L Domitius Ahenobarbus' Zug über die Elbe - noch von der Donau o. bereits vom Rhein?

Guten Morgen,

@ Sepiola

WO macht bitte Domitius 2 Feldzüge? Das erschließt sich in keinster Weise aus dem Text. Das ist deine Interpretation.

Wieviele Feldzüge Domitius macht, steht nicht im Text. Es können zwei oder drei sein.
Klar ist aber, dass er zwei verschiedene Zeitpunkte nennt.
Das steht ganz eindeutig im Text.
Die Hermunduren-Aktion und die Cherusker-Aktion gehören zeitlich nicht zusammen.

und von FRÜHER steht da auch nichts:
O doch, das steht da:

Ὁ γὰρ Δομίτιος πρότερον ...

"Domitius nämlich, der bis zu jener Zeit
Mit "jener Zeit" meint der Übersetzer einen früheren Zeitpunkt.
 
Dazu empfehle ich einen Beitrag von El Quijote:
http://www.geschichtsforum.de/781296-post121.html

Und aus diesem Text noch ein Beispiel:

Springer hat diese Übersetzung ebenfalls verwendet, aber eine kleine Abänderung vorgenommen:
Und er hatte die Elbe, ohne daß ihm jemand entgegentrat, überschritten, Freundschaftsverträge mit den dortigen Barbaren geschlossen und bei ihr einen Altar für Augustus errichtet.

Springers Übersetzung ist sprachlich ungelenker, entspricht aber besser dem Original. Ob die Elbe an der Stelle ein mickriges Flüsschen oder ein breiter Strom war, sagt Dio nämlich nicht. Der Übersetzer hat hier keinen Fehler gemacht - er hat versucht, die Stelle sinngemäß richtig und sprachlich elegant zu übersetzten. Die Übersetzung weckt aber beim Leser bestimmte Assoziationen und kann ihn daher zu falschen Schlussfolgerungen verleiten.

Hilfreich ist es auf jeden Fall, sich mehrere Übersetzungen zum Vergleich anzusehen. Siehe obigen Beitrag:

http://www.geschichtsforum.de/783535-post7.html

Peter Swan übersetzt: "... struck a treaty of friendship with the barbarians there"



Das ist immer wieder frustrierend, tatsächlich in seinen Schlußfolgerungen abhängig zu sein von Übersetzungen. Vielleicht studiere ich alte Sprachen, wenn ich im Ruhestand bin, das dauert aber doch noch einige Jahre.
Mein Eindruck ist, dass die Übersetzer auch beeinflußt sind von zusätzlichen Quellen, d.h. an diesem Beispiel zu Cassius Dio die damit zusammenhängende Tacitus-Stelle kannten, und Cassius Dio wahrscheinlich kannte Tacitus (Zirkelschluß?) (Tac ann.4,44,2 Übersetzung Goetz/Welwei):
...post exercitu flumen Albim transcendit longius penetrata Germania quam quisquam priorum, easque ob res insignia triumphi adeptus est.
Natürlich impliziert dieses "weiter/tiefer vorgestoßen sei, als alle anderen" einen weiten (östlichen) Raum - auch der Begriff "Strom" weckt Assoziationen mit einem breitem Fluß, Bleckmann merkt an, dass die damalige Elbe im Mittel - und Unterlauf vor den mittelalterlichen Deicharbeiten ein 10 bis 20 km breites Überschwemmungsgebiet hatte (S.106) - dies ist natürlich eine prägnante Landmarke, und damit verbunden, dass z.B. Tacitus, Strabon oder Pomponius Mela Flüsse oft in der Funktion als Grenzmarke zwischen "Kulturen" zitieren. Etwa die Nordseegermanen eingegrenzt von Rhenus und Albis, die Zweiteilung Germaniens an der Elbe bei Strabon (1,2,1) oder bei Pomponius Mela die Kulturgrenze zwischen Germanen und Sarmaten an der Weichsel (Pomp. Mela 3,25).
Der Oberlauf der Elbe im heutigen Verständnis hatte nicht diese Funktion,
das böhmische Becken von der Eger im Nordwesten, zum Mittel und Unterlauf der Moldau im Süden bis zum Oberlauf der Elbe im Osten war ein Siedlungsraum (siehe unten). In Südmähren werden die ebenso germanischen Quaden verortet, als wirkliche Grenzmarke fungiert der Oberlauf der Elbe nicht, dafür ist er zu weit von den quadischen Siedlungskammern entfernt. Daher kann eine Elbeüberquerung in Böhmen nur eine ganz andere Bedeutung haben: vielleicht der nordöstlichste Raum, in den bis dahin ein römischer Feldzug vorgestoßen ist. Dies würde jedoch auch auf die von mir favorisierte Überquerung der Mittelelbe zutreffen.
Auch weckt Tacitus Vergleich mit "den anderen" Assoziationen , einen Vergleich mit Drusus und Tiberius, und damit auch mit der wahrscheinlichen Verortung von deren Begegnungen mit der Elbe am Unter - und Mittellauf (es ist aufgrund der Möglichkeit, sich von einer Flotte versorgen zu lassen, wenn man die römische Logistik kennt, "zwingend", diese Begegnungen an Mittel - und Unterlauf zu lokalisieren).

