Die Versorgung römischer Truppen in der Germania

Guten Morgen,

@ Sepiola

Alle damals 17 erfassten Getreidedepots hatten den Reinigungsprozess schon durchlaufen. Es handelt sich bei allen nur um verbranntes, unbrauchbares Getreide. Bis auf wenige Ausnahmen war das verkohlte Getreide großer Hitze ausgesetzt. Bei Depot 4935 der RKZ ist der unbrauchbare Anteil 900 l. Der verbrannte Weizen wurde in einem Brunnen entsorgt (3./4. Jh.).

"Daher sind durch Ausgrabung dokumentierten verkohlten Getreidereste vorwiegend als Unglücksfälle bei der Nahrungszubereitung zu deuten. Durch die Verkohlung wurde das Getreide ungenießbar. Es konnte nur noch als Brennstoff verwendetet oder in Abfallgruben entsorgt werden."

Man beachte - bei der Nahrungszubereitung (!).

"Dennoch war der Verlust einer größeren Menge an Getreide beispielsweise von 100 l beachtlich. Dies stellte etwa 40% des potentiell pro Jahr benötigten Getreidevorrats für eine Person."

"Eine derartige HÄUFUNG von Getreidevorräten an einem einzigen Fundort wie in Niederröblingen ist sowohl für Mitteldeutschland als auch für angrenzende Regionen bislang EINZIGARTIG."

S. 199/200 Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 14. 2011

Es sei hier nochmal angemerkt, es wurde damals nur entlang des neu angelegten Autobahnabschnittes A71 gegraben. Die untersuchte Fläche betrug nur 2,5 ha. Der Dokumentationsschnitt war gerade mal 4 Meter breit. Wir wissen nicht wie viele Gruben unentdeckt blieben.
 
Es ging Hermundure, so meine ich, um die Feldzugslogistik.

So ist es!

Wenn Velleius mitteilt, dass die Cherusker wieder gewonnen wurden, andere aber militärisch bezwungen, dann sollte man schon mal darüber nachdenken warum das so ist. Die Cherusker saßen laut den Quellen zwischen Weser und Elbe.

Grüße
 
"Eine derartige HÄUFUNG von Getreidevorräten an einem einzigen Fundort wie in Niederröblingen ist sowohl für Mitteldeutschland als auch für angrenzende Regionen bislang EINZIGARTIG."
Das scheint ein Irrtum des Verfassers zu sein. In Oelde-Sünninghausen hat man 50 Kegelstumpfgruben von bis zu 3,5 m Tiefe nachgewiesen, in Warendorf-Einen 12 Kegelstumpfgruben, 11 Zylindergruben und zwei bienenkorbähnliche Gruben.
 
Guten Morgen,

@ Sepiola

Alle damals 17 erfassten Getreidedepots hatten den Reinigungsprozess schon durchlaufen. Es handelt sich bei allen nur um verbranntes, unbrauchbares Getreide. Bis auf wenige Ausnahmen war das verkohlte Getreide großer Hitze ausgesetzt. Bei Depot 4935 der RKZ ist der unbrauchbare Anteil 900 l. Der verbrannte Weizen wurde in einem Brunnen entsorgt (3./4. Jh.).

"Daher sind durch Ausgrabung dokumentierten verkohlten Getreidereste vorwiegend als Unglücksfälle bei der Nahrungszubereitung zu deuten. Durch die Verkohlung wurde das Getreide ungenießbar. Es konnte nur noch als Brennstoff verwendetet oder in Abfallgruben entsorgt werden."
"Eine derartige HÄUFUNG von Getreidevorräten an einem einzigen Fundort wie in Niederröblingen ist sowohl für Mitteldeutschland als auch für angrenzende Regionen bislang EINZIGARTIG."

