, Erster Teil (Freiburg - Basel - Wien 2007, S. 267f)

Ratzinger trennt also klar den Apostel Johannes vom Presbyter Johannes, die beiden seien nicht miteinander identisch, und Papias habe den Apostel Johannes nicht persönlich gekannt.

Es ist also nicht der Rezensent, der hier Mist erzählt.
 
Ratzinger bezieht sich u. a. auf den evangelischen Theologen Martin Hengel und sein 1993 in Tübingen erschienenes Buch "Die johanneische Frage".

Der evangelikale Theologe Armin Daniel Baum kritisiert hingegen Hengels Auffassungen und hält (unter Verwendung der Papias-Fragmente von Philippus Sidetes und Georgios Hamartolos) dagegen:

Es ist daher historisch unwahrscheinlich, daß es einen vom Apostel zu unterscheidenden Presbyter Johannes, der als Autor der Apokalypse oder gar des Evangeliums fungiert haben könnte, je gegeben hat.

(Papias und der Presbyter Johannes. Martin Hengel und die johanneische Frage. Jahrbuch für evangelikale Theologie 9, 1995, S. 37)

Der ebenfalls der konservativ-evangelikalen Richtung zuzuordnende Gerhard Maier hat sich in seinem Buch "Die Johannesoffenbarung und die Kirche" (Tübingen 1981) ähnlich positioniert:
Versucht man zu bilanzieren, dann ergibt sich ein deutliches Übergewicht für die Annahme, daß Papias nur einen Johannes kannte. Die alte Überlieferung, daß Papias dessen persönlicher Schüler war, bleibt unwiderlegt.

Die Evangelikalen halten also die stramm-katholische Fahne hoch, während Papst Benedikt zur protestantischen Richtung übergelaufen ist... :still:


https://de.wikipedia.org/wiki/Armin_Daniel_Baum
 
Der protestantische Theologe Wilhelm Weiffenbach wendet sich in seinem Buch „Das Papias-Fragment bei Eusebius“ (1874, acht Jahre nach Zahns Papias-Analyse) entschieden gegen Zahns Behauptung, die beiden Johannesse in HE 3.39.4 seien ein- und diesselbe Persönlichkeit. Um Papias als Schüler des Apostel Johannes darzustellen, hat Zahn eine separate Identität des "Presbyter Johannes" - wie von mir schon ausgeführt - negieren müssen. Als exegetischen "Vorläufer" Zahns (Weiff. S. 2) nennt Weiffenbach den katholischen Papias-Exegeten Moritz von Aberle, der in den ´Beiträgen zur neutestamentlichen Einleitung´ 1864 schrieb, dass "viel Verblendung dazu gehört, aus den (...) Worten des Papias herauszulesen, dass dieser nicht ein Schüler des Johannes gewesen" (zit. n. Weiff. S. 2).

Wie wichtig es für eine Papias-Exegese ist, sich am Originaltext zu orientieren statt an einer Übersetzung, die oft eine irreführende Interpretation sein kann, wird an folgender Diskussion um die Bedeutung des Wörtchens ´kai´ im ersten Satz des Absatzes HE 3.39.3 deutlich:

Οκ κνήσω δέ σο κασα ποτ παρ τν πρεσβυτέρων καλς μαθον κα καλς μνημόνευσα συγκατατάξαι τας ρμηνείαις, διαβεβαιούμενος πρ ατν λήθειαν .

Ich zögere aber nicht, für dich auch das, was ich von den Presbytern genau erfahren und genau im Gedächtnis behalten habe, mit den Erklärungen zu verbinden, mich verbürgend für dessen Wahrheit.

´kai´ (κα) kann u.a. bedeuten: und, also, sogar, für, wenn, dass, darum, weil, jedoch. Als ´kai...kai´ kann es für ´einerseits...andererseits´ bzw. ´sowohl...als auch´ stehen.

Die Berufung auf den "Originaltext" ist in diesem Zusammenhang für die Katz, da wir den Originaltext nicht in seinem ursprünglichen Zusammenhang kennen, sondern nur in den von Eusebius mitgeteilten Schnipseln.

Der zitierte Satz kann nicht der erste Satz aus Papias' Buch gewesen sein, d. h. es ging ihm ein kürzerer oder längerer Text voraus. Ohne den Satz zu kennen, der dem zierten Satz vorausging, lässt sich nicht beurteilen, worauf sich das Wörtchen "kai" bezieht.

Als Weiffenbach 1877 in seinem "Rückblick auf die neuesten Papias-Verhandlungen, mit besonderer Beziehung auf Leimbach" nochmals seine These verteidigte, ließ er durchblicken, auf welch dünnem Eis auch er sich bewegte:

"Nun gebe ich gerne zu, dass meine Fassung keine naheliegende ist, und, wenn auch ihre grammatische Ummöglichkeit nicht erwiesen scheint, doch an einer gewissen Härte leidet."
https://www.digizeitschriften.de/dm...sz:21-dt-11003|log00013&physid=phys00342#navi


Theo K. Heckel* hat den Satz folgendermaßen übersetzt:

"Ich werde (die Mühe) aber nicht scheuen, daß ich dir auch dazuordne in die Auslegungen, soviel (ich) einst bei den Presbytern gut gelernt und gut (ins Gedächtnis) brachte, indem (ich) deren Wahrheit befestige."

(Zur Übersetzung schreibt er: "Die Übersetzung versucht den Duktus des Originals erkennbar zu erhalten, auch wenn die deutsche Syntax darunter leidet. Im Deutschen notwendige Zusätze, die im Griechischen keine Entsprechung haben, sind in runden Klammern angeführt.")


* "Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium", Tübingen 1999.
Heckel widmet Papias ein komplettes Kapitel mit über 40 Seiten und den Unterabschnitten:
1. Papias als historische Quelle
2. Das Proömium des Papiaswerkes bei Eusebius
3. Der Zebedaide und der Presbyter Johannes
4. Papias und die johanneische Schule
 
Zahn, Weiffenbach, Körtner und Bligh sind nur ein kleiner, aber repräsentativer Ausschnitt, den hier "aufzurollen" ich für sinnvoll halte.

