Die Religion der Kelten - eine Naturreligion?

Mythologisierte Geschichtsschreibung?

Irre ich mich, oder sind das gerade die Aspekte, die am wenigsten greifbar sind - falls sie überhaupt existiert haben ("gelehrte mythologisierte Geschichtsschreibung")?

Nun, endlich, der Versuch zu antworten. ich habe noch einmal die Quellenlage Revue passieren lassen, und ja, was Sepiola andeutet, sie ist - gerade wenn man die schriftlichen und literarischen, aber auch namenskundlichen Hinterlassenschaften sucht, eigentlich deprimierend. Das Zitat von Diogenes Laertius (mein Beitrag vom 23.10.2016) als Beispiel: Diogenes zitiert in diesem Zitat Aristoteles Werk Magikos und Sotions von Alexandria Diadoche. Beide Werke sind nicht erhalten, bei beiden Werken ist die Datierung nicht geklärt, und bei der Magikos könnte statt Aristoteles Antistehnes von Rhodos der Autor sein - dann im 2.Jahrhundert, womit auch die Einordnung Diogenes Laertios ins 3.Jahrhundert hinfällig werden würde.
Als ich Sepiola antworten wollte, dachte ich sofort an Ammanius Marcellinus (Res gestae 15,9,4) - der aber Timagenes von Alexandria zitiert, wieder eine Quelle aus zweiter, dritter Hand:
"Die Druiden überliefern tatsächlich, dass ein Teil der Bevölkerung (Galliens) schon immer dort ansässig gewesen sei, während andere von höchst entfernten Inseln und Gegenden jenseits des Rheins hinzugekommen seien, nachdem sie durch häufige Kriege und Sturmfluten aus ihren Wohngebieten vertrieben worden waren."
Der zweite Teil des Zitat irritiert, stammt es vielleicht aus antiken Spekulationen über die Ursachen des Kimbernzuges? Woher kommen allerdings Aristoteles merkwürdige Vergleiche für blinde Leidenschaft, Kelten, die mit blanker Waffe gegen die Wogen angehen (Eudemische Ethik, 1229b 28)? Die archäologischen Datierungen könnten Ammanius Marcellinus recht geben: die belgischen Stämme sind tatsächlich im 4. und 3.Jahrhundert BC über den Rhein in Gallien eingewandert. Ist diese überlieferte Einwanderung über den Rhein gemeint? Bei Cäsar finden sich einige Bemerkungen, die auf eine Tradierung weiter zurückliegender Ereignisse hinweisen: Stämme, die auf ihre germanische Herkunft hinweisen, der Ursprung des Druidentums in Britannien, Abstammungslegende von Dies Pater. Jedoch bleibt alles bruchstückhaft, zufällig, wenig ergiebig und disperat. Hinweisen möchte ich auf die berühmte von Titus Livius (Ab urbe condita libri CXLII) überlieferte Auswanderungssage, die Livius zu den Lebzeiten von Tarquinius Priscus datierte (6.Jahrhundert BC) - auf Weisung des Königs der Bituriger Ambicatus verlassen die Söhne seiner Schwester Bellovesus und Segovesus Gallien:
" Als Tarquinius Priscus in Rom herrschte, hatten bei den Kelten, die den dritten Teil Galliens ausmachen, die Biturigen die höchste Macht. Sie stellten innerhalb des keltischen Bevölkerungsteils (dem Celticum) den König. Das war damals Ambicatus, ein überaus mächtiger Mann durch seine Tüchtigkeit und weil das Glück ihm und vor allem auch seinem Volk hold war; denn unter seiner Herrschaft war Gallien so reich an Früchten und Menschen, dass es schien, als könne die übergroße Menge kaum noch regiert werden. Weil er das Königreich von der drückenden Übervölkerung zu entlasten wünschte, selbst aber schon hoch an Jahren war, erklärte er, er werde Bellovesus und Segovesus, die Söhne seiner Schwester, energische junge Männer, zu den Wohnsitzen schicken, die die Götter ihnen durch ihre Zeichen geben würden. Sie sollten eine Anzahl Leute aufbieten, so viele, wie sie selbst wollten, damit keine Völkerschaft die Ankommenden abwehren könne. Darauf erhielt Segovesus durch die Lose die Hercynischen Wälder; dem Bellovesus gaben die Götter den weit erfreulicheren Weg nach Italien. Der bot auf, was seine Völker an Überzahl hatten, Biturigen, Arverner, Senonen, Haeduer, Ambarrer, Karnuten und Aulerker, machte sich mit ungeheuren Truppenmassen an Fußsoldaten und Reitern auf den Weg und kam in das Gebiet der Tricastiner.“
Auch wenn der keltische Ursprung dieser hallstattzeitlichen Mythologie sicher ist, und sich die Spuren insbesondere der Volcae Tectosages von Tolosa bis in den hercynischen Wald (nach Cäsar), über einen Ort in Pannonien am Zusammenfluss von Drau und Donau, ein Volcaea palus (Volkersumpf) bis nach Galatien (einer der drei Stämme der Tetrarchie) - Tecto-sagus - "ein Dach, eine Behausung suchend", ziehen; es ist eine römische Erklärungssuche für die Eroberung Roms und die "Gallierkatastrophe", man erkennt die Handschrift Livius, der die ihm bekannten Stämme des von Cäsar eroberten Galliens aufzählt, während man zum Beispiel die Insubrer des Frühlatene vermisst.
Was mich letztlich überzeugt hat, dass es eine mythologisierte Geschichtsschreibung gegeben haben muss, waren weniger die literarischen Zeugnisse, sondern deduktive Schlüsse. Im frühmittelalterlichen Irland trafen eine heidnische Gedächtniskultur und eine christlich-monastische Schriftkultur aufeinander. Birkhan schreibt, dass es die christlichen Gelehrten als Aufgabe gesehen haben, die erstere in die letztere zu transformieren. Dass es in Gallien keine weniger reiche Mythologie gegeben hat, die durch die druidische Gedächtniskultur erhalten und gepflegt wurde, dafür steht ein reiches Substrat an Symbolen und Zeichen in der Kunst und den Etymologien. Eine andere mich überzeugende Deduktion: wenn die Druiden die Hüter des Rechts waren, wie von Cäsar und anderen überliefert, und dies nicht nur auf das private Recht bezogen, sondern für das öffentliche Recht, Konflikte zwischen Stämmen und anderen kollektiven "Rechtspersonen", dann muss damit verbunden sein ein antiquarisches Wissen über Geschichte, Orte, deren Namen, Grenzen, und umfasst ein Gedächtnis über Präzedenzfälle, ältere Urteile, Verträge usw. "Wer entscheiden wollte, musste die Rechtsgewohnheiten kennen" (Birkhan, S.917). Die politische Bedeutung, die die Druiden erreicht haben, auch in der Ausbildung junger Adeliger, wird auch auf die Bedeutung umfassender Rechtskenntnis (zur Beilegung der vielen Konflikte) in der gallischen Gesellschaftsordnung zurückzuführen sein.

