Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Richtig, dieses Jahr hat es wieder Funde von Pferdegeschirrteilen gegeben. Aber Pferdegeschirrteile und zwar sowohl römische als auch wahrscheinlich germanischem Zaumzeg zuzuordnende Teile sind auch schon länger aus K'Riese bekannt.

Ja, ich meine mich auch dunkel zu erinnern - ich finde es nicht mehr, möglicherweise stand es in einem Varus-Kurier -
daß ca. 8 km weiter westlich bei Schwagstorf auch schon ein derartiger Schmuckanhänger von Pferdezaumzeug gefunden wurde. Die damaligen Grabungen gingen noch auf eine Initiative von Tony Clunn zurück (meine ich), der ja ein römisches Lager auf dem Felsener Feld vermutete.
 
Schleppschreck

Ich vermute,das die Auxilareinheiten unter Arminius beritten waren und Reiterei des Numonius Vala abgefangen haben.
 
Arminius befehligte keine Auxiliareinheiten. Das ist Forschungsstand von Anno Tuck. Arminius hatte nur seine Gefolgschaft und die ihm folgenden Aufgebote verschiedener Ethnien zur Verfügung.
 
Hast Du dazu aktuelle Quellen? Denn ursprünglich war es doch Konsens, dass die Legionen auf ihrem Marsch Flankendeckung von berittenen cheruskischen Auxiliareinheiten unter dem Kommando von Arminius erhielten, zumindest bis zu dem Zeitpunkt als die Falle zuschnappte und sich diese Einheiten gegen die Legionen wandten.
 
Bei 20% Verlust bis dahin wären es 2.020 Reiter. Keine riesige "Aufgabe" für die Gegenseite.

Hallo Riothamus,

für mich sind 2000 Reiter eine beängstigende Menge. Wenn man sich vorstellt, die reiten im Galopp auf Fußsoldaten zu, mit Mann hat so ein Pferd vielleicht 600 kg. Die brauchen garnichts machen, die reiten die Soldaten allein durch ihren Schwung u. ihr Gewicht nieder. Oben sitzen dann noch kampferprobte Berufssoldaten mit bester Ausrüstung.

Die Germanen waren einfach in der Überzahl u. sie werden ihr Können halt beim Lernen durchs Tun, durch die Kriege gegen die Römer u. die, die sie untereinander geführt haben, erworben haben.

Die Varusschlacht wird eine ziemlich improvisierte Schlacht gewesen sein, die sich halt so ergeben hat, bei der verschiedene Stämme mitgewirkt haben. Ich stelle mir das ziemlich unkoordiniert vor. Umso erstaunlicher, dass sie es mit soviel Erfolg zuendegebracht haben.

Gruß
Oleger
 
für mich sind 2000 Reiter eine beängstigende Menge. Wenn man sich vorstellt, die reiten im Galopp auf Fußsoldaten zu, mit Mann hat so ein Pferd vielleicht 600 kg. Die brauchen garnichts machen, die reiten die Soldaten allein durch ihren Schwung u. ihr Gewicht nieder. Oben sitzen dann noch kampferprobte Berufssoldaten mit bester Ausrüstung.
Überschätze nicht die Reiterei egal welchen Zeitalters. Pferde sind keine Ausdauermaschinen. Ich meine, es war Delbrück der schrub: Reiterei marschiert die ersten drei Tage lang schneller als Fußvolk, die nächsten drei Tage so schnell wie Fußvolk und danach langsamer. Varus' Heer befand sich schon recht lange im Feld, und, wenn mich mein Gedächtnis der Quellen nicht trügt, die letzten Tage unter ständigen Angriffen in recht unwegsamem Gelände. Die Pferde werden schon ziemlich auf gewesen sein.

Wenn das ganze noch mit viel Regen stattfand und auf Grund der Bedrohungslage die Ponies ggf. a) die ganze Zeit unterm Reiter waren und b) auch nicht abgesattlet wurden, dürften Erschöpfung und Druckstellen umso stärker gewesen sein.