S. 199/200 Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 14. 2011

Es sei hier nochmal angemerkt, es wurde damals nur entlang des neu angelegten Autobahnabschnittes A71 gegraben. Die untersuchte Fläche betrug nur 2,5 ha. Der Dokumentationsschnitt war gerade mal 4 Meter breit. Wir wissen nicht wie viele Gruben unentdeckt blieben.
1. Kannst du die einzelnen Depots datieren - den Brunnen hast du in die Eisenzeit oder späte römische Kaiserzeit datiert?
2. Warum ist die Häufung bisher einzigartig? Weil der Forschungsstand so lückenhaft ist? Weil in einigen Gebieten mehr, in anderen weniger geforscht wurde? Wenn du den oben von mir verlinkten Text zur Nutzung von Silogruben (spezifisch Kegelstumpfgruben) liest, kannst du verschiedene Schwerpunkte in Deutschland erkennen, die sich zum Teil auch auf den Forschungsstand zurückführen lassen. Auf der urnenfelderzeitlichen Höhenbefestigung Böseburg (Mansfelder Land) wurde in den 60er Jahre ein Getreidemassenfund von mehreren Zentnern Gerste gemacht - dies entspricht bei 59kg-68kg Gerste / HL
mehreren hundert Litern Gerste.
3. Vielleicht klärst du noch einmal worum es dir geht - natürlich gibt es in der Germania Landschaften, in denen intensiv zu verschiedenen Zeiten Ackerbau betrieben wurde, das Bild Tacitus von dunklen Wäldern und Sümpfen entspricht natürlich nicht mehr dem wissenschaftlichen Wissensstand. Angela Kreuz differenziert die Landwirtschaftsweisen in keltische und germanische (sieh link oben), was ich unglücklich finde, darüber gab es schon einmal eine intensivere Auseinandersetzung hier im Geschichtsforum - sie unterscheidet zwischen einer einfachen an Sommergetreideanbau fußenden Landwirtschaft mit Schwerpunkt der (Rind)Viehhaltung, und einer differenzierten Überschußorientierten Landwirtschaft, insbesondere auf den Lössböden mit Winter - und Sommergetreideanbau (und Schweinehaltung).
Beide Formen bestehen übrigens nebeneinander im von dir im ersten Beitrag erwähnten Mainfranken (Markbreit), Bernd Steidl erwähnt diese z.B. im Band Römer und Germanen am Main, S.32 das Wohnstallhaus der Großromstedter Kultur von Gerolzhausen ("germanische" ,einfache Landwirtschaft) und einer differenzierten Landwirtschaft in der Siedlung Gaukönigshofen, die er einer keltoiden Mittelgebirgsgruppe zuordnet. Nur gültig ist dies chronologisch präzise einzuordnen in die späte Eisenzeit (D2 im Spätlatene), und sollte regional differenziert werden. In einem früheren Beitrag hatte ich auf das Nebeneinander dieser verschiedenen Landwirtschaftstypen an der Lippe im Spätlatene aufmerksam gemacht (siehe den Band Westfalen in der Eisenzeit). Unten die Kartierung der bisherigen Funde der Kegelstumpfgruben von Hallstatt und Latenezeit (schwarzes Quadrat Ha c-D,
schwarzes Dreieck Ha D - Lat A, helles Quadrat Lat A-B, helles Dreieck Lat C-D)

7-d02c3aca30.jpg
 
Die Versorgung eines stationären Heeres über die Wintermonate mit Lebensmitteln verursacht ganz andere logistische Probleme als die Versorgung eines mobilen Feldheeres in unbekannten womöglich feindlichen Terrain, zu einer Jahreszeit in der Mensch und Tier sich aus der Natur zu grossen Teilen quasi umsonst bedienen können.

Beim Tier: Mit Einschränkungen. Man kann zwar für Pferde und Maultiere geeignete Weiden finden und diese dann eine Weile grasen lassen, aber das kostet mehr Zeit, als ihnen einen Eimer Gerste oder Hafer unters Maul zu stellen. Wenn ich mit 10 Pferden unterwegs bin, kein Problem. Wenn es sich um 1000 Tiere handelt, sieht es anders aus.

Beim Mensch? Das mag bei kleinen Jäger- und Sammlergruppen funktionieren. Wie soll sich eine Legion "aus der Natur" ernähren?
 
