*Arx Domina?

El Quijote

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Die Erstbelege für den andalusischen Ortsnamen Archidona stammen aus maurischer Zeit und lauten auf Arǧiḏūna bzw. Aršiḏūna. Schon der Unterschied in der Wahrnehmung durch arabische Ohren zwischen <ǧ> ​[⁠dʒ⁠] ​und <š> [⁠ʃ⁠]​ deutet m.E. darauf hin, dass der Name nicht aus dem Arabischen stammen kann bzw. er lässt sich auch nicht arabisch erklären. Im spanischen und englischen Wikipedia-Artikel wird die von einem ominösen J. H. Xavarino vertretene Hypothese einer baskischen Herleitung wiedergegeben, die dieser in einem 1995 auf den Markt gekommenen Buch vertrat, welches aber bereits zum Zeitpunkt seines Erscheinens als wissenschaftlich veraltet gelten musste (Kritik bei Jacinto García, Eduardo José: Sobre toponomia española de origen preromano: algunos ejemplos de etimología popular en el sur de la península), da er noch an der Schwelle zum 21. Jhdt. die längst verworfene baskisch-iberistische Theorie des 19. Jhdts. vertrat.

Eine andere Hypothese ist der hergeleitete Ortsname *Arx Domina, ich habe den Namen jetzt mit einem Asterisken versehen, weil er nicht belegt ist, meist liest man diese Herleitung als Tatsachenbehauptung, die Römer hätten Archidona Arx Domina getauft.

Ohne dass ich eine Alternative anzubieten hätte, so scheint mir der Ortsname *Arx Domina (Festung der Herrin) zunächst einmal wenig plausibel, auch dann nicht, wenn ich ihn den Genitiv beachtend in *Arx Dominae korrigiere.

Gibt es zu diesem Problem fundierte Meinungen? Kennt ihr römische Ortsnamen auf Arx X?
Wo ich gerade darüber nachdenke, so wäre ein Arcus vielleicht sogar einigermaßen plausibel. Irgendwo in Nordafrika gibt es ein römisches Ruinenfeld (leider sind mir Name und Land entfallen), welches auf Arabisch einfach nur "die Bögen" heißt, weil dort als auffälligstes Merkmal Bögen erhalten sind.
 
Falls Archidona von arx abgeleitet wird, müßte es da eine Burg oder Befestigung aus der Zeit vor der maurischen Eroberung gegeben haben. Im spanischen Wiki-Artikel zu Archidona lese ich etwas von einer Alcazaba. Könnte sich auf diese die Arx beziehen?

Hier ist noch ein Link zu einer Arbeit über die Alcazaba (https://www.academia.edu/15345331/L...cas_constructivas_y_criterios_de_restauración auf Spanisch). Ich habe sie nur kurz überflogen, aber danach bestand sie sogar schon in vorrömischer Zeit.
 
Hier ist noch ein Link zu einer Arbeit über die Alcazaba (https://www.academia.edu/15345331/L...cas_constructivas_y_criterios_de_restauración auf Spanisch).
Das ist eine studentische Abschlussarbeit, der Autor geht wenig kritisch mit der Ortsnamenherleitung von Xavarino um, ohne diesen überhaupt zu nennen.

Im spanischen und englischen Wikipedia-Artikel wird die von einem ominösen J. H. Xavarino vertretene Hypothese einer baskischen Herleitung wiedergegeben, die dieser in einem 1995 auf den Markt gekommenen Buch vertrat, welches aber bereits zum Zeitpunkt seines Erscheinens als wissenschaftlich veraltet gelten musste (Kritik bei Jacinto García, Eduardo José: Sobre toponomia española de origen preromano: algunos ejemplos de etimología popular en el sur de la península), da er noch an der Schwelle zum 21. Jhdt. die längst verworfene baskisch-iberistische Theorie des 19. Jhdts. vertrat.

Zudem nennt der Autor der von dir verlinkten Abschlussarbeit den überlieferten römischen Namen Escua. Allerdings ist der Name Escua zwar wohl in literarischen aber nicht in epigraphischen Quellen überliefert. Womit die Zuordnung Escuas zu Archidona auch mit Vorsicht zu genießen ist. Kritik daran fehlt in dieser Abschlussarbeit.
 
