Iranisierung des Islam - Einführung der Enthauptung?

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Ich las vor kurzem die Behauptung, dass die Enthauptung erst mit der 'abbāsīdischen Revolution und der Hinwendung der neuen 'abbāsīdischen Kalifendynastie und ihrer Hinwendung hin zum persischen Raum eingeführt wurde. Was ist davon zu halten?

Was bedeutet das für die Ḥadīṯ-Überlieferung?
 
Das ist mir neu und zumindest die islamische Geschichtstradition weiß von sehr prominenten Opfern schon aus frühislamischer Zeit – so z.B. al-Ḥusayn b. ʿAlī – zu berichten, die so zu Tode gekommen sind.

Falls du dagegen schlüssig belegen könntest, dass Enthauptungen erst zur Abbasidenzeit eingeführt wurden, dann wäre Quellenmaterial, einschließlich der Ḥadīṯ-Überlieferung, welches dieses Thema in die Zeit davor projiziert, anachronistisch und zumindest in dieser Hinsicht erfunden. Das wäre allerdings auch keine präzedenzlose Situation, da größere Teile des Maġāzī-, Sīra- und Ḥadīṯ-Materials ohnehin fabriziert sind. Der Streitpunkt in der Forschung ist eher der, wie weitgehend die Überlieferungen unzuverlässig sind.

Wobei ich aber ohne gute Gründe nicht davon ausgehende würde, dass Enthauptungen per se in vorabbasidischer Zeit unbekannt waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Falls du dagegen schlüssig belegen könntest, dass Enthauptungen erst zur Abbasidenzeit eingeführt wurden, dann...

Dazu sehe ich keine Veranlassung. Vielleicht ist mein Zweifel an der Behauptung nicht deutlich genug geworden? Ich habe sie aus der Dissertation Pers-Andalus von G. Dold (2015), die sich wiederum auf Wellnhausen Das arabische Reich und sein Sturz beruft. Was ich übersehen habe: Das Referenzwerk ist von 1902.
 
Bullshit. Klingt für mich nach Islam-Mystifizierung/Glorifzierung.
Enthauptungen gab es natürlich bereits vor den Abbasiden. Mohammed selbst soll die Enthauptung von 600-900 Juden sowie diverser Kritiker und anderer Gegner angeordnet haben. Köpfungsverse finden sich auch im Koran:

1) "Da gab dein Herr den Engeln ein: "Ich bin mit euch; so festigt denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Trefft (sie) oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab!"
-Koran 8:12

"Wenn ihr auf diejenigen, die ungläubig sind, (im Kampf) trefft, dann schlagt (ihnen auf) die Nacken. Wenn ihr sie schließlich schwer niedergeschlagen habt, dann legt (ihnen) die Fesseln fest an."
-Koran 47:4
 
Köpfungsverse finden sich auch im Koran:

1) "Da gab dein Herr den Engeln ein: "Ich bin mit euch; so festigt denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Trefft (sie) oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab!"
-Koran 8:12

"Wenn ihr auf diejenigen, die ungläubig sind, (im Kampf) trefft, dann schlagt (ihnen auf) die Nacken. Wenn ihr sie schließlich schwer niedergeschlagen habt, dann legt (ihnen) die Fesseln fest an."
-Koran 47:4
Diese Qur'ān-Verse kann man aber schwerlich für Enthauptungen als Strafe heranziehen. Es handelt sich dabei ja nicht um Gerichtssituationen, die beschrieben werden, sondern um Kampfsituationen. Gerade Sure 47 Vers 4 ergäbe ja gar keinen Sinn, wenn die Leute bereits enthauptet sind, ihnen dann noch die Fesseln anzulegen. Zumal der Vers ja noch nicht zu Ende ist, sondern weitergeht: Es wird über Freilassung gegen Lösegeldzahlung oder Annahme des Islam gesprochen.

Es geht also nicht um Enthauptung als Strafe sondern während des Schlachtgeschehens.
Die Enthauptungen der Qurayza sind in den Geschichtswissenschaften ja nicht unumstritten, manche halten sie für eine spätere Legende. Allerdings muss man auch sagen, dass unter denen, welche sie für eine spätere Legende halten auch der Islamwissenschaftler Jansen ist, der die Historizität Muhammads anzweifelt. Der muss natürlich folgerichtig alles anzweifeln, was Muhammad zu seinem Lebzeiten gemacht haben soll.
 
