1. Weltkrieg Ausbruchsursache

Das hierdurch die Weltwirtschaft "gekillt" wurde, würde ich als unhaltbar ansehen, dafür gab es andere Faktoren. Bezüglich der Wirtschaft des Deutschen Reiches waren die direkten Kriegsschäden (=Kriegsverschuldung) schlimmer. Interessant ist dazu, wenn man sich mal die Analysen des Bankerntages 1920 zu Gemüte führt. Wir hatten hier mal ein Thema, die Hyperinflation in ihren Ursachen zu diskutieren.

http://www.geschichtsforum.de/f62/versailler-vertrag-zu-hart-und-weich-13487/


Akzeptiere ich die Meinung des Fachmanns und ziehe meine These zurück.
 
Würdest du den VV auch als ein Grundübel des 20. Jahrhunderts betrachten, wie es offenbar viele tuen?
Das nicht, weil vieles, was danach geschah, nicht zwangsläufig war, sondern lediglich durch den VV begünstigt wurde. Es hätte auch anders kommen können, wenn es z.B. den Kommunisten in Deutschland gelungen wäre, eine breitere Basis in der Bevölkerung zu finden.
Ich würde diesen Vertrag vielleicht als ein Werk Denkfauler betrachten. Man wollte zu schnell einen Schlußstrich ziehen.
 
Ich würde diesen Vertrag vielleicht als ein Werk Denkfauler betrachten. Man wollte zu schnell einen Schlußstrich ziehen.

Sie es mal von einer anderen Seite, dazu eine Vorüberlegung: Wie hätten die vertraglichen Regelungen der Niederlage ausgesehen, wenn man keine Demokratien auf der anderen Seite gehabt hätte, sondern Diktatoren? Löst man sich dann noch von der "Schuldfrage", bleibt die tausendjährige Regel: der Verlierer zahlt.

@gandolf hat in einer anderen Diskussion zu Recht auf einen anderen wichtigen Aspekt hingewiesen. In Deutschland wurde völlig verkannt, dass dieser Vertrag trotz des verlorenen Krieges die deutsche Einigung bestätigte. Das hätte auch anders kommen können, die Zerstückelung in 5-6 schwache Teilstaaten hätte die Großmachtambitionen nachhaltig beseitigt. Separatistische Bewegungen gab es genug, die man sich hätte zu Nutze machen können, bis hin zu einem deutschen Oststaat "Ostpreußen". Auf der Landkarte betrachtet wäre man bzgl. Preußens ähnlich wie Österreich verfahren.

Für die Beseitigung des potentiellen Unruheherds einer zentraleuropäischen Großmacht Deutsches Reich war der Vertrag somit ungeeignet. Im Gegenteil: er war weder Fisch noch Fleisch. Er beseitigte einerseits nicht zuverlässig den Großmachtstatus bzw. die Ambitionen dazu, sondern verzögerte nur die Restauration. Wenn er andererseits den Nationalstaat bestätigte, verkannte man das Ausmaß und die Folgen der wahrgenommenen Knebelungen, die Folgen der politischen Ausschlachtung.

Warum hat man nicht Nägel mit Köpfen gemacht? - Ein wichtiger Faktor war die Furcht vor dem Export der russischen Revolution nach Westeuropa.
 
- Ein wichtiger Faktor war die Furcht vor dem Export der russischen Revolution nach Westeuropa.


Das hat schon der Freikorps-Haudegen Manfred von Killinger so gesehen.;)
Er und seine Kameraden haben Europa vor den Bolschewiken gerettet, und wurden zum Dank "Bluthunde" geschimpft.:motz:

Die Briten sind auf Seiten Frankreichs in den Krieg eingetreten, weil man kein deutsch dominiertes Kontinental-Europa wollte.
Aber ein französisch dominiertes wollten sie auch nicht.
Ich denke hier liegen die entscheidenden Punkte.
 