Guten Morgen,

@ Sepiola

Alle damals 17 erfassten Getreidedepots hatten den Reinigungsprozess schon durchlaufen. Es handelt sich bei allen nur um verbranntes, unbrauchbares Getreide. Bis auf wenige Ausnahmen war das verkohlte Getreide großer Hitze ausgesetzt. Bei Depot 4935 der RKZ ist der unbrauchbare Anteil 900 l. Der verbrannte Weizen wurde in einem Brunnen entsorgt (3./4. Jh.).

Was ich eigentlich wissen wollte: Lässt sich das ursprüngliche Gesamtfassungsvermögen des Depots 4935 bestimmen?
 
Hallo,

@Sepiola

nein, das Gesamtfassungsvermögen wird leider nicht angegeben. Schade.

@Biturigos

BGR Ackerbauliches Ertragspotential der Böden in Deutschland

Als Vergleich schau dir die mal die Bodenkarte Frankreichs an und wo deren Lössböden liegen.

Nochmal warum finde ich Germanicus-Münzen zwischen Werra und Elbe und nicht zwischen Weser und Rhein ? Und warum zog Maximinus mit seinem riesigen Heer in die Elbe-Region ? Wer hatte Getreide für Caesar in Gallien gestellt ? Caesar hatte nicht nur Feinde. Es gab zu Germanicus-Zeiten zwei Parteien bei den Cheruskern (pro- und antirömisch). Mal drüber nachdenken.

Nur Mitteldeutschland vermochte es solche Massen aus dem Land zu ernähren. Ich hatte schon 2015 Dr. Becker bei seinem Vortrag im Museum Halle hingewiesen, dass die Bedingungen Mitteldeutschlands denen in Gallien entsprachen. Im Übrigen waren die Teurier (Naumburger Gruppe) vor ihrer Abwanderung um 85/80 v. Chr. (D1b) keltoid mit regem Kontakt nach Süddeutschland (Funde von Süddeutschen Regenbogenschüsselchen und Büschelquinaren bis in die Saale-Elster-Region mit Abbruch im 1. Viertel des 1. Jh. v. Chr.).

Grüße
 

Anhänge

  • Vergleich3.jpg
    Vergleich3.jpg
    973 KB · Aufrufe: 354
Zuletzt bearbeitet:
Wie soll sich eine Legion "aus der Natur" ernähren?
Der verwöhnte heutige Pennäler hat am Schulvormittag in der großen Pause zwei Optionen:
a) Mutti hat ihm Taschengeld gegeben, ergo holt er sich was beim (Schul)Bäcker
b) er hat eine Vesperdose im Schulranzen, in dieser befinden sich von Mutti liebevoll belegte Stullen
(der noch verwöhntere Luxus-Fresspennäler nutzt simultan und lässt sich zusätzlich Pizza liefern)

Ob der heutige Pennäler seine Vesperrituale ;) infolge der lückenlosen Überlieferung römisch-antiker Versorgungstechniken praktiziert? Das banale Prinzip ist allerdings cum grano salis vergleichbar:
a) man schleppt was mit sich (hie Vesperdose, da Tross)
b) man besorgt sich was (hie Schulbäcker & Pizzaservice, da Fouragierung aus dem jeweiligen Umland)

...ohne etwas Vorausplanung einfach frischen Mutes ins Blaue hinein ist wohl kaum eine Legion losmarschiert nach dem Motto "vorwärts Jungs, wir marschieren bis wir hungers Umfallen, die Nachwelt wird uns ehren"... die Sarcina / Furca war gefüllt für mehrere Tage, die Marschrouten führten nur selten tagelang durch wasserfreie Gegenden, zudem war im optimalen Fall für Nachschub (Versorgungslinien) gesorgt. Sogar von Versorgungstruppen (!) ist die Rede Römisches Heer und Gesellschaft vgl. S.142

...dass man den "Küchenbullen" nicht mit der Einkaufstasche ins nächste germanische Dörflein schicken konnte mit dem Einkaufszettel Garum, Fladenbrote, Oliven, Wein, regionale Fleischspezialitäten für 6000 Mann hat man sicherlich vorab gewusst. Die sicherlich nicht immer friedfertige Fouragierung aus dem Umland wird nur einen Teil der Versorgung ausgemacht haben, ggf in dünn besiedelten Gegenden nur einen geringen; einen noch geringeren Anteil dürfte das jagen/pflücken entlang der Route ausgemacht haben - da schließe ich mich @Sepiola an.
 