Ich gebe zu, dass ist nicht viel, und ich möchte dies nicht auffüllen durch weitere Hinweise, die mich selbst nicht völlig überzeugen, wie in Tacitus Historien IV, 54, wo Druiden zitiert werden, die den Sturz Roms prophezeien, und auf die erste Eroberung 390 BC zurückblicken. Viel mehr ist nicht da, was als sicherer Beleg dienen könnte.
Unten das Bild von Herni-Paul Motte, französicher Historienmaler (* 13. Dezember 1846 in Paris; † 1. April 1922 ebda.) "Druide cueillant le Gui au 6e jour de la Lune"
 

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Als ich Sepiola antworten wollte, dachte ich sofort an Ammanius Marcellinus (Res gestae 15,9,4) - der aber Timagenes von Alexandria zitiert, wieder eine Quelle aus zweiter, dritter Hand:

Dabei hat sich Ammianus zwei Jahre lang in Gallien aufgehalten. Hat er hier keine kompetenten Gewährsleute mehr gefunden, die ihm noch etwas über die Überlieferung der Druiden hätten erzählen können?

Stattdessen schreibt er bei einem Autor ab, der selber über keine Informationen aus erster Hand verfügt hat...
 
In der Ethnologie verwenden wir den Begriff Naturreligion genauso wie Naturvolk eigentlich mittlerweile nicht mehr... genausowenig Animismus.

es ist schlichtweg zu missverständlich und ungenau.
 
Mercuriuskulte scheinen in gallorömischer Zeit besonders in friedlicheren Gebieten verbreitet gewesen zu sein, seine Bedeutung scheint jedoch partikular und multifunktional gewesen zu sein.
Zum Thema galloromanischer Merkurkult empfehle ich folgendes Buch:

Gschlößl, Roland: Im Schmelztiegel der Religionen. Göttertausch bei Kelten, Römern und Germanen, 2006.

Diesem Autor gelingt es zumindest archäologische Funden, antike Literatur und Inschriften halbwegs auf einen Nenner zu bringen. Auf eine diachrone Verknüpfung mit der irischen und walisischen Sagenwelt wird erfrischenderweise verzichtet. Die Religion der Gallier in römischer Zeit wird eben mittels jener bekannten Fragmente aus Gallien und Germanien erklärt.

Eigentlich ist die Sache mit dem gallo-romanischen Merkur ziemlich einfach. Es handelt sich um jene Gottheit mit dem Hirschgeweih - einmalig auch Cernunnos genannt. Sein Attribut ist der gefüllte Geldbeutel oder der Torques. Allen Anschein nach war er ein Gott des Handels oder des Reichtum, d.h. zu Recht dem römischer Merkur gleichgesetzt. Es gibt eigentlich keinen Grund zur der Annahme, dass diese Person auch nur irgendetwas mit Schamanismus, Fruchtbarkeit, Jagdzauber etc. zu tun hatte.

Wenn man sich die Gallier näher genauer anschaut, wird man schnell feststellen, dass sie mit einem Naturvolk eigentlich nichts zu tun haben. Die keltischen Oppida waren stadtähnliche Siedlungen. Es gab ein eigenes keltisches Münzwesen und weitreichende Handelskontakte. Salz und Erz wurde in Minen unter Tage abgebaut. Die Gesellschaft war stark hierarchisch gegliedert - laut Caesar bestand sie aus Rittern, Druiden und Sklaven. Die Gallier war ganz gewiss keine edlen Wilden. Eine Merkurverehrung als Unterbau der beschriebenen Gesellschaft ergibt durchaus Sinn.

Was die einzelnen Symbole einst bedeutet haben, ist schwer zu erschließen. Was hat das Hirschgeweih jetzt mit dem Handel zu tun? Wahrscheinlich finden wir es nicht heraus! Symbole und Zeichen können willkürlich festgesetzt werden. Das Christentum ist auch kein Totemskult oder eine Naturreligion, obwohl Lamm, Löwe oder Pelikan Symbole Christi sein können. Aussagen über die Inhalte einer Religion lassen sich erst mithilfe schriftlicher Quellen erschließen. Dass die Druiden offenbar der mündlichen Überlieferung den Vorzug gaben, mag für Historiker natürlich dumm gelaufen sein. Noch dümmer wird es allerdings, wenn man in mittelalterlichen Sagen aus Irland und Wales die Übereste druidischer Überlieferung aus der kontinentaleuropäischen Eisenzeit vermutet.
 
