Ist Africa Spanien?

El Quijote

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Widukind von Corvey berichtet für das Jahr 973, dass Otto I. 973, wohl in Merseburg, Botschafter aus Afrika empfing:

...et proximum pascha loco celebri Quidilingaburg celebraturus; ubi diversarum gentium multitudo conveniens,.... Manens autem ibi decem et septem non amplius diebus, descendit inde, ascensionem Domini apud Mesburg celebraturus. […] Post susceptos ab Africa legatos eum regio honore et munere visitantes secum fecit manere.

(...und das nächste Ostern verbrachte er an dem gefeierten Ort Quedlinburg, wo einer Menge von Leuten aus den unterschiedlichen Leuten zusammengekommen war.... Er blieb dort aber nur 17 kurze Tage und stieg dann von dort herab, Christi Himmelfahrt bei Merseburg zu feiern. Nachdem er Boten aus Africa empfangen hatte, die ihm königliche Ehre [erwiesen] und Geschenke [brachten], befahl er, dass sie bei ihm blieben.)

Helmuth G. Walther argumentierte 1985, dass diese Gesandtschaft nicht aus Afrika kam – meist wird angenommen, dass sie vom Gründer Kairos, dem Fāṭimiden-Kalifen al-Muʿizz kamen – sondern aus Córdoba. Spanien kommt als geographischer Begriff bei Widukind nur einmal vor, nämlich im ersten Buch, wo es um die Grenzen des karolingischen Reiches, einschließlich der Marca Hispanica geht:

Huic erant fratres Karolus et Hluthowicus. Karolo Aequitaniae et Wascanorum cessere regiones, terminum habens
ab occidente Barcillonam Hispaniae urbem, ab aquilone Brittannicum mare et ad meridiem iuga Alpium, ad orientem vero Masam fluvium.

Theoretisch könnte Walther also Recht haben, nämlich das Widukind entweder nicht so genau wusste, wo die Gesandtschaft herkam bzw. dass er das maurische Spanien und das christliche Spanien unterschied in Africa und Hispania. Eines seiner Argumente ist, dass Raoul/Rodolfus Glaber Afrika und Andalusien* ständig verwechselt, die afrikanischen Fāṭiimiden versetzt er nach Andalusien, andalusische Piraten und andalusisch-nordspanische Konflikte macht er zu afrikanisch-nordspanischen Konflikten.

Was meint ihr?

*gemeint ist immer al-Andalus, nicht die heutige Autonomie Andalucía
 
Zuletzt bearbeitet:
Daraus, dass ein anderer Autor etwas verwechselt, kann man nicht auf Widukind schließen. Wer in der Geometrie aufgepasst hatte, zu der damals die Geographie gehörte, wusste, dass mit Europa und Afrika Kontinente gemeint waren und Spanien in Europa lag. Die Annahme einer Verwechslung bei Widukind erscheint mir als zu künstlich.
 
Nun... wusste Widukind, dass das Kalifat von Córdoba auf der iberischen Halbinsel lag? Dass das ein Teil Europas war? War Africa vielleicht ein pars pro toto für die islamische Welt aus der Sicht des ostwestfälischen Hillbillys?
 
E war kein Hillbilly, sondern ein hoher Adliger, der sein Leben in Bildungszentren verbrachte, von denen damals übrigens gleich mehrere in Ostwestfalen lagen.

Aus seinen Schriften ergibt sich kein Defizit. Er benennt ja auch ganz korrekt Barcelona als Grenze im Westen und als spanische Stadt. Wir haben also keinerlei Hinweis, dass der auch sonst mit geographischen Angaben eher sparsame Widukind die Gesandtschaft falsch zuordnete.
 
(...und das nächste Ostern verbrachte er an dem gefeierten Ort Quedlinburg, wo einer Menge von Leuten aus den unterschiedlichen Leuten zusammengekommen war.... Er blieb dort aber nur 17 kurze Tage und stieg dann von dort herab, Christi Himmelfahrt bei Merseburg zu feiern. Nachdem er Boten aus Africa empfangen hatte, die ihm königliche Ehre [erwiesen] und Geschenke [brachten], befahl er, dass sie bei ihm blieben.)