@ dekumatland

Mitteldeutschland war alles andere als dünn besiedelt. Sorry, wir sind heute wesentlich weiter als noch 1991.
 
Die sicherlich nicht immer friedfertige Fouragierung aus dem Umland...
... konnte vom Gegner auch wirksam unterbunden werden, notfalls mit rigorosen Methoden.
Die Brukterer verbrannten ihre Habseligkeiten, bevor sie den Römern in die Hände fallen konnten: "Bructeros sua urentis..." (die Stelle kennt Ihr ja alle)
 
Hallo,

@Biturigos

BGR Ackerbauliches Ertragspotential der Böden in Deutschland

Als Vergleich schau dir die mal die Bodenkarte Frankreichs an und wo deren Lössböden liegen.

Nochmal warum finde ich Germanicus-Münzen zwischen Werra und Elbe und nicht zwischen Weser und Rhein ? Und warum zog Maximinus mit seinem riesigen Heer in die Elbe-Region ? Wer hatte Getreide für Caesar in Gallien gestellt ? Caesar hatte nicht nur Feinde. Es gab zu Germanicus-Zeiten zwei Parteien bei den Cheruskern (pro- und antirömisch). Mal drüber nachdenken.

Nur Mitteldeutschland vermochte es solche Massen aus dem Land zu ernähren. Ich hatte schon 2015 Dr. Becker bei seinem Vortrag im Museum Halle hingewiesen, dass die Bedingungen Mitteldeutschlands denen in Gallien entsprachen. Im Übrigen waren die Teurier (Naumburger Gruppe) vor ihrer Abwanderung um 85/80 v. Chr. (D1b) keltoid mit regem Kontakt nach Süddeutschland (Funde von Süddeutschen Regenbogenschüsselchen und Büschelquinaren bis in die Saale-Elster-Region mit Abbruch im 1. Viertel des 1. Jh. v. Chr.).

Grüße
Ich weiß manchmal nicht, was ich von deiner Art zu Argumentieren halten soll - niemand hat bestritten, dass die Lössböden in Sachsen ertragreich und fruchtbar sind - genau dies sagt schon EQ in einer erste Reaktion auf deinen ersten Beitrag. Was ist aber, wenn trotz guter Böden "niemand" Ackerbau betrieb?
Auf die in meinem ersten Beitrag zitierte Dissertation, die übrigens in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle/Saale entstand, gehst du leider nicht ein, hier aus dem Abstract:
"Ein intensiver Eingriff des Menschen und eine aktive Gestaltung der Landschaft fanden in beiden Regionen ab der Bronzezeit (2200-750 v.Chr.) bis zum Ende der Eisenzeit (750-60 v.Chr.) statt. Für das Mitteldeutsche Trockengebiet wurden erstmals kolluviale Ablagerungen für die Eisenzeit nachgewiesen. In den Gebieten, die in direktem Zusammenhang mit Fließgewässern stehen, fand die Kolluviation hauptsächlich auf den Hochflächen und in den oberen und mittleren Hangbereichen statt, die unteren Hang- und Talbereiche blieben stabil. Möglicherweise steht dies in Zusammenhang mit den Fließgewässern in den Tälern vor Ort, die die Bevölkerung als wichtige Lebensgrundlage und für die Weidewirtschaft vor der Zerstörung durch die Kolluviation schützten. Ab der römischen Kaiserzeit wurde die unterschiedliche regionale Nutzungsintensität der Landschaften deutlich. Im Rheinland zeigte sich vor allem der Einfluss der römischen Bevölkerung mit einer flächendeckenden ländlichen Besiedlung und stark technisierten Bewirtschaftung der Flächen, die eine erhöhte Kolluviation mit teilweise mächtigen Sedimentablagerungen bis in die Täler bewirkte. Währenddessen trat im Mitteldeutschen Trockengebiet eine relative Ruhephase in der Kolluviation ein, die dort bis in das frühe Mittelalter andauerte. Ab dem Mittelalter (1050-1500 n.Chr.) nahm die Bevölkerung in den Regionen wieder zu und es setzten auch in Mitteldeutschem Trockengebiet und Rheinland großflächige landwirtschaftliche Tätigkeiten ein.