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Eigentlich ist die Sache mit dem gallo-romanischen Merkur ziemlich einfach. Es handelt sich um jene Gottheit mit dem Hirschgeweih - einmalig auch Cernunnos genannt. Sein Attribut ist der gefüllte Geldbeutel oder der Torques. Allen Anschein nach war er ein Gott des Handels oder des Reichtum, d.h. zu Recht dem römischer Merkur gleichgesetzt. Es gibt eigentlich keinen Grund zur der Annahme, dass diese Person auch nur irgendetwas mit Schamanismus, Fruchtbarkeit, Jagdzauber etc. zu tun hatte.

DAS stand in dem Buch? Daran erinnere ich mich ja so garnicht mehr...

Ich möchte mich auch gegen eine solche Deutung wehren die ich als krasse Überinterpretation ansehe...

der Merkur-Typ mit dem Geldbeutel steht manchmal in Beziehung zur, im vergleich zu ihm sehr sehr seltenen Gottheit mit Hirschgeweih, aber beide sind nicht identisch und fallen nur lokal begrenzt manchmal im Kult zusammen, ohne jedoch auch nur einmal konkret miteinander identifiziert zu werden..weder inschriftlich noch von den Attributen her...

http://www.mediastorehouse.com/p/61...ltic-god-cernunnos-between-apollo-9471241.jpg
 
DAS stand in dem Buch? Daran erinnere ich mich ja so garnicht mehr...
So konkret natürlich nicht. Gschlößl hat sich natürlich weit aus vorsichtiger ausgedrückt. Beim Thema Religion der Kelten bewegt man sich immer im Bereich der Vermutungen.
Es gibt verschiedene gallo-romanische Merkur-Typen. Einige ähnlichen dem "Herrn der Tiere" vom Gundestrup-Kessel in einigen Punkten, andere hingegen nicht im geringsten.
 
Dem Gundestrup Hirschmann ähnelt keine die ich kenne... der gallische Merkur hat typischerweise eine Ziegen- oder Schafssymbolik wenn er gehörnt auftritt. Hirschgeweihe treten, wenn sie denn mal auftreten, eher mit Göttern des Jupiter-Typs auf, wobei die Gallier teilweise zwei interessante lokale Varianten kannten... einen jugendlicheren Typus und einen dreiköpfigen Typus.

Der Jupiter-Typus kann lokal manchmal auch in einen Ploutos-Typus übergehen... da gibt es dann auch Überschneidungen zum Merkur-Typ, der mit Geldbeutel auftritt...
 
Es gibt ein galloromanisches Relief aus Reims, dass wesentliche Elemente, dass wesentliche Elemente mit dem Gundestrup-Hirschmanns teilt: Körperhaltung, Hirsch und Stier, Torques und am Kopf sogar die steineren Stümpfe eines verlorenen Gehörns!
Der Geldbeutel auf dem Schoss der Gottheit aus Reims deutet auf einen Gott des Geldes hin. Da neben ihm im kleineren Maßstab Apollo und Merkur stehen, kann es auch so sehen, dass der sitzende Gott in der Mitte weder Merkur noch Apollo ist, sondern jemand wichtigeres - also ein gallischer Jupiter. Ein klärende Inschrift fehlt leider auf dem Stein von Reims.

Ich hbe noch mal kurz bei Gschlössl nachgeschaut. Er geht mehr oder weniger davon aus, dass im gallo-romanischen Synkretismus ein und der selbe keltische Gott gleichzeitg mit Mars, Merkur oder Jupiter identifiert werden konnte und die Interpretatio romona eben auch uneinheitlich war.
Dass der gallische Merkur eine andere Stellung als der römische hatte, wird schon bei Caesar deutlich, der vermerkt, Merkur sei der wichtige Gott bei den Galliern.
 
Was ist eine "Naturreligion"?
Ich würde die keltische Religion als Stammesreligion definieren, keine Urbane Polisreligion wie die der Griechen aber nahe dran.
Ob mit der Definition "Stammesreligion" viel gewonnen ist? Die Gefahr einer abwertenden Konnotation, von der Biturigos bei "Volksreligion" zu Recht ausgeht, ist dadurch nicht gebannt.

Bei meiner "kategorialen" Rückfrage (oben #10) hatte ich hatte ich den Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Religionstypologie im Hinterkopf. [1] Dort werden einige ältere und jüngere Vorschläge gemacht, in die man auch die keltische Religion einordnen könnte – aber wie?

Welche Rolle könnte z.B. das Merkmal "Urbanität" dabei spielen?

[1] Dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnische_Religionen#Klassifizerungsversuche
 
Dabei hat sich Ammianus zwei Jahre lang in Gallien aufgehalten. Hat er hier keine kompetenten Gewährsleute mehr gefunden, die ihm noch etwas über die Überlieferung der Druiden hätten erzählen können?
Stattdessen schreibt er bei einem Autor ab, der selber über keine Informationen aus erster Hand verfügt hat...