Unten eine Karte der Verbreitung der elbgermanischen Plaňany-Gruppe in Tchechien
 

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Das ist immer wieder frustrierend, tatsächlich in seinen Schlußfolgerungen abhängig zu sein von Übersetzungen. Vielleicht studiere ich alte Sprachen, wenn ich im Ruhestand bin, das dauert aber doch noch einige Jahre.
Mein Eindruck ist, dass die Übersetzer auch beeinflußt sind von zusätzlichen Quellen, d.h. an diesem Beispiel zu Cassius Dio die damit zusammenhängende Tacitus-Stelle kannten, und Cassius Dio wahrscheinlich kannte Tacitus (Zirkelschluß?) (Tac ann.4,44,2 Übersetzung Goetz/Welwei):
Natürlich impliziert dieses "weiter/tiefer vorgestoßen sei, als alle anderen" einen weiten (östlichen) Raum - auch der Begriff "Strom" weckt Assoziationen mit einem breitem Fluß, Bleckmann merkt an, dass die damalige Elbe im Mittel - und Unterlauf vor den mittelalterlichen Deicharbeiten ein 10 bis 20 km breites Überschwemmungsgebiet hatte (S.106) - dies ist natürlich eine prägnante Landmarke, und damit verbunden, dass z.B. Tacitus, Strabon oder Pomponius Mela Flüsse oft in der Funktion als Grenzmarke zwischen "Kulturen" zitieren. Etwa die Nordseegermanen eingegrenzt von Rhenus und Albis, die Zweiteilung Germaniens an der Elbe bei Strabon (1,2,1) oder bei Pomponius Mela die Kulturgrenze zwischen Germanen und Sarmaten an der Weichsel (Pomp. Mela 3,25).
Der Oberlauf der Elbe im heutigen Verständnis hatte nicht diese Funktion,
das böhmische Becken von der Eger im Nordwesten, zum Mittel und Unterlauf der Moldau im Süden bis zum Oberlauf der Elbe im Osten war ein Siedlungsraum (siehe unten). In Südmähren werden die ebenso germanischen Quaden verortet, als wirkliche Grenzmarke fungiert der Oberlauf der Elbe nicht, dafür ist er zu weit von den quadischen Siedlungskammern entfernt. Daher kann eine Elbeüberquerung in Böhmen nur eine ganz andere Bedeutung haben: vielleicht der nordöstlichste Raum, in den bis dahin ein römischer Feldzug vorgestoßen ist. Dies würde jedoch auch auf die von mir favorisierte Überquerung der Mittelelbe zutreffen.
Auch weckt Tacitus Vergleich mit "den anderen" Assoziationen , einen Vergleich mit Drusus und Tiberius, und damit auch mit der wahrscheinlichen Verortung von deren Begegnungen mit der Elbe am Unter - und Mittellauf (es ist aufgrund der Möglichkeit, sich von einer Flotte versorgen zu lassen, wenn man die römische Logistik kennt, "zwingend", diese Begegnungen an Mittel - und Unterlauf zu lokalisieren).