Diese Qur'ān-Verse kann man aber schwerlich für Enthauptungen als Strafe heranziehen. Es handelt sich dabei ja nicht um Gerichtssituationen, die beschrieben werden, sondern um Kampfsituationen. Gerade Sure 47 Vers 4 ergäbe ja gar keinen Sinn, wenn die Leute bereits enthauptet sind, ihnen dann noch die Fesseln anzulegen. Zumal der Vers ja noch nicht zu Ende ist, sondern weitergeht: Es wird über Freilassung gegen Lösegeldzahlung oder Annahme des Islam gesprochen. Es geht also nicht um Enthauptung als Strafe sondern während des Schlachtgeschehens.
Laut [link gelöscht/Moderation] bezieht sich 47:4, entgegen der eingeklammerten Anmerkung "im Kampf", auf Kriegsgefangene. Man soll erst einen Großteil der Gefangenen hinrichten, bevor man den Rest entweder gegen Lösegeld verkauft oder "Gnade" walten lässt (Versklavung).

Die Enthauptungen der Qurayza sind in den Geschichtswissenschaften ja nicht unumstritten, manche halten sie für eine spätere Legende. Allerdings muss man auch sagen, dass unter denen, welche sie für eine spätere Legende halten auch der Islamwissenschaftler Jansen ist, der die Historizität Muhammads anzweifelt. Der muss natürlich folgerichtig alles anzweifeln, was Muhammad zu seinem Lebzeiten gemacht haben soll.
Bei diesen "manchen" handelt es sich entweder eben um Mohammed-Zweifler oder Muslime, denen dieses Ereignis peinlich ist. Also nicht viele, denn die Mehrheit der Muslime und Islamwissenschaftler erkennt die Hadhite und Biographien als weitestgehend authentisch an.
Über die Historizität der Mohammed-Erzählungen siehe Abdel-Samad's "Mohammed", S. 42-43.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich will mich in der Qurayza-Frage nicht positionieren, ich weiß nicht, ob die Episode historisch ist, oder nicht, ich habe sie immer für historisch gehalten aber vor einigen Monaten eine interessante Zurückweisung (Widerlegung will ich bewusst nicht schreiben) gelesen. Leider erinnere ich mich nicht, wo und vom wem. Ich würde das Thema aber nicht auf Mohammed-Zweifler und von der brutalen Enthauptung peinlich berührte Muslime beschränken.
 
Selbst wenn die Quraiza-Episode aus welchem Grund auch immer erfunden sein soll gibt es immer noch andere Überlieferungen. Die durch Ishaq und Tabari überlieferte Folterung und Hinrichtung von Kinana, zum Beispiel:

"Kinana al-Rabi, who had the custody of the treasure of Banu Nadir, was brought to the apostle who asked him about it. He denied that he knew where it was. A Jew came (Tabari says "was brought"), to the apostle and said that he had seen Kinana going round a certain ruin every morning early. When the apostle said to Kinana, "Do you know that if we find you have it I shall kill you?" He said "Yes". The apostle gave orders that the ruin was to be excavated and some of the treasure was found. When he asked him about the rest he refused to produce it, so the apostle gave orders to al-Zubayr Al-Awwam, "Torture him until you extract what he has." So he kindled a fire with flint and steel on his chest until he was nearly dead. Then the apostle delivered him to Muhammad b. Maslama and he struck off his head, in revenge for his brother Mahmud."

Die Behauptung, dass es vor den Abbasiden keine Enthauptungen gab, kann man gewiss als Fantasy abstempeln, insbesondere wenn nicht mal konkrete Argumente / Quellen vorgebracht werden. Erinnert mich sowieso an eine gewisse islamapologetische Agenda, laut der die gesamte islamische Geschichte vor den Abbasiden Friede, Freude, Eierkuchen gewesen sein soll.
 
[...] denn die Mehrheit der Muslime und Islamwissenschaftler erkennt die Hadhite und Biographien als weitestgehend authentisch an.
Auch wenn es vom eigentlichen Thema wegführt, will ich dem widersprechen. Jeder, der sich mit den fachhistorischen Auseinandersetzung letzten über hundert Jahre auseinandergesetzt hat, weiß wie delikat die Frage nach der Authentizität der islamischen Quellen über das Leben Muḥammads ist. Ganz sicher wird sich deshalb heute kaum noch jemand darauf einlassen, diese kommentarlos als »weitestgehend authentisch« einzuordnen. H. Motzki, der innerhalb des islamwissenschaftlichen Diskurs’ sicherlich keine maßlos skeptische Haltung gegenüber den frühislamischen Überlieferungen einnimmt, meint dazu:
At present, the study of Muḥammad, the founder of the Muslim community, is obviously caught in a dilemma. On the one hand, it is not possible to write a historical biography of the Prophet without being accused of using the sources uncritically, while on the other hand, when using the sources critically, it is simply not possible to write such a biography.
Motzki, H. Introduction. in The biography of Muḥammad. The issue of the sources (ed. Motzki, H.) XI–XVI (Brill, 2000). S. XIV.
Insofern kann ich deine Einschätzung nicht wirklich nachvollziehen.
 