Nach Wikipedia waren die Spanier zu Ostern in Quedlinburg:

Das Osterfest am 23. März 973 in Quedlinburg zeigte den Kaiser auf dem Höhepunkt seiner Macht und die europäische Dimension seiner Herrschaft. In Quedlinburg empfing er Gesandte aus Dänemark, Polen und Ungarn, aber auch aus Byzanz, Unteritalien und Rom, ja selbst aus Spanien. Für die Bitttage und Christi Himmelfahrt gelangte Otto über Merseburg nach Pfalz Memleben.

RI II,1 n. 567a, Otto I., 973 mai 1, Mersiburg : Regesta Imperii

Empfang einer Gesandtschaft aus Afrika. Widukind III, 75, entweder der Fatimiden (Dümmler Otto I. 509), vielleicht aber des chalifen von Cordova (vgl. no 190b), da der spanische Jude Ibrahîm-ibn-Jacub berichtet, dass er in Merseburg Otto I. sprach (c. 7) und ebenda bulgarische Gesandte traf (Geschichtschr. der deutschen Vorzeit X. Jahrh., 6 2, 142 c. 9); er (ib. p. XV) und der Spanier Tartûšî (G. Jacob Ein spanischer Berichterstatter aus dem 10. Jahrh. p. 10) dürften Mitglieder dieser Gesandtschaft gewesen sein.

Wenn der Jude Ibrahîm-ibn-Jacub an Himmelfahrt (1.5.973) Otto I. in Merseburg sprach, muß die Gesandtschaft ihn von Merseburg nach Memleben begleitet haben. Man war da sicher 4-5 Tage unterwegs und Otto I. starb kurz darauf am 7.5.973 in Memleben.
 
Vielleicht gab es noch einen anderen, nicht geografischen Europa-Begriff des Frühmittelalters. Der einzige Hinweis darauf ist "Pater Europae", ein Beiname Karls des Großen. (Es wäre allerdings zu prüfen, welche Relevanz das geflügelte Wort aus dem Paderborner Epos im Frühmittelalter wirklich hatte.)

Das karolingische Europa besteht nur aus Gallien, Germanien und Italien - mehr nicht. Und wenn das heidnische Spanien nicht Europa (synonym "christliches Abendland") sein kann, muss es vielleicht Afrika werden.
 
Auf der anderen Seite war natürlich Isidor von Sevilla mit seinen Etymologien der nach der Bibel verbreitetste Autor im mittelalterlichen Europa. Auf ihn gehen die TO-Karten zurück, also die Mappamundi des MAs.
 
Er war kein Hillbilly, sondern ein hoher Adliger, der sein Leben in Bildungszentren verbrachte, von denen damals übrigens gleich mehrere in Ostwestfalen lagen.
Offenbar habe ich mit meiner Nachfrage ostwestfälischen Heimatstolz verletzt. ;)

Aus seinen Schriften ergibt sich kein Defizit. Er benennt ja auch ganz korrekt Barcelona als Grenze im Westen und als spanische Stadt. Wir haben also keinerlei Hinweis, dass der auch sonst mit geographischen Angaben eher sparsame Widukind die Gesandtschaft falsch zuordnete.
Widukind nennt Barcelona als spanische Stadt und als Westgrenze des Reiches (terminum habens ab occidente Barcillonam Hispaniae urbem), das ist richtig. Beantwortet aber nicht die Frage, ob Widukind wusste, dass Córdoba/Andalusien zu Europa gehörte oder zu Afrika. Überzeugender wäre, dass seine Zeitgenossin Hrotswith das ganz genau wusste (im Gedicht Passio Sancti Pelagii pretiosissimi martiris qui nostris temporibus in Corduba martirio est coronatus) oder auch in dem Lebensbericht von Johann von Gorze durch dessen Freund Johann von Sankt Arnulf von dessen Besuch bei "König Spaniens" Abd ar-Rahman berichtet wird (regis Hispaniae Abderahamenis).
 
Wer in der Geometrie aufgepasst hatte, zu der damals die Geographie gehörte, wusste, dass mit Europa und Afrika Kontinente gemeint waren und Spanien in Europa lag.

Stimmt das denn für die damalige Zeit? Wohl kaum.
Bei den Römern war Africa die Provinz um Karthago. Das arabische Ifriqiya beschreibt etwa das gleiche Gebiet, später in etwa die Gegend, die wir heute als Maghreb bezeichnen. Von Ifriqiya aus eroberten die Omajjaden das Westgotenreich. Galt al-Andalus um 750 als Teil Ifriqiyas? Wie sah man das dann 970?
Ab wann gibt es überhaupt Unterscheidungen nach Kontinenten, und ab wann speziell wird "Africa" als Bezeichnung für diesen Kontinent benutzt?
Ich vermute mal, der Kontinent Afrika ist ein recht junges Konzept.
 
