Kleider machen Mörder: "Der Henker vom Emsland"

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Er fand eine Uniform am Straßenrand, übernahm als Hochstapler ein Gefangenenlager - und ermordete fast 170 Menschen. Wie der Schornsteinfeger Willi Herold im April 1945 zum Kriegsverbrecher wurde.

Von Martin Pfaffenzeller


Am 12. April 1945 betritt ein junger Mann das norddeutsche Strafgefangenenlager Aschendorfermoor nahe der niederländischen Grenze, in dem tausende Zwangsarbeiter einsitzen: Deserteure und politische Häftlinge. Der Mann trägt die Uniform eines Fallschirmjäger-Hauptmanns und sagt mit selbstbewusster Stimme: "Der Führer persönlich hat mir unbeschränkte Vollmachten erteilt." Mit Standgerichten solle er nun hier für Ordnung sorgen.

"Der Henker vom Emsland": Kleider machen Mörder - SPIEGEL ONLINE - einestages
 
Was mich ein wenig an dem Artikel stört, ist, dass dieser Artikel ein wenig dazu beiträgt, die Geschichte vom Sadisten zu transportieren:
Artikel schrieb:
Die Geschichte von Willi Herold ist die Geschichte eines Sadisten, der die Chance nutzt, seinen Blutdurst zu stillen. Sie ist aber auch die Geschichte über die Wirren der letzten Kriegsmonate, in denen eine gefundene Uniform und dreistes Auftreten reichten, um einen ganzen Landstrich zu terrorisieren. Und eine Geschichte über die ängstlichen Deutschen, die sich im Angesicht der Niederlage nach Autorität sehnen - oder einfach vor ihr kuschen.

Es ist ja gerne mal so, dass wir die Verbrechen des NS auf Hitler und einige Sadisten reduzieren, dabei hätten sie ohne Leute, die einfach "pflichtbewusst" funktionierten nicht so stattfinden können. Sicher gab es Sadisten, welche die Möglichkeiten der Zeit für ihre dunklen Zwecke missbrauchten, aber allein mit Sadisten und einer kuschenden schweigenden Mehrheit sind die Verbrechen eben nicht zu erklären. Damit ist nicht hinfällig, dass gerade in den letzten Kriegsmonaten die NS-Führung und -Justiz immer dünnhäutiger wurden und immer harmlosere "Vergehen" zu stand"rechtlichen" Hinrichtungen führten. Wir kennen aus Dokumenten zig Selbstaussagen, in denen Funktionträger, auch solche, die gerade keine Sadisten oder überzeugte Nationalsozialisten waren, im Sinne der NS-(Rassen)Ideologie gemordet/gehandelt haben. Viele Leute haben - wohlwissend, dass es sich um Verbrechen handelte, Verbrechen auch aus falschem Korpsgeist mitbegangen, weil sie die Drecksarbeit nicht den Kameraden überlassen wollten.

Wobei natürlich gerade das katholische-renitente Emsland den Nazis ein Dorn im Auge war.
 
Was mich ein wenig an dem Artikel stört, ist, dass dieser Artikel ein wenig dazu beiträgt, die Geschichte vom Sadisten zu transportieren:
Der Artikel stammt aus einer Reihe über Hochstapler und nicht ausschließlich über das dritte Reich. Hier geht es um das Verhalten einer Einzelperson, die ganz offensichtlich die reine Mordlust zu der Hochstapelei und Machtanmaßung antrieb. Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, dass hier verallgemeinert wird, dass alle Naziverbrechen nur auf das Konto einiger Sadisten ging. Beiträge darüber, dass es häufig ganz normale Leute waren, die zu unerhörter Grausamkeit fähig waren, gibt es doch zur Genüge aber ein Sadist muß auch so genannt werden dürfen, wenn er das Mordsystem der Nazis zur Befriedigung seiner Perversität benutzte.
 
