Auch die Zahl der Nichtsnutze, die keiner Arbeit nachgingen, dürfte nicht gering gewesen sein. Nicht umsonst versuchten alle Kaiser (bis auf Tiberius) den Pöpel auf irgendeine Weise mit Spielen, riesigen Badeanlagen u.s.w. zu unterhalten. Man konnte, durch die kostenlosen Getreiderationen und wenn man zum Klienten eines reichen Patrons wurde, auch ohne Arbeit leben(Das Ansehen eines Reichen richtete sich auch nach der Zahl seiner Klienten) . Klienten mussten nur sehen, dass sie am frühen Morgen zur Begrüßung (salutatio) ihres Patrons mit einer weißen Toga bekleidet erschienen und bekamen im Gegenzug von ihm ein Frühstück (Sportula) in Form eines Esskorbes oder etwas Taschengeld. Wenn sie sich beeilten, schafften sie es eventuell noch zu einem weiteren Reichen, dem sie einen guten Morgen wünschten und bekamen dann noch eine Sportula. Sie wurden allerdings von ihren Gönnern herablassend behandelt und selbst die Haussklaven rümpften über die Klienten die Nase. Die Dichter Juvenal und Martial hatten auch zeitweise diese Form des Broterwerbs gewählt. Den Rest des Tages konnten sie sich in den Thermen oder auf den Foren vertreiben.
Das Gefälle zwischen arm und reich war im antiken Rom enorm. Die materielle Unterstützung von Klienten und minder bemittelten Bürgern war de facto eine Art Vermögenssteuer, die durchaus geeignet war, den sozialen Frieden zu stabilisieren. Natürlich verstärkte eine große Zahl von Klienten auch das Ansehen und die Machtbasis einer römischen "Gens". Nachdem Caesar nach seinem Triumph allen römischen Bürgern für ein Jahr die Miete bezahlte und großzügige Öl-, Geld- und Getreidespenden verteilte, hatte er Maßstäbe einer öffentlichen Wohlfahrt gesetzt, an der sich seine Nachfolger messen lassen mussten. Wie bedeutend die Versorgung der Metropole Rom war, wird schon daran deutlich, dass seit dem frühen Prinzipat Ägypten, die Kornkammer des Imperiums zu einer Art Privatdomäne der Caesaren wurde, die Senatoren ohne Erlaubnis des Kaisers nicht betreten durften und die wie die Präfektur der Prätorianer von einem Beamten aus dem Ritterstand verwaltet wurde.
"Nichtsnutze", die ihren Lebensunterhalt mit Kriminalität verdienten oder verdienen mussten, dürften tatsächlich in der Metropolis Rom zahlreich gewesen sein. Manche Gegenden wie die Subura zu betreten, galt nach Einbruch der Dunkelheit als überaus gefährlich, und auch die Aufstellung einer Art Polizeitruppe durch Augustus konnte daran wenig ändern. Müßiggänger aber dürften zumindest unter den ärmeren Römern weitaus seltener gewesen sein, als sich das der verblichene Westerwelle vorstellte, als er von "spätrömischer Dekadenz" faselte.
Eine Rundumversorgung wie in modernen Sozialstaaten gab es im antiken Rom nicht, und von kostenlosen Öl- und Getreidespenden allein, konnte ein Mensch nicht leben, selbst wenn gelegentlich bei Volksbelustigungen die Kaiser Bons verteilten, bei denen man Kleidung, ein Haus oder sogar ein Schiff gewinnen konnte.
Es waren aber nur erwachsene männliche römische Bürger berechtigt, Getreidespenden zu bekommen. Der Empfang galt keineswegs als ehrenrührig, im Gegenteil, auf Grabinschriften rühmten sich manche Bürger, dass sie Getreidespenden erhielten. Die "Sozialleistungen" im antiken, kaiserzeitlichen Rom konnten Hungersnöte und -Revolten verhindern, mehr aber auch nicht. Mittel für Kleidung, Wohnung, Heizung und Bildung mussten die Bewohner Roms selbst aufbringen.
Die Mieten in der "Ewigen Stadt" waren schon in der Antike enorm. In zeitgenössischen Quellen ist kaum die Rede von Bettler- und Vagantenscharen wie im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Martial, Iuvenal und der leider nur als Fragment erhaltene Satyricon des Petronius bieten sozialhistorische Details, die in Bronze gemeißelte "Tatenberichte" natürlich nicht enthalten, sind andererseits aber natürlich stark ironisch überspitzte, übertriebene Darstellungen. Andererseits berichtet Martial überaus realistisch von Bewohnern Roms, die mit Kind und Kegel umziehen müssen, weil sie die Miete nicht aufbringen können und vom Hauswirt, meist nicht zum ersten Mal, vor die Tür gesetzt wurden.
Ich halte es daher für weitaus wahrscheinlicher, dass die Mehrheit der Bewohner Roms einer geregelten Tätigkeit nachging, nachgehen musste, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, die Mehrheit wohl eher als Tagelöhner und Handwerker, als Quacksalber, Wahrsager, Astrologe, Philosoph, Strichjunge, Poet
oder Bandit. Die Figuren in Petronius Satyricon sind nicht nur vom Zorn des Priapus angetrieben, sondern immer auch auf der Suche nach einer Einnahmequelle, einer einträglichen Tätigkeit.