Warum waren die Presbyterianer in Schottland so erfolgreich?

El Quijote

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Engländer und Schotten sind Protestanten. Die Engländer aber nicht so richtig, sie sind "Protestanten mit Prozessionen". Die Church of Scotland dagegen ist eng mit John 'Killjoy' Knox verbunden, einem zunächst katholischen Priester, der zunächst den reformierten Glauben annahm, unter der Ägide Marias de Guises aus Schottland nach England, und während der Rekatholisierung Mary Tudors weiter in die Schweiz floh, wo er mit dem Calvinismus in Berührung kam und sich radikalisierte.
Nach Schottland zurückgekehrt hielt er einige flammende Predigten gegen die Idolatrie der katholischen Kirche und es kam zum Sturm auf Kirchen und Klöster (wobei man sagt, dass die stürmenden Gläubigen sich hauptsächlich an den Bildwerken zu schaffen machte, Priester, Mönche und Nonnen aber weitgehend unbehelligt blieben). Es entstand die schottische oder presbyterianische Kirche: die Hierarchien wurden flacher, die Bildung der Gemeindemitglieder wegen des sola scriptura-Prinzips forciert, Bischöfe abgeschafft. Im Zentrum stand nun der von der Gemeinde aufgrund theologischer, charismatischer oder rhetorischer Fähigkeiten gewählte Prediger (Presbyter) meint seinen Laienhelfern. Was sich zunächst ganz positiv anhört, war aber eben auch mit einer Art frühem "Totalitarismus" (man beachte die Anführungszeichen) verbunden, darauf auch der Spitzname des schottischen Reformators, Killjoy, zurückzuführen. So war der Sonntag kein Feiertag mehr, sondern ein Tag mehrerer Andachten, zwischendurch hatten die Gemeindemitglieder anwesend zu sein, um sich in der Bibelauslegung zu üben. Wer die Kirche versäumte, musste Geldstrafen zahlen, was aber bald, auch wegen der Kritik am kathol. Ablass(handel) wieder abgeschafft wurde. Anders sah es mit Anprangerungen von Fehlleistungen aus, die presbyterianische Sittenpolizei drang auch in Privathäuser ein, um zu überwachen, dass Kranke auch wirklich krank seien (was so ziemlich der einzige Möglichkeit war, die Kirche zu schwänzen). Alles, was Freude machte, sollte also nach dem Willen John Knox' abgeschafft werden. Warum hatte diese Gemeinde Erfolg?
 
Zuletzt bearbeitet:
Gute Frage.

Ich habe den Eindruck, dass sich in dieser Zeit stets die radikaleren durchsetzten. Auch in England wurde ja eine Art zweite Reformation angestrebt, scheiterte aber u.a. an Elizabeth. So ganz ließ sich das aber doch nicht unterdrücken und dann kam ja auch der Engl. Bürgerkrieg, der ähnlich wie in Schottland die deutlich radikaleren Puritaner ans Ruder brachte, auch wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung Angelikaner blieben und dann nach der Cromwell-Ära aufatmete und so erstaunlich wenig an der Verfolgung der Königsmörder auszusetzen hatte.

Bemerkenswert ist vielleicht, dass diese Presbyterianische Kirche nicht von oben verordnet wurde, sondern in stetem Gegensatz zu bspw. Maria Stuart stand. Vielleicht ist es aber genau das, was sie so erfolgreich machte. Die Königin zeigte sich ja im Ringen um die Macht im Land immer wieder den rivalisierenden Adelskoalitionen gegenüber als unfähig, die nach ihrem Sturz dann sogar den Thronanwärter in ihre Hände bekamen. Der Adel mag hier die Rolle des Landesherren als Protektor der neuen Konfession übernommen haben, was eben mit der Lage der Monarchie zusammenhängen dürfte.

Ich denke, es lag im Zeitgeist, dass entweder die "Gegen"reformation Oberwasser bekam oder aber Reformatoren in bereits protestantischen Ländern wie auch in Kursachsen eine, ihrer Meinung nach, Vollendung der Reformation anstrebten.

Dass sich die Presbyterianer halten konnten, scheint auch mit dem englischen Bürgerkrieg zu tun zu haben. Ihre Opposition zu Charles I. war ein Grund für die schwierige Situation des Königs. Obendrein schien es anfangs, als ob die Presbyterianer im Zuge der "Wars of the Three Kingdoms" in ihrem Kampf gegen den hartnäckigen Marquis of Montrose im Grunde auf der selben Seite der Barrikade stünden wie Cromwell.
Erstaunlich ist, dass sich die Presbyterianer in ihrem Kampf gegen Royalisten und dann gegen das Engl. Parlament und untereinander - Kirk Party gegen Engagers - nicht aufgerieben haben.
 