Unten eine Karte der Verbreitung der elbgermanischen Plaňany-Gruppe in Tchechien
Das Überschwemmungsgebiet ist keineswegs eine Landmarke, denn bei Normalwasser wird es überhaupt nicht wahrgenommen. Bis ins 14.Jahrhundert war es bis unmittelbar in Flussnähe noch besiedelt. Erst nach einer großen Überschwemmungsperiode verschwanden solche Dörfer in der Niederung. Und- im Überschwemmungsfall war die Mittel-Elbe nicht ohne Lebensgefahr zu überqueren!
 
... und damit verbunden, dass z.B. Tacitus, Strabon oder Pomponius Mela Flüsse oft in der Funktion als Grenzmarke zwischen "Kulturen" zitieren.

... was nicht unbedingt heißen muss, dass die realen Kulturgrenzen den Flüssläufen folgten. Bei Caesar ist immer wieder der Rhein als definitive Grenze zwischen Germanen und Kelten genannt - kulturell gesehen ist das einfach falsch.
"Die Römer sahen Flüsse, auch kleine Flüsse als Grenzen an. Die Germanen taten das überhaupt nicht. Der germanische Begriff der Grenze verband sich mit dem des leeren Raums: einem Waldgebirge oder einem sonstigen Ödland (das vielleicht auch durch das Überschwemmungsgebiet eines breiten Stromes gebildet sein konnte)." (Matthias Springer)

Ob der Oberlauf der Elbe eine reale Kulturgrenze darstellte oder nicht, ist für das Verständnis der römischen Autoren völlig unerheblich.
Die Überschreitung der Elbe war Ahenobarbus jedenfalls eine Meldung nach Rom wert.

Für einen (späteren) Autor, der die Elbe nur vom Hörensagen kannte, muss die Nachricht "flumen Albim transcendit" den Eindruck erweckt haben, dass Ahenobarbus weiter vorgestoßen sein müsse als Drusus und Tiberius, die bekanntlich die Elbe nicht überquerten.

Weiterreichende Schlüsse kann man m. E. nicht daraus ziehen.
 
Guten Morgen,

Mit "jener Zeit" meint der Übersetzer einen früheren Zeitpunkt.

Das Cassius Dio damit einen früheren Zeitpunkt meint wird auch von mir nicht bestritten. Das schrieb ich bereits, da sich der Begriff "jene Zeit" auf die augusteische Periode bezieht.

Du hast deine Ansichten, welche ich dir auch nicht nehmen will. Ich gehe nach den archäologischen Fakten. Damit sollten wir es belassen.

@ Biturigos

das Gräberfeld von Dobrichov ist markomannisch, da es sehr gute Parallelen in der Keramik z.B. aus Altendorf/Bamberg in Unterfranken gibt. Es unterscheidet sich in den Ausstattungen völlig gegenüber den älteren elbgermanischen Gräberfeldern in Böhmen. Meiner Meinung nach kann die Markomannia der augusteischen Zeit vor dem Abzug nach Böhmen nicht sehr klein gewesen sein, da die Gräber der "Terrinen-Gruppe" südlich der Mittelgebirgszone vereinzelt bis ins Neuwieder Becken (Frauengrab von Gladbach) streuen.

Wie schon bereits vorher angesprochen, zeigten sich südlich der Mittelgebirgszone erste Anzeichen einer Provinzialisierung (Waldgirmes, Gaukönigshofen). Diese lassen sich nördlich der Mittelgebirgsschwelle für das Rhein-Weser-Gebiet jedoch nicht nachweisen. Die Einrichtung einer römischen Provinz auf dem ehem. Gebiet der Markomannen ist archäologisch fassbarer als im Lippe-Gebiet - Stichpunkt Akkulturation Main-Dreieck.
 