Würdest Du noch erläutern, warum Du gerade diesen Ausschnitt für repräsentativ hältst? Was sind Deine Kriterien - abgesehen davon, dass diese Schriften derzeit uneingeschränkt online lesbar sind?

Zahn (1866):
https://www.digizeitschriften.de/dms/img/?PID=urn:nbn:de:bsz:21-dt-7503|log00036

Weiffenbach (1874):
https://books.google.de/books?id=lW...ce=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Körtner (1983):
Digi20 | Band | Papias von Hierapolis / Körtner, Ulrich H. J.

Bligh (1952):
http://cdn.theologicalstudies.net/13/13.2/13.2.6.pdf

Ich nehme an, das ist der Bligh, den Du meinst?
Bei Körtner (Papiasfragmente, in: Schriften des Urchristentums 3, Darmstadt 1998) werden an die hundert Titel genannt, ein Bligh ist nicht dabei.

Auch in der umfangreichen Bibliographie bei Monte Allen Shanks, Papias and the New Testament, Eugene, OR, 2013 kommt Bligh nicht vor.
 
Würdest Du noch erläutern, warum Du gerade diesen Ausschnitt für repräsentativ hältst? Was sind Deine Kriterien - abgesehen davon, dass diese Schriften derzeit uneingeschränkt online lesbar sind?

Ohne jetzt in eine Debatte über den Begriff "repräsentativ" eintreten zu wollen (so wie zuvor über "katholische Exegese"), würde ich sagen, dass die Auswahl, insofern sie zwei konservative Pres.Joh.-Hypothesen (Pres.Joh. = Apostel) zwei ´liberalen´ Pres.Joh.-Hypothesen (Pres.Joh. = nicht Apostel) gegenüberstellt, repräsentativ ist. Für erstere stehen Zahn und Bligh, für letztere Weiffenbach und Körtner. Abgerundet wird die ´Repräsentativität´ dadurch, dass eine antithetische Gruppe das 19. Jh. vertritt (Zahn und Weiffenbach) und eine das 20. Jh. (Bligh und Körtner).

Auch in der umfangreichen Bibliographie bei Monte Allen Shanks, Papias and the New Testament, Eugene, OR, 2013 kommt Bligh nicht vor.

Vermutlich willst du damit begründen, dass Bligh es nicht wert sei, in eine repräsentative Auswahl aufgenommen zu werden. Wenn Shanks Liste objektiv als letzte Instanz in Fragen des wissenschaftlichen Werts von Papias-Exegeten gelten kann, dann hast du wohl recht. Andernfalls nicht. Der Jesuit Bligh war im 20. Jh. jedenfalls ein angesehener Theologe mit NT-Professur in Oxford, wo übrigens auch bis kürzlich mein Sohn studiert hat (jetzt 2 Doktortitel).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ratzinger trennt also klar den Apostel Johannes vom Presbyter Johannes, die beiden seien nicht miteinander identisch, und Papias habe den Apostel Johannes nicht persönlich gekannt.

Möglicherweise hat Ratzinger seine Meinung geändert; ich finde im Moment die Stelle nicht, wo ich eine anderslautende Meinung gelesen zu haben glaube. Das ändert aber nichts daran, dass die Identifizierung von Pres und Apo offiziell katholisch ist, wie ein Eintrag in der "Katholischen Enzyklopädie" von 1910 zeigt, der in dieser Frage mit Zahns Argumentation vollkommen konvergiert:

The author of the Second and Third Epistles of John designates himself in the superscription of each by the name (ho presbyteros), "the ancient", "the old". Papias, Bishop of Hierapolis, also uses the same name to designate the "Presbyter John" as in addition to Aristion, his particular authority, directly after he has named the presbyters Andrew, Peter, Philip, Thomas, James, John, and Matthew (in Eusebius, "Hist. eccl.", III, xxxix, 4)...St. Irenaeus also positively designates the Apostle and Evangelist John as the teacher of Papias, and neither he nor any other writer before Eusebius had any idea of a second John in Asia (Adv. haer., V, xxxiii, 4). In what Papias himself says the connection plainly shows that in this passage by the word presbyters only Apostles can be understood. If John is mentioned twice the explanation lies in the peculiar relationship in which Papias stood to this, his most eminent teacher. By inquiring of others he had learned some things indirectly from John, just as he had from the other Apostles referred to. In addition he had received information concerning the teachings and acts of Jesus directly, without the intervention of others, from the still living "Presbyter John", as he also had from Aristion. Thus the teaching of Papias casts absolutely no doubt upon what the New-Testament writings presuppose and expressly mention concerning the residence of the Evangelist John in Asia.

(Artikel: St. John the Evangelist. The Catholic Encyclopedia, Volume VIII, 1910)
Die Berufung auf den "Originaltext" ist in diesem Zusammenhang für die Katz, da wir den Originaltext nicht in seinem ursprünglichen Zusammenhang kennen, sondern nur in den von Eusebius mitgeteilten Schnipseln.

Du solltest an deinem manchmal doch etwas kratzbürstigen Ton arbeiten. Geht´s nicht auch ein bisschen cooler?

Mit "Originaltext" meine ich - und das ist im Kontext doch eindeutig - den altgriechischen Papias-Text, soweit er in der HE zitiert ist und dessen wortgetreue Wiedergabe durch Eusebius im allgemeinen nicht angezweifelt wird.

Der zitierte Satz kann nicht der erste Satz aus Papias' Buch gewesen sein, d. h. es ging ihm ein kürzerer oder längerer Text voraus. Ohne den Satz zu kennen, der dem zierten Satz vorausging, lässt sich nicht beurteilen, worauf sich das Wörtchen "kai" bezieht.
Dann lies doch bitte genauer, was ich geschrieben habe: "der erste Satz in Absatz HE 3.39.3" - und nicht des ganzen Buches. Dass ihm ein Satz vorausging, wird ja von niemandem bezweifelt. Zahn (und mit ihm Riggenbach) hat daraus einen Verweis auf die Evangelien konstruiert, was Weiffenbach energisch und mit Recht zurückweist - und dabei eine alternative Deutung des ´kai´ vorschlägt, die vor allem das Problem von zu viel Text zwischen den beiden ´kais´ hat, was die Konstruktion fragwürdig, aber keinesfalls unmöglich macht. Körtner z.B. wendet dieses Argument gegen Weiffenbachs Deutung ein.