Bemerkenswert ist vielleicht, dass diese Presbyterianische Kirche nicht von oben verordnet wurde, sondern in stetem Gegensatz zu bspw. Maria Stuart stand. Vielleicht ist es aber genau das, was sie so erfolgreich machte. Die Königin zeigte sich ja im Ringen um die Macht im Land immer wieder den rivalisierenden Adelskoalitionen gegenüber als unfähig, die nach ihrem Sturz dann sogar den Thronanwärter in ihre Hände bekamen. Der Adel mag hier die Rolle des Landesherren als Protektor der neuen Konfession übernommen haben, was eben mit der Lage der Monarchie zusammenhängen dürfte.

Ja, Mary beging natürlich den Fehler, dass sie lediglich vier Monate nach der Ermordung Darnleys den Hauptverdächtigten ehelichte - und dann auch noch, was sie auf der internationalen Bühne isolierte - nach protestantischem Ritus.

Da hat die eigentlich als klug geltende Mary sehr unsensibel gehandelt, zumal die Vergewaltigung durch ihren Entführer, die sie zur Heirat mit Bothwell zwang, ihr wohl niemand abnahm.

dass sich die Presbyterianer halten konnten, scheint auch mit dem englischen Bürgerkrieg zu tun zu haben. Ihre Opposition zu Charles I. war ein Grund für die schwierige Situation des Königs. Obendrein schien es anfangs, als ob die Presbyterianer im Zuge der "Wars of the Three Kingdoms" in ihrem Kampf gegen den hartnäckigen Marquis of Montrose im Grunde auf der selben Seite der Barrikade stünden wie Cromwell.

Du bist da eigentlich schon einen Schritt weiter als ich. Ich frage mich ja, was sie so attraktiv machte.
 
Ich habe damals, als ich die Frage stellte, das Pferd im Prinzip von hinten aufgezäumt. Es ist ja nicht erst der schottische Reformator John "Freudenkiller" Knox gewesen, der die presbyterianische Arbeitsmoral etablierte sondern bereits Calvin selbst, dem Musik und Tanz, Freuden und Freizeit ein Graus waren. Das mönchische ora et labora wurde im Calvinismus einfach radikal ausgelegt: Entweder man betete oder man ging zur Arbeit. (Bei-)Schlaf und Nahrungsaufnahme waren notwendige Übel, die man am besten so kurz wie möglich hielt. Und hier erneut die Frage: Wie konnte sich dieses rigide und freudlose Denken so durchsetzen? In der Schweiz, in den Niederlanden, in Schottland und in großen Teilen der USA ist bzw. war das jahrhundertelang die vorherrschende Ideologie mit Effekten auf die Kultur bis heute (in den USA etwa, wo man häufig, während man noch am letzten Bissen seines Essens kaut, schon vom Kellner den Teller weggenommen bekommt). Gleichzeitig ist das mit einer lähmenden Schicksalsergebenheit verbunden, etwa das Armut und Reichtum gottgegeben seien und es nicht am Menschen sei, dies zu verändern.
 
Bin mir zwar auch nicht sicher, aber es könnte eine Gegenreaktion auf Rom und die Möglichkeit des Sündenfreikaufens sein, sprich Ablaßbriefe. Die Beichte wurde ja auch bei der Reformation nach Luther abgeschafft. Wobei ja eigentlich gesagt wurde, das jeder Gläubige direkt mit Gott kommunizieren kann. Aber hier wurde dann gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und mögliche Sünden direkt mit aus dem Kopf verbannt.
Komischerweise haben dann die Reformierten und auch Katholiken nicht vor Gewalt gegen die "Andersgläubigen" und Ketzer zurück geschreckt.
 
Die presbyteranische Gemeinde bei der ich mich mal aufhielt war tatsächlich geprägt von Sittsamkeit, Schicksalsergebenheit und Enthaltung. Ich denke, so etwas zieht seinen Reiz aus rundherum herrschender Beliebigkeit, Not und ggf Gewalt.
 