Pferde müssen lange fressen, zumindest wenn sie grasen. Dafür dürfte während der letzten Tage nicht genügend Zeit gewesen sein. Ob und was die Römer noch an Kraftfutter (Hafer, Gerste bzw. deren zeitgenössische Vorläufer?) mit gehabt haben mögen, weiß ich nicht. (Und wie sah es mit der Wasserversorgung aus?) Aber Ponies sind immer hungrig und nach mindestens drei Tagen Dauereinsatz wird denen der Magen noch tiefer auf dem Boden geschlurft sein wie das bei ihren Reitern der Fall war. Pferde im Kriege sind bei weitem nicht so ausdauernd und zäh wie man sich das möglicherweise wünschen könnte.

Zumindest die Legionsreiterei (die etatmäßigen 120 berittenen Römer pro Legion) (siehe Delbrück, Junckelmann etc.) waren eher Aufklärer und Melder, aber keine ernstzunehmende Kampftruppe. Dafür heuerte man Germanen, Gallier, Numider, Thraker etc. an, die konnten das besser.

Je nachdem, wieviele der übrigen berittenen Auxiliaren bereits übergelaufen, gefallen oder in kleineren Gebinden geflohen waren (Reiterei in der Antike neigte häufig zur Flucht), dürfte der türmende Legat in erster Linie mit ebensolchen Legionsreitern unterwegs gewesen sein.

Pferde sind übrigens eine ausgezeichnete Zielscheibe. Die Zahl einsatzfähiger Tiere dürfte während der Gefechte der vorhergenden Tage schon erheblich geschrumpft sein. Auch wenn er weitere berittene Auxiliareinheiten mitgehabt haben dürfte, waren die mit hoher Sicherheit fix und alle. Brief und Siegel: die ritten spätestens jetzt keine Attacke mehr im Galopp. Selbst wenn die noch Schmackes gehabt hätten: die Reiterei damals war keine Schlachten- und keine Schockkavallerie. Gegen formiertes Fußvolk dürften die wenig auszurichten gehabt haben. Insbesondere in dem begrenzten Gelände (links bewaldeter Hang, rechts Sumpf), in dem sie sich weder entfalten noch manövrieren konnten, waren Reiter eher Opfah der Germanen, egal ob die nun beritten von achtern aufkamen, sie von den Seiten aus dem Unterholz ansprangen oder vorn gemütlich vor sich hin brüllend den großen Säbelzahntiger spielten oder vermutlich eine Kombination aus allem drei machten. (Pferde tun sich sehr schwer, Menschen anzugreifen, mit anderen Pferden haben sie da viel weniger Probleme. Einer der Gründe, warum antike Reiterei sich m. W. zunächst mit ihresgleichen anlegte und Fußgänger lieber von hinten, idealerweise auf deren Flucht aufrollte.)

In unwegsamem gedecktem Gelände ein paar hundert müde Berittene auf erschöpften Gäulen zu stellen und fertig zu machen, dürfte keine große Kunst gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wir reden von Reitern ohne Steigbügel. Das ergibt keinen solchen Schock wie von den Kürassieren Friedrichs des Großen. Caesar setzte übrigens ab und an bewusst erfahrene Infanterie gegen Reiter.

Dann ist durchaus umstritten, ob die Reiter dieser Tage schon als Kavallerie bezeichnet werden können, wie wenige Jahrzehnte später ganz sicher. Da will ich mich gar nicht einmischen, nur darauf hinweisen, dass - wenn es hoch kommt - 1450 bis 2050 Reiter damals etwas anderes bedeuteten wie zu anderen Zeiten.

Das auch die Germanen über Kavallerie verfügten und diese durchaus als brauchbar galt, war ja schon gesagt. Da braucht es keine Wunder.

Zumal Tacitus mehrfach beschreibt, wie Arminius die Reiter des Germanicus - sicher stärker als die des Varus - in die Falle lockt, so dass sie herausgehauen werden müssen.
 
Hast Du dazu aktuelle Quellen? Denn ursprünglich war es doch Konsens, dass die Legionen auf ihrem Marsch Flankendeckung von berittenen cheruskischen Auxiliareinheiten unter dem Kommando von Arminius erhielten, zumindest bis zu dem Zeitpunkt als die Falle zuschnappte und sich diese Einheiten gegen die Legionen wandten.

Das kann schon deshalb niemals Konsens der quellenbasierten Forschung gewesen sein, weil die Quellen sagen, dass Arminius sich entfernte und dies damit begründete sein Aufgebot heranführen zu können. Darunter liefen dann wohl die germanischen Schlachtvorbereitungen. Dazu ist im Thread schon mehrfach zu lesen. Vielmehr handelt es sich dabei um das Ausschreiben der Geschichte aufgrund von scheinbar selbstverständlichen Vermutungen und Annahmen.