Theo K. Heckel hat den Satz folgendermaßen übersetzt:

Ich werde (die Mühe) aber nicht scheuen, daß ich dir auch dazuordne in die Auslegungen, soviel (ich) einst bei den Presbytern gut gelernt und gut (ins Gedächtnis) brachte, indem (ich) deren Wahrheit befestige.

Das ´kai´ wird dadurch nicht verständlicher. Es kann sowohl auf einen vorausgehenden Satz, der eine schriftliche Quelle thematisiert (Zahn), Bezug nehmen als auch das erste Glied einer ´einerseits...andererseits´-Klammer sein (Weiffenbach).

Hier nochmal der originale Satz (d.h. der altgriechische, um neuerlichen Missverständnissen vorzubeugen) mit meiner bescheidenen Interlinearübersetzung:

Οὐκ ὀκνήσω δέ σοὶ καὶ ὅσα ποτὲ παρὰ τῶν πρεσβυτέρων καλῶς ἔμαθον καὶ καλῶς ἐμνημόνευσα συγκατατάξαι ταῖς ἑρμηνείαις, διαβεβαιούμενος ὑπὲρ αὐτῶν ἀλήθειαν

Nicht / zögere / aber / dir / auch / so viel wie / einst / von / den / Presbytern / korrekt / erfahren (Aor.) / und / korrekt / erinnert habe (Aor.)/ zu verbinden mit (oder auch: niederzuschreiben) / den Erklärungen / bekräftigend / über / ihre / Wahrheit //

Warum Heckel das ´ἐμνημόνευσα´ mit ´brachte´ übersetzt und ´ins Gedächtnis´ nur als kontextuellen Zusatz nennt, ist mir unklar. Das ´ἐμνημόνευσα´ ist eindeutig mit ´erinnern´ assoziiert, wie schon die Doppelsilbe´mnemo´ zeigt (das ´e´ davor zeigt die Vergangenheitsform, hier - in Verbindung mit den Schlusssilben - den Aorist, an).
 
Zuletzt bearbeitet:
Vermutlich willst du damit begründen, dass Bligh es nicht wert sei, in eine repräsentative Auswahl aufgenommen zu werden.
Vermutlich möchte ich wissen, nach welchen Kriterien Du gerade diese vier Schriften ausgewählt hast. Dahinter steckt vermutlich auch die Frage, welchen Sinn Du in diesem Unternehmen siehst. (Die kann ich mir aber noch aufsparen, bis Du Bligh und Körtner besprochen hast.)

Der Jesuit Bligh war im 20. Jh. jedenfalls ein angesehener Theologe mit NT-Professur in Oxford
Das kann schon sein, aber in der mir vorliegenden Literatur taucht der Aufsatz allenfalls in Fußnoten auf.

wo übrigens auch bis kürzlich mein Sohn studiert hat (jetzt 2 Doktortitel).
Das ist natürlich ein Kriterium. ;)


Mir ist noch nicht klar geworden, warum Dir Weiffenbachs "alternative Deutung des ´kai´" so wichtig ist. Gibt es irgend eine neuere Übersetzung, die dieser alternativen Deutung folgt?
Oder anders gefragt: Wen repräsentiert Weiffenbach mit dieser Deutung - außer sich selber?

Mit "Originaltext" meine ich - und das ist im Kontext doch eindeutig - den altgriechischen Papias-Text

Weißt Du was? Ich auch!
Das, was Eusebius zitiert, ist selbstverständlich der altgriechische Papias-Text. Von dem kennen wir leider nur die von Eusebius ausgewählten Schnipsel. Der Großteil des Originaltextes ist verloren, und der Zusammenhang der einzelnen Schnipsel leider auch.

Das macht sich gerade beim fraglichen 'kai' deutlich bemerkbar, denn ohne den vorhergehenden Originaltext können wir leider nur raten, worauf sich das 'kai' bezieht.
Natürlich stochert Zahn im Nebel. Den Nebel einfach zu ignorieren, ist aber vielleicht auch nicht der bessere Ansatz. Um hier mal Körtner (1983, S. 77) zu zitieren: "Zudem unterstellt Weiffenbachs Interpretation, das vorliegende Fragment sei von seinem Kontext, den Euseb uns leider vorenthalten hat, völlig losgelöst."

Chan schrieb:
Das ´kai´ wird dadurch nicht verständlicher.
Natürlich nicht.
Es wird auch durch Deine 'bescheidene Interlinearübersetzung' nicht verständlicher.
Es fehlt halt der vorhergehende Originaltext, daher ist es sinnlos, darüber zu diskutieren, welcher Übersetzer den Originaltext richtig "verstanden" hat und wer eine "irreführende Interpretation" in die Welt gesetzt hat.





Das ändert aber nichts daran, dass die Identifizierung von Pres und Apo offiziell katholisch ist, wie ein Eintrag in der "Katholischen Enzyklopädie" von 1910 zeigt

Wir schreiben inzwischen das Jahr 2016. :cool:
 
Nach all den Nebenschauplätzen, die für viele Leser dank Sepiolas Stage-Battle-Style sicher unterhaltsamer sind als die Papias-Analysen, soll es nun ganz trocken um John F. Blighs Sicht auf die papianischen Presbyter im allgemeinen und den Presbyter Johannes im besonderen gehen. Übereinstimmend mit Protestant Zahn und dessen katholischem "Vorläufer" (so Weiffenbach) Aberle unterscheidet der jesuitische Katholik Bligh nicht zwischen zwei Johannessen, was er in seinem Essay "The Prologue of Papias" (1952, TS 13, S. 234-240) gleich zu Beginn klar macht (S. 234):

The chief purpose of this paper will be to show how Eusebius misunderstood Papias' syntax at a crucial point, and how his error facilitated the spread of the theory of the two Johns, which is seen to have no basis in Papias as soon as the syntactical problem is solved aright.
Eusebius hat Papias laut Bligh also missverstanden, wenn er aus dessen (in der HE zitierten) Sätzen die Existenz zweier Johannesse herausliest. Anders als Zahn, der bei Eusebius das Verlangen nach einem nicht-apostolischen Autor der Offenbarung als Triebfeder der Differenzierung am Werk sieht, diagnostiziert Bligh bei Eusebius ein simples syntaktisches Missverständnis, was in Anbetracht von Papias´ Syntax an einer entscheidenden Stelle (ἅ τε Ἀριστίων καὶ ὁ πρεσβύτερος Ἰωάννης, τοῦ κυρίου μαθηταί, λέγουσιν / was auch die Herrenjünger Aristion und der Presbyter Johannes sagen) nicht verwundert:

