Die Nichtexistenzthese wird damit begründet, dass einige zeitgenössische Autoren (*Philon von Alexandria, *Justus von Tiberias und andere) Jesus nicht erwähnten und alle antiken Jesusnotizen gefälscht, später eingefügt oder von Christen übernommen worden seien.
Und das ist - aus den Augen eines Geschichtswissenschaftlers, der weiß, was man in den Quellen erwarten kann - schon ziemlich naiv. Wir wissen über viele viele Personen, die aus zeitgenössisch-antiker Sicht weitaus wichtiger waren, als der Anführer einer sektiererischen jüdischen Gruppierung, die durch Galiläa und angrenzende Regionen zog, ähnlich wenig, wie über Jesus. Nur käme da niemand auf die Idee, ihre Historizität anzuzweifeln, da ihre Existenz ja nicht ihren kleingläubigen Atheismus bedroht (wohlbemerkt: ich bezeichne nicht den Atheismus als kleingläubig, sondern diejenigen Atheisten, die offenbar einer historischen Nichtexistenz Christi, Muhammads o.a. benötigen, um ihren Atheismus zu rechtfertigen).
Dass die meisten nichtchristlichen Autoren des 1. und frühen 2. Jahrhunderts Jesus nicht, einige nur beiläufig erwähnten, belegt für die Vertreter dieser These Jesu Nichtexistenz.
Warum hätten sie ihn denn überhaupt erwähnen sollen?
Beispiel: Was wissen wir über Pontius Pilatus? So gut wie nichts. Dabei war er ein politisches Schwergwicht. Aber wir verfügen lediglich über zwie Inschriften zu ihm und dem biblischen Bericht. Was wissen wir über Varus? So gut wie nichts! Was wissen wir über Boudicca? So gut wie nichts! Außer bei Tacitus wird sie nirgends erwähnt.
Im Prinzip drehen sich die historiographischen Quellen alle mehr oder weniger um die römischen Kaiser und ihre engere Entourage. Darüber hinaus erfahren wir kaum etwas.
Kommen wir zu den einzelnen erwähnten Historiographen:
Philon von Alexandria: schrieb über die Situation der Juden in Ägypten, hauptsächlich in Alexandria.
Justus von Tiberias: Seine Werke sind nicht erhalten, über ihren Inhalt wenig bekannt. Sein Sujet scheint jedenfalls der jüdische Aufstand 66 ff. gewesen zu sein.
Vertreter der Jesus-Mythos-These bestreiten jegliches Wissen des Paulus vom historischen Jesus. Seine Briefe hätten mehr von Jesu Leben darstellen müssen, wenn er existiert hätte.
Warum hätten sie das? Seine Briefe richteten sich an Leute, die bereits Christen waren. Es handelte sich in erster Linie um
- Vermittlung in Streitfällen
- Tadel in Fällen unchristlichen Verhaltens
- Ratschläge
etc.
Im Übrigen finden sich darin sehr wohl Bezüge auf Jesus.
Jesusworte darin stammten nicht aus historischer Erinnerung oder seien nicht auf historische Vorgänge bezogen. Die synoptische Jesustradition sei insgesamt erst Jahrzehnte danach entstanden.
Das ist unstrittig. Die echten paulinischen Briefe müssen etwa um 40 ff. entstanden sein, die synoptischen Evangelien entstanden erst, als klar wurde, dass das Ende der Welt wohl doch nicht so nah war, wie einige der frühen Christen noch geglaubt haben mögen und die Generation derer, die Jesus kannten, langsam ausstarb. Da sie Anspielungen auf die Zerstörung Jerusalems durch die Römer beinhalten, könnnen wir die synoptische Tradition etwa auf 70 datieren.
Vertreter der Jesus-Mythos-These deuten das urchristliche „Heilsdrama“ von Menschwerdung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu als angeblich verbreitetes Muster älterer paganer Mythen, das Urchristen aus hellenistischen Mysterienkulten übernommen hätten.
Ja, das ist superpraktisch, denn über die Mysterienkulte wissen wir ziemlich wenig (eben weil es Mysterienkulte waren!). Über den prominentesten, den Mithraskult, wissen wir, das Mithras ein Lichtgott war, der aus einem Stein geboren wurde und das Mithras den Stier tötete. Und wir wissen, dass der Mithraskult unter Soldaten recht prominent war. In der Archäologie werden Mithräen u.a. dadurch identifiziert, dass es sich meist um in die Erde eingtiefte Kultbauten handelt, in denen man bestimmte Knochen vom Stier findet, aber auch sehr viele Hühnerknochen. Offenbar wurde bei Gelagen nach der Opferung des Stieres hauptsächlich Hühnchen verzehrt. Warum, ist unbekannt.
Jeder kann von mir aus das glauben, was er will. Was mir als Historiker gegen den Strich geht, ist dass die Geschichte und pseudohistorische Argumentationen herangezogen werden, um die eigene Weltanschauung zu be- oder widerlegen.