So klar ist das nicht, dass vor Mohammed in Arabien neugeborene Mädchen (oft) lebendig begraben wurden.
Die Stelle findet sich im Koran 16,58-59 und besagt im originalen Wortlaut sinngemäß lediglich, dass "eine Frau" unter bestimmten Umständen lebendig begraben wurde. Weder von Geburt noch von Tochter ist da die Rede. Sofern diese Angaben in Übersetzungen gemacht werden, handelt es sich um eine Interpretation.
Übersetzung und Kontext: wa'd (Kindstötung) wird hier angesprochen. Das q16:58-59 etwas anderes referenziert als Kindsmord, ist nicht Stand der Islamwissenschaft.
Statt vieler (die wissenschaftliche): Encyclopaedia of the Qurān, Band II, S. 511
Der
Qurʾān ist an der angesprochenen Stelle - wie so häufig - durchaus rätselhaft. Das Problem ist eben, dass man den
Qurʾān teilweise parallel lesen müsste mit der Bibel und anderen Quellen, was natürlich in der heutigen islamischen Welt dummerweise vielfach verpönt ist, da man nur mit Kenntnis der entsprechenden Stellen aus Bibel und anderen Quellen überhaupt manche Verse des
Qurʾān verstehen kann.
Ein weiterer Zugang wäre die Tafsīr-Literatur (
tafsīr ~ Qurʾān-Exegese), damit käme man immerhin in die Zeit des klassischen Islam (also die spätere Umayyaden- und frühe ‘Abbāsidenzeit) zurück und könnte da nachlesen, wie der Vers von Muslimen ca 100 bis 200 Jahre nach der
hiǧra verstanden wurde. Aber das wird wahrscheinlich in den Artikel der
Encyclopaedia of the Qurʾān eingegangen sein.
In dem anzitierten Vers (16, 58) ist von
unta die Rede, das ist das ~'weibliche Wesen'~, im Vers zuvor allerdings von den
banāt (16, 57), also den Töchtern:
Wa-yaǧʿalūn(a) li-llāh(i) l-banāt(i) subḥānahū wa-lahum mā yaštahūna. Wa-ʾidā buššira ʾaḥaduhum bi-l-ʾuntā ẓalla waǧhuhū muswaddan wa-huwa kaẓīm(un).
Es geht in der ganzen Passage darum, ob die Leute Gott gegenüber dankbar sind für die Geburt einer Tochter oder ob sie ihm undankbar sind. Insofern ist das mehr als Interpretation, es ist Kontext.