(S. 235)

(...) the syntax is awkward on any interpretation.
Hauptsächlich um diese Stelle geht es nun. Aus ihr zieht Eusebius in HE 3.39.7, also dort, wo er die Presbyter mit den Aposteln identifiziert (worin ihm Bligh, wie zuvor auch Zahn, notabene folgt), den Schluss, dass Papias den Pres.Joh. persönlich gekannt hat:

Auch der jetzt von uns vorgestellte Papias sagt, er habe die Worte der Apostel von denen, die ihnen gefolgt waren, empfangen, Aristion aber und den Presbyter Johannes habe er, so sagt er, persönlich gehört.
Bligh versucht zu rekonstruieren, wie Eusebius darauf kommen konnte. Vermutlich deutet dieser das ἅ (was) zu Beginn des fraglichen Satzglieds als Relativpronomen und nicht als Fragepronomen, d.h. das Satzglied nicht als zur Fragenkette "Was hat Andreas usw.?" koordinierte indirekte Frage. Im letzteren Fall (Papias fragt andere Leute nach dem, was der Pres.Joh. gesagt hat) hätte Eusebius nämlich keinen persönlichen Kontakt von Papias zum Pres.Joh. behaupten können.

Da besagter Satzteil aufgrund der Mehrdeutigkeit des ἅ syntaktisch in der Luft hängt, bieten sich mehrere Möglichkeiten an, das Rätsel zu lösen.

Blighs Deutung sieht so aus: Besagtes Satzglied ist eine Ellipse, also eine verkürzte Aussage, die einer hinzugedachten kontextuellen Ergänzung bedarf. "Was auch die Herrenschüler Aristion und der Pres.Joh. sagen" ist in dieser Deutung angegliedert an "τοὺς τῶν πρεσβυτέρων ἀνέκρινον λόγους" (ich fragte nach den Worten/Berichten der Presbyter) in der Weise, dass Papias die Presbyterschüler sowohl über das, was die Presbyter gesagt haben, als auch über das, was Aristion und der Pres.Joh. sagen, ausfragt. Das elliptische Satzglied, hinter dem sich eine Frage verbirgt, würde laut Bligh in ergänzter Fassung also lauten:

(S. 238)

What can you tell me about the present teaching of Aristion and Presbyter John?
Im Unterschied zu Eusebius sieht Bligh keine Veranlassung, aus dem Tempuswechsel (Vergangenheit / Gegenwart) und der doppelten Nennung eines Johannes auf zwei verschiedene Personen schließen. Er erklärt dies durch die besondere Stellung, die Aristion und der Pres.Joh., als die einzigen Überlebenden unter den Herrenjüngern, für Papias haben, wobei die Nennung des (für Bligh wohlgemerkt: Apostels) Johannes nach der Nennung des Aristion keine Herabsetzung, sondern im Gegenteil eine besondere Ehrung bedeutet:

(S. 239)

(...) once it is recognized that Aristion and John were the only two survivors, a simple answer suggests itself to another question raised by Eusebius: why is John's name placed after Aristion's? John is kept to the end because he, the "grand old man," was the last survivor of the Lord.
Für Bligh bedeutet die auf S. 238 rekonstruierte Frage des Papias nach den Worten von Pres.Joh. aber nicht, dass Papias den Apostel=Presbyter Johannes nicht persönlich gekannt hätte. Als einziger Anhaltspunkt für einen solchen Kontakt bietet sich der erste Satz in HE 3.39.3 an, wo davon die Rede ist, dass Papias das, was er "von den Presbytern genau erfahren und genau im Gedächtnis behalten (hat), mit den Erklärungen" verbindet usw. Die Presbyter mit den Aposteln identifizierend, ist Bligh von einem persönlichen Kontakt also überzeugt.

Allerdings dürfte der Kontakt, so unser Jesuit, im Vergleich zu den Informationen, welche die Presbyterschüler dem Papias überbrachten, eher spärlich ausgefallen sein:

(S. 240)

(...) it may be suggested that perhaps Papias was not long with St. John, or that he had little opportunity to cross-question him, or that he heard him say little that was not also in his Gospel.
Womit auch klar ist, dass Bligh Papias die Kenntnis des Johannesevangeliums unterstellt, ein Thema, das wir hier schon betrachtet haben, ohne dass - wie ich meine - ernstzunehmende Indizien in den Blick kamen.

Zusammenfassung von Blighs Aussagen:

(1) Die papianischen Presbyter sind Apostel.

(2) Es gibt im Eusebius-Papias-Fragment nur einen Johannes, und zwar den Apostel.

(3) Papias´ persönlicher Kontakt zu Johannes war nicht sehr intensiv. Über Worte des Apostels war er vorwiegend durch das Johannesevangelium und die Berichte der Presbyterschüler informiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sepiolas Stage-Battle-Style

Sepiola Nachfragen sind sachlich völlig berechtigt, wie man an den schwachen Antworten darauf

(keinerlei sachliche Begründung für die Literaturauswahl, keinerlei Hinweis auf aktuelle Rezeption in der Forschung - bemerkenswert war allerdings, wie der Reputationdrang mit Angabe akademischer Grade von Angehörigen dokumentiert wurde)

und dem ellenlangen paste&copy von Uraltliteratur sehr schön sehen kann. Immerhin wird mal zitiert, wenn auch aktuell wenig interessantes.

Man sollte auch nicht mit Steinen werfen, wenn man selber auf der Bühne sitzt:
Bislang war es ja leider mehrfach so, dass Du verdeckt zur Irreführung der Leser zitiert hast. Z. B., indem weltanschaulicher Sermon von Detering aus dem www hier ins Forum kopiert wurde, oder dass Gleiches mit dem belanglosen Gerhard-Bott-Texten zum Anthony-Buch passiert, die aus dem Internet kopiert werden.*

Da kann man schon auf die Idee kommen, wo Du denn die hiesige Uralt-Zusammenstellung abgeschrieben hast.