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Das Cassius Dio damit einen früheren Zeitpunkt meint wird auch von mir nicht bestritten.
Bestritten hast Du, dass bei Cassius etwas von "früher" steht.
Das haben wir jetzt richtiggestellt.

Also gilt:

Dio spricht ganz unmissverständlich von zwei Zeitpunkten:

1. Früher, als Domitius Ahenobarbus noch für die Gebiete an der Donau zuständig war (das war die Sache mit den Hermunduren, irgendwann zwischen 7 v. und 1 v. Chr.)

2. Jetzt (1 n. Chr.), wo Domitius am Rhein agiert (jetzt erst kommt die Sache mit den Cheruskern)

Du hast deine Ansichten, welche ich dir auch nicht nehmen will.
Über Ansichten diskutiere ich hier mit Dir gar nicht, sondern über Tatsachen - nämlich Dio geschrieben hat und was er nicht geschrieben hat. Darum geht es.

Ob wir Dio alles glauben sollen, was er schreibt, steht auf einem anderen Blatt. Meiner Ansicht nach müssen wir Dio nicht alles glauben. Du hast neulich die Ansicht geäußert, Dio habe "nichts falsches geschrieben" - aber zu dem Zeitpunkt hattest Du offensichtlich noch nicht zur Kenntnis genommen, was Dio wirklich geschrieben hat.


Ich gehe nach den archäologischen Fakten.
... nach denen ich regelmäßig vergeblich frage.

Ich möchte an meine letzte Frage erinnern, die Du unbeantwortet gelassen hast:

Wie viele Denare wurden denn in Marktbreit insgesamt gefunden?

Stattdessen hattest Du einen Link zu einem merowingerzeitlichen (!) Gräberfeld gepostet - 500 Jahre nach den Ereignissen, um die es hier geht...
 
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Guten Morgen,

@ Sepiola

aus dem Lager selbst gibt es nur 1 oder 2 Denare (keine Gaius-Lucius) und die Lugdunum- und Nemausus-Asse. Dann haben wir noch 1 Kleinbronze vom Typ Scheers 217 class II. Laut Bernd Steidl sind die die Funde in Marktbreit insgesamt "überschaubar" und passen in einen Schuhkarton. Aus Unterfranken und der Oberpfalz gibt es nur wenige Republikdenare und 1 Denar mittelaugusteischer Zeit aus spanischer Münzstätte. Die Anzahl aus dem Umland könnte sich noch deutlich erhöht haben, da die FMRD Bände schon sehr alt sind. Wie gesagt, ich müsste dazu ein Telefonat nach München führen (schrieb ich auch schon vorher - lesen).
 
aus dem Lager selbst gibt es nur 1 oder 2 Denare (keine Gaius-Lucius)

Ein einzelner Denar (oder auch zwei) sind keine statistische Basis, um daraus einen Terminus quo ante abzuleiten.

Wenn wir irgendwo einen einzelnen mittelaugusteischen Denar finden, können wir nur sagen, dass er nicht in frühaugusteischer oder republikanischer Zeit verlorengegangen sein kann, sondern halt irgendwann später.
 
Guten Morgen,



Das Cassius Dio damit einen früheren Zeitpunkt meint wird auch von mir nicht bestritten. Das schrieb ich bereits, da sich der Begriff "jene Zeit" auf die augusteische Periode bezieht.

Du hast deine Ansichten, welche ich dir auch nicht nehmen will. Ich gehe nach den archäologischen Fakten. Damit sollten wir es belassen.

@ Biturigos

das Gräberfeld von Dobrichov ist markomannisch, da es sehr gute Parallelen in der Keramik z.B. aus Altendorf/Bamberg in Unterfranken gibt. Es unterscheidet sich in den Ausstattungen völlig gegenüber den älteren elbgermanischen Gräberfeldern in Böhmen. Meiner Meinung nach kann die Markomannia der augusteischen Zeit vor dem Abzug nach Böhmen nicht sehr klein gewesen sein, da die Gräber der "Terrinen-Gruppe" südlich der Mittelgebirgszone vereinzelt bis ins Neuwieder Becken (Frauengrab von Gladbach) streuen.

