Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Hallo Ostfale,
genauso ist es.
Mit diesen Medien lässt sich lediglich ein terminus post quem definieren.

Anders ist es beim Lager Haltern. Da die Feldzüge des Germanicus 16 n.Chr. nachweislich beendet wurden, kann man bei militärischen Fundplätzen im rechtsrheinischen Germanien von einem terminus ante quem von 16 n.Chr. ausgehen. Das ist der besagte Germanicus-Horizont.

Ausschließen sollte man grundsätzlich nichts. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass dieses große Lager an der Lippe nach dem Rückzug der Legionen an den Rhein über das Jahr 16 hinaus belegt war. Die Besatzung hätte auf verlorenem Posten gestanden.
 
Hallo zusammen,
genau genommen, ist doch die Datierung von Keramik ähnlich der von gefundenen Münzen oder von Holz. Man kann hier lediglich feststellen, wann diese frühestens in den Boden gekommen sein kann. Wie geschrieben, halten sich diese Fundarten recht lange, hieraus ein Enddatum abzuleiten, oder wann genau dieser Brand stattfand, ist schon gewagt.
Keramik geht ziemlich schnell zu Bruch und wird dann i.d.R. nicht repariert (i.d.R. nicht, weil man Kermaik klammern kann, sprich man bohrt Löcher in die Stücke und klammert sie aneinander. Das kann man z.B. mit Gefäßen machen, in denen etwa Getreide aufbewahrt wird, also Dinge, die nicht auslaufen). Und Siedlungskeramik hat eben nicht nur einen tpq sondern auch einen taq. Also sowohl einen terminus post als auch ante quem. Wenn man in Köln überall Sigillaten der Jahre 14, 15, 16 findet, aber in dem Brandschutt nur bis 13, dann kann man den Brand recht genau datieren. Zudem ist der Brand völlig unabhängig von den Grabungen in Kalkriese datiert, da bereits vor den Funden von 1987. Ihr würdet euch gewissermaßen mit der gesamten Provinzialrömischen Archäologie in Deutschland anlegen, wenn ihr die Datierungsmethode über die Keramik in Frage stellen würdet. Das könnt ihr machen, es ist ja immer gut, wenn man Methoden auf ihre Stimmigkeit abklopft, aber wenn euer Problem nicht die Methode ist, sondern dass euch Kölner Münzhorizont nicht gefällt, dann wäre das nicht gerechtfertigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist man sich eigentlich immer noch nicht Sicher, ob Kalkriese nun der Ort ist oder das Schlachtfeld an einem andern ort zu suchen ist?
Es fehlt eben der ultimative Beweis für oder gegen Varus. Es ist ein Indizienprozess. Deshalb ja auch die langwierigen Diskussionen. Was feststeht, ist, dass es sich bei Kalkriese um einen ganz herausragenden Fundort handelt und dass dort eine Schlacht stattgefunden hat.
 
Ist man sich eigentlich immer noch nicht Sicher, ob Kalkriese nun der Ort ist oder das Schlachtfeld an einem andern ort zu suchen ist?

Meine Beobachtung ist, dass man sich vor einiger Zeit sehr sicher war, dann immer weniger und jetzt gar nicht mehr.
Und ich habe etliche Bücher über Kalkriese im Regal stehen, in denen noch der Wall als germanischer Hinterhalt beschrieben wird... War eigentlich jetzt jemand mal im Museum? Hat man die dortige Ausstellung tatsächlich geändert, wie es im taz-Artikel erwähnt wird?
 
Aus "Die Chronologie der römischen Kaiserzeit in Mitteleuropa", Hartmann Knorr

"Für die Datierung der Herstellzeit von Terra Sigillata besteht eine besondere Möglichkeit.[..]
Die absolutchronologische Einordnung erfolgt mittels Datierungen römischer Militäranlagen, die allerdings z.T. wiederum durch Keramik datiert sind [..] Damit besteht die Möglichkeit zirkulärer Begründungen."

Und da immernoch an vielen Stellen davon ausgegangen wird, dass die Römer im Jahre 9 oder 16 das rechtsrheinische Germanien verlassen haben, ist mit dem möglicherweise falschen Enddatum der Militäranlagen und Schlachtfelder wahrscheinlich auch die Sigillata-Datierung falsch.

Um es auf den Punkt zu bringen. Zur Beantwortung der Datierungsfrage von Haltern und Kalkriese
fehlt ein Chronologiegerüst, dass das Enddatum von Haltern, Kalkriese etc. weitestgehend offen lässt.
So wie es derzeit aussieht, haben wir das aber nicht.