Es tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, ich setze mich zu sehr selbst unter den Druck möglichst ausführlich und mit Quellen belegt zu reagieren.
Kurz zu Sepiolas Anmerkung: ich finde es nicht erstaunlich, dass Ammianus Marcellinus keinen gallischen Gewährsmann erwähnt - zuerst, er lebte im 4.Jahrhundert AD, da gab es zwar noch Personen, die ihre Familiengenealogie als druidische Familie hochhielten, die Druiden selbst gab es in der Form politisch, rechtlich und religiös als Institution schon lange nicht mehr. Nach Einschätzung aller mir bekannten Autoren sind die spätkaiserzeitlichen in Quellen erwähnten Druiden nur Bezeichnungen für Wahrsager und Seher. Ich habe die Tacitusstelle in den Historien auch deswegen nicht als Beweis für eine Geschichtsschreibung herangezogen, als angeblich Druiden den Fall Roms prophezeiten, weil in Rom der Jupitertempel gebrannt hat, weil diese Druiden mit Sicherheit beständig mit dem dies ater der römischen Geschichte konfrontiert worden waren, wie schon die allobrogische Delegation ca. 70 v.Chr. vor einem römischen Gericht durch Tullius Cicero in seiner Verteidigungsrede pro fonteio:
" Dies sind die Völker, die einst so weit von ihren Wohnsitzen bis nach Delphi aufgebrochen sind, um den pythischen Apollo und die Orakelstätte des Erdkreises zu verheeren und auszuplündern. Von denselben frommen und in ihrem Zeugnis so gottesfürchtigen Völkern wurden das Kapitol und eben jener Iuppiter belagert, durch dessen Namen unsere Vorfahren die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen gebunden wissen wollten."
Daher kann dieser geschichtliche Rückblick auf das Jahr 390 BC nicht mehr überzeugend auf eine gallische/druidische Geschichtsschreibung zurückgeführt werden, weil 64 nach Chr. Gallien schon mehr als 100 Jahre römisch gewesen ist.

Zur Frage der Religionsbezeichung: ich wage mich nicht, dazu bin ich religionswissenschaftlich auch zu unbeleckt, eine Definition zu geben.
Ich kann heute nicht mehr alle Aussagen belegen, in einem meiner Bücher spricht der Autor an, ob es eine Ausbildung antromorpher Gottheiten vor der gallorömischen Phase gegeben hat, oder ob erst mit der Interpretatio Romana die Götter menschliche Gestalt angenommen haben. Ich neige genau wie der Autor, ich liefere die Stelle nach, dazu, dass diese Ausprägung vorher stattgefunden hat, da sie mit vierhundert Gottheiten schon sehr schnell voll und vielfältig ausgebildet zu sein scheint, der Gundestrupkessel mit seinen Gottheiten ist auch ein exemplarisches latenezeitliches Beispiel für frühe, vorrömische menschliche Göttergestalten. Für den Autor war diese Vermenschlichung Entwicklungsschritt innerhalb des relgiösen Systems weg von der Anbetung von Naturerscheinungen. Ich spare mir jetzt dies zu diskutieren.
Der Hinweis auf die Spätlatenezeitliche Oppidakultur finde ich ebenso richtig, sie nähern sich den grieichischen Polis an, der religiöse Bezirk innerhalb der Oppida an exponierter Stelle ist inzwischen archäologisch vielfach nachgewiesen (siehe meine Blogbeiträge). Der Mercurius kann auf eine ökonomisch auf Handel, Handwerk und Bergbau aufgebaute Ökonomie verweisen, in der die Oppida eine zentrale Rolle wahrnehmen. Allerdings, ich passe jetzt vorübergehend, welcher Autor dies geschrieben hat, wurde der Mercurius an der ersten Stelle bei Cäsar auch hinterfragt - die ganze Passage, zum Teil Poseidonios verkürzend, dann erweiternd, hebt sich stark vom gegenübergestellten "zurückgebliebenen, barabrischen Germanenbild" im Kapitel VI B.G. ab - daher wurde nach der politischen Absicht Julius Cäsars gefragt, und vermutet, dass auch Mercurius (und nicht etwa Mars) an der ersten Stelle darstellen sollte, dass er, Cäsar, ein ökonomisch reiches und entwickeltes Land erobert hat, dass die Voraussetzungen für eine florierende Ökonomie mitbringt.

Zu Mercurius: viele Autoren trauen sich an die Götterwelt nicht heran, so mein Eindruck, Birkhan gehört da zu den wenigen, der sich dem Thema ausführlich annimmt. Ich hatte ursprünglich vor, am Beispiel genau von diesem Gott Mercurius darzustellen, wie komplex und zum Teil undurchschaubar der Pantheon ist.
Der interessante Text von Raimund Carl, danke auch für eure Literaturtipps, haerangil, maglor, erwähnt eine Theorie, dass die Gottheiten dreifunktional und dreigestaltig gewesen sein könnten. Birkhan bringt Merkur mit drei Göttern in Verbindung - Lugus, Esus und Ogmos. Die Verbindung zu Cernunnos ist mir unbekannt gewesen, ich habe leider gerade keine Zeit, dem nachzugehen. Ich hatte einen ähnlichen Verdacht, dass die Gottheiten dreigestaltig sein können, die dreigestaltigen Matronae sind sicher einigen bekannt, und entdeckte jetzt, dass meine Idee doch nicht originell ist, schade. Um die Ebenen anzudeuten: im keltischen Sprachgebrauch gibt es drei Begriffe für Welt, die selbst drei verschiedenen vertikalen Ebenen der Weltvorstellung zugeordnet zu sein scheinen:

1. Albio - dem Himmel - der lichten? Oberwelt (Vermutung! Zusammenhang mit lateinisch albus / weiß) - Opferort Berge, Feuer - Verbrennung/Verwesung an der Luft/Vögel
2. Bitu - Gesamtheit allen Lebenden - der Erde, dem Trockenen, Opferort Bäume, Altäre-Opferform?
3. Dubno / Dumno - (Vermutung zu gotisch/diups tief!) der (tiefen?) Unterwelt, dem Nassen - Opferort Schächte, Quellen-Versenkung, Beerdigen, Verwesen in der Erde
(Die Relgion der Kelten, Maier, S.56)
Dementsprechend müssten die Gottheiten eine "Unterwelt - Welt- und Himmelsfunktion ausüben.