Wie schon bereits vorher angesprochen, zeigten sich südlich der Mittelgebirgszone erste Anzeichen einer Provinzialisierung (Waldgirmes, Gaukönigshofen). Diese lassen sich nördlich der Mittelgebirgsschwelle für das Rhein-Weser-Gebiet jedoch nicht nachweisen. Die Einrichtung einer römischen Provinz auf dem ehem. Gebiet der Markomannen ist archäologisch fassbarer als im Lippe-Gebiet - Stichpunkt Akkulturation Main-Dreieck.
Hallo, ist denn der Spielstein aus der hermundurischen Abfallgrube schon bestimmt worden? Er stammt schließlich aus einer Region, wo durchaus die Römer die Elbe erreicht haben könnten und wäre ein wichtiges Indiz.
Grüße
 

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Da Hermundure offenbar nicht erreichbar ist: kann jemand etwas zu dem Spielstein sagen? Gibt es analoge Abbildungen, die auf seine Herkunft hinweisen könnten? Er besteht aus gebranntem Ton. Die Farbe ist schwärzlich, an abgeriebenen Stellen graubräunlich. Die Ringe wurden wohl mit einem rohr-ähnlichem Gerät eingedrückt.
Grüße
 
Wofür wäre denn der Spielstein ein wichtiges Indiz?

Dafür, dass römische Truppen germanische Abfallgruben aufgesucht haben?
 
Wofür wäre denn der Spielstein ein wichtiges Indiz?

Dafür, dass römische Truppen germanische Abfallgruben aufgesucht haben?
Wohl eher das ganze Gegenteil. Es ist ein Einzelstück. Ich weiß nicht, ob die Germanen mit Spielsteinen spielten. Es wäre für einen Töpfer kein Problem, ein solches Stück zu formen. Aber wozu? Auch als Importware wäre er ungeeignet. Die haben wir in Form sehr wertvoller Funde eine Ortschaft weiter. Auch als Mitbringsel von einer Reise an die Donau taugte er nicht. Der Stein lag nicht in einer Urne, sondern in einer Abfallgrube. Er wurde also irgendwann als wertlos weggeworfen. Und seine Herkunft: denkbar wäre, dass er aus einem verlassenen Marschlager stammt (Abfallgrube, Lagergraben o.ä.). Dieses Lager dürfte sich nicht weit von der Siedlung entfernt befunden haben.
 
Ich weiß nicht, ob die Germanen mit Spielsteinen spielten. Es wäre für einen Töpfer kein Problem, ein solches Stück zu formen. Aber wozu?
Zum Spielen, vermutlich?
Wäre der unten abgebildete Spielstein vergleichbar?
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/siedlung-frueherer-germanen-1286614.html



Der Stein lag nicht in einer Urne, sondern in einer Abfallgrube. Er wurde also irgendwann als wertlos weggeworfen. Und seine Herkunft: denkbar wäre, dass er aus einem verlassenen Marschlager stammt (Abfallgrube, Lagergraben o.ä.).
Verstehe ich das richtig: Die Germanen hätten die römische Abfallgrube geplündert und den dort aufgesammelten Müll in ihre eigene Abfallgrube geworfen?

Da würden mir doch ein paar überzeugendere Hypothesen einfallen.

Für den Fall, dass er nicht germanischer Herkunft wäre, könnte ich mir folgende Herkunft vorstellen: Er gehörte zu einem Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel (oder was immer die Römer sonst gespielt haben), das ursprünglich Domitius Ahenobarbus gehörte. Der nahm es auf seine Expedition über die Elbe mit, hat es aber dort natürlich nicht verloren (wieso auch?), sondern heil wieder mit nach Hause ins Illyricum gebracht. Dann wurde er an den Rhein versetzt. In Köln hat er sein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel in irgendeinem Schrank in seinen Amtsräumen verstaut - und beim nächsten Umzug vergessen, es mitzunehmen. Da lag es nun jahrelang herum, bis Varus sein Amt antrat. Der hatte es dann bei seinen ominösen Sommerfeldzug anno 9 im Reisegepäck. Dieses fiel den siegreichen Cheruskern in die Hände. Der Bote, der das abgetrennte Haupt des Varus zu Marbod nach Markomannien bringen sollte, erhielt die persönlichen Utensilien des Varus als Botenlohn. Den weniger wertvollen Krimskrams (immerhin: Original-Varus-Krimskrams) hat er unterwegs - elbaufwärts - verscherbelt, verzockt oder seinen Gastgebern als Souvenir dagelassen. Und die haben die blöden Spielsteine irgendwann halt doch entsorgt, Varus hin oder her.
 