* wobei beide "Fälle" niemanden recht in der Forschung interessieren, wie man an der dürftigen Frequenz von Zitaten sehen kann.
 
Sepiola Nachfragen sind sachlich völlig berechtigt.

Was hat das bitte mit seinen teilweisen Stage-Battle-Style zu tun, der schon mit der völlig falschen Unterstellung begann, meine Aussage, dass Eusebius Presbyter und Apostel "identifiziert" hat, sei, so Sepiola, "Unsinn"? Ich habe die Richtigkeit meiner Aussage durch Zitate aus der Fachliteratur mehrfach belegt.

keinerlei sachliche Begründung für die Literaturauswahl, keinerlei Hinweis auf aktuelle Rezeption in der Forschung (...).

Wir haben offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen von "repräsentativ". Ich habe darunter einen (kleinen) Querschnitt durch die Papias-Rezeption des 19. und 20. Jahrhunderts verstanden. Als relativ "aktuell" würde ich die Rezeption von Körtner bezeichnen (1983) in dem Sinne, dass sie auch durch aktuellere Rezeptionen nicht überholt ist. Monte Shanks z.B., den du sicher als aktuell bezeichnen würdest, vertritt in der Frage, ob der Presbyter identisch mit dem Apostel ist oder nicht, die bereits im 19. Jh. weit verbreitete konservative Auffassung, die beiden seien identisch, also genau die Auffassung von Zahn und von Bligh.

Da diese Frage, wie leicht erkennbar, im Mittelpunkt meiner Darstellung der vier gewählten Autoren steht, gab und gibt es keinen vernünftigen Grund, Shanks statt Zahn oder Bligh zu nehmen. Dass er diese Position vertritt, war mir bekannt, ich habe ihn, weil im Kontext überflüssig, also bewusst ausgeklammert.

ellenlangen paste&copy von Uraltliteratur sehr schön sehen kann

Meine abgetippten, also nicht gecopypasteten Zitate sind weder "ellenlang" (wie kommst du denn darauf? Jeder kann doch sehen, dass du übertreibst) noch handelt es sich um "Uraltliteratur". Zahn und Weiffenbach sind (für Fachleute) Klassiker der Papias-Exegese, die du seltsamerweise als "Uraltliteratur" abtust, worin dir kein Fachmann zustimmen würde.

Weiffenbach wird bei Körtner (1983) 26 mal erwähnt und Zahn über 70 mal (danach habe ich aufgehört zu zählen...). Auch bei Shanks wird auf Zahn eingegangen.

So viel zum Thema ´uralt´.

* wobei beide "Fälle" niemanden recht in der Forschung interessieren, wie man an der dürftigen Frequenz von Zitaten sehen kann..

Auf Bott wird im Wikipedia-Artikel "Linearbandkeramische Kultur" unter "Hypothesen zur Religion" verwiesen, incl. Direktlink zu seinem seiner Essays, sowohl bei den Einzelnachweisen als auch bei den Weblinks.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was hat das bitte mit seinen teilweisen Stage-Battle-Style zu tun, der schon mit der völlig falschen Unterstellung begann, meine Aussage, dass Eusebius Presbyter und Apostel "identifiziert" hat, sei, so Sepiola, "Unsinn"?

Dass Eusebius die Presbyter und die Apostel nicht für identisch hält, ist völlig eindeutig. Es wird ja viel hin- und herinterpretiert, aber über den folgenden Satz gibt es, so weit ich sehe, keine Kontroverse (Unterstreichungen von mir):

"... den anderen Johannes ordnet er in einem eigenen Satz einer von den Apostel unterschiedenen Gruppe zu, wobei er ihm den Aristion voransetzt und ihn ausdrücklich als Presbyter bezeichnet."
(Übersetzung bei Kürzinger 1983)

"... den anderen Johannes rechnet er in einem neuen Satzteil zu anderen, von den Apostel verschiedenen [Männern], stellt ihm den Aristion voran und bezeichnet ihn ausdrücklich als Presbyter."
(Übersetzung bei Körtner 1998)

"... den anderen Johannes ordnet er, in einem neuen Satzteil, einer Kategorie zu, die von der der Apostel verschieden ist, den Aristion ihm voranstellend, und er bezeichnet ihn ausdrücklich als Presbyter."
https://www.unifr.ch/bkv/kapitel49-38.htm

"Das zweite Mal, in einem neuen Satze, rechnet er Johannes zu einer anderen Kategorie, welche von der der Apostel verschieden ist; er stellt ihm den Aristion voran und bezeichnet ihn ausdrücklich als Presbyter."
Papias-Fragmente

Damit ist doch klar, dass aus der Sicht des Eusebius "Presbyter" und "Apostel" keine identischen Gruppen sein können.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, wer aus der Sicht des Papias mit den "Presbytern" gemeint ist. Diese Frage wird seit langem kontrovers diskutiert. Das Problem bei der ganzen Papias-Interpretation ist nun mal leider, dass von den Papias-Büchern fast nichts erhalten ist und man hier über winzige (aus dem Zusammenhang gerissene) Textschnipsel diskutiert. Falls nicht eines Tages durch einen glücklichen Zufall der Original-Papias wieder auftaucht, wird man darüber bis in alle Ewigkeit weiterdiskutieren können.

Ich glaube, da sind wir gar nicht weit auseinander:
Genau das ist der Grund, weshalb seit über 150 Jahren hochanalytische Kapitel und sogar Bücher über diese wenigen Sätzchen geschrieben werden und Professoren sich gegenseitig mit Falschinterpretations- und Falschübersetzungsvorwürfen eindecken. Das hermeneutische Dilemma erinnert an die unmögliche Quadratur des Kreises.
Und wenn Du mich jetzt einer "völlig falschen Unterstellung" bezichtigst, dann weise ich das gern als "Unsinn" zurück. :cool:

Oder aber, Du weist jetzt mal hieb- und stichfest nach, dass Dein Statement "völlig richtig" ist:
Eusebius deutet das fälschlich als Identifizierung der Presbyter mit den Aposteln, was Papias aber nicht im Sinn hatte, sondern, siehe oben, Wanderprediger mit dem Anspruch hoher Authentizität.