Escua soll bei Plinius und Claudios Ptolemaios vorkommen, bei Plinius finde ich es nicht, bei Ptolemaios finde ich Oscua. So verzerrt, wie die Karte der Baetica bei Ptolemaios ist, könnte Oscua gut Archidona sein. Oder eben auch nicht. Corduba liegt beispielsweise sehr weit östlich, gegenüber der Küste ist vor allem das Binnenland sehr nach Osten verzogen.

Es soll auch punische oder iberische Münzen aus Escua geben, wo diese aber schwerpunktmäßig gefunden wurden, dazu habe ich keine Angaben gefunden, vor allem aber auch, weil ich diese Nachricht in der Literatur des 19. Jhdts. fiinde.
 
Ich meinte eigentlich, dass der Ortsname Arx von der nahe gelegenen Arx übertragen worden sein könnte.
 
Wenn diese denn tatsächlich in römischer Zeit existierte. Die von dir verlinkte Abschlussarbeit geht zwar davon aus, aber wirklich überzeugende Argumente liefert der Autor - der im Übrigen kein Historiker oder Archäologe ist, sondern Bau-Ingenieur - dafür leider nicht. Es sind Meinungen, die er wiedergibt, keine Fakten. Hauptsächlich stützt er sich dabei auf ein Buch nämlich die Historia de Archidona von Ricardo Conejo Ramilo aus dem Jahr 1973. Der Autor dieses Buches war seinerseits weder Historiker noch Archäologe sondern Arzt. Nichts gegen Dilettanten (das Wort ist ja im derzeitigen Sprachgebrauch halb zu Unrecht negativ besetzt, ich meine es durchaus im Sinne des 19. Jhdts., wo es positiver besetzt war) aber das macht das alles nicht plausibler. Dass es in Archidona römische Spuren gibt, bezweifele ich dabei gar nicht, aber für die Burg fehlt mir der Beleg. Es ist ja gerade so, dass in römischer Zeit ehemals keltische Oppida zu Gunsten römischer coloniae aufgegeben wurden und gerade Südspanien war ja vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis in die Völkerwanderungszeit, wenn man mal von den lusitanischen Kriegen und den Maureneinfällen (hier sind nicht die Muslime 500 Jahre später gemeint) in der Soldatenkaiserzeit absieht, weitgehend von Krieg und Konflikten unberührt und dementsprechend entmilitarisiert. Eine römische Burg müsste dann beinahe aus der Zeit ab dem 4. Jhdt. stammen. Dass der Name eines dominierenden Bauwerks oder eines Stadtviertels den usprünglichen Stadtnamen überlagert hat, mag sein. Münster wäre so ein Fall, wo das dominierende monasterium den ursprünglichen Namen Mimigernaford überlagerte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich versuche noch gerade herauszufinden wie arx, arcis sich ins Iberoromanische übertragen hätte. Bei (Julia Gemella) Acci haben wir als Indikator für die iberoromanische Lautung der Spätantike/des FrühMAs die arabische Entsprechung (Wādī) Āš, hispanisiert zu Guadix. Aber das passt nicht; ebensowenig passt nox oder lax, weil bei den spanischen Entsprechungen die Akkusativformen noctem und lactem vorliegen. Das -t- fehlt bei arx, arcis und nebenbei ist hier natürlich zu beachten, dass das baetische Latein viel feiner als das Latein der kantabrischen Kordilliere war, aus dem sich das Spanische als Reconquista-Dialekt herausbildete.
 
In der spanischen Wiki wird auch *arcis domina (Herrin der Burg) als möglicher Ursprungsname erwähnt.
 
"Herrin der Höhen" so wollen die englische und spanische Wiki (die Artikel (bzw. in diesem Fall die entsprechende Passage) sind mal wieder Übersetzungen voneinander, leider, das ist eine Unsitte, die bei Wikipedia immer weiter um sich greift).
 