Sie es mal von einer anderen Seite, dazu eine Vorüberlegung
Ja, man hätte Deutschland zerstückeln können. Ich glaube aber, das hätte man mehr fürchten müssen, als ein ganzes Deutschland. Als reine wirtschaftliche Überlegung und das aus englischer Sicht. Deutschland war ein nicht unerheblicher Abnehmer britischer Exportgüter. Ich glaube, mir fehlen leider Quellen und Zahlen, der größte in Europa überhaupt. Damit war Deutschland ganz ungewollt ein Partner. Den erheblich und nachhaltig zu schwächen war sträflich.
Zudem wäre dann die Mitte Europas auch noch, man entschuldige mir den Ausdruck, balkanisiert worden.
Man könnte da leider nur spekulieren, aber ich glaube, ein zerstückeltes Deutschland hätte nicht funktioniert, auch wenn es in Deutschland selbst seperatistische Bestrebungen gab. Diese Kräfte waren auch eher in der Minderzahl. Ich will da als Beispiel das Saarland anführen. Früher oder später wäre es zu einem Deutschland gekommen, dass sich neu definiert. Wie du schon erwähntest, in zu befürchtender kommunistischer Ausprägung. Das es dann im beschnittenen, jedoch ganz gebliebenen Deutschland der Faschismus wurde, konnte noch keiner ahnen.
Was ich sagen wollte, Deutschland war mittendrin und nicht am Rande Europas. Ein schwaches impotentes Deutschland hätte Frankreich wieder zur führenden Macht aufsteigen lassen, was den Briten sicher wenig gefallen hätte, wie Repo schon erwähnt. Russland hätte seinen Einfluss ausdehnen können.
 
Er und seine Kameraden haben Europa vor den Bolschewiken gerettet
Was bei Herrn von Killinger wohl eher auf dessen nationalistische, ja schließlich auch nationalsozialistische Einstellung zurückzuführen ist. Den Mann als Retter zu sehen ist ein arg heroisches Bild: Aus Menschenachtung tat er es gewiss nicht, aus ideologischer Überzeugung wohl schon eher. :fs:
 
Anmerkung & bevor es nochmals in den falschen Hals gerät: die Aussage von Repo war ironisch gemeint.
 
Anmerkung & bevor es nochmals in den falschen Hals gerät: die Aussage von Repo war ironisch gemeint.

So habe ich das auch verstanden.


Bzgl. der Einschätzung der britischen und frz. Position würde ich das aber ernsthaft unterstreichen wollen, und die Komponente in der außenpolitik sollte nicht unterschätzt werden, wie man an den allierten Interventionen in Rußland ablesen kann. Und man kann den Spieß auch umdrehen: die Meinung bestand nämlich gegenseitig.

Als Beleg mag das angespannte Verhältnis die ganzen 20er-Jahre hindurch aus sowjetischer Sicht dienen. Großbritannien und Frankreich wurden als Gegnerstaaten eingestuft, die sich ggf. der Anrainerländer der Sowjetunion für Stellvertreterkriege bedienen. Das war sowjetische Militärdoktrin bis in die 30er-Jahre hinein.
 
Bdaian schrieb:
Die ersten kriegerischen Akte gingen übrigens von den Russen aus, die schon am 2. August in Ostpreussen die Grenze verletzten.

Nun ja, erwähnenswert ist vielleicht auch die Tatsache, dass das Deutsche Reich Russland am 01.August 1914 den Krieg erklärt hat.

Bdaian schrieb:
Das Frankreich aber auch den Krieg wollte, stand eigentlich Fest. Sie mobilisierten auch gleichzeitig mit dem DR (der Befehl ging knapp 1 Stunde vor dem deutschen heraus!) und sie griffen dann auch in den ersten Augusttagen richtung Saar und Mühlhausen an, womit die deutsche Führung eigentlich nicht rechnete. Man erwartete eine französsichen Angrif auch über Belgien, der in der Tat früher auch so geplant war.

Kannst du Belege für die These, das Frankreich den Krieg wollte, nennen? Das Frankreich kein Unschuldlamm war, ist schon klar, aber wollte es den Krieg? Schließlich hat das Deutsche Reich Frankreich am 03.August 1914 den Krieg erklärt. Und es wäre von Frankreich doch reich naiv gewesen, wenn es sich in dieser außerordentlich gespannten Atmosphäre des Juli 1914 nicht auf dem Kriege vorbereitet hätte.