Richtig erwähnt Maglor, dass zusätzlich ein Gott Attribute wie segomo (siegreich) erhalten kann, dass heißt ein Mercurius segomo als Stammesgott übernimmt dann die Funktion eines Kriegsgottes.
Bei all dem muss man sich jedoch vergegenwärtigen, zum Beispiel zur Welt-Raumvorstellung, dass
"die Welt" als den Lebensraum des Menschen bezeichnen verschiedene Begriffe, deren Grundbedeutung und Zusammenhang untereinander bislang nicht befriedigend erklärt werden konnten.(Maier, S.55)
Ähnlich trifft es auch auf die Götterwelt zu.

Unten die Bärengöttin Artio mit Fruchtkorb und Bär, den sie füttert.
Bronzestatue, gefunden bei Bern, mit der Inschrift DEAE ARTIONI LICINIA SABINELLA
.
 

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Es gibt ein galloromanisches Relief aus Reims, dass wesentliche Elemente, dass wesentliche Elemente mit dem Gundestrup-Hirschmanns teilt: Körperhaltung, Hirsch und Stier, Torques und am Kopf sogar die steineren Stümpfe eines verlorenen Gehörns!
Der Geldbeutel auf dem Schoss der Gottheit aus Reims deutet auf einen Gott des Geldes hin. Da neben ihm im kleineren Maßstab Apollo und Merkur stehen, kann es auch so sehen, dass der sitzende Gott in der Mitte weder Merkur noch Apollo ist, sondern jemand wichtigeres - also ein gallischer Jupiter. Ein klärende Inschrift fehlt leider auf dem Stein von Reims.

Ich hbe noch mal kurz bei Gschlössl nachgeschaut. Er geht mehr oder weniger davon aus, dass im gallo-romanischen Synkretismus ein und der selbe keltische Gott gleichzeitg mit Mars, Merkur oder Jupiter identifiert werden konnte und die Interpretatio romona eben auch uneinheitlich war.
Dass der gallische Merkur eine andere Stellung als der römische hatte, wird schon bei Caesar deutlich, der vermerkt, Merkur sei der wichtige Gott bei den Galliern.

Ich bin hier weiterhin skeptisch, als Kunsthistoriker wie als Frühgeschichtler...

das Relief bildet eine Trias ab, Merkur und Apoll als Brüder lassen einen Bezug des mittleren Gottes zu Jupiter vermuten, es gibt auch ikonographische Parallelen zwischen dem Geweihgott und dem thronenden Jupiter Typus...

der Geweihgott hält einen Beutel mit dem er Stier und Hisch füttert... ich halte hier eher einen Bezug zu Pluto als zu Ploutos für wahrscheinlich... denn Stiere und Hirsche fressen keine Goldmünzen.

Zudem müsste in diese Zeit auch langsam der Jupiter-Optimus-Maximus Kult und die Anfänge der Jupiter-Giganten Säulen fallen... d.h. der Jupiter-typus müsste, durch den Bezug zum Reichsgott, eigentlich hierarchisch jetzt über dem merkur-Typus stehen... falls der Merkur-Typus wirklich den ehemals wichtigeren einheimischen Göttertypus meint.

In der gallo-römischen Ikonographie gibt es immerwieder Mischtypen, zumeist Silvanus-Vulcanus, Vulcanus-Hercules, Silvanus-Hercules (wir sprechen hier oft vom "Hammergott", "Schlegelgott" und "Sucellos"), Hygia-Diana, Diana-Isis ,Maia-Fortuna, Jupiter-Silvanus, uvm. Mercurius, die Jupiter , Mars und Apollon Typen aber vermischen sich nur sehr sehr selten, falls überhaupt... mir fällt spontan kein Beispiel ein.
 
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Ob mit der Definition "Stammesreligion" viel gewonnen ist? Die Gefahr einer abwertenden Konnotation, von der Biturigos bei "Volksreligion" zu Recht ausgeht, ist dadurch nicht gebannt.

Hmm... Stammesreligion ist erstmal eine sachliche Umschreibung. Es ist eine Religion bestimmter Stämme, lokal geprägt, d.h. Kulte gehen selten über relativ begrenzte Siedlungsgebiete in denen ein bestimmter Stamm dominant war hinaus. Zudem Vorstellungen von göttlichen oder vergöttlichten Ahnen, Stammesvätern oder Müttern,... für soetwas haben wir mit eponymen Heroen und Lokalgottheiten gute Hinweise.

Eine abwertende Konnotation sehe ich hier nicht...

"Volksreligion" funktioniert nur als Gegensatz zu offizieller Staats- oder Amtsreligion, als "volkstümliche Religion" oder "Populärglaube"... oder halt wenn man die "grossen Religionen" meint, die "Volksreligionen" die verschiedene Völker glaubenstechnisch vereinen... beides passt bei den Kelten glaube ich nicht.
 
Um die Ebenen anzudeuten: im keltischen Sprachgebrauch gibt es drei Begriffe für Welt, die selbst drei verschiedenen vertikalen Ebenen der Weltvorstellung zugeordnet zu sein scheinen:

1. Albio - dem Himmel - der lichten? Oberwelt (Vermutung! Zusammenhang mit lateinisch albus / weiß) - Opferort Berge, Feuer - Verbrennung/Verwesung an der Luft/Vögel
2. Bitu - Gesamtheit allen Lebenden - der Erde, dem Trockenen, Opferort Bäume, Altäre-Opferform?
3. Dubno / Dumno - (Vermutung zu gotisch/diups tief!) der (tiefen?) Unterwelt, dem Nassen - Opferort Schächte, Quellen-Versenkung, Beerdigen, Verwesen in der Erde
(Die Relgion der Kelten, Maier, S.56)
Dementsprechend müssten die Gottheiten eine "Unterwelt - Welt- und Himmelsfunktion ausüben.
.