In dem zitierten Satz kommt ja einiges zusammen, der Satz ist ja nicht auf die Sadisten reduziert (und auf die hat man die nationalsozialistischen Verbrechen bis Mitte der 90er Jahre gerne reduziert: SS, Funktionselite der Partei, Entourage um Hitler und einige Perverse, die ihren Sadismus ausleben konnten). Erst die Wehrmachtsausstellung hat eine öffentliche Diskussion ausgelöst und ähnliche kleinere Projekte und Forschungsarbeiten, die ich mit dem Funktionieren von Polizei (Brownings Ordinary Men/Ganz normale Männer erschien 1992, wurde so richtig allerdings erst durch die Debatte um Goldhagens Fehlschlüsse 1996 bekannt), der Finanzbehörden oder der Reichsbahn beschäftigten oder auch Götz Alys Volksstaat (2005) haben die Debatte auch in der Öffentlichkeit auf eine neue Stufe gehoben. Trotzdem konnte ein gewisses Blatt aus einer Immobilie nahe der ehemaligen Berliner Todeszone noch 2013 im Aufmacher anlässlich der Serie UMUV fragen, ob unsere (Groß-)Mütter und (-)Väter tatsächlich so schlimm waren. Als ob an Deutschlands selbsternannten meinungsbildenden Blatt die letzten 20 Jahre Debatte vorbeigegangen wären.
In dem zitierten Abschnitt kommen eben nicht nur die Sadisten vor, die es allenthalben gab, sondern eben auch das vor diesen kuschende, ansonsten aber nur aus Opfern bestehende Volk, der "ängstlichen Deutschen", die landstrichweise von Sadisten terrorisiert wurden.

Ob der Artikel aus einer Reihe über Hochstapler stammt, ist dafür unerheblich.
 
In dem zitierten Abschnitt kommen eben nicht nur die Sadisten vor, die es allenthalben gab, sondern eben auch das vor diesen kuschende, ansonsten aber nur aus Opfern bestehende Volk, der "ängstlichen Deutschen", die landstrichweise von Sadisten terrorisiert wurden.
Das ist Deine Interpretation. Dass sie nur Opfer sind ,wird in dem Artikel nicht behauptet sondern lediglich, dass sie ängstlich waren. Auch ein schlecht handelnder Mensch kann Angst haben und ist deshalb keineswegs nur Opfer. Ich kann hierin keine Verharmlosung sehen. Auch, dass sie sich nach Führung sehnten spricht eher gegen sie. Es geht, wie schon gesagt in dem Artikel hauptsächlich um einen Hochstapler und viel weniger um die Handlungsweisen der Anderen. Darüber hat die selbe Zeitung doch auch schon jede Menge andere Artikel geschrieben.

Über die Verhaltensweisen der anderen Täter gibt es in den letzten Jahren jede Menge Reportagen, die man fast täglich auf diversen Info-Kanälen sehen kann und auch Literatur zu diesem Thema ist mittlerweile ausreichend vorhanden . Weshalb die von Dir zitierte Zeitung ein Leitmedium sein soll ,bleibt mir ein ewiges Rätsel. An mir ist sie bisher ungelesen und daher spurlos vorübergegangen.
 
Darüber hat die selbe Zeitung doch auch schon jede Menge andere Artikel geschrieben.
Ich habe nicht die Zeitung kritisiert, nicht einmal den Artikel im Ganzen, sondern den einen Satz.

Weshalb die von Dir zitierte Zeitung ein Leitmedium sein soll, bleibt mir ein ewiges Rätsel. An mir ist sie bisher ungelesen und daher spurlos vorübergegangen.
Ob du oder ich eine Zeitung lesen oder nicht, besagt nichts über ihren Status als "Leitmedium". Das ist hier aber auch nicht relevant. Dir wird aber sicher aufgefallen sein, dass wir, wenn interessante oder debattierungswürdige Artikel zu historischen Themen veröffentlicht werden, wir diese unabhängig von dem Status des Mediums als Leitmedium oder Lokalzeitung dieses hier bisher gepostet haben.
 
Dir wird aber sicher aufgefallen sein, dass wir, wenn interessante oder debattierungswürdige Artikel zu historischen Themen veröffentlicht werden, wir diese unabhängig von dem Status des Mediums als Leitmedium oder Lokalzeitung dieses hier bisher gepostet haben.
Dagegen ist doch auch gar nichts einzuwenden.
 
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