Frage zur Hohmann-Rede

Offensichtlich gab es damals funktionierendes Netzwerk der Neuen Rechten im Umfeld der Zeitschrift "Junge Freiheit" und der Edition Antaios.

Die Kette ist sogar ganz kurz und direkt: Nolte schrieb das Vorwort zu Rogalla von Biebersteins Buch "Jüdischer Bolschewismus", welches wiederum die Hauptquelle für die Hohmann-Rede war.
 
Ich kann das noch weiter abkürzen.

Fast die gleiche Wortwahl, die in Hohmanns Rede den Skandal auslöste, wählte Nolte 1994 im Interview mit dem "Spiegel".
Das Interview wird mit der Frage an Nolte eröffnet, ob er ein Rechtsradikaler sei. Die Frage wird eigentlich nicht beantwortet, aber er widerspricht auch nicht. Die Rahmung des Interviews sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Eigentlich geht es die ganze Zeit um die Frage, ob Nolte rechtsradikal sei.
SPIEGEL: Sie verklären also Kriegsverbrechen und Völkermord zu historischer Größe?
Nolte: Verklären ist ein falscher Ausdruck. Ich halte jede kollektive Schuldzuweisung für abwegig und lehne deshalb den Begriff des "Tätervolkes" ab, allerdings nicht aus nationalistischen Motiven. Ich möchte den Leuten, die vom "Tätervolk" sprechen, eines vorhalten: Habt ihr denn ganz vergessen, was in den zwanziger Jahren von Deutschen gegen Juden gesagt wurde, nämlich daß sie ein Tätervolk seien? Jüdische Tscheka, ein absolut geläufiger Begriff in der damaligen Zeit. Natürlich, wir wissen heute, daß das alles in der Form nicht stimmt. Aber damals war es faktisch so.
SPIEGEL: Jetzt setzen Sie die antisemitische Hetze der zwanziger Jahre mit der Verantwortung der Deutschen für die Folgen der NS-Verbrechen gleich.
Nolte: Eine Sekunde! Ich habe mich nur gegen den Begriff des Tätervolkes ausgesprochen, weil ich kollektivistische Schuldzuschreibungen ablehne
Die Anführungzeichen stiften hier vor allem Verwirrung. Handelt es sich um wirklich um einen Begriff aus der Nazizeit oder ist es ein Neologismus des Historikers? (Die Angaben bei Wikipedia zur Begriffsgeschichte Tätervolk können jedenfalls nicht stimmen, wenn Nolte das Wort bereits 1994 verwendet.)
 
Ich kann das noch weiter abkürzen.

Fast die gleiche Wortwahl, die in Hohmanns Rede den Skandal auslöste, wählte Nolte 1994 im Interview mit dem "Spiegel".
Das Interview wird mit der Frage an Nolte eröffnet, ob er ein Rechtsradikaler sei. Die Frage wird eigentlich nicht beantwortet, aber er widerspricht auch nicht. Die Rahmung des Interviews sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Eigentlich geht es die ganze Zeit um die Frage, ob Nolte rechtsradikal sei.

Die Anführungzeichen stiften hier vor allem Verwirrung. Handelt es sich um wirklich um einen Begriff aus der Nazizeit oder ist es ein Neologismus des Historikers? (Die Angaben bei Wikipedia zur Begriffsgeschichte Tätervolk können jedenfalls nicht stimmen, wenn Nolte das Wort bereits 1994 verwendet.)

Für begriffsgeschichtliche Nachforschungen recherchiere ich gerne bei "Google books". Dort findet sich für die 1920er und 1930er Jahre kein einziger Nachweis für die Verwendung des Begriffs "Tätervolk" (auch nicht gegen die Juden). Auch nicht für die 1940er bis 1970er Jahre, wo man ja vermuten könnte, dass, wie von Nolte, Rogalla, Hohmann etc. suggeriert, dass dieses Wort aus dem Motiv des Kollektivvorwurfs gegenüber den Deutschen entstanden sein könnte - aber Fehlanzeige. Erst in den 1990er Jahren taucht es dann im Sinne der Hohmann-Rede auf, und zwar ausschließlich von rechtskonservativen Vertretern verwendet - hier zum Beispiel nach Nolte ein weiterer früher Nachweis, hier gebraucht von Konrad Adam, dem späteren AfD-Mitbegründer, damals für die FAZ tätig: Der Krieg der Erinnerungen

Es sieht also danach aus, als gehöre der Begriff ganz in das von Nolte und seinen geistigen Nachfolgern nach dem Historikerstreit entwickelte Geschichtsbild.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Journalist Ulrich Sahm veröffentliche auf seiner Homepage einen kurzen Abriss zur Begriffsgeschichte des Begriffs "Tätervolk". Sahms Einschätzung zu Ernst Nolte halte ich für falsch.

Nolte scheint der eigentliche Urheber oder wenigestens der einflussreichste Nutzer der Begriffe "Tätervolk" und "Opfervolk" zu sein.
Das besondere an Nolte war, dass er ein Stichwortgeber in mehreren Systemen und Diskursen - sowohl im Feuilleton der Leitmeiden, als auch in der Parallelwelt rechtsradikaler Kreise, die offensichtlich ihren eigenen Elfenbeinturm errichtet haben.

Der Schmittismus der Freund-Feind-Bestimmung ist zentral in Nolte Denken. Die (angebliche) Erklärung der Juden zum "Tätervolk" durch die Nazis, nennt Nolte eine "kollektivistische Schuldzuschreibung". Nolte spielt mit der Täter-Opfer-Umkehr ein geschicktes Spiel. Zwischen den Zeilen steht, dass bereits die Nazis, eine Kollektivschuldthese vertraten.
In Noltes Vortrag "Historische Tabuisierungen in Deutschland" von 2000 setzt er auch eine klare Feindbestimmung. Der Feind sind bei Nolte die "gut gesinnten" Menschen, die mit "Faschismuskeule" zuschlagen. Diese Leute, denen Nolte den Begriff "Tätervolk" in den Mund legt, würden im Fahrwasser Hitlers fahren.
Nolte schrieb:
Ganz in der Spur Hitlers bewegt sich unter radikaler Umkehrung der Wertung die heute übliche Entgegensetzung von “Tätervolk” und “Opfervolk”, welche ebenfalls die eigentliche Initiativkraft, die revolutionäre und übernationale Partei, schlicht fortlässt.
...
Ich wundere mich über die Juden, die überall nur bestrebt zu sein scheinen, sich den Status der wichtigsten Opfer zu erhalten und die anscheinend bis auf wenige Ausnahmen nicht wahrhaben wollen, dass es sehr wohl eine enge, leicht begreifliche, sowohl äußere wie innere Beziehung zwar nicht zwischen “den” Juden, wohl aber zwischen vielen Juden und dem Bolschewismus gab.

Diese revisionistische Argumentation beruht auf dem Rollentausch. Eigentlich sind in Noltes Welt die Revisionisten die eigentlichen Opfer, da sie ständig von Juden und anderen Gutmenschen mit der "Faschismuskeule" verprügelt werden.
Es ist ein Kampf um den Status der Opferrolle. Das brilliante an dieser Rhetorik ist, dass man sich um so mehr als Opfer fühlen darf, je mehr Tabus man bricht.
 
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