Wolfgang Meid geht auf dieses Thema einige male ein, z.B. in "Aspekte der germanischen und keltischen Religion im Zeugnis der Sprache" und "Heilpflanzen und Heilsprüche,Zeugnisse gallischer Sprache bei Marcellus von Bordeaux. Linguistische und pharmakologische Aspekte" ...

Es stimmt, Albion/Albios bedeutet "Hell, Licht" , Dumnon, Dubnos "Tief" , Antumnos, Andounna "sehr Tief" oder "Untief"? und Bitus "Leben, Alt, Welt".
Diese Bereiche müssen aber nicht unbedingt getrennt gedacht werden... sie können gut ineinander übergehen... aber da will ich jetzt nicht zur inselkeltischen Mythologie überleiten:devil: Ich bin ja gegen sowas. Denken wir an Römer und Hellenen... oder die Liederedda...
 
Ich bin leider kein Sprachwissenschaftler daher kann ich nur widergeben was ich aus zweiter Hand habe, aber sofern mir bekannt stimmt tatsächlich beides. Belenos ist etymologisch nicht ganz unumstritten, aber eine Herkunft von einer möglichen proto-indoeuropäischen Wurzel *bʰel-, "Licht, Hell" wird häufig angenommen. Albion wird von einer möglichen Wurzel *albʰós oder h₂elbʰós, "weiss, hell" abgeleitet. Möglich dass beides den gleichen Ursprung hat... es sieht sich jedenfalls zusammenrekonstruiert recht ähnlich. Aber wie mal Jemand sagte... Es sind halt nur Sternchenworte in Sternchensprachen...

 
Ich dachte, "bel" resp. "bhel" sei der keltische Wortstamm von "hell, licht, leuchtend", was sich auch beim "Belenos" (Lichtgott ?) niederschlägt. Oder ist dies eine veraltete These ?
Zitat aus "Der Grundwortschatz des Altirischen" Martina Lucht, 2007
"Eine unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘white’ ist für das Proto-Idg. nicht sicher rekonstruierbar.Es gibt einige über mehrere Sprachzweige des Idg. verbreitete Bezeichnungen, die jedoch meist sekundär erklärbar sind als Ableitungen von Wurzeln der Bedeutung ‘hell’ oder ‘leuchten’ (vgl. BUCK 1949, S. 1054). Lediglich das erste der folgenden Etyma kann als primäre Bezeichnung gelten:
1. *albho-(IEW, S. 30 f.; WATKINS 2000, S. 3); vgl. z.B.
gr. ÷8n`H‘ weißer Ausschlag’;
lat. albus‘weiß’;
kymr. elfydd (m.) ‘Erde, Welt’ (proto-kelt. < *albio-; zur Semantik vgl. aks.
svtX‘Licht’ und ‘Welt’), gall. albio-in PNn (z.B. Albio-rix; vgl. KGP, S. 120);
3ahd. albiz, elbiz
, ags. aelbitu, ielfetu, an. elptr, lptr(f.) ‘Schwan’;
aks. lebed\‘Schwan’
(Belege nach IEW ebd.; zur Bildung vgl. SPECHT 1944, S. 114). Dieses Wort ist in seiner ursprünglichen Bedeutung im Kelt. nicht mehr belegt. Im gesamten kelt. Sprachbereich gibt es zwar viele ONn, die ein Element *albo-
aufweisen; dessen Ursprung und Bedeutung sind jedoch unklar (IEW ebd.).
4(Vgl. GAMKRELIDZE / IVANOV 1995, Bd. I, S. 685, wo dieses Wort als “die”
unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘white’ aufgeführt und in Opposition zu
*mel-‘schwarz’ gesetzt wird.)
4. Wurzel *bhel(cccc)-‘glänzend, weiß’ (IEW, S. 118 ff.; vgl. WATKINS 2000, S. 9 s.v.
*bhel-1: ‘to shine, flash, burn; white and various bright colours’); vgl. z.B.:
gr. n"8`H;
lit. b~las;
aks. blX,
alle der Bedeutung ‘weiß’ (Belege nach IEW ebd.). Dieses Wort ist im Kelt. in diversen Weiter-bildungen erhalten; vgl z.B.:
kymr. beleu‘Marder’;
air. oíbell(m.) ‘Feuer, Glut’ = kymr. ufel
(m.) ‘Funke, Feuer’ (< *opi-bhelo-);
mir. Bel-tene‘Fest des 1. Mai’;
gall. GN Belenos, Belisama5u.a.
(Belege und Rekonstrukte nach IEW ebd.). Daher könnte proto-kelt. *
belo- evtl. als unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘weiß’ angesetzt werden"

Verzeiht die durch das Kopieren entstandenen Fehler.im Griechischen. http://hss.ulb.uni-bonn.de/2007/1142/1142.pdf
 
Ob mit der Definition "Stammesreligion" viel gewonnen ist? Die Gefahr einer abwertenden Konnotation, von der Biturigos bei "Volksreligion" zu Recht ausgeht, ist dadurch nicht gebannt.