Nun kann ich mich an Sachverstand mit all den Professoren natürlich messen, eines aber möchte ich trotzdem sagen:
Wenn jemand behauptet, dass Eusebius den Papias falsch verstanden hat, werde ich sehr misstrauisch.

Denn Eusebius hatte ganz sicher nicht nur diese Textschnipsel vor sich, sondern einen größeren zusammenhängenden Text. Er hatte also zumindest die Möglichkeit, den Text sehr viel besser zu beurteilen als alle neuzeitlichen Papias-Fragmente-Interpretatoren zusammen.

Wir haben offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen von "repräsentativ".
Ich kann mich nicht erinnern, Deiner Auffassung von "repräsentativ" widersprochen zu haben.
Ich habe allerdings nach den Kriterien gefragt, nach denen Du gerade diese vier Schriften ausgewählt hast.
Die Papias-Literatur ist unübersehbar - die Bibliographie bei Kürzinger listet 679 Titel allein aus den 21 Jahren von 1960-1981 auf.

Da diese Frage, wie leicht erkennbar, im Mittelpunkt meiner Darstellung der vier gewählten Autoren steht, gab
... ist die Frage umsomehr angebracht, warum Dir Weiffenbachs "alternative Deutung des ´kai´" so wichtig ist. So ganz klar ist nämlich nicht, worum es Dir eigentlich geht.

Als relativ "aktuell" würde ich die Rezeption von Körtner bezeichnen (1983) in dem Sinne, dass sie auch durch aktuellere Rezeptionen nicht überholt ist.
Da wir unsere Diskussion mit der Frage beginnt, ob Papias das Johannes-Evangelium kannte, ist zumindest der Hinweis angebracht, dass seine steile These, Papias habe das Evangelium nicht gekannt, auf deutlichen Widerspruch gestoßen ist, z. B. bei Theo K. Heckel 1999 oder auch bei Bernhard Mutschler ("Was weiß Irenäus vom Johannesevangelium?", in: Kontexte des Johannesevangeliums - Hrsg. Jörg Frey und Udo Schnelle, Tübingen 2004).
Mutschler unterscheidet übrigens zumindest vier Personen:
- den Evangelisten
- den Lieblingsjünger
- den "Presbyter Johannes" in Ephesus
- den Zebedaiden Johannes aus dem Zwölferkreis
 
Nun kann ich mich an Sachverstand mit all den Professoren natürlich messen
=)
Hoppla, da fehlt ja ein "nicht".
So ist es richtig:

Nun kann ich mich an Sachverstand mit all den Professoren natürlich messen, eines aber möchte ich trotzdem sagen:
Wenn jemand behauptet, dass Eusebius den Papias falsch verstanden hat, werde ich sehr misstrauisch.




Die Sache mit den Presbytern wird meiner Meinung nach bei Heckel ziemlich plausibel erklärt:

1. Apostel wie Andreas, Petrus, Philippus etc. sind Ohrenzeugen des irdischen Jesus. Diese Zeugen waren zur Zeit von Papias' Nachforschungen wohl bereits verstorben.

2. Die "Presbyter" sind persönliche Schüler der Apostel. Von diesen Presbytern waren zur Zeit von Papias' Nachforschungen noch einige am Leben, namentlich der Presbyter Johannes.

Der Ausdruck "Jünger des Herrn" kann für Personen aus beiden Gruppen stehen.

Papias rechnet sich selber zu denen, die "einst bei den Presbytern gut gelernt" haben. Zusätzlich wendet er sich an andere Begleiter der Presbyter, um an weitere mündliche Quellen zu kommen.

Nach meiner Meinung entfällt damit jeder Grund, Eusebius hier ein falsches Verständnis des Papias in die Schuhe zu schieben.

Papias muss sich an mehreren (heute verlorenen) Stellen auf Aristion und den Presbyter Johannes bezogen haben. Wenn Eusebius sagt, Papias habe laut eigener Auskunft diese beiden persönlich gehört, kann er dafür gute Gründe gehabt haben.
 
Ich schließe mein Wahl-Quartett mit einem Blick auf Ulrich H.J. Körtners Antworten auf die Fragen ab, wer die papianischen Presbyter waren und was der apostolische mit dem Presbyter-Johannes zu tun hat. In Körtners vielbeachtetem Buch ("Papias von Hierapolis - ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums", 1983) ist der von mir präsentierte Theodor Zahn der mit Abstand am häufigsten erwähnte Papias-Exeget (insgesamt 186 mal). Die zur Zeit der Abfassung des Körtner-Textes aktuellen und auch heute noch bedeutenden Exegeten Kürzinger und Vielhauer finden 41 und 74 mal Erwähnung, während der von mir präsentierte Weiffenbach immerhin auf 26 mal kommt.

Abschließend zur Frage der ´Repräsentativität´ meiner Auswahl (ein von einigen Usern unnötig dramatisiertes Thema, da es jedem freisteht, andere Exegeten zu präsentieren, was ohne Altgriechisch-Grundkenntnisse aber nur eingeschränkt möglich ist):

Es wäre ein Versäumnis gewesen, Zahn, einen der forschungsgeschichtlich bedeutendsten Papias-Exegeten, aus einer forschungsgeschichtlich orientierten repräsentativen Auswahl wegzulassen. Ihm seinen unmittelbaren Antipoden Weiffenbach gegenüberzustellen, war eine logische Konsequenz und ist durch die Aufmerksamkeit, die Körtner ihm widmet, zusätzlich gerechtfertigt. Auf beide Autoren wurde ich durch Körtner erst aufmerksam. Der bei Körtner mehrfach erwähnte Bligh kann gleichfalls als "repräsentativ" gelten, was bestimmte Positionen betrifft. Bei der Auswahl des Quartetts ging es mir um die exemplarische Repräsentanz exegetischer Positionen und nicht um Aktualität. ´Repräsentativ´ ist schließlich nicht gleichbedeutend mit ´aktuell´.

Körtner unterscheidet zwischen den Presbytern (πρεσβυτέροι) im Plural, die in den Zitaten bei Eusebius 3 mal erscheinen, und dem Presbyter (πρεσβύτερος) im Singular, der 2 mal auftritt.