Ich bestreite mit Sicherheit nicht, dass sich die Legionen auch aus dem Umland ernährt haben, oder Stämme, die sich unterworfen hatten, die Legionen mit versorgen mussten. Für die Feldzüge geht soweit ich informiert bin die Forschung davon aus, dass sie hauptsächlich (dies müsste dann für die Drususfeldzüge und Tiberius bis zur Unterwerfung Germaniens bis zur Elbe gelten, später dann für die Germanicus-Feldzüge) aus Gallien versorgt wurden. Niedergermaniens römische Landwirtschaft (mit der Dominanz von Dinkel gegenüber dem Sommergetreide Spelzgerste) entwickelte sich in der ersten Hälfte des 1.Jahrhunderts langsam (siehe Protovillen in Pulheim- Brauweiler und Jüchen-Neuholz) und nach der Initialphase schneller in der 2. Hälfte des 1.Jahrhdt.sn.Chr. (mit Dinkelpollenanteilen bis 85 %), und konnte daher in der Feldzugphase noch nicht die alleinige Versorgung der Legionen gewährleisten. Siehe Zur Landwirtschaft der Kelten, Römer und Germanen im Gebiet von Nordrhein-Westfalen – Kontinuität oder Wandel?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Biturigos

sorry, der Brunnen wurde ins 3./4. Jh. n. Chr. datiert - die Antwort wäre fast untergegangen.

Der von dir als einzigartig herausgestellte Massenfund, verstehe ich dich jetzt richtig, wurde im 3. bis 4.Jahrhundert nach Christus in einen Brunnen entsorgt? Von welchem historischen Szenario sprechen wir denn? Für was sollen dann die 17 Getreidedepots ein Beweis liefern - dass da einiges schief ging beim Trockenvorgang? Dass für eine Potlachveranstaltung jede Menge Gerste gemälzt werden sollte, und der Brauer ist leider dank Cervesagenuß beim Darren eingenickt und das Getreide verkohlt?
Zur Reinigung von Getreide (auch zur Haltbarmachung, Absenkung des Feuchtigkeitgehaltes) hier ein liniarbandkeramischer Fund aus Werl - > nein, daraus leite ich keine Versorgung römischer Truppen in Werl ab. Reicht kaum fürs Frühstück ein paar Zeltgemeinschaften....
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/aiw/article/download/26031/19747
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Ergänzung des Beitrags 23 von heute: ich habe gerade auf einer privat von einem Archäologen betriebenen Seite Römisches Militär am Niederrhein gelesen, dass Niedergermanien die Legionen erst in den 80er Jahren des 1.Jahrhunderts n.Chr. ernähren konnte, d.h. die 50.000-70.000 Menschen, die nicht in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Er beziffert den Jahresbedarf einer Legion mit 1500 Tonnen.