Gruß
jchatt
 
Meine Beobachtung ist, dass man sich vor einiger Zeit sehr sicher war, dann immer weniger und jetzt gar nicht mehr.
An der Datierung von Kalkriese haben die Grabungen nichts geändert, im Ggt. sie haben sie sogar verfestigt. Es sind lediglich die Abläufe auf dem Oberersch, die sich verändert haben. Für die Abläufe auf dem Obersch macht es natürlich einen Riesenunterschied, ob der Wall als germanisch oder römisch angesprochen wird. Das klärt aber nicht die Frage, ob Varusschlacht oder nicht.

Um es auf den Punkt zu bringen. Zur Beantwortung der Datierungsfrage von Haltern und Kalkriese
fehlt ein Chronologiegerüst, dass das Enddatum von Haltern, Kalkriese etc. weitestgehend offen lässt.
So wie es derzeit aussieht, haben wir das aber nicht.
Doch, im Münzhorizont. Das kann man zwar ignorieren, aber der Münzhorizont ist da!
 
An der Datierung von Kalkriese haben die Grabungen nichts geändert, im Ggt. sie haben sie sogar verfestigt. Es sind lediglich die Abläufe auf dem Oberersch, die sich verändert haben. Für die Abläufe auf dem Obersch macht es natürlich einen Riesenunterschied, ob der Wall als germanisch oder römisch angesprochen wird. Das klärt aber nicht die Frage, ob Varusschlacht oder nicht.

Absolut richtig!
Meiner bescheidenen Meinung nach, war die Ansprache des Walls als germanisch nie in Stein gemeißelt. Schlüter hat dagegen immer opponiert. Aber unter den bisherigen grabungstechnischen Ergebnissen war die Ansprache als germanisch durchaus logisch und nachvollziehbar. Aber nun liegen neue Erkenntnisse vor. Und diese sind bislang noch nicht ganz eindeutig. Wir haben eine südliche Wallanlage und mittlerweile wahrscheinlich auch eine nördliche. Eine west und östliche aber (noch) nicht. Scheint so, als müßten wir uns alle noch ein paar Jahre gedulden, bis endgültige Klarheit besteht.

Und wenn es ein Lager war, dann ist die Varus Theorie keinesfalls unwahrscheinlicher geworden.
Die pontes longi=Kalkriese Theorie aber sicherlich.
 
Schlüter hat dagegen immer opponiert.
Da bin ich mir nicht sicher. Schlüter, der in dem taz-Artikel als Gegner der Germanenwallthese angeführt wird, was er ja auch seit einigen Jahren nachweislich ist, hat sie meines Wissens früher als Rost vertreten. Er dürfte der eigentliche Urheber der Germanenwallthese sein. (Schlüter, Wolfang: Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land. Archäologische Forschungen zur Varusschlacht. Bramsche 1994.)

Und wenn es ein Lager war, dann ist die Varus Theorie keinesfalls unwahrscheinlicher geworden.
Die pontes longi=Kalkriese Theorie aber sicherlich.
Ich befürchte, dass ich dich hier missverstehe. Daher bitte ich um Nachsicht für die folgenden Zeilen:
Sowohl bei Caecina als auch bei Varus sind Lager in den Schlachtbeschreibungen erwähnt und selbst wenn sie es nicht wären, könnten wir sie dennoch aufgrund unseres Wissens von römischer Vorgehensweise voraussetzen. Römer haben nun mal Lager errichtet.
 
Sicher. Solche Lager sind durchaus zu erwarten.
Was ich eigentlich ausdrücken wollte, bezieht sich auf die Größe eines mutmaßlichen Lagers in Kalkriese.
Die Größe eignete sich für etwa 4000 Mann - also für die bereits dezimierten Varus Truppen durchaus denkbar. Für Caecina mit einem 4 Legionen Heer jedoch viel zu klein. Es sei denn man entdeckt in Kalkriese noch andere Lager. welche eine solch große Zahl an Soldaten aufnehmen konnte.

Danke für den Schlüter bzw. Literaturhinweis. Das war mir so nicht bekannt.
 
... Für Caecina mit einem 4 Legionen Heer jedoch viel zu klein. ...

Moin
Muss man bei einem 4 Legionen Heer zwingend von einem großen Lager /mehreren großen Lagern ausgehen? Sind die lokalen Gegebenheiten nicht ausschlaggebend dafür, wieviele Lager es gibt und wie groß sie sind?
 
Moin
Muss man bei einem 4 Legionen Heer zwingend von einem großen Lager /mehreren großen Lagern ausgehen? Sind die lokalen Gegebenheiten nicht ausschlaggebend dafür, wieviele Lager es gibt und wie groß sie sind?

Natürlich!
Das meinte ich mit es sei denn man entdeckt in Kalkriese noch andere Lager.

Aber im Moment deutet nichts darauf hin.
 