Ich kopiere mal einfach die Belegstellen, die Wikipedia bringt: Reinhard Wolters: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien. Beck, München 2008, S. 97. Vgl. dazu auch: Peter Kehne: Der historische Arminius … und die Varusschlacht aus cheruskischer Perspektive In: 2000 Jahre Varusschlacht: Mythos. Herausgegeben vom Landesverband Lippe, Stuttgart 2009, S. 104–113.

Mit dem - in den heute üblichen Streitfragen neutral gehaltenen - Buch von Wolters, dass inzwischen in einer überarbeiteten 2. Auflage vorliegt, und dem Katalog ist man schon auf einem recht aktuellen Stand. Dazu sind bei Reclam die Schriftquellen mit geringen Ausnahmen (auch irgendwo im Thread oder im Forum nachzulesen) zusammen mit einer Beschreibung des Fundplatzes Kalkriese in einem Bändchen erschienen.

Arminius als römischer Offizier mit regulären germanischen Auxiliareinheiten (, die es so 9 n.Chr. noch gar nicht gab, sondern wohl erst unter Claudius fest organisiert wurden, wobei einzelne Fälle erst unter den Flaviern ins Schema eingepasst wurden und die Organisation auch erst dann archäologisch fassbar ist,) geht auf Dieter Timpe (Arminiusstudien, Heidelberg 1970?) zurück und hat keinen Rückhalt in den Quellen.

Velleius Paterculus erwähnt Arminius als Begleiter der Römer bei kriegerischen Unternehmungen. Dazu kommt, dass die Cherusker als Verbündete galten, die regelmäßig bei aktuellen Kriegen ihre Aufgebote als Unterstützung stellten. Es wird heute eher vermutet, dass Arminius ein solches Aufgebot 6/7 in Pannonien anführte. Als Anführer aus der "stirps regia" (königliches Geschlecht) seines Volkes, nicht als römischer Offizier. Andere lehnen auch das ab, weil die Quelle nicht eindeutig sei. Aber ein adliger Germane als römischer Ritter durfte ganz sicher nicht abseits stehen. Hat er vielleicht sogar in Rom die ersten Funktionen wahrgenommen, die für einen späteren "cursus honorum" (höhere Ämterlaufbahn) qualifizierten? Hat er den Militärdienst der Ritter geleistet und später Funktionen als Offizier übernommen? Vielleicht, viele werden es als wahrscheinlich erachten. Nur ist dazu nichts überliefert. Noch seiner Rückkehr lag seine Funktion aber recht sicher darin, seine Ethnie im römischen Sinn zu beeinflussen, nicht in einer Funktion im "exercitus" (Heer) des Varus. Sonst wäre er nicht für das Aufgebot der Cherusker zuständig gewesen.

Die letzten Absätze nur, um nicht nur auf die Literatur und unseren Megathread zu verweisen. Am Nachlesen kommt da keiner vorbei. Daher habe ich die einzelnen Formulierungen nicht auf die Goldwaage gelegt.
 
Und wir reden von Reitern ohne Steigbügel. Das ergibt keinen solchen Schock wie von den Kürassieren Friedrichs des Großen. Caesar setzte übrigens ab und an bewusst erfahrene Infanterie gegen Reiter.

Dann ist durchaus umstritten, ob die Reiter dieser Tage schon als Kavallerie bezeichnet werden können, wie wenige Jahrzehnte später ganz sicher. Da will ich mich gar nicht einmischen, nur darauf hinweisen, dass - wenn es hoch kommt - 1450 bis 2050 Reiter damals etwas anderes bedeuteten wie zu anderen Zeiten.

Das auch die Germanen über Kavallerie verfügten und diese durchaus als brauchbar galt, war ja schon gesagt. Da braucht es keine Wunder.

Zumal Tacitus mehrfach beschreibt, wie Arminius die Reiter des Germanicus - sicher stärker als die des Varus - in die Falle lockt, so dass sie herausgehauen werden müssen.

Markus Junkelmann hat aber im archäologischen Experiment nachgewiesen, dass die gebräuchlichen Vierhorn-Sättel einem Reiter durchaus genügend Halt gaben, um z.B. kräftig mit einer Lanze zustoßen oder die Spatha mit Wucht gegen feindliche Infanterie und Kavallerie einsetzen zu können. Zwar war der Steigbügel später eine deutliche Verbesserung und Kampfwertsteigerung der Kavallerie, aber Kampfkraft besaßen die antiken Reitereien auch schon eine erhebliche.
 
Du musst Dich schon entscheiden. Entweder sie hatten dieselbe Kampfkraft wie mit Steigbügel. Oder sie hatten, wie ich schrieb, weniger. Mal ganz abgesehen davon, dass mir das gerade zu sehr nach Rollenspiel und Dienstvorschrift klingt: Egal wie stark ihr Schock war, so wurde antike Reiterei meist ganz anders eingesetzt.

Und dann noch etwas Realität: Die berühmte römische Kavallerie hat bekanntlich alle Schlachten entschieden, nachdem die Hochgebirgsflotte als Stütze der Infanterie entfiel.

Falls das Argument unverstanden bleibt: Die Quellen belegen nicht gerade einen unwiderstehlichen Schock jener Reiterei.
 
Die parthischen Cataphractii waren Schockreiterei und zwar ganz ohne Steigbügel (das bekamen die Römer mehrfach am eigenen Leib zu spüren). Dass die römische Legionsreiterei geringe Bedeutung und die römische Auxiliarreiterei vor allem unterstützende Funktion hatte (nämlich zum Schutz der Flanken), lag vor allem an der römischen Schlachttaktik, deren Schwerpunkt auf der schweren Infanterie lag. Ich habe auch nie behauptet, römische Kavallerie hätte irgendwelche Schlachten entschieden.
Später, als sich sowohl die typischen Gegner wie auch die eingesetzten Taktiken änderten, hatten die Römer allerdings kein Problem damit das Prinzip der Cataphractii und Clibanarii zu übernehmen.

Im übrigen habe ich die Kampfkraft ohne und mit Steigbügel keineswegs gleichgesetzt (wenn ja, zeig mir wo). Ich habe nur dargelegt, dass antike Reiterei durchaus schlagkräftig sein konnte, der später entwickelte Steigbügel diese Schlagkraft aber noch weiter verbessert hat.

Deine Argumentationen klingen oft wie die eines staubtrockenen Theoretikers, der zwar hervorragende Quellenkenntnisse besitzt, aber noch nie auch nur testweise ein Stück römische Ausrüstung in den Händen gehalten, geschweige denn praktisch ausprobiert hat.
 
Das kann schon deshalb niemals Konsens der quellenbasierten Forschung gewesen sein, weil die Quellen sagen, dass Arminius sich entfernte und dies damit begründete sein Aufgebot heranführen zu können.
Eigentlich berichtet das so nur Cassius Dio, der ca. 200 Jahre nach der Schlacht schrieb. Zur Klärung der momentan offenen Fragestellung trägt das wenig bei.
 
Die parthischen Cataphractii waren Schockreiterei und zwar ganz ohne Steigbügel (das bekamen die Römer mehrfach am eigenen Leib zu spüren).
Die Römer haben unter den berittenen Bogenschützen gelitten, Frontalangriffe der Kataphrakten haben sie abgewehrt,
Deine Argumentationen klingen oft wie die eines staubtrockenen Theoretikers
gilt aber für dich auch, wie soll man einen Lanzenstoß abfedern wenn nicht stehend und ohne Abfedern-> Abflug oder, wenn man sich wie du meinst im Sattel verkeilt -> Bruch des Rückgrats, die "Schockwirkung" entsprang einfach der Biomasse und nicht dem Waffeneinsatz, eine Kuhherde hätte genauso gewirkt.
 
Die Römer haben unter den berittenen Bogenschützen gelitten, Frontalangriffe der Kataphrakten haben sie abgewehrt,.

Die berittenen Bogenschützen haben mit ihren Angriffen die römischen Formationen aufgebrochen und ausgedünnt, die Kataphrakte sind dann in das Durcheinander hineingestoßen. Dennoch waren es Schockangriffe. Wozu hätten sich Parther, Sarmaten, Sassaniden und später Römer und Byzantiner sonst die Mühe machen sollen, Reiter und Pferde aufwändig zu panzern, wenn nicht für derartige Schockangriffe? Alle anderen Angriffsformen (Plänkeln, Flanken- und Umgehungsangriffe) hätte man auch mit leichter gepanzerten und dadurch wendigeren Reitern hinbekommen.

gilt aber für dich auch, wie soll man einen Lanzenstoß abfedern wenn nicht stehend und ohne Abfedern-> Abflug oder, wenn man sich wie du meinst im Sattel verkeilt -> Bruch des Rückgrats, die "Schockwirkung" entsprang einfach der Biomasse und nicht dem Waffeneinsatz, eine Kuhherde hätte genauso gewirkt.

Ich bezweifle sehr stark, dass die Lanze eingelegt und dann wie ein Rammsporn verwendet wurde wie bei den mittelalterlichen Rittern. Davon schrieb ich auch nicht, Zitat: "...um z.B. kräftig mit einer Lanze zustoßen ... zu können". Das ist ein aktiver Vorgang, bei dem die Lanze im Vorbeireiten dem Gegner von oben in den Körper gerammt wird, da bricht sich niemand das Rückgrat und der Vierhorn-Sattel bietet dafür genügend Halt. Hauptwaffe der antiken Schockreitererei, da geb ich Dir Recht, war schlicht die Kombination aus Geschwindigkeit und Masse (sowohl in Form von Gewicht als auch Anzahl), das war aber auch bei den späteren Panzerreitern und den mittelalterlichen Rittern der Fall, wenn diese gegen Infanterie eingesetzt wurden.
 
Eigentlich berichtet das so nur Cassius Dio, der ca. 200 Jahre nach der Schlacht schrieb. Zur Klärung der momentan offenen Fragestellung trägt das wenig bei.

Was wir auch schon hatten. Dio ist problematisch. Aber wir können begründen, wo er problematisch ist. Wenn Du ihn an nur einer Stelle wegen der vergangenen Zeit ablehnst, musst Du ihn und jeden spät schreibenden Autor komplett ablehnen.

Hinzu kommt, dass es eher als Anzeichen einer Fälschung gilt, wenn eine Quelle kein Eigengut berichtet. Hier ist dann das Eigengut zu beurteilen. Und dieses 'Detail' gehört für mich eindeutig zum 'größeren Bild' und 'groben Ablauf' der "dreitägigen Marschschlacht". Das magst Du anders sehen, aber obwohl es eine Einschätzungsfrage ist, solltest Du das dann begründen.

An dieser Stelle muss ich daran erinnern, dass ja immer wieder gefragt wird, wie Arminius genügend Truppen heranführen konnte, ohne das Varus, der ja ein ernstzunehmender Mann war, wie mittlerweile zu genüge beschrieben, Lunte roch. Hier haben wir einen Teil der Erklärung.
 
Die parthischen Cataphractii waren Schockreiterei und zwar ganz ohne Steigbügel (das bekamen die Römer mehrfach am eigenen Leib zu spüren). Dass die römische Legionsreiterei geringe Bedeutung und die römische Auxiliarreiterei vor allem unterstützende Funktion hatte (nämlich zum Schutz der Flanken), lag vor allem an der römischen Schlachttaktik, deren Schwerpunkt auf der schweren Infanterie lag. Ich habe auch nie behauptet, römische Kavallerie hätte irgendwelche Schlachten entschieden.
Später, als sich sowohl die typischen Gegner wie auch die eingesetzten Taktiken änderten, hatten die Römer allerdings kein Problem damit das Prinzip der Cataphractii und Clibanarii zu übernehmen.

Im übrigen habe ich die Kampfkraft ohne und mit Steigbügel keineswegs gleichgesetzt (wenn ja, zeig mir wo). Ich habe nur dargelegt, dass antike Reiterei durchaus schlagkräftig sein konnte, der später entwickelte Steigbügel diese Schlagkraft aber noch weiter verbessert hat.

Deine Argumentationen klingen oft wie die eines staubtrockenen Theoretikers, der zwar hervorragende Quellenkenntnisse besitzt, aber noch nie auch nur testweise ein Stück römische Ausrüstung in den Händen gehalten, geschweige denn praktisch ausprobiert hat.

Ich bin sicher, dass kein Kurator jemanden römische Ausrüstungsstücke ausprobieren lässt. ;)

Sachkritik ist ein wertvoller Beitrag zur Quellenkritik. Doch auch die Sachkritik hat Regeln einzuhalten. Jetzt bemühst Du schon Kataphrakten, die nichts mit dem Thema zu tun haben und mit denen die fraglichen Reiter wenig Ähnlichkeiten hatten. Äpfel und Birnen.

Und doch, du sagtest, dass die experimentelle Archäologie herausgefunden hat, dass man auf einem ganz bestimmten antiken Sattel einen guten Halt hatte, der unter Umständen einen Schock-Angriff erlaubte, um gleich darauf zuzugeben, dass es nicht an Steigbügel herankommt. Damit ist das Argument schon obsolet. Balkaneses Einwand kommt hinzu: Natürlich kann jede Reiterei als Mauer angreifen. Nur ist eines der ersten Dinge, die man beim Reiten lernt, dass man selbst für sein Gleichgewicht verantwortlich ist. Und ohne Verletzung "oben zu bleiben" ist natürlich mit einem Vierhorn-Sattel einfacher, doch eben wesentlich einfacher mit Steigbügeln.

Und dann wirst Du persönlich. Schon Schopenhauer hat darauf hingewiesen, dass, wer so argumentiert, es tut, weil er sich bewusst ist, unrecht zu haben. Ich weiß ja, dass gewisse Parteien bei ihren Klausurtagungen dennoch empfehlen, die eristische Dialektik zu nutzen, doch hier verfängt das nicht. El Quijote würde jetzt vielleicht sagen: "agro", wobei ich keine Ahnung habe, was der gegen die Landwirtschaft hat. Aber gegen persönliche Angriffe, wehre ich mich eben entsprechend. (Zu dem Versuch, das Thema anders zu begrenzen, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen, sage ich hier nichts mehr, aber auch das verfängt nicht, wie Du siehst.)

Den entscheidenden praktischen Hinweis habe ich übrigens schon gebracht: Die Quellen berichten anderes. Sogar hinsichtlich der Wirkung der Kataphrakten, worauf schon balkanese hinwies. Es funktionierte in der Praxis anders. Wenn die experimentelle Archäologie zu anderen Ergebnissen kommt, ist zu fragen, ob der Versuchsaufbau oder die Interpretation einen Fehler hat, oder die Quellen zu streichen sind. Experimentelle Archäologie ist eben keine Praxis, sondern im Grunde Theorie. Sie hat den Regeln aller wissenschaftlicher Experimente zu folgen. Die Experimente machen sie zu einer praktischen Wissenschaft, was aber keinesfalls im Gegensatz praktisches Experiment - theoretische Quellenarbeit zu verstehen ist. Die Quellenkritik ist eine beobachtende Methode. Und was ist nun theoretischer? Das Rattenexperiment oder die Beobachtung der Ratten in freier Wildbahn? Ein Sarissenexerzieren mit Berliner Turnvereinen oder die Auswertung von Schlachtberichten, um die Zuverlässigkeit der "antiken Militärtheoretiker" zu überprüfen? In letzterem Beispiel ist beides von der Realität entfernt, sowohl das Experiment als auch die Schriftquellen. Das Experiment gestaltet der Forschende immer selbst, den Bericht schreiben andere. Nur können wir nicht einfach das eine dem anderen Vorziehen: Wenn kein Anhaltspunkt existiert, warum Quellen falsch berichten, musst Du sie ganz streichen, was dann z.B. auch Caesar und Tacitus betrifft. Dort müsste man alle militärischen Berichte weglassen, wen die römischen Reiter regelmäßig germanische Infanterie hinwegfegte und letztere keine Reiter gegen Reiter einsetzen konnten.

Wenn Du darauf stößt, dass Berichte von realen Kampfhandlungen experimentellen Ergebnissen widersprechen, musst Du fragen, warum. Oft ist es dazu ratsam, einen neuen Thread aufzumachen. Hier dürfte es einfach so sein, dass ein Experiment aus Sicherheitsgründen nicht realistisch genug durchgeführt werden kann. Hinsichtlich des Einsatzes von Kavallerie ein altes Problem. Die berühmten Simulationen der Franzosen zu Kavallerieattacken des 18./19. Jahrhunderts haben da noch ein Problem gezeigt: Mangelndes Training von Reitern und Pferd.
 
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