Naja, ich denke Abdel-Samad fasst die Lage ganz gut zusammen. Klar wird es Erzählungen geben, die entweder fantastisch oder aus politischem Kalkül entstanden sind, aber alle Überlieferungen als ausgedacht abzustempeln würde einer großen Verschwörung gleichkommen. Die Urheber waren immer noch respektierte Gelehrte, die ihr ganzes Leben lang Überlieferungen gesammelt haben. Welche Gründe sollten sie dafür gehabt haben, sich Ereignisse wie die Eliminierung der Banu Quraiza, die Folterung und Tötung von Kinana, Mohammeds Teufelsbesessenheit oder seine Vergiftung auszudenken?
Fakt ist, dass man ohne die Hadihte und Biographien nichtmal die Koranverse in einen Kontext bringen könnte. Fakt ist, dass Koranisten, also Hadith und Biographien-Ablehner, in der gesamten islamischen Welt abgelehnt und verfolgt werden.
 
Wie gesagt, ich weiß nicht mehr, woher ich die Zurückweisung der Qurayza-Geschichte herhabe. Das erschwert mir auch ein wenig, die Argumentation im einzelnen noch mal nachzulesen. Es ging dabei nicht um eine "Verschwörung", schon gar nicht darum Muḥammad zu diskreditieren, sondern vielmehr war es der Argumentation (sofern ich sie richtig erinnere) zufolge in der politischen Situation geradezu notwendig, eine solche Geschichte zu konstruieren. Wozu genau, erinnere ich mich leider nicht mehr. Wahrscheinlich habe ich das im Rahmen einer kurzen Beschäftigung mit den Rechtsschulen kursorisch überflogen.
 
Hallo,
ich würde jetzt einfach mal stark annehmen, dass Enthauptung zu jener Zeit einfach gängige Praxis war. Wie sonst hätte man damals einen zum Tode Verurteilten hinrichten sollen und warum hätte es bei den Muslimen vorher anders gewesen sein sollen als bei den Iranern? Ein schnellerer und schmerzloserer Tod fällt mir spontan nicht ein.

Die Verse 8:12 und 47:4 sind metaphorisch zu verstehen. Jemanden "am Nacken treffen/schlagen" bedeutet nicht enthaupten, sondern handlungsunfähig machen. Ansonsten wären diese Verse völlig unlogisch. Warum sollte man einem Enthaupteten die Finger abschlagen oder gar Fesseln anlegen? Gemäß Vers 47:4 sind Kriegsgefangene freizulassen und nicht zu enthaupten.

Was die Hinrichtung von Banu Quraiza angeht:
Der Erste, der davon berichtet ist Ibn Ishaq. Ibn Ishaq selbst war weder Augen- noch Zeitzeuge. Er selbst nennt in seinem Werk zu diesem Vorfall auch keine Referenz. Alle späteren Überlieferungen referenzieren auf Ibn Ishaq. Ibn Ishaq war schon zu seiner Lebzeit eine umstrittene Person und wurde schließlich aus Medina vertrieben, da ihm vorgeworfen wurde Lügen über den Propheten zu fabrizieren.
Zudem gibt es große Abweichungen in den Überlieferungen was die Anzahl der Hingerichteten angeht. Es gibt hier also keinen Konsens. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Überlieferung frei erfunden ist - wie so vieles was Mohammad fälschlicherweise zugeschrieben wird. Zu jender Zeit wurden massenweise solcher und ähnlicher Überlieferungen fabriziert um Mohammad zu heroisieren oder um die machtpolitischen Interessen eines herrschenden Kalifen zu legitimieren. Ganz nach dem Motto, wenn der Prophet schon seine Feinde abgeschlachtet hat, warum sollte ich es dann nicht dürfen?
Merkwürdig ist zudem auch, dass es keine einzige Überlieferung eines Prophetengefährten zu diesem Vorfall gibt. Bei so einem großen Zwischenfall hätte ja mal einer der Gefährten Stellung dazu nehmen können, zumal Ali selbst die Banu Quraiza hingerichtet haben soll.

Es gibt einige türkische Profs., die behaupten, dass diese Geschichte aus dem jüdischen Krieg adoptiert und Mohammad zugeschrieben wurde. Es handle sich dabei um das Massenselbstmord der 960 Juden in Masada 70 n. Chr. Auch die häufig genannte Zahl 900 deckt sich mit der Zahl der Opfer von Masada.

MfG
 
Zurück
Oben