Ab wann gibt es überhaupt Unterscheidungen nach Kontinenten, und ab wann speziell wird "Africa" als Bezeichnung für diesen Kontinent benutzt?
Ich vermute mal, der Kontinent Afrika ist ein recht junges Konzept.

Nein, die Vorstellung von einem Erdteil "Africa", der von Mauretanien bis Ägypten reicht, finden wir schon bei Plinius d. Ä., der ihn mit dem "Libya" der Griechen gleichsetzt.

"Africam Graeci Libyam appellavere et mare ante eam Libycum; Aegyptio finitur, nec alia pars terrarum pauciores recipit sinus, longe ab occidente litorum obliquo spatio. populorum eius oppidorumque nomina vel maxime sunt ineffabilia praeterquam ipsorum linguis, et alias castella ferme inhabitant.
Principio terrarum Mauretaniae appellantur ..." (Nat. Hist. V)


 
Galt al-Andalus um 750 als Teil Ifriqiyas?
Nein, die umayyadischen Kalifen sandten eigene Gouverneure nach al-Andalus, Musa ibn Nusayr soll sogar für die Eroberung al-Andalus' bestraft worden sein, allerdings ist das nicht aus zeitgenössischen Quellen überliefert. Ab 756 war al-Andalus sowieso de facto unabhängig, auch wenn die Ummayaden noch ca. 170 Jahre davon absahen, auf den ihnen wegusurpierten Kalifentitel zu beharren.

Ab wann gibt es überhaupt Unterscheidungen nach Kontinenten, und ab wann speziell wird "Africa" als Bezeichnung für diesen Kontinent benutzt?
Ich vermute mal, der Kontinent Afrika ist ein recht junges Konzept.
In Europa eigentlich spätestens seit dem FrühMA. In der Ur-Rad-Karte von Isidor von Sevilla (6./. Jhdt.) ist Africa bereits die Bezeichnung des Kontinents. Im Text der Etymologie (Buch XIV) geht es munter durcheinander mit Lybia und Africa, einerseits ist Africa dort ein anderes Wort für Lybia, welches in herodotscher Tradition den Kontinent meint, dann aber ist Lybia nur ein Teil Africas. In der Karte des Beato de Liébana (8. Jhdt., leider nur in einer Kopie des 11. Jhdt. erhalten) ist Lybia größer geschrieben als Africa, aber beides durcheinander. Landesnamen sind kleiner und in anderer Tinte geschrieben.
Isidor:

Libya dicta quod inde Libs flat, hoc est Africus. Alii aiunt Epaphum Iovis filium, qui Memphin in Aegypto condidit, ex Cassiopa uxore procreasse filiam Libyam, quae postea in Africa regnum possedit. Cuius ex nomine terra Libya est appellata. 2 Africam autem nominatam quidam inde existimant, quasi apricam, quod sit aperta caelo vel soli et sine horrore frigoris. Alii dicunt Africam appellari ab uno ex posteris Abrahae de Cethura, qui vocatus est Afer, de quo supra (9, 2, 115) meminimus. 3 Incipit autem a finibus Aegypti pergens iuxta meridiem per Aethiopiam usque Athlantem montem. A septentrionali vero parte Mediterraneo mari coniuncta clauditur, et in Gaditano freto finitur, habens provincias Libyam Cyrenensem, Pentapolim, Tripolim, Byzacium, Carthaginem, Numidiam, Mauretaniam Sitifensem, Mauretaniam Tingitanam, et circa solis ardorem Aethiopiam. 4 Libya Cyrenensis in parte Africae prima est, a Cyrene urbe metropoli, quae est in eius finibus, nuncupata.