Das Problem zu klären, wie sich ein arx/arcis im Südiberolateinischen weiterentwickelt hat, ist ja, dass es hier keine direkte Fortsetzung gibt und wir vor allem wenige Schriftzeugnisse und vor allem arabische Namenwiedergaben zugrundelegen müssen.
Das lateinische piscis hat sich im Spanisch zu [ˈpeθ], [ˈpeθes] und im Italienischen zu [ˈpeʃe], Plural: [ˈpeʃi] fortentwickelt und im Portugiesischen [ˈpɐjʃɨ]/[ˈpejʃɨ]/[ˈpe(j)ʃe]. Wenn man annimmt, dass das später im andalusischen Romanisch aufgegagene Idiom eine eher dem Italienschen, denn dem Spanischen ähnlich Variante war (und das ist in der Iberorormanistik durchaus die Mehrheitsposition, wenn nicht gar unumstritten), da die Baetica und die hispanische Ostküste eigentlich immer recht eng an Italien angebunden waren und Zentral- und Nordhispanien sowie das spätere Portugal die Peripherie, steht zumindest die Herleitung eines Lautstandes [Ar⁠dʒi-⁠] bzw. [Ar⁠ʃi-⁠] wie er sich in den belegten arabischen Varianten Arǧiḏūna bzw. Aršiḏūna präsentiert, mit der für das andalusische Romanisch zu erwartenden Entwicklung in Einklang.
(Was allerdings nicht im Einklang steht, ist die Entwicklung von Arǧiḏūna bzw. Aršiḏūna zu Archidona, da normalerweise altspanisches [(d)ʒ⁠] bzw. [⁠ʃ⁠] zu [⁠ʃ⁠] zusammenfällt und aus [⁠ʃ⁠] heutiges [χ] wird, demnach wäre eigentlich aus dem Arabischen hergeleitet ein *Arjidona anstatt Archidona zu erwarten. Aber das ist nur eine Nebenbemerkung.)
 
Ich habe wegen der Bedeutung von arx noch mal nachgesehen:

arx : Deutsch » Latein | PONS

Höhe kann es auch bedeuten, bislang war mir nur die Bedeutung Burg (v. a. der Burgberg des Kapitols) bekannt.

Aber mich stört die Position von arcis ein wenig. Das Genitivattribut vor domina scheint mir ungewöhnlich.

Könnte das archis auch auf ein lateinisches arci (Plural von arcus - Bogen) zurückgehen? In der Nähe von Metz gibt es beidseits der Mosel zwei Ortschaften: Ars-sur-Moselle und Jouy-aux-Arches, deren Namen sich von arcus/-i herleiten: in dem Falle sind es die Bögen des teilweise noch erhaltenen Aquädukts, der Metz mit Wasser versorgte.

Nur müßte es zumindest den ein oder anderen namensgebenden Bogen bei Archidona gegeben haben.
 
Könnte das archis auch auf ein lateinisches arci (Plural von arcus - Bogen) zurückgehen? In der Nähe von Metz gibt es beidseits der Mosel zwei Ortschaften: Ars-sur-Moselle und Jouy-aux-Arches, deren Namen sich von arcus/-i herleiten: in dem Falle sind es die Bögen des teilweise noch erhaltenen Aquädukts, der Metz mit Wasser versorgte.

Nur müßte es zumindest den ein oder anderen namensgebenden Bogen bei Archidona gegeben haben.

Für möglich halte ch das, vgl. diese Passage aus #1:

Wo ich gerade darüber nachdenke, so wäre ein Arcus vielleicht sogar einigermaßen plausibel. Irgendwo in Nordafrika gibt es ein römisches Ruinenfeld (leider sind mir Name und Land entfallen), welches auf Arabisch einfach nur "die Bögen" heißt, weil dort als auffälligstes Merkmal Bögen erhalten sind.

Ich weiß allerdings immer noch nicht wieder, welches Ruinenfeld das war.
 
Arcos d.f. Frontera war in andalusischer Zeit im Übrigen Arquš; der aus dem afrikanischen Mactar stammenden Sextus Julius Possessor übte laut einer sekundär in der Giralda von Sevilla verbauten Inschrift zufolge des Amt eines Kurators der coloniae Arcensium aus, womit A.d.l.F. identifiziert wird.
 
Arcos d.f. Frontera war in andalusischer Zeit im Übrigen Arquš; der aus dem afrikanischen Mactar stammenden Sextus Julius Possessor übte laut einer sekundär in der Giralda von Sevilla verbauten Inschrift zufolge des Amt eines Kurators der coloniae Arcensium aus, womit A.d.l.F. identifiziert wird.


Laut der spanischen Wiki zu Arcos de la Frontera (https://es.wikipedia.org/wiki/Arcos_de_la_Frontera#Historia) wird der Name Arcos von Arx abgeleitet:

El nombre de Arx-Arcis (fortaleza en altura) proviene de su fundación romana, época en la que aparece como asentamiento "coloniae Arcensium", otro asentamiento romano fue Santiscal.