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Zum Spielen, vermutlich?
Wäre der unten abgebildete Spielstein vergleichbar?
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/siedlung-frueherer-germanen-1286614.html




Verstehe ich das richtig: Die Germanen hätten die römische Abfallgrube geplündert und den dort aufgesammelten Müll in ihre eigene Abfallgrube geworfen?

Da würden mir doch ein paar überzeugendere Hypothesen einfallen.

Für den Fall, dass er nicht germanischer Herkunft wäre, könnte ich mir folgende Herkunft vorstellen: Er gehörte zu einem Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel (oder was immer die Römer sonst gespielt haben), das ursprünglich Domitius Ahenobarbus gehörte. Der nahm es auf seine Expedition über die Elbe mit, hat es aber dort natürlich nicht verloren (wieso auch?), sondern heil wieder mit nach Hause ins Illyricum gebracht. Dann wurde er an den Rhein versetzt. In Köln hat er sein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel in irgendeinem Schrank in seinen Amtsräumen verstaut - und beim nächsten Umzug vergessen, es mitzunehmen. Da lag es nun jahrelang herum, bis Varus sein Amt antrat. Der hatte es dann bei seinen ominösen Sommerfeldzug anno 9 im Reisegepäck. Dieses fiel den siegreichen Cheruskern in die Hände. Der Bote, der das abgetrennte Haupt des Varus zu Marbod nach Markomannien bringen sollte, erhielt die persönlichen Utensilien des Varus als Botenlohn. Den weniger wertvollen Krimskrams (immerhin: Original-Varus-Krimskrams) hat er unterwegs - elbaufwärts - verscherbelt, verzockt oder seinen Gastgebern als Souvenir dagelassen. Und die haben die blöden Spielsteine irgendwann halt doch entsorgt, Varus hin oder her.
Also etwas ernsthafter sollte man das Problem schon angehen. Selbstverständlich haben die Germanen aufgelassene Marschlager nach allen brauchbaren Gegenständen durchsucht und alles mitgenommen, was für die Römer keinen und für sie noch irgendeinen Wert besaß. Und dazu natürlich auch römische Abfallgruben durchsucht. Das ist sogar heute noch so, wenn Müllhalden oder -Tonnen von den ärmsten Bevölkerungsschichten durchwühlt werden oder wenn hier bei Sperrmüllaktionen die Autos mit, zumeist, polnischen Kennzeichen die Runde machen.
In den beiden Fällen liegt immer nur ein einzelnes Exemplar vor. Stammten sie von einem Spiel, so müssten sich eigentlich mehrere finden, denn gebrannte Spielsteine halten sich genau so lange, wie Gefäßscherben. Die germanische Siedlung liegt übrigens genau 600 Meter von einer wichtigen Elbefurt entfernt. Die sicherlich den Römern bekannt war. Und ein republikanischer Denar lag nur eine Siedlung weiter.
 
Also etwas ernsthafter sollte man das Problem schon angehen. Selbstverständlich haben die Germanen aufgelassene Marschlager nach allen brauchbaren Gegenständen durchsucht und alles mitgenommen, was für die Römer keinen und für sie noch irgendeinen Wert besaß. Und dazu natürlich auch römische Abfallgruben durchsucht. Das ist sogar heute noch so, wenn Müllhalden oder -Tonnen von den ärmsten Bevölkerungsschichten durchwühlt werden oder wenn hier bei Sperrmüllaktionen die Autos mit, zumeist, polnischen Kennzeichen die Runde machen.
In den beiden Fällen liegt immer nur ein einzelnes Exemplar vor. Stammten sie von einem Spiel, so müssten sich eigentlich mehrere finden, denn gebrannte Spielsteine halten sich genau so lange, wie Gefäßscherben. Die germanische Siedlung liegt übrigens genau 600 Meter von einer wichtigen Elbefurt entfernt. Die sicherlich den Römern bekannt war. Und ein republikanischer Denar lag nur eine Siedlung weiter.