Bdaian schrieb:
Die französsiche Aussenpolitik war aggressiv wie eh und je. Mit GB hatten Sie sich erst kurz vorher fast wegen Fashoda in die Wolle gekriegt.

Kurz vorher? Die Faschodakrise war 1898! Seit dem waren so ein paar Kleinigkeiten in der Ausrichtung der Außenpolitik geschehen. Erwähnt sei hier das Abkommen von 1905, die Entente Cordiale.
 
Zuletzt bearbeitet:
chrdidt schrieb:
Der Rückversicherungsvertrag war kein Bündnis und das DR brauchte Bündnispartner auf die es sich im Ernstfall verlassen konnte, mit dem Rückversicherungsvertrag konnte Rußland alle 3 Jahre eine Pendelpolitik betreiben, was auch Bismark schon bewußt war. Der Fehler lag hier eher in einer sich verschlechternden Wirtschaftsbeziehung in dessen Lücke Frankreich sich nur zu gerne platzierte, hier hätte man aussenpolitische Interessen den Innenpolitischen überordnen sollen, spätere Annährungsversuche auf wirtschaftlicher Ebene trafen dann jedoch schon auf einen festen Russisch-Französischen Block der sich auch in der russischen Bevölkerung schon manifestiert hatte, Stichwort Antigermanismus-Panslawismus.

Ich glaube zu Beginn ging es doch um die Finanzbeziehungen zwischen dem Zarenreich und Frankreich.
Wir können nicht wissen, ob die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages eine Allianz zwischen Russland und Frankreich verhindert hätte. Es kann auch nicht als ausgemacht gelten, das diese sicher nicht unbedeutende Nichtverlängerung das Betreten einer Einbahnstraße in Richtung Juli 1914 war. Interessant wäre doch zu wissen, was geschehen wäre, wenn Bismarck im Amt geblieben wäre?

Der russische Außnminister Giers war aber jedenfalls am 04.Juni 1890 ernsthaft entsetzt, als er von der erneuten Ablehnung der kleinen Variante, das Zarenreich hat auf das Zusatzprotokoll verzichtet gehabt, des Rückversicherungsvertrages Kenntnis bekam. Auch sollte die Laufzeit nicht nur 3 Jahre betragen, sondern 7. Giers ging davon aus, dass das Deutsche Reich sich mit England engagieren wollte.
 
molinarius schrieb:
Anzumerken wäre vielleicht noch, dass sich das neue Bündnissystem aus einer Fehleinschätzung Wilhelms ergab. Dieser verlängerte nicht das Abkommen mit Russland, da er auf ein Bündnis mit England hoffte. Als sich diese Hoffnung nicht erfüllte war es zu spät für eine Verständigung mit Russland.
Er war dabei wahrscheinlich so auf England fixiert, da er selbst mit dem englischen Königshaus verwandt war.:schlau:

Die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages ist nicht primär auf Wilhelm zurückzuführen, sondern auf die neunmalklugen Herren des AA, hier sind vor allem Holstein und Berchem zu nennen. Holstein wollte die Annäherung an England, da er einen Zweifrontenkrieg in der zukunft praktisch für unvermeidlich hielt (1). Mit dieser Auffassung stand Holstein aber nicht allein auf weiter Flur, nein, diese Meinung war auch bei höheren Militärs zu konstatieren. Diese Herren war allen Ernstes der Auffassung Russland würde ein Krieg gegen das Reich wollen. Schuwalow war im März in berlin, um die Verlängerung des Rückversicherungsvertrages unter Dach und Fach zu bringen. Schuwalow erfuhr von Bismarck, das dieser nicht mehr Ansprechpartner sei, da er mehr im Amt sei. Schuwalow war geschockt und informierte Giers entsprechend. Herbert von Bismarck informierte Wilhelm darüber, das Schuwalow nur mit Bismarck (Otto) den Rückverischerungsvertrag verlängern soll. Wilhelm war entsetzt über die Aussicht, das Zar Alexander den Vertrag nur mit Bismarck verlängern würde und lud Schuwalow zu sich sein, um ihm über sein Entschluß zu informieren, den Vertrag zu verlängern. (2)

An dieser Stelle kam nun das AA ins Spiel und sorgte dafür, das dies eben nicht geschah. Anzumerken ist auch noch, das unter den Diplomaten des Deutschen Reiches bismarcks Russlandpolitik nicht gerade viele Freunde hatte, ganz im Gegenteil. Diese Politik gegenüber Russland war stark an der Person des Reichskanzlers Bismarck gebunden.