Der Kalorienbedarf einer Legion auf dem Marsch hat sich jedoch möglicherweise verdoppelt (Bernhard Sicherl hat Berechnungen angestellt, er geht von einem Kalorienbedarf für einen 1,66 m großen und 60 kg Mann aus, der zehn Stunden Schwerstarbeit (Marsch, Schanzen, Fällarbeiten) leistet, von 3500 kcal (im Vergleich zu 1520 kcal im bei leichten Tätigkeiten) - daraus ergibt sich ein Tagesbedarf von 1 kg Gerste oder Weizen, wenn die Getreide den Hauptanteil der Versorgung stellen. Bei 6000 Mann Truppenstärke verbraucht die Legion dann 6 Tonnen Getreide pro Tag, entspricht dann hochgerechnet einen Jahresbedarf 2190 Tonnen Getreide.
Leider berechnet Sicherl (siehe meinen Beitrag mit Link zu den Kegelstumpfgruben) nur den Ertrag des Gersteanbaus, dort geht er Minimum von 7 hl bis optimal 21 hl pro Hektar aus - überträgt man dies auf Weizen (was nur Anhaltswerte liefern kann, Wintergetreideanbau scheint ertragreicher zu sein), und man vom Optimum ausgeht, dann benötigt eine Legion täglich den Ertrag von 4 Hektar Ackerfläche, beim Minimumertrag den von 11,5 Hektar (1 HL=75 kg Weizen), ein einmonatiger Bedarf würde zwischen 120 bis 330 Hektar Ertragsfläche benötigen. Nimmt man die geschätzte Zahl des Drususfeldzugs 11 v.Chr., dann waren 25.000 Mann beteiligt, was eine Verachtfachung des errechneten Bedarfs bedeuten würde, auf 48 t Tagesbedarf, Ertrag von 32 bis 88 Hektar, monatlich zwischen 960 und 2640 Hektar (1440 t Getreide). Wenn der Bedarf zwischen Optimum und Minimum gemittelt wird, würde bei einem einmonatigen Durchzug die Jahreserzeugung von fast 400 Hofstellen (5 Hektar Anbaufläche) verbraucht. Wollte man sich nur aus den erwirtschafteten Überschüssen versorgen, in Form von Requirierungen und Tributen, müsste man die Hofzahl vervielfachen.

Alle Berechnungen ohne Gewähr und können gerne überprüft werden. Daten aus Anmerkungen zu den Kegelstumpfgruben der Eisenzeit. In: B. Herring/E. Treude/M. Zelle (Hrsg.), Römer und Germanen in Ostwestfalen-Lippe. Untersuchungen zu kulturhistorischen Entwicklungen von der Mittellatènezeit bis zur jüngeren römischen Kaiserzeit Seiten 134 und 135

Erwähnen möchte ich noch die in den römischen Lagern gefundenen Scherben von römischer Schwerkeramik, zum Beispiel von Dolien, die eventuell auch für Getreidetransporte (auf Schiffen) verwendet wurden. Die Dolien konnten bis zu 2500 l Volumeninhalt haben. Nachweise gibt es zum Beispiel von Marschlager Barkhausen an der Weser (Dolium Typ Oberraden 112/Haltern 97)
und der Siedlung Bentumersiel an der Ems. Römer und Germanen in Bentumersiel: NIhK Wilhelmshaven