Lybien ist dort wo der Südwestwind bläst, dies ist der Africus. [....] Africa ist aber benannt von daher wie mancher meint, dass es wie sonnig ist (Africam-apricam), weil es dem Himmel oder der Sonne ohne den Schrecken der Kälte offenliegt. Andere sagen, dass Africa nach einem [...] benannt ist, der Afer hieß... Es beginnt jedenfalls an den Grenzen Ägyptens und ist nach Süden verbunden von Äthiopien bis zum Atlasgerbirge. Im Norden aber ist es durch das mediterrane Meer beschlossen und endet an der Meerenge von Cádiz, es beinhaltet die Provinzen Lybia Kyrenaia, Pentapolis, Tripolis, Byzacium, Carthago, Numidien, Mauretanien Sitifensa, Mauretantinen Tingitana.... Die Lybia Kyrenaua ist im Teil des ersten Afrika und Kyrene ist seine Metropole, die in seinen Grenzen liegt, feierlich zu nennen.

(ÜS ungenau und in Eile, da die bessere Häfte drängt)​
 
Bereits der noch etwas früher als Plinius wirkende Pomponius Mela verwendete "Africa" als Bezeichnung für den gesamten Kontinent westlich des Nils. (Dass der Nil als Grenze zwischen Afrika und Asien angesehen wurde, findet sich auch bei anderen antiken Geographen.) Europa reichte bis zum Tanais (Don), der Rest war Asia:
"Hoc mari et duobus inclutis amnibus, Tanai atque Nilo, in tres partes universa dividitur. Tanais a septentrione ad meridiem vergens in mediam fere Maeotida defluit; et ex diverso Nilus in pelagus. quod terrarum iacet a freto ad ea flumina ab altero latere Africam vocamus, ab altero Europen: ad Nilum Africam, ad Tanain Europen. Ultra quicquid est, Asia est." (I, 8)
 
Bereits Sallust (Iugurthinischer Krieg 17) verwendete "Africa" grundsätzlich bereits als Bezeichnung für den Kontinent, wenngleich er die Grenze zwischen Africa und Asia zwischen Ägypten und Kyrene zog (Katabathmos):
"In divisione orbis terrae plerique in parte tertia Africam posuere, pauci tantummodo Asiam et Europam esse, sed Africam in Europa. Ea finis habet ab occidente fretum nostri maris et Oceani, ab ortu solis declivem latitudinem, quem locum Catabathmon incolae appellant."

Bei Apuleius (De Mundo, 2. Jhdt. n. Chr.) finden sich als Grenzen des Kontinents Africa alternativ das Rote Meer oder der Nil:
"Africam vero ab isthmo Rubri maris vel ab ipsi fontibus Nili oriri putandum eiusque in Gaditanis locis fines esse. Sed ipsam Aegyptum plerique Asiae, plures Africae adiungunt"
 
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Ich denke Widukind wusste über die Geographie bestens bescheid und hat der südspanischen Provinz als Germane ,die ja mit höchster Wahrscheinlichkeit nach den Vandalen benannt wurde ,den Namen der neuen Heimat der Vandalen Africa einfach unbenannt .

Vlt. dachte er sich,es können ja keine zwei Andalusias sein also gab er ihn den Namen der Afris als Hommage(?)
 
Ich denke Widukind wusste über die Geographie bestens bescheid und hat der südspanischen Provinz als Germane ,die ja mit höchster Wahrscheinlichkeit nach den Vandalen benannt wurde ,den Namen der neuen Heimat der Vandalen Africa einfach unbenannt .
Das ist zwar eine seit dem 13. Jhd. immer wieder gern vorgebrachte Behauptung, aber doch eher unplausibel. Die plausibelste Erklärung bietet der Orientalist Heinz Halm, der aufgrund des in den Quellen auftauchenden gothica sors, bezogen auf die gotische Landvergabepraxis, ein gotisches Wort *landahlauts erschlossen hat, welches wie die Lombardei oder Alexandria arabisch verballhornt wurde, mit dem l- oder al- als arabischen Artikel (Langobardia > al-Ankubardiyya, Alexandria > al-Iskandariyya). *Landahlauts eben zu al-Andalus.
Bossong, Noll und Corriente haben alternative, aber weniger plausible Thesen vorgelegt, Noll ist dabei zur Wandalen-Hypothese zurückgekehrt, wobei er zunächst einmal erklärt, warum die alte Gleichsetzung nicht funktioniert und wie man über allerlei Umwege sie doch retten kann, aber bevor er zum Schluss kommt, hat ihn Occam schon fünf Mal wegradiert. Bossong plädiert für einen baskischen, Corriente für einen koptischen Ursprung des Wortes.
 
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