(1) Krausnick, Geheimpolitik, S. 63ff
(2) Kanis, Von Bismarck zur Weltpolitik, s.40ff, Berlin 1999
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Hauptschuldigen des 1. WK waren Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland (wenn man es mal auf die Großmächte einschränkt). Hierzu aus Peter März - Der erste Weltkrieg:

Wagt man sich hier überhaupt an so etwas wie eine Gesamtbilanz, dann wird man konstatieren müssen, dass die drei großen monarchischen Ostmächte, die Nachfolger der Heiligen Allianz mit ihren teilweise sehr labilen konstitutiven Konstruktionen, nämlich Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland die Hauptpromotoren der Entwicklung hin zum Krieg waren. Dabei vertrat Deutschland freilich ein sehr viel weiter gehendes offensives Konzept als Österreich-Ungarn. Russland hingegen, das sich gleichfalls in hohem Maße von Prestigegesichtspunkten leiten ließ, hielt mit seiner Generalmobilmachung, der ersten einer nicht bereits im Krieg befindlichen Großmacht, voll dagegen.

Der Krieg brach aus, weil der Konflikt zwischen Russland und Österreich um die Beherrschung des Balkans immer aggressiver ausgetragen wurde. Österreich sah sich angesichts seines Nationalitätenproblems mit dem Rücken zur Wand, Russland brauchte dringend außenpolitische Erfolge. Deutschland, dass bisher immer deeskaliert hatte, indem es Österreich zurückhielt und Russland abschreckte, heizte diesmal die Krise an.

Konkrete Maßnahmen, die den Krieg unvermeidlich machten:

Serbien: das Attentat, durchgeführt vom serbischen Geheimdienst
Österreich: Ultimatum und Kriegserklärung an Serbien
Deutschland: Blankoscheck und Kriegserklärungen
Russland: Hilfszusage an Serbien und Generalmobilmachung.

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Inwiefern die Mehrzahl der russischen Bevölkerung eine "Panslawistische" Haltung gehabt hat, dürfte absolut reine Spekulation sein.
Ich würde spekulieren, dass die Mehrzahl der Russen keine panslawistische Haltung hatte. Den Arbeitern und Bauern waren die Balkanslawen relativ egal (irgendwo habe ich gelesen, dass der russische Bauer 1914 mit dem Begriff Slawe nichts hätte anfangen können). Die nichtrussischen Bevölkerungsteile, insbesondere die Polen, waren auch nicht panslawistisch. Damit hätten wir dann 90% der damaligen Bevölkerung Rußlands beisammen.
Panslawistisch waren (in Teilen) Adel und Bürgertum, die relativ kleine Führungsschicht, des damaligen Russlands.

Zu verteilen gab es nicht mehr viel, wenn man mal von dem portugisieschen und spanischen Besitz absieht.
Und dem belgischen, dänischen, holländischen, türkischen, chinesischen, persischen...
Wenn man alles, was noch nicht in der Hand von Großmächten war, als "zu verteilen" ansieht, gab es da reichlich genug.
 
Wer findet waren die Hauptschuldigen am 1.Weltkrieg?

@Osman61

Die Frage ist schwer beantwortbar. Ich könnte Dich jetzt auf Artikel 231 des Versailler Friendensvertrages und die anderen Pariser Vorortverträge verweisen; das wäre aber billig.

Dokument: Vertrag: Friedensvertrag von Versailles, 28.6.1919

Schau auch hier, da findest Du in dem Anmerkungsapparat viele Angaben.

http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/_Rainbow/documents/texteZZF/gkracht.pdf

Ich gehe in diesem Aufsatz mit einigen Ergebnissen nicht konform, was nichts heißen muß.

Aber der Anmerkungsapparat ist lege artis und einigermaßen umfassend.

M.

P.S.: "Schuld" und schon gar "Hauptschuld" ist eine philosophische und juristische Kategorie. Vllt. ist Deine Frage historisch überhaupt nicht beantwortbar.
 
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