Bei meiner "kategorialen" Rückfrage (oben #10) hatte ich hatte ich den Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Religionstypologie im Hinterkopf. [1] Dort werden einige ältere und jüngere Vorschläge gemacht, in die man auch die keltische Religion einordnen könnte – aber wie?
Welche Rolle könnte z.B. das Merkmal "Urbanität" dabei spielen?
[1] Dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnische_Religionen#Klassifizerungsversuche

Sehr interessant, ich habe mich bezogen auf Mittellatene und Spätlatene bzw. die Oppidakultur für folgende Einordnungen bzw. Definitionsversuche entschieden:
1. Bei der Einteilung oder Klassifizierung nach der Kultpraxis für den Olympischen Relgionstyp:
Finden sich in einer Religion auch Kulte, die wohl organisiert und häufig standardisiert von einem Vollzeit-Spezialisten (Priester) vor und mit der Gemeinschaft vollzogen werden (in Ethnoreligionen hauptsächlich Opferungen), spricht Wallace vom „olympischen-“ oder auch „ekklesiastischen Religionstyp“ (nach Roberts und Sanderson „polytheistischer Typ“). Kennzeichnend für den olympischen Typ ist, dass eine große Zahl menschenähnlich gedachter (guter und böser, intelligenter und dummer) Götter in einem Pantheon wohnen, die jeweils spezielle Funktionen erfüllen und von denen einige durch bestimmte Heiligtümer (Tempel, Schreine, Idole usw.) repräsentiert werden. Olympische Religionen kommen in Gesellschaften vor, die zu 50 % von Landwechselwirtschaft oder traditionellem Ackerbau und zu 42 % von Gartenbau leben. Die Menschen leben zu 33 % in segmentären Gesellschaften, zu 25 % in Häuptlings- bzw. Fürstentümern und zu 42 % in eigenen Staaten. 66 % der olympischen Religionen sind schriftlos.Nach Sanderson beschäftigen sich diese Systeme – die sowohl bei ethnischen- als auch bei den großen östlichen Religionen vorkommen – auch mit Fragen nach dem Sinn des Lebens." aus wikipedia

2. bei der Klassifizierung nach sozioökologischen Rahmenbedingungen und Lebensweise für die Religionen komplexer sesshafter Kulturen:
"Völker, die im Zuge der Entwicklung zu Stadtkulturen – fast immer verbunden mit einer expansiven Ausdehnung ihres Einflussbereiches – von verschiedenen Wirtschaftsweisen leben (Pflanzen- u./o. Tierproduktion sowie Handwerk, Gewerbe und Handel) und die in diesem Zusammenhang eine vielschichtige Sozialstruktur benötigen, haben entweder komplexe Götterwelten oder einen eindeutigen Monotheismus. Die differenzierte Arbeitsteilung und die häufigere Auseinandersetzung mit kulturellen Dingen (im Vergleich zum unmittelbaren Umweltbezug der Jäger, Bauern und Hirten) lässt die Natur – und mit ihr die Geistervorstellungen sowie totemistische Gruppenbildung – in den Hintergrund treten. Stattdessen sind die Gottesideen viel abstrakter und „entrückter“. Hier lebt der Mensch nicht mehr „auf gleicher Ebene“ mit den ihn umgebenden Mächten. Die unerreichbaren Götter und die Religion sind etwas vom Alltag Getrenntes; spirituelle Bedürfnisse können nur mit Hilfe spezialisierter Vermittler nach fest vorgeschriebenen Ritualen befriedigt werden. Gleichsam ist häufig eine Säkularisierung („Verweltlichung“) zu beobachten; der Einzelne wird zum Gläubigen; der kollektive „Zwang“ zur „angeborenen“ ethnischen Religion ist kaum noch ausgeprägt. Die Entstehung der sozialen Ordnung wird überirdischen Mächten zugeschrieben; die Abstammung der Clangruppen häufig auf mythische Ahnen zurückgeführt. Nahezu überall verbreitet war in historisch-ethnischen Religionen dieses Typs eine zentrale Sonnengottheit, die die Leben spendende und alles erhaltende Kraft der Sonne repräsentierte. Mond-, Meer- und Wettergottheiten kamen ebenfalls häufig vor. Statt einfacher Tabuvorschriften gibt es zumeist komplizierte Gebote. Die religiösen Spezialisten sind hauptberuflich tätig und in der Regel gehören die Priester zur Staatsbürokratie; es gibt daher keine Trennung zwischen Kirche und Staat."

Allerdings sehe ich in den keltischen Gesellschaften Übergangsformen, auch wenn man keinem evolutionistischen Entwicklungsauffassungen anhängt, (daher besser vielleicht auch Mischformen) zum Beispiel mit
den Religionen der langjährig sesshaften Feld- und Ackerbauern - die Landwirtschaft hatte in den keltischen Gesellschaften eine bedeutende Stellung, und damit zum Beispiel Fruchtbarkeitsgöttinnen oder die "Erdmutter" - bei der Differenzierung nach Kultpraxis Mischformen mit dem Kommunalen Religionstyp, " Bei der nachfolgenden Kultform handelt es sich um die Riten, die gemeinsam von den Mitgliedern einer Gruppe abgehalten werden (etwa Initiationsriten, religiös inspirierte Tanzzeremonien, Opferzeremonien usw.). Viele dieser Zeremonien orientieren sich an kalendarischen Zyklen. Ethnien, die neben den individuellen und schamanischen Kulten auch noch gemeinsame Riten kennen, bezeichnet Wallace als „kommunalen“ oder „kollektiven Religionstyp“.Bei diesem Typ kommt zum animistischen Glauben vor allem der Ahnenkult hinzu."

Gerade der Partikularismus und die lokale Bedeutung vieler Gottheiten spricht für die traditionelle, konservative Bedeutung dieses kommunalen Typus in den keltischen Gesellschaften.
Manuel Fernández-Götz (siehe Post 13) stellt die These auf, dass die Oppidagründungen vielleicht um Heiligtümer entstanden sind (Bibracte, Titelberg), die schon länger existiert haben, symbolisch um "neuen Stammesfusionen" ein zentrales Heiligtum zu geben, an denen zentrale offizielle Kulte und Versammlungen stattfanden, und die eine neue kollektive Identität begründen sollten. Dazu passen aber vielleicht auch die Bergheiligtümer mit den Mercuriustempeln der Arverner auf dem Puy de Dome und auf dem Donongipfel im Gebiet der Mediomatriker, Triboker und Leuker in den Vogesen. Meiner Ansicht nach waren die keltischen Gesellschaften im Spätlatene stärker zentralisiert,rechtlich und ökonomisch organisiert, zumindestens in den Kernbereichen - die bedeutsame Rechtsstellung der Druiden wirkt bei manchen Civitas fast theokratisch.