Ich sehe das u.a. als Gegenteil zur damaligen Situation in der katholischen Kirche. Wo Laster, Ablasshandel, Verschwendungssucht, etc. vorlagen, kann ich mir vorstellen, dass eine Rückkehr zu einem "reinen" Glauben bzw. zu einem Glauben, der genau dem entsagt, mehr als attraktiv gewesen ist. Zudem denke ich, dass die flacheren Hierarchien viele angesprochen hat. Sei es als Auflehnung gegenüber der Obrigkeit oder Distanzierung von diesen.
 
Zum einen das, zum anderen auch noch Gottesdienste in Volkssprache. So das die Gläubigen endlich verstehen was in der Bibel steht. Das war ja in der katholischen Kirche immer noch Jahrhunderte nicht möglich.
 
Und genau dem war nicht so. Den Gläubigen wurde auch in der katholischen Kirche sehr schnell erklärt, worum es ging. Die Liturgie war Latein. Aber Predigt und Auslegung fanden nach der Messe, nicht wie heute während ihr, und an manchen Orten sogar außerhalb der Kirche statt. Und die ersten Bibelübersetzungen in deutsche Dialekte (niedersächsisch und niederfränkisch) erfolgten, als noch niemand an Luther dachte. Nur hielten sie sich so eng an die Vulgata, dass sie nur schwer lesbar waren. Jeder der Latein gelernt hat, hat wohl anfangs derartige Übersetzungen geliefert und kann es sich vorstellen. Auch Naturtalente kennen es von ihren Mitschülern. Zudem gelten viele Stellen als dunkel, weil zu wenig über die Griechische Sprache und die Entstehungszeit bekannt war.

Prinzipiell hat die Katholische Kirche immer gefordert, dass die Texte vermittelt werden sollen. Doch mit Übersetzung hatte sie im Frühmittelalter Erfahrungen gemacht, die nicht wiederholt werden sollten. Daher galten Übersetzungen nicht als taugliches Mittel. (In Heliand und altsächsischer Genesis wurde die christliche Lehre teilweise auf den Kopf gestellt.) Hier ist auch der Grund zu suchen, dass die Kirche -neben der Sonntagsschule, die gewöhnlich an die genannte Predigt und Bibelauslegung anschloß, bevor die Gemeinde weltliche Fragen besprach- die Schulpflicht einführte. Die Bistümer hatten in allen Pfarreien Schulen einzurichten und den Vollzug nach Rom zu melden. Der Paderborner Bischof konnte -ich meine- 1620 melden, dass in jeder Pfarrei eine Schule bestand. Natürlich waren die Verhältnisse in Paderborn damals sehr günstig und mitunter wurde einfach die Ausstattung der Pfarrer und der Kirchen zum Teil auf die Lehrer übertragen. Schulland liegt hier häufig neben dem Land von Pfarrer oder Kirche . (Kurz darauf hat dann der tolle Christian viele der Schulen und Fundationen zerstört.) Schon in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts sind -trotz aller späteren preußischen Propaganda- Stiftungen von bäuerlichen Familien für Schulzwecke belegt, wobei betont werden muss, dass die Leute nur solange der Schule positiv gegenüber standen, wie die Mithilfe der Kinder auf dem Hof nicht beeinträchtigt wurde. Und es gab schwarze Schafe, die die Arbeitskraft ihrer Kinder voll ausnutzen wollten. (Und natürlich wurden solche Stiftungen schon damals oft gesteuert.)

Aber der Katholischen Kirche kann man nicht pauschal unterstellen, dass sie das Volk dumm halten wollte, indem sie die Grundlagen ihres Glaubens verschwieg.

Aber der weitere Raum, der den auf den Gottesdienst folgenden Versammlungen durch Verwendung der Volkssprache zur Verfügung stand, hat die strengeren Varianten der Reformation sicher befördert. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl führt ja häufig zu hoher Intoleranz gegenüber kleinsten Abweichungen. Und die typischen Gefahren von Sekten waren so noch nicht bekannt. Das Gebiet der Religion wurde ja neu erfasst.

Ich denke, man muss das Gesamtpaket betrachten und auch die Dynamik innerhalb solcher Gemeinden, sowie die durch die religiösen Gegensätze hervorgerufenen Empfindlichkeiten, Rücksichten und Abgrenzungen bedenken, um zu einer Erklärung zu kommen.

Was der Eine als Bildung versteht, begreift der andere als Indoktrination. Das galt auch damals. Und zwar für alle Seiten, ob nun katholisch, protestantisch oder reformiert.
 