Unten Dolien in Ostia
1920px-Ostia_Antica_Dolia.jpg
 
Der Kalorienbedarf einer Legion auf dem Marsch hat sich jedoch möglicherweise verdoppelt (Bernhard Sicherl hat Berechnungen angestellt, er geht von einem Kalorienbedarf für einen 1,66 m großen und 60 kg Mann aus, der zehn Stunden Schwerstarbeit (Marsch, Schanzen, Fällarbeiten) leistet, von 3500 kcal (im Vergleich zu 1520 kcal im bei leichten Tätigkeiten) - daraus ergibt sich ein Tagesbedarf von 1 kg Gerste oder Weizen, wenn die Getreide den Hauptanteil der Versorgung stellen. Bei 6000 Mann Truppenstärke verbraucht die Legion dann 6 Tonnen Getreide pro Tag, entspricht dann hochgerechnet einen Jahresbedarf 2190 Tonnen Getreide.......
Nimmt man die geschätzte Zahl des Drususfeldzugs 11 v.Chr., dann waren 25.000 Mann beteiligt, was eine Verachtfachung des errechneten Bedarfs bedeuten würde, auf 48 t Tagesbedarf, Ertrag von 32 bis 88 Hektar, monatlich zwischen 960 und 2640 Hektar (1440 t Getreide). Wenn der Bedarf zwischen Optimum und Minimum gemittelt wird, würde bei einem einmonatigen Durchzug die Jahreserzeugung von fast 400 Hofstellen (5 Hektar Anbaufläche) verbraucht. Wollte man sich nur aus den erwirtschafteten Überschüssen versorgen, in Form von Requirierungen und Tributen, müsste man die Hofzahl vervielfachen.
Korrektur!
So spät sollte ich mich nicht mit Rechnungen beschäftigen: es ist natürlich nur eine Vervierfachung des Bedarfs, dementsprechend: 25 t Tagesbedarf, Ertrag von 16 bis 44 Hektar am Tag, monatlich 750 t Bedarf,
dementsprechend der Ertrag von 480 bis 1320 Hektar, dies wären ca. die Jahreserzeugung von ca. 200 Hofstellen. Einbezogen habe ich nicht den Futterbedarf für die Transporttiere und Pferde.
 
Dann macht die Entscheidung für Sommerfeldzüge noch mehr Sinn, da der Mensch in der Winterzeit ja noch mehr Energie benötigt um seine Körpertemperatur zu halten. Erst recht in Zelten. Von der Logistik im Winterhalbjahr ganz zu schweigen, die muss ein Alptraum gewesen sein.
Und die 3800 kcal muss man als Nahrung erst einmal aufnehmen können, von daher geh ich davon aus, das die Soldaten im Frühjahr wesentlich besser genährt waren, als am Ende der Saison.
 
Wenn Velleius mitteilt, dass die Cherusker wieder gewonnen wurden, andere aber militärisch bezwungen, dann sollte man schon mal darüber nachdenken warum das so ist. Die Cherusker saßen laut den Quellen zwischen Weser und Elbe.

Laut den Quellen saßen die Cherusker zu beiden Seiten der Weser. Wenn Du schon Velleius heranziehst, da kommen erst die Cherusker, dann die Weser:

- Germanien wurde betreten
- die Canninefaten, Attuarier und Bructerer wurden unterworfen
- die Cherusker "angenommen" (recepti, kann auch "einnehmen" oder "in Besitz nehmen" heißen)
- die Weser überschritten
- in das jenseitige, entferntere (Land) eingedrungen

(Intrata protinus Germania, subacti Canninefates, Attuarii, Bructeri, recepti Cherusci ... transitus Visurgis, penetrata ulteriora)

Bei Cassius Dio dasselbe, darüber hatten wir ja schon diskutiert.

Wenn Velleius mitteilt, dass die Cherusker wieder gewonnen wurden...
Wieder gewonnen? Teilt er das wirklich mit?
Die Gelehrten sind sich da nicht einig.

Klaus-Peter Johne:
Die unterschiedliche Ausdrucksweise subacti, „unterworfen“, für Kanninefaten, Chattuarier und Brukterer und recepti, „aufgenommen“ (in das Treueverhältnis) bei den Cheruskern spricht wohl für eine freiwillige Unterwerfung der letzteren.​

Reinhard Wolters:
Die Betonung des "Wiedergewinnens" (recepti Cherusci) steht in deutlichem Gegensatz zu dem für andere Stämme gebrauchten Wort subacti (Unterwerfen). Erklärt man den Begriffswechsel des Velleius Paterculus inhaltlich und nicht als Ausdruck eines bestimmten Stilwillens, so scheint es, als habe er in Anlehnung an die Formel "in fidem recipere" ("[wieder] in ein Treueverhältnis aufnehmen") eine diplomatische Regelung ausdrücken wollen.
Die Formel "in fidem recipere" bedeutet in etwa "unter (römischen) Schutz gestellt". Damit ist aber noch lange nicht ausgesagt, dass die unter Schutz gestellten schon früher mal unter römischem Schutz waren. Da Velleius die Cherusker an dieser Stelle zum ersten Mal erwähnt, sehe ich auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass er dem Leser mitteilen will, die Cherusker hätten sich schon früher unter römischem Schutz befunden.