Unten der frei rekonstruierte gallorömische Tempel auf dem Donon, für den (hypothetischen) Mercurius Vosegus
 

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Kurz zu Sepiolas Anmerkung: ich finde es nicht erstaunlich, dass Ammianus Marcellinus keinen gallischen Gewährsmann erwähnt - zuerst, er lebte im 4.Jahrhundert AD, da gab es zwar noch Personen, die ihre Familiengenealogie als druidische Familie hochhielten, die Druiden selbst gab es in der Form politisch, rechtlich und religiös als Institution schon lange nicht mehr.

Um an Informationen aus druidischer Tradition heranzukommen, brauchte Ammianus keine Druiden als Institution. Es hätten Personen genügt, die diese Tradition bewahrt hatten.
 
Zitat aus "Der Grundwortschatz des Altirischen" Martina Lucht, 2007
"Eine unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘white’ ist für das Proto-Idg. nicht sicher rekonstruierbar.Es gibt einige über mehrere Sprachzweige des Idg. verbreitete Bezeichnungen, die jedoch meist sekundär erklärbar sind als Ableitungen von Wurzeln der Bedeutung ‘hell’ oder ‘leuchten’ (vgl. BUCK 1949, S. 1054). Lediglich das erste der folgenden Etyma kann als primäre Bezeichnung gelten:
1. *albho-(IEW, S. 30 f.; WATKINS 2000, S. 3); vgl. z.B.
gr. ÷8n`H‘ weißer Ausschlag’;
lat. albus‘weiß’;
kymr. elfydd (m.) ‘Erde, Welt’ (proto-kelt. < *albio-; zur Semantik vgl. aks.
svtX‘Licht’ und ‘Welt’), gall. albio-in PNn (z.B. Albio-rix; vgl. KGP, S. 120);
3ahd. albiz, elbiz
, ags. aelbitu, ielfetu, an. elptr, lptr(f.) ‘Schwan’;
aks. lebed\‘Schwan’
(Belege nach IEW ebd.; zur Bildung vgl. SPECHT 1944, S. 114). Dieses Wort ist in seiner ursprünglichen Bedeutung im Kelt. nicht mehr belegt. Im gesamten kelt. Sprachbereich gibt es zwar viele ONn, die ein Element *albo-
aufweisen; dessen Ursprung und Bedeutung sind jedoch unklar (IEW ebd.).
4(Vgl. GAMKRELIDZE / IVANOV 1995, Bd. I, S. 685, wo dieses Wort als “die”
unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘white’ aufgeführt und in Opposition zu
*mel-‘schwarz’ gesetzt wird.)
4. Wurzel *bhel(cccc)-‘glänzend, weiß’ (IEW, S. 118 ff.; vgl. WATKINS 2000, S. 9 s.v.
*bhel-1: ‘to shine, flash, burn; white and various bright colours’); vgl. z.B.:
gr. n"8`H;
lit. b~las;
aks. blX,
alle der Bedeutung ‘weiß’ (Belege nach IEW ebd.). Dieses Wort ist im Kelt. in diversen Weiter-bildungen erhalten; vgl z.B.:
kymr. beleu‘Marder’;
air. oíbell(m.) ‘Feuer, Glut’ = kymr. ufel
(m.) ‘Funke, Feuer’ (< *opi-bhelo-);
mir. Bel-tene‘Fest des 1. Mai’;
gall. GN Belenos, Belisama5u.a.
(Belege und Rekonstrukte nach IEW ebd.). Daher könnte proto-kelt. *
belo- evtl. als unmarkierte Bezeichnung des Konzepts ‘weiß’ angesetzt werden"

Verzeiht die durch das Kopieren entstandenen Fehler.im Griechischen. http://hss.ulb.uni-bonn.de/2007/1142/1142.pdf

Merci für deine Angaben. Meine Nachfrage hatte noch einen anderen Hintergrund. Ich wohne in einer "La-Tène-Region", wo es fünf Hügel mit den Namen "Belchen" gibt. Der Flurname scheint offenbar nirgends sonst im deutschsprachigen Raum vorzukommen. Es wurde resp. wird immer noch angenommen, diese gleichlautenden Namen (franz. wurde "Belchen" zu "Ballon") der Hügel (gelgen in den Vogesen, im Schwarzwald und im Jura) dieselbe etymologische Wurzel haben wie der Sonnengott Belenos.

Ausgehend von dieser Annahme wurde eine These - oder vielleicht auch eher Spekulationen - aufgestellt, wonach die Annordnung der Hügel von den ansässigen Kelten als Kalender benutzt wurde. Jedenfalls markieren vom Elsässer Belchen (Ballon d' Alsace) aus gesehen die drei anderen Belchen den Aufgangspunkt der Sonne an den ketltischen Festtagen von Beltaine und Lugnasad. In umgekehrter Richtung geht die Sonne am zeitlich entgegengesetzten Zeitpunkt über dem Elsässer Belchen unter.

https://de.wikipedia.org/wiki/Belchen-System

Jedenfalls war es, nebenbei bemerkt, diese These, welche der Region zur Bezeichnung "Dreieckland" verholfen hat und nicht, wie fälschlich angenommen wird, dass die Region auf drei Nationen aufgeteilt ist.
 
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