Bin mir zwar auch nicht sicher, aber es könnte eine Gegenreaktion auf Rom und die Möglichkeit des Sündenfreikaufens sein, sprich Ablaßbriefe. Die Beichte wurde ja auch bei der Reformation nach Luther abgeschafft. Wobei ja eigentlich gesagt wurde, das jeder Gläubige direkt mit Gott kommunizieren kann. Aber hier wurde dann gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und mögliche Sünden direkt mit aus dem Kopf verbannt.
Komischerweise haben dann die Reformierten und auch Katholiken nicht vor Gewalt gegen die "Andersgläubigen" und Ketzer zurück geschreckt.
Schau mal in ein heutiges, lutherisches Gesangbuch! Da wirst Du auch noch die Beichte finden. Der Umgang mit der Beichte, ihr Gewicht und der Ablauf, sind die wesentlichen Unterschiede zwischen Katholiken und durch Luther und Anhänger/Umkreis reformierte Gläubige.

Jetzt erwähnst Du zuerst Luther, dann Reformierte und Katholiken. Um wen geht es Dir denn? Um Reformierte oder Lutheraner?

Was meinst Du denn mit "die Reformation nach Luther"? Meinst Du damit die Reformation im Sinne Luthers oder die anderen Reformatoren, die auf Luther folgten?

@ ElQuijote
Ich denke, dass die Radikalität der Presbyterianer oder auch anderer Glaubensrichtungen zu ihrem Erfolg beitrug. Außerdem wurde sie durch die Bedrohung von außen im Inneren gefestigt. Mir fallen da auf Anhieb die Methodisten ein, vor denen noch Wellington die größten Befürchtungen hatte, dass sie sich in seinem Heer ausbreiten würden. Obwohl man in England mit den zahlreichen protestantischen Strömungen irgendwie leben musste, waren sie doch letztlich nicht zuletzt den Herrschern suspekt, weil schwerlich zu steuern und oftmals enorm kritisch gegenüber Prunk etc..
 
Reformierte sind für mich alle Kirchen die im Rahmen der Reformation entstanden sind. Ob nach Luther, Calvin, Knox oder wie sie alle heißen. Lutheraner sind also für mich also nur ein kleiner Teil der reformierten Kirchen. Und das ich einen Satz weiter von auf reformierte erweitert habe, soll auch zeigen das ich nicht alle Reformbewegungen als reformierte nach Luther ansehe. Wenn etwas verwirrt tut es mir leid.
 
Es gibt halt zwischen Reformierten (Calvinisten, Zwinglianern etc.) und Lutheranern erhebliche Unterschiede, die weitaus stärker sind als zwischen den lutherischen Richtungen untereinander. Von daher würde ich diese Konfessionen nicht in einen Topf werfen. Nicht umsonst waren die Reformierten im Augsburger Religionsfrieden noch nicht eingeschlossen, kamen dann aber 1648 im Zuge des Westfälischen Friedens dazu. Sicher trug dazu bei, dass Kurbrandenburgs Kurfürst selber reformiert geworden war (1555 war er noch lutherisch). Sehr schön sieht man die Differenzen innerhalb des protestantischen Lagers auf den Unionstagen der protestantischen Union, wo der (m.W. zwar nicht so titulierte) Führer der Union, Kurfürst Friedrich von der Pfalz, versuchte die lutheranischen Stände zu einer gemeinsamen Linie bspw. bezüglich eines Reformationstages zu bringen. Gemeinsame Gottesdienste waren schon zweimal ausgeschlossen (hat Friedrich wohl auch angestrebt).

Ich denke, dass es bei den Presbyterianern ebenso wie bei den Reformierten in Frankreich war, dass selbst wenn sie eine große Bewegung waren, stets in einem Abwehrkampf verstrickt waren, stets befürchten mussten oder glaubten befürchten zu müssen, von den anderen Konfessionen unterdrückt und an der Glaubensausübung behindert zu werden (in Schottland durch die angelikanische High Church in Form des Königs). Letztlich ging es unter den protestantischen Richtungen um eine Art Deutungshoheit wie weit die Reformation gehen soll (in der Abkehr vom Katholizismus). Dieses Gefühl der dauernden Bedrohung, mag die protestantische Richtung so erfolgreich gemacht haben.
Zumindest unterschwellig hat der Konfessionsgegensatz (auch Reformierte <-> Lutheraner) noch länger in den Gemeinden angedauert, als die Fürsten und anderen hohen Herren da schon keine Konflikte mehr sahen - das sieht man z.B. in zahlreichen Fällen von Störungen von kath. Wallfahrten durch Lutheraner im 18.Jh..
 
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