Moin
Muss man bei einem 4 Legionen Heer zwingend von einem großen Lager /mehreren großen Lagern ausgehen? Sind die lokalen Gegebenheiten nicht ausschlaggebend dafür, wieviele Lager es gibt und wie groß sie sind?
Im Prinzip richtig. Nicht nur die lokalen Gegebenheiten, sondern auch die äußeren Umstände. Ein Standlager hat einen größereren Platzbedarf als ein Marschlager. Ein Lager, das während eines Gefechts gebaut werden muss (wie offensichtlich in Kalkriese), dürfte noch knapper bemessen sein. Unter diesen Bedingungen kann ein Wall auch schon mal provisorisch und ungewöhnlich schlangenförmig ausgeführt werden, um mehr Legionäre auf ihm zu postieren.
Für die Pontes Longi beschrieb der römische Geschichtsschreiber Tacitus, eine Situation, in der notgedrungen improvisiert werden musste.
Tac I, 64:
"Caecina, der unschlüssig war, wie er die im Laufe langer Zeit zusammengebrochenen Bohlenwege wiederherstellen und zugleich den Feind abwehren solle, beschloss an Ort und Stelle ein Lager abzustecken, damit der eine Teil mit der Befestigungsanlage beginnen, der andere den Kampf aufnehmen könne. "

Andererseits passt auch die Beschreibung des Tacitus, die das Aufsuchen des finalen Varusschlachtfeldes beschreibt: Tac. I, 61:
"Dann erkannte man an dem halbeingestürzten Wall und dem niedrigen Graben, dass die schon schon zusammen geschmolzenen Reste sich dort gelagert hatte."


Beides passt irgendwie, je nachdem, was wie man es sehen möchte.

 
Tiere können immer in Panik geraten. Ein Donnerschlag in strömendem Regen, ein Wall der abrutscht, ... Da sehe ich keinen Widerspruch.

Edit: Geschrieben nach Post # 5220. Ich dachte nicht, dass hier so viel los war, während ich nicht mitelesen konnte. Jetzt muss ich erstmal nachlesen.
 
Sehr gut, dass man so flexibel ist. Funde aus Kalkriese werden in Münster freigelegt. Will heißen, aus Niedersachsen gehen Funde zur Bearbeitung nach NRW. Das hätte ich mir nicht vorstellen könnnen.
:)
 
Das Jahr 2018 geht langsam zu Ende. Aus der diesjährigen Grabungskampagne ist bisher wenig publiziert worden. Der einzige Bericht, welchen ich im Netz finden konnte, stammt von der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Dieser ist jedoch hinter einer Bezahlschranke und daher nicht frei zugänglich. Zwei kostenfreie Links zu NOZ-Artikel stelle ich mal hier ein:

https://www.noz.de/lokales/bramsche...ser-funde-am-fmo-roentgen#gallery&0&0&1519826

https://www.noz.de/lokales/bramsche...-stellt-grabungsergebnisse-in-kalkriese-vor-1
 
Die haben dieses Jahr Teile von zwei gladii Typ Mainz gefunden und Wagenspuren, wobei aber noch unklar ist, wie diese Wagenspuren zu datieren sind. Das Material wird in einem Labor in Polen beprobt. Bei einem Vortrag vor Kurzem sprach Rappe von zwei Pottascheschichten, wobei er betonte, das „Pottasche“ nur ein Arbeitsbegriff sei und ihr Zusammenhang noch unklar. Hier hofft er, dass Grabungen nächstes Jahr Klarheit bringen. Dr. Rottmann sagte, dass bis 2029 die Finanzierung von Grabungen gesichert sei. Das ist wirklich herausragend.
 
Gab es auch Informationen zum römischen Marschlager, dessen südlicher Wall ja der Oberesch Wall sein soll? Nach 2 Jahren sollte der Graben-Wall Verlauf ja eigentlich zu klären sein, zumindest bei Einsatz von Georadar.


Und weiß jemand ob es hierzu schon Informationen gab?

"Erdproben und Holzreste als Anhaltspunkte

Ein solches Lager würde sehr gut zu den historischen Quellen passen. "Aber wenn etwas so gut passt, muss man natürlich extrem kritisch sein", sagte Ortisi. Jahrelang gingen die Forscher davon aus, dass der Wall ein von den Germanen angelegter Hinterhalt gewesen sein könnte. Nun sollen naturwissenschaftliche Untersuchungen von Erdproben und Holzresten zur Datierung der Wallanlage dienen, sagte Ortisi. Auch dafür wolle man den Winter nutzen."​

Varusschlacht-Forscher machen keine Winterpause

Nun ist ja bald schon der nächste Winter.



Angesichts des Transfers von öffentlichen Mitteln in Richtung Kalkriese finde ich den Informationstransfer in Richtung Öffentlichkeit alles in allem etwas dürftig.
 
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