Die pluralischen Presbyter untersucht er zunächst an jener von mir schon häufig erwähnten Stelle (HE 3.39.4), wo nicht entscheidbar ist, ob Presbyter und Apostel identisch sind oder nicht:

S. 115:

Auf rein grammatischem Wege lässt sich nicht ausmachen, ob die πρεσβυτέροι von den anschließend aufgezählten Herren-Jüngern bzw. Aposteln zu unterscheiden oder mit ihnen identisch sind.
Mit Bezug auf HE 3.39.4 stellt Körtner fest, dass Eusebius eine Identifikation vorgenommen hat, und weist darauf hin, dass im Unterschied dazu Irenäus, dem der Papias-Text ebenfalls vorgelegen hat, die Presbyter von den Aposteln "deutlich unterscheidet". Mehr Aufschluss über die Identität der Presbyter verspricht sich Körtner von der Untersuchung jener Leute, die den Presbytern ´nachgefolgt´ (παρηκολουθηκώς) sind und die er über die Worte/Berichte der Presbyter befragt.

"Theoretisch", so Körtner, könne das ´Nachfolgen´ auf ein Schülerverhältnis "in geistiger Hinsicht" hindeuten; als Vertreter dieser Auffassung nennt er Weiffenbach (Kapitel-Fußnote 6), der, wie von mir gezeigt, die Presbyter als Gemeindefunktionäre interpretierte und das ´Nachfolgen´ also nicht physisch, sondern geistig verstand. Körtner dagegen schließt aus dem ´Nachfolgen´ auf eine Wandertätigkeit der Presbyter etwa im Sinne von HE 3.39.15, wo von der Wandertätigkeit des Petrus die Rede ist, dem sein "Dolmetscher" Markus "nachfolgte". Eine damit suggerierte Identität von Presbytern und Aposteln zieht Körtner in Zweifel. Dagegen spricht der Sprachgebrauch in der frühchristlichen Literatur, wo die Apostel niemals ´Presbyter´ genannt werden (S. 116).

Weiffenbach zustimmend und Zahn widersprechend (Kapitel-Fußnote 70) kommt Körtner definitiv zu dem Ergebnis, dass eine Identifizierung von Presbytern und Aposteln auszuschließen ist (S. 121). Seine eigene Deutung, die ich in diesem Thread kürzlich bereits dargestellt habe, nennt er auf S. 122:

Am wahrscheinlichsten ist daher die Lösung, dass Papias sich auf frühchristliche Väter beruft (...) Es sind Wanderlehrer, die als Apostelschüler gelten und insofern den Presbytern aus Irenäus, Adv.haer. V 33,3 entsprechen..
Was den Presbyter Johannes angeht, stimmt Körtner (S. 123) mit Weiffenbach darin überein (Kapitel-Fußnote 2), dass er mit dem in 3.39.15 angesprochenen Presbyter identisch ist.

Dann betrachtet er (S. 123 f.) Eusebius´ Argumente für eine Verschiedenheit von Apostel und Presbyter Johannes.

1)
Ein Johannes wird 2 mal genannt, wobei der zweite in einer separaten Satzkonstruktion erscheint.

2)
Papias war ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes, was für Eusebius aus 3.39.4 hervorgeht.

Argument 2 ist für Körtner "hinfällig", weil Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein. Vielmehr rückt Eusebius den Papias (vermutlich) nur in diese Position, um Irenäus ein Stück weit entgegenzukommen, der Papias als Schüler des Apostel Johannes bezeichnet hat.

Argument 1 findet zunächst Körtners volle Unterstützung, was die doppelte Nennung und die separate Satzkonstruktion betrifft. Eusebius´ historische Spekulation in HE 3.39.6, die beiden Johannesgräber in Ephesus betreffend, weist Körtner aber zurück - der Presbyter Johannes bleibt über seine Erwähnung in 3.39.4 hinaus eine unbekannte Größe.

Da dieser Presbyter und der historisch ebenfalls unbekannte Aristion ´τοῦ κυρίου μαθηταί´ (Schüler/Jünger des Herrn) genannt werden, ist zu fragen, was man darunter verstehen kann. Die Antwort ist nicht schwer. Es handelt sich um Mitglieder des erweiterten Jüngerkreises (laut Lk 10,1 siebzig an der Zahl), dessen Kern aus den 12 Aposteln bestand (deren Historizität, um diesen Aspekt hier nicht auszublenden, für Körtner fraglos ist). Im Unterschied zu den Aposteln sind der Presbyter und Aristion für Körtner zum Zeitpunkt der Abfassung von Papias´ Werk noch lebend. Der Textbefund kann

S. 126:

(...) am zwanglosesten erklärt (...) werden, wenn man die Apostel als eine Größe der Vergangenheit, die beiden anderen Herrenjünger aber als Autoritäten auffasst, deren Einfluss bis in die Gegenwart hineinreicht.
Mit ´Gegenwart´ ist die Zeit um 110 CE gemeint, als Papias - nach Auffassung Körtners (S. 226) - sein Buch schrieb. Die titelartig vorangestellte Bezeichnung ´Presbyter´ beim Presbyter Johannes erklärt er sich so:

Ich nehme (...) an, dass Papias ´ὁ πρεσβύτερος´ in gleicher Bedeutung wie ´oi πρεσβυτέροι´ benutzt, dass der Presbyter Johannes also einer der papianischen frühchristlichen Väter ist, der durch seinen absolut gesetzten Ehrentitel aus dem Kreis der Väter als "der Vater schlechthin" herausragt, der er für Papias war.
++++

Um die Frage, ob Papias das Mk und das Mt gekannt hat, geht es von meiner Seite in der nächsten Woche.
 
Zuletzt bearbeitet:
Argument 2 ist für Körtner "hinfällig", weil Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein.

Eusebius, der von Papias mehr gelesen hat als Körtner, sagt (laut Körtners Übersetzung): "Auch erklärt der soeben von uns vorgestellte Papias, die Lehren der Apostel zwar von denen empfangen zu haben, die ihnen gefolgt sind, er habe aber, so sagt er, Aristion und den Presbyter Johannes selbst gehört."

Sich darüber hinwegzusetzen und einfach zu behaupten, dass das "Papias keineswegs behauptet", ist schon sehr dreist.