Sicherlich, Sepiolas Hypothese bietet unter verspielter Einbindung der Quellen eine massiv augenzwinkernde Option auf welchen Irrwegen dieser Würfel in die germanische Abfallgrube gelangt sein könnte.
Ich verstehe das als zwar zugespitzten doch zugleich ernsthaften Hinweis auf die kunterbunte Vielfältigkeit denkbarer Möglichkeiten.

Deine Hypothese einer Müllsichtung im Sinne eines “erstmal alles aufsammeln“ und nachgeordnetem Ausmistens ist fraglos, einst wie heute, im Spektrum menschlichen Handelns anzusiedeln. Doch selbst wenn ein römisches Marschlager in unmittelbarer Nähe der germanischen Abfallgrube (bei sich deckender Zeitstellung) lokalisiert wäre, könnte die Frage, weshalb der Würfel seinen Weg in den dortigen Müll gefunden hat, allenfalls mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auf römische Präsenz eingekreist werden.
Die Zahl denkbarer Hypothesen für den Werdegang dieses Würfels, selbst wenn er nachweislich aus römischer Produktion stammen sollte, erreicht doch flugs Centurien-, wenn nich Kohorten- oder gar Legionsstärke - und womöglich hat nicht ein einziger römischer Explorator diese Elbefurt jemals zu Gesicht bekommen, ganz sicher jedoch etliche Händler und Reisende die neben einem Würfelspiel auch mal einen republikanischen Denar im Gepäck mitgeführt haben könnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
In den beiden Fällen liegt immer nur ein einzelnes Exemplar vor. Stammten sie von einem Spiel, so müssten sich eigentlich mehrere finden, denn gebrannte Spielsteine halten sich genau so lange, wie Gefäßscherben.

Habe ich das richtig verstanden: Wenn von einem Gefäß nur eine einzelne Scherbe gefunden wird, dann heißt das, dass nur diese einzelne Scherbe auf dem Abfallhaufen gelandet ist und die restlichen Scherben des Gefäßes irgendwo anders deponiert wurden?

Selbstverständlich haben die Germanen aufgelassene Marschlager nach allen brauchbaren Gegenständen durchsucht
In aufgelassenen Marschlagern wird wenig zu holen gewesen sein. Da wurden keine Sperrmülldeponien angelegt. Die brauchbaren Gegenstände kamen alle wieder ins Marschgepäck oder aufs Tragtier. Jeden Zelthering und jeden Schanzpfahl benötigte man ja spätestens ein paar Stunden später wieder.
Zurückgelassen wurde Asche vom Lagerfeuer, ein paar Sandalennägel und Fäkalien. Und vielleicht noch ein paar abgelutschte Olivenkerne.




Die Zahl denkbarer Hypothesen für den Werdegang dieses Würfels ...

Ich weiß nicht, ob ich die Zeichnung falsch interpretiere, aber nach einem Würfel scheint mir das weniger auszusehen, eher nach einem flachen Spielstein.

Solche Spielsteine gab es auch bei den Germanen (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 3, 1978, S. 457).
Nach Tacitus kannten die Germanen freilich auch eine Art Würfelspiel, bei dem mit ganz hohen Einsätzen gezockt wurde:

"Das Würfelspiel betreiben sie merkwürdigerweise nüchtern wie eine ernste Angelegenheit und mit solcher Leichtfertigkeit beim Gewinnen oder Verlieren, daß sie, wenn sie alles verloren haben, beim allerletzten Wurf um ihre Freiheit und ihren Körper spielen. Der Verlierer begibt sich in freiwillige Knechtschaft..." (Germania 24)
 
Sicherlich, Sepiolas Hypothese bietet unter verspielter Einbindung der Quellen eine massiv augenzwinkernde Option auf welchen Irrwegen dieser Würfel in die germanische Abfallgrube gelangt sein könnte.
Ich verstehe das als zwar zugespitzten doch zugleich ernsthaften Hinweis auf die kunterbunte Vielfältigkeit denkbarer Möglichkeiten.

