1. weltkrieg - wieso erst frankreich dann russland und nicht umgedreht

pickanick

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Hey,

Das ist doch ein wenig dumm gewesen ? Die Deutschen , Österreicher, bulgaren und Türken grenzten doch alle an Russland und da Russlands Heer sowieso von den Großmächten zu den schwächsten gehörte hat hätte Russland nicht lange standgehalten . Die wären doch überrannt worden und st. Petersburg hätte man schnell erreicht. Danach hätte man das komplette Heer auf die westfront schicken können und Frankreic wäre ebenfalls gefallen .

Zumindest war das sinnvoller als der schlieffenplan indem die deutschen allein kämpfen mussten...

Gab es dafür nen speziellen Grund ?
 
Mal abgesehen davon, dass Bulgarien nicht an Russland grenzte, ist das Thema komplexer. Russland bestand nicht nur aus St. Petersburg. Die industrielle Basis und der Verkehrsknotenpunkt lagen mehr in Moskau und die Kornkammer in der heutigen Ukraine. Darüber hinaus ist das osmanische Reich erst im Oktober 1914, also später in den Krieg eingetreten. Dies war in der dortigen Regierung nicht unumstritten. Für die Planung eines Präventivschlages wäre es wohl nicht zu gewinnen gewesen.

Zum zweiten hätte die Gefahr bestanden, dass ein vollständig mobilisiertes Frankreich einer völlig im Osten gebundenen deutschen Armee gegenüber gestanden hätte und in jedem Fall in Elsaß-Lothringen einmarschiert wäre, wenn die