(Körtner formuliert das nicht ganz so dreist wie Du, aber in seiner Argumentation läuft es de facto auf dasselbe hinaus.)
 
Um die Frage, ob Papias das Mk und das Mt gekannt hat, geht es von meiner Seite in der nächsten Woche.

Dann lege ich mal was vor:

Die zwei Stellen bei Eusebius lauten (in Körtners Übersetzung):

Markus:

Und dies sagte der Presbyter: Markus, der Dolmetscher des Petrus, schrieb von dem Herrn zwar alles, dessen er sich erinnerte, seien es Reden, seien es Taten, genau, allerdings ohne Ordnung auf. Denn er hatte weder den Herrn gehört, noch war er ihm nachgefolgt, hinterher jedoch, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge den Bedürfnissen nach gestaltete, aber nicht, wie um eine zusammenhängende Darstellung der Logien des Herrn zu schaffen, so daß Markus nicht falsch handelte, wenn er einiges so aufschrieb, wie er sich erinnerte. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder etwas davon unwahr zu berichten.

Matthäus:

Matthäus hat die Logien also in hebräischer Sprache zusammengestellt; es übersetzte sie aber jeder, so gut er konnte.


Die Frage lautete, "ob Papias das Mk und das Mt gekannt hat".

Die lässt sich relativ schnell beantworten.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche historischen Informationen für die Frühgeschichte der Evangelien aus den beiden Papias-Zitaten gezogen werden können.

Da gehen die Meinungen sehr weit auseinander:
Günther Zuntz ("Papiana", in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 82, 1991) beantwortet die Frage mit "Null". Bezugnehmend auf Conzelmann (1969) schreibt Zuntz: "Das Wenige, was von und über Papias überliefert ist, ist in der Tat seit Schleiermacher unendlich viel diskutiert worden, und die Literatur darüber ist entsprechend unübersehbar." Selbstverständlich werden auch entsprechend markige gegenteilige sowie auch bedachtsam abwägende Meinungen geäußert, eine Zitatenschlachtplatte anzurichten halte ich hier aber nicht für angebracht. (Wenn jemand Appetit darauf haben sollte, kann ich gern damit dienen.)




Also zurück zur eigentlichen Frage:


Was Markus betrifft, kann man die Frage sogleich beantworten: Eine schriftliche Darstellung der Reden und Taten des Herrn, verfasst von einem Markus, wird man wohl als "Markus-Evangelium" bezeichnen müssen. Ein solches muss also nicht nur Papias, sondern auch sein Gewährsmann, der Presbyter (eventuell Johannes) gekannt haben.

Bei Matthäus ist die Sache etwas schwieriger. Ist mit "Logien" nur eine Spruchsammlung gemeint? Da Papias' eigenes Werk den Titel "Darlegung der Logien des Herrn" trägt, es dort aber keineswegs nur um die Sprüche des Herrn geht, wird eine allzuenge Auslegung des Begriffs "Logien" nicht angebracht sein. Mit "hebräischer Sprache" (wörtlich "hebräischem Dialekt") wird wohl die aramäische Sprache gemeint sein (Kürzingers Übersetzungsvorschlag "hebräischem Stil" hat, so weit ich sehe, kaum Zustimmung gefunden). Aramäische Evangelienschriften haben sicher existiert, leider ist davon nur sehr wenig übrig geblieben. Das erhaltene Matthäus-Evangelium ist jedenfalls in gutem Griechisch unter Verwendung griechischer Quellen geschrieben und kann in dieser Form keine Übersetzung eines aramäischen Originals darstellen.

Die Frage ist also zu beantworten: Papias kennt mehrere Versionen eines "Matthäusevangeliums", darunter mit einiger Sicherheit das erhaltene griechische Matthäusevangelium, das er aber nicht für den "Original-Matthäus" hält. Was Eusebius von Papias zitiert, ist ein extrem kurzer Textschnipsel. Was sich weiter dahinter verbirgt, wissen wir leider nicht, und wir sind auf Mutmaßungen angewiesen. So schreibt z. B. Hengel (Die johanneische Frage, 1993, S. 84, Unterstreichungen von mir):

Das griechische Matthäusevangelium war vermutlich schon zur Zeit des Papias das einflußreichste der Evangelien, und Papias konnte es nicht länger ignorieren, darum setzte er es herab: dieser griechische Text ist gar nicht der echte "Matthäus", sondern nur eine von verschiedenen Versionen. So weit wir sehen können, war es für den Presbyter, von dem vermutlich die Matthäus-Information stammt, und für Papias nicht eine ursprüngliche Sammlung von Jesusworten (und -taten), sondern besaß nur den Charakter einer Übersetzung unter mehreren aus zweiter Hand. Möglicherweise hatte Papias über den Presbyter Johannes, von dem auch die Information über Markus stammt, noch Kenntnis von einem älteren Werk, das vor allem Aussprüche des Herrn enthielt und von dem man sagte, Matthäus habe es ursprünglich aramäisch geschrieben.


Ausführlicher mit der Frage eines aramäischen Evangeliums setzt Hengel sich in "Die vier Evangelien und das eine Evangelium von Jesus Christus, Tübingen 2008" auseinander, das würde hier aber zu weit führen.
 
Zuntz: "Das Wenige, was von und über Papias überliefert ist, ist in der Tat seit Schleiermacher unendlich viel diskutiert worden, und die Literatur darüber ist entsprechend unübersehbar."

Apropos Schleiermacher - wer's gern selber nachlesen möchte:
https://www.digizeitschriften.de/dm...bsz:21-dt-7133|log00060&physid=phys00752#navi

Und dazu noch einen Kommentar aus neuerer Zeit:

Schleiermachers Aufsatz zu den Papiasnotizen über die Evangelien hat seine Spuren in die Forschung eingeprägt wie kaum ein anderes Werk über Papias. Nach Schleiermacher rede Papias über eine andere Schrift als unser Mk-Ev. Nur die Namensgleichheit habe bei Eusebios das Mißverständnis hervorgerufen. Nur wegen dieses Mißverständnisses sei das papianische Mk-Zeugnis überliefert. Diese Vermutung Schleiermachers hat zu Recht heute keine Anhänger mehr.


Theo K. Heckel, Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium, Tübingen 1999, S. 256
 
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