Deine Hypothese einer Müllsichtung im Sinne eines “erstmal alles aufsammeln“ und nachgeordnetem Ausmistens ist fraglos, einst wie heute, im Spektrum menschlichen Handelns anzusiedeln. Doch selbst wenn ein römisches Marschlager in unmittelbarer Nähe der germanischen Abfallgrube (bei sich deckender Zeitstellung) lokalisiert wäre, könnte die Frage, weshalb der Würfel seinen Weg in den dortigen Müll gefunden hat, allenfalls mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auf römische Präsenz eingekreist werden.
Die Zahl denkbarer Hypothesen für den Werdegang dieses Würfels, selbst wenn er nachweislich aus römischer Produktion stammen sollte, erreicht doch flugs Centurien-, wenn nich Kohorten- oder gar Legionsstärke - und womöglich hat nicht ein einziger römischer Explorator diese Elbefurt jemals zu Gesicht bekommen, ganz sicher jedoch etliche Händler und Reisende die neben einem Würfelspiel auch mal einen republikanischen Denar im Gepäck mitgeführt haben könnten.
Die denkbaren Hypothesen sind aber auch für aufgefundene republikanische Denare sehr vielfältig. Siehe meinen Beitrag Nr.9. Rein statistisch gesehen, halte ich die Wahrscheinlichkeit unmittelbarer römischer Präsens bei in Siedlungen gefundenen Denaren für geringer, als bei aufgefundenen einzelnen Spielsteinen ohne besonderen Wert. Uns bleibt also nur die Suche nach weiteren Beweisen vor Ort. Die antiken Quellen geben nichts mehr her. Haben wir eigentlich schon mal über die Bedeutung des "fines" bei Paterculus diskutiert, welches zumeist mit "hinter den Gebieten der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt" übersetzt wird?
 
Ich weiß nicht, ob ich die Zeichnung falsch interpretiere, aber nach einem Würfel scheint mir das weniger auszusehen, eher nach einem flachen Spielstein.

Du hast völlig recht! Mea culpa - ich habe mich da von den “fünf Augen“ verleiten lassen und fahrlässig aufs falsche Wort-Pferd gesetzt.

Solche Spielsteine gab es auch bei den Germanen (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 3, 1978, S. 457).
Nach Tacitus kannten die Germanen freilich auch eine Art Würfelspiel, bei dem mit ganz hohen Einsätzen gezockt wurde:

"Das Würfelspiel betreiben sie merkwürdigerweise nüchtern wie eine ernste Angelegenheit und mit solcher Leichtfertigkeit beim Gewinnen oder Verlieren, daß sie, wenn sie alles verloren haben, beim allerletzten Wurf um ihre Freiheit und ihren Körper spielen. Der Verlierer begibt sich in freiwillige Knechtschaft..." (Germania 24)

Ein wie ich finde guter Hinweis bezüglich der möglichen Aussagekraft von Spielsteinfunden, welcher Herkunft auch immer, im germanischen Barbaricum. Ich bin alles andere als bewandert mit Quellenkritik, doch angesichts der wohl nicht allzu strittigen Ansicht dass Tacitus dem römischen Lebenswandel seiner Zeit mit der Germania einen moralischen Spiegel vorhalten will, würde ich dem Wahrheitsgehalt dieser Information schon einen recht hohen Stellenwert beimessen, gerade weil sie ja nicht so übermäßig tugendhaft bewertet wird.
Wieviel da gezockt wurde sagt Tacitus zwar nicht, spekulieren lässt sich aber allemal, dass Spielstein- wie Würfelvariationen der Römer das Interesse der Germanen geweckt haben könnten.
 
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