Doch, kann man:
1. Steht man ja auf einem Großteil des benötigten Materials.
2. Führten die Legionäre je Schanzpfähle und Werkzeugstile mit.
3. Falls 2. angezweifelt wird: Auch ohne weitere Annäherungshindernisse bietet ein Wall Vorteile.
Ob es hier der Fall war, ist natürlich eine ganz andere Frage...
Im Fall 2 müßte das erste äußere Lager dann ein Standlager gewesen sein, so daß die Legionäre ihr Schanzmaterial noch bei sich hatten (nur an Erdwälle mag ich nicht glauben, das erscheint mir dann doch recht sinnlos). Soweit würde sich das auch mit Florus decken, wenn ich mich richtig erinnere.
Aber selbst dann muß man sich mal die Situation vorstellen. War es nicht laut Florus so, daß die Germanen in das Lager eingeladen wurden und dann
von innen heraus einen Überfall starteten? So ein Standlager mag ziemlich groß gewesen sein, aber doch nicht so groß, als daß die Germanen nicht innerhalb von Minuten an jeder Stelle hätten sein können. Und in der Situation, in dem Getümmel, die Germanen praktisch überall, die Römer total überrascht, wird dann ganz gemütlich der Bau eines zweiten inneren Lagers organisiert. Die Römer ziehen dann also die Hälfte ihrer Leute aus
dem Getümmel heraus und versammeln sie zur Schanzarbeit:
"Lieber Germane, laß mich doch mal durch, ich bin zum Schanzen abkommandiert. Bitte auch die Südwestecke freihalten, wir bauen dort ein neues Lager!"
"Ach so, ich hab mich schon gewundert, wo ihr alle hinwollt, na, wenn das so ist, ok, viel Erfolg!"
Also nee, das ist doch so nicht möglich. Jetzt habe ich gerade mal bei Wikipedia unter "Florus" gelesen, daß er Tacitus als Quelle benutzt hat.
Was ich mir vorstellen kann, ist, daß Florus, genau wie wir alle, Verständnisschwierigkeiten hatte mit der Stelle: "Das erste Lager des Varus war ein Dreilegionenlager. Dann sah man an dem niedrigen Wall, daß sich dort die schon zusammengeschmolzenen Reste gelagert hatten"
Er hat sich das dann so zusammengereimt. Mag sein, daß er noch Zusatzinformationen hatte. Vielleicht wurde eine der drei Legionen oder ein Verband aus einigen Kohorten zum Anfang des Aufstands tatsächlich in der beschriebenen Weise in ihrem Standlager überfallen, und er hat dann diesen Teil der Varusschlacht verallgemeinert.
Allerdings waren Florus und Tacitus ja Zeitgenossen, er hätte ja mal nachfragen können.
Dann noch mal zu der Sache mit Caecina. Man kann hier sehen, daß in der Tat ein Lager, aber wohl ein Marschlager, die entscheidende Rolle spielte.
Die Germanen hatten das Lager umzingelt, aber Arminius wußte, daß es mit
seinen ungeduldigen und auch etwas undisziplinierten Leuten sehr schwierig sein würde, das Lager zu stürmen. Also verlegte er sich mehr auf psychologischen Kampf, Werfen von Speeren, Feuerbränden, Geheule, vielleicht wurden auch gefallene Römer über die Palisade geworfen usw., alles mit dem Ziel, die Römer zu einem Ausbruchsversuch zu bringen.
Bei Varus gelang ihm dies recht schnell, bei Caecina nicht. Dieser hatte sich ja quer vor die Legaten gelegt, die mit einem Teil der Legionen das Lager verlassen wollten. Arminius wollte nun weiter abwarten, vielleicht den Druck erhöhen ("Seht, Varus!"), aber sein Onkel Inguimerus (Ingomerus) war zu ungeduldig, wagte den Sturmangriff auf das Lager und scheiterte daran.
Damit ist aber die Lagerschlachttheorie mit Tacitus nicht in Übereinstimmung zu bringen, denn laut Tacitus war es ja eben die Vermeidung einer solchen, die zum Sieg des Arminius über Varus führte.
Und schließlich paßt die Lagerschlachttheorie auch nicht zu den Funden in Kalkriese.