Wenn ich mir Bilder von Arcos ansehe, so scheint die Herleitung von Arx nicht ganz unwahrscheinlich. Andererseits stellt sich dann die Frage, warum ein lateinisches Arx in einem Falle zu Arcos, in einem anderen Falle zu Archi- geführt hat.
 
Ja, habe ich gelesen. Allerdings scheint mir da der Verfasser des Artikels etwas gründlich missverstanden haben. Normalerweise wird ja ein lat. Substativ, um die Deklinationsklasse zu kennzeichnen, mit Nominativ und Genitiv angegeben. Genau das wäre arx, arcis. Diese (hypothetische) Angabe einer möglichen Ortsnamensherkunft hat der Verfasser offenbar missverstanden und den Ortsnamen "Arx-Arcis" kreiert.
 
Ich finde bei Google Books da einen Schnippsel aus den Apuntes para una historia de Arcos de la Frontera von Miguel Mancheño y Olivares (1896)
...llamado, meneser es aplicarlo á Arcos, cuyo nombre se deriva de la misma radical Arx arcis.
Ich denke, das, missverstanden, war die Grundlage des Ortsnamens *Arc Arcis im spanischen Artikel zu A.d.l.F.
 
oh, das wäre natürlich möglich, dass der entsprechende Wikipedianer das mißverstanden hat. :rofl:

Wenn ich Miguel Mancheño y Olivares richtig verstehe, ist bei ihm die Herleitung von arx auch nur eine Vermutung.


Gibt es außer der erwähnten Inschrift aus der Kathedrale von Sevilla noch weitere antike Erwähnungen des Namens von Arcos?
 
Andererseits stellt sich dann die Frage, warum ein lateinisches Arx in einem Falle zu Arcos, in einem anderen Falle zu Archi- geführt hat.
Nomalerweise liegt der Ableitung eines romanischen Wortes aus dem Lateinischen der Akkusativ zugrunde. Bei den Formen von arx, arcis ist eigentlich kein -k- zu erwarten sondern ein -z- bzw. eine Variation wie -θ-, -ʃ⁠-, -t⁠ʃ- oder -s-. Daher ist bei Archidona eine Herleitung von arx, arcis sinnvoller anzunehmen als bei Arcos.
Arcos d.f. Frontera war in andalusischer Zeit im Übrigen Arquš; der aus dem afrikanischen Mactar stammenden Sextus Julius Possessor übte laut einer sekundär in der Giralda von Sevilla verbauten Inschrift zufolge des Amt eines Kurators der coloniae Arcensium aus, womit A.d.l.F. identifiziert wird.
Jetzt lese ich gerade in einem Artikel Vestigios romanos en Arcos de la Frontera von J.M. Santero und L. Perdigones (Habis 6, 1975), dass die colonia Arcensium nicht Arcos sondern Arqa im Libanon sei, die Geburtsstadt von Serverus Alexander. Leider ohne Verweis oder Begründung. Die Tendenz des Artikels ist "Es gibt zwar unheimlich viele römische Zeugnisse in der Region, aber ob es in Arcos eine städtische Anlage gab, wissen wir nicht sicher".
 
ein wenig merkwürdig...

Falls diese Colonia Arcensium nicht Arcos sein sollte, fehlt dann der Beleg für den lateinischen Namen von Arcos. Ich vermute, dass Arcos eben so wenig aus dem Arabischen ableitbar wäre wie Archidona.


Ich habe auf S. 95 noch die folgende Aussage gefunden:

"Más convincente resulta la propuesta de R. Thouvenot, que lo [Arcos] identifica con la
Arcilacis de Ptolomeo (II,4,9), de la que procedería el nombre actual76"

http://www.ujaen.es/dep/dantropolog...lamiento romano en el valle del Guadalete.pdf

Anscheinend hat wohl Ptolomäus uns einen Ort namens Arcilacis überliefert, der Arcos sein könnte.
 
Ja, das habe ich natürlich auch gelesen. Das Umlautungsproblem bleibt aber:
Nomalerweise liegt der Ableitung eines romanischen Wortes aus dem Lateinischen der Akkusativ zugrunde. Bei den Formen von arx, arcis ist eigentlich kein -k- zu erwarten sondern ein -z- bzw. eine Variation wie -θ-, -ʃ⁠-, -t⁠ʃ- oder -s-. Daher ist bei Archidona eine Herleitung von arx, arcis sinnvoller anzunehmen als bei Arcos.
Das gilt für Arcilacis genauso, wie für Arcensium.
 
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