(Dass dem so war, ist damit nicht ausgeschlossen, die Frage ist nur, ob sich das aus Velleius zwanglos ergibt...)
 
Hallo Hermundure,
entschuldige meinen Sarkasmus im Beitrag zur Datierung des Brunnens. Ich halte es jedoch für nicht zielführend, wenn beständig chronologisch gesprungen wird, ich habe jetzt noch einmal alle deine Beiträge gelesen, und versucht den Kern deiner Argumentation zu folgen.

Meiner Ansicht nach, bitte korrigiere mich, falls ich dich falsch verstanden habe, geht es dir zeitlich um die Phase der Okkupationszeit - von den Drususfeldzügen ab 12.v.Chr. bis zum Ende der Germanicusfeldzüge 16.n.Chr.
Dann aber sollten alle Argumente, die zeitlich davor liegen (Teurier/Naumburger Gruppe, die schon vor 50 v.Chr. Thüringen/Sachsen-Anhalt Richtung Bayern verlassen hatten) oder zeitlich wesentlich später liegen (siehe Brunnendatierung in die spätrömische Kaiserzeit 3./4.Jahrhundert n.Chr.) außen vor bleiben.

Räumlich
, so habe ich dich verstanden, geht es dir in erster Linie um das Thüringer Becken und das anschließende mitteldeutsche Trockengebiet, nach Norden noch die Magdeburger Börde.
Vergleiche mit Unterfranken (Marktbreit), könnte man seperat behandeln, das Maindreieck war bis auf einen Drususfeldzug 10 v.Chr., bei dem auch gegen die Markomannen gekämpft wurde (Florus, Epitoma de Tito Livio bellorum omnium annorum DCC libri duo 2, 30, 23), kein Kerngebiet der römisch-germanischen Auseinandersetzungen. Im wesentlichen geht es dir jedoch um die Vorstöße an die Elbe über die Weser und die Auseinandersetzung mit der Arminius-Koalition nach der Niederlage des Varus.

Inhaltlich stellst du die Hypothese auf, dass die römischen Okkupationstruppen östlich der Weser aus dem Land versorgt werden konnten, weil 1. die Landwirtschaft aufgrund der Fruchtbarkeit der Böden und Entwicklung sehr ertragreich gewesen wäre, und entsprechend Überschüsse produzierte, und 2. politisch Stämme (bzw. Stammesfraktionen) gezwungen waren, oder prorömisch waren, und die römischen Okkupationstruppen freiwillig unterstützten (dein Beispiel der Cherusker).
Indirekt, so interpretiere ich deine Beiträge, argumentierst du für eine größere Bedeutung des oben bezeichneten geographischen Raumes in römischen Planungen zur Provinzialisierung Germaniens als bisher angenommen, weil die naturräumlichen und politischen Bedingungen besonders günstig dafür gewesen wären.

Wenn meine Annahmen und Interpretationen stimmen, dann schließen sich für mich folgende Fragen an:

1.War die Landwirtschaft in oben eingegrenzter Zeit und dem bezeichnenden Raum so ertragreich, um mehrere Legionen (25.000 - 60.000) längerfristig mit Getreide, d.h. Weizen (Soldaten) und Gerste (Pferde, Maultiere, Vieh) zu versorgen?
2. Welche politische Basis hatte eine Provinzialisierung in den lokal ansässigen Stämmen? Gab es Bedingungen wie in Gallien, in denen unterworfene und verbündete Gentes (wie die Häduer und Boier) die römischen Okkupationstruppen mit Getreide versorgten?

Die Texte, die EQ erwähnt hat, habe ich im Internet gefunden: Tonnenweise Getreide. Die Versorgung der römischen Legionslager an der Lippe, in: Imperium. 2000 Jahre Varusschlacht, Ausstellungskatalog, Stuttgart 2009, 196-202
http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/aiw/article/viewFile/26812/20512
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben