Wer ist das? (Bildanalyse)

Also ich bin kein Experte, aber ich bezweifle doch sehr stark, dass es sich bei der Büste um Descartes handelt, da ich auch inhaltlich nahezu keine Verbindung zwischen Friedrich und Descartes herstellen kann, die irgendwie nahe liegen würde. Außerdem geht es hier wohl kaum darum, ob besagte Büste tatsächlich in Sanssouci stand, sondern es geht um die Wahrnehmung des Künstlers die hier transferiert wird, sonst würde die Büste nicht so deutlich hervortreten. Welchen "Mehrwert" hätte eine Descartes Büste, wenn bereits der Spötter Voltaire im Bild ist? Sinn ergeben würde mich eine Art Kontrast. Links Voltaire, aber im Rücken von Friedrich der "Leviathan" des Hobbes, oder der Principe des Machiavelli. Das würde am ehesten auch den Aufgeklärten Absolutisten beschreiben. Schreibt bitte eure Gedanken dazu...

Zum Vergleich der Leviathan: https://www.erainstitute.org/wp-content/uploads/2016/01/13888108157_1dbc693ff1_b-e1452790173898.jpg
 
Dass in Sanssouci eine Descartes-Büste deplaziert wäre, ist aus genannten Gründen (Friedrichs Tierliebe vs. Descartes´ fatale Automatentheorie) auch meine Meinung. Eine simple Recherche nach den faktisch in Sanssouci aufgestellten Büsten bestätigt das - von Descartes keine Spur:

Category:Busts in Sanssouci - Wikimedia Commons

Ob der ursprüngliche Zeichner (Peter Haas) folgende Büsten im Blick hatte, ist wegen der mangelnden Übereinstimmung nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich:

https://www.google.de/search?biw=1600&bih=762&tbm=isch&sa=1&ei=uI0dWsH6B8fAkgWvgY6YCQ&q=büsten+sanssouci&oq=büsten+sanssouci&gs_l=psy-ab.3...146511.146511.0.146913.1.1.0.0.0.0.152.152.0j1.1.0....0...1c.1.64.psy-ab..0.0.0....0.462_AVgg5A0#imgrc=WXNt1SidHN4B5M:

https://www.google.de/search?biw=1600&bih=762&tbm=isch&sa=1&ei=uI0dWsH6B8fAkgWvgY6YCQ&q=büsten+sanssouci&oq=büsten+sanssouci&gs_l=psy-ab.3...146511.146511.0.146913.1.1.0.0.0.0.152.152.0j1.1.0....0...1c.1.64.psy-ab..0.0.0....0.462_AVgg5A0#imgdii=I1qLS2MrhuFM2M:&imgrc=WXNt1SidHN4B5M:

Bleiben also die Möglichkeiten, dass Haas (a) eine der verlinkten Büsten ungenau wiedergegeben hat oder dass er (b) - wie ich schon schrieb - Descartes ´kreativ´ hinein montiert hat. (a) ist wahrscheinlicher als (b).

Ich nenne Descartes´ Automatentheorie "fatal", weil sie für lange Zeit als Rechtfertigung für Vivisektionen an Tieren und für sadistische Misshandlung von Tieren gedient hat.

Sinn ergeben würde mich eine Art Kontrast. Links Voltaire, aber im Rücken von Friedrich der "Leviathan" des Hobbes, oder der Principe des Machiavelli. Das würde am ehesten auch den Aufgeklärten Absolutisten beschreiben.

Machiavelli als Hintergrundbüste wäre mindestens so deplaziert wie Descartes, da Friedrich auf das Werk des Italieners nicht gut zu sprechen war. Aus dem Vorwort seines ´Antimachiavell´:

Der »Fürst« von Machiavell bedeutet auf dem Gebiete der Moral, was Spinozas Werk für den Glauben bedeutet: Spinoza untergrub die Grundlagen des Glaubens, indem er nichts Geringeres anstrebte als einen Umsturz des Gebäudes der Religion; Machiavell pflanzte den Keim des Verderbens in das staatliche Leben und unternahm es, die Vorschriften gesunder Sittlichkeit zu zerstören.

Der ´Antimachiavel´ war von Friedrich noch als Kronprinz unter Voltaires Einfluss geschrieben worden und beruht auf der Lektüre einer mangelhaften französischen Übersetzung. Voltaire, den Friedrich ausdrücklich um formale und inhaltliche Korrekturen bat, veränderte den Text an vielen Stellen so sehr, dass Friedrich mit dem gedruckten Resultat unzufrieden war. Zu einer Überarbeitung kam es nicht mehr, weil Friedrich kurz vor der Veröffentlichung das Königsamt antrat und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen hatte. Als König hatte er allerdings keine Skrupel, einige der Ratschläge im ´Principe´ in die Praxis umzusetzen, die er als Kronprinz verdammt hatte.
 
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Allzuviel Sinn macht es nicht, im einem solchen Kupferstich jedes Detail identifizieren zu wollen, auch wenn das dargestellte Gebäude im Hintergrund eindeutig Sanssouci sein soll. Klar ist nur, dass der Hersteller für die Büste keine Frau, sondern einen Mann wählte, und zwar mit langen offenen Haaren, womit er damals eine historische, möglicherweise unbestimmte Gestalt andeuten wollte. Das Postament jedenfalls ist derart stark stilisiert, dass es mit Sicherheit keinen Bezug auf eine reale Skulptur im Park nehmen will.
 
Nach Studium anderer Stiche von Camphausen würde ich doch den "Großen Kurfürsten" favorisieren.
Zum einen gibt es ein inhaltlich ähnliches Bild von Camphausen mit Josef II und Kaunitz.
Also wieder ein absolutistischer Herrscher im Gespräch mit seinem aufgeklärten? Berater. In der Hand hält Kaunitz das "Toleranz Edict"
Auch hier sind im Rücken des Monarchen Bildnisse zu erkennen, die ich als Amtsvorgänger Josef des II interpretieren würde. (Maria-Theresia & ?)

Zu letzt gibt es von Camphausen auch von Friedrich II ein weiteres Bild, das die Versöhnung mit seinem Vater thematisiert.
Hier würde ich ganz klar den "Großen Kurfürsten" im Rücken von Friedrich Wilhelm I. identifizieren wollen.
Diese Bildnisse im Rücken der Herrscher symbolisieren demnach die Staatsräson, der sich ein absolutistischer Herrscher verpflichtet fühlen musste.

Das vorliegende Bild im Garten von Sanssouci thematisiert also den Kontrast zwischen Friedrichs idealistisch
geprägten Rheinsberger Jahren und seiner späteren Funktion als absolutistischer Herrscher in Berlin.(deshalb Sanssouci und in Begleitung seines Hundes und nicht seiner Frau)

Gruß
jchatt
 
Das Postament jedenfalls ist derart stark stilisiert, dass es mit Sicherheit keinen Bezug auf eine reale Skulptur im Park nehmen will.

Ich hatte versehentlich Peter Haas (18. Jh.) als ursprünglichen Zeichner angegeben, es ist aber doch Camphausen (19. Jh.). Nun war Camphausen ein hochrenommierter Historienmaler, der u.a. für Kaiser Wilhelm I. ein Friedrich darstellendes Wandgemälde angefertigt hatte. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er eine Friedrich-Szene im Park von Sanssouci in Bezug auf die Büste so frei gestaltet hätte, wie du es andeutest. Camphausen wurde von Betrachtern doch sicher über die Büste befragt. Ein "Die habe ich aus meiner Vorstellungskraft eingefügt" wäre kaum gut angekommen, vor allem bei Leuten, die sich im Park gut auskannten. Ich bin Stand Jetzt also der Meinung, dass die Büste einen realen Bezug hat - möglicherweise mit verschobenem Standort - , nur eben nicht Descartes.

Ich füge zwei Parkansichten ein, die erste eine Luftaufnahme, auf der ich den ungefähren Standpunkt der Szene markiert habe, die zweite eine Google-Maps-Szene mit 3D-Blick auf den Standort.

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Dir ist schon klar, dass der Park sich zwar nicht so sehr wie andere verändert hat, aber die Büsten, wenn sie erhalten sind, dennoch -wohl abgesehen von denen um das Grab- mehrfach wandern mussten?

Und wenn Camphausen z.B. gesagt hätte, er habe den großen Kurfürsten eingefügt, um altes und neues oder Pragmatismus und Philosophie oder was auch immer zu verbinden, hätte das damals jeder verstanden. Genau das gehörte doch auch zur offiziellen Propaganda zum Alten Fritz.

Außerdem scheinst Du mir da seinen Zeitgenossen ungerechtfertigterweise den Kunstsinn abzusprechen.
 
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er eine Friedrich-Szene im Park von Sanssouci in Bezug auf die Büste so frei gestaltet hätte, wie du es andeutest.
Dann will ich es deutlicher formulieren. Dass ein auch nur annähernd ähnliches Postament um die Mitte des 18 Jhs. im Park von Sanssouci gestanden sein könnte, ist ausgeschlossen. Da dafür offensichtlich keine Vorlage herangezogen wurde und auch die Büste nur in groben Zügen dargestellt ist, sehe ich in der Eingangsfrage eine Überbewertung der Darstellung…
 
Vielen Dank an Chan zur philosophischen Aufklärung, warum Descartes hier äußerst unwahrscheinlich ist (es sei denn, der Künstler war sich dieser weltanschaulichen Differenzen zwischen René und Fritze nicht bewußt). Die These Büste=Descartes war nur ein erster Gedanke. Dank an alle, die herausgearbeitet haben, dass ein Offiziersstand im 17.Jh noch nicht so eindeutig identifizierbar ist.

War Descartes nicht einfacher Soldat?
Es gab natürlich Ausnahmen, aber Descartes nahm nach dem Jurastudium erst einmal Tanz-, Fecht- und Reitstunden

Die englische wiki verweist darauf, dass er "undertook a formal study of military engineering as established by Simon Stevin". Das deutet alles darauf hin, dass er wahrscheinlich nicht mit dem Spaten am Weißen Berg geschanzt bzw mit der Pike oder Muskete in der Hand gekämpft hat, sondern eher eine mittlere Führungsposition oder im "Stab" bei der Planung - vergleichbar einem späteren Offizier - innehatte. Welcher Rang konkret, ist da vielleicht gar nicht so wichtig.
Oder: Er war das Einhorn mit dem regenbogenfarbenen Schweif in der Liga - durch seine militärische Ausbildung im protestantischen Breda. Wenn seine Vorgesetzten seine Qualifikationen nicht erkannt hätten (und sie ihn als 'einfachen Soldaten verbraten' hätten), wären es äußerst schlechte Vorgesetzte gewesen. Danach sieht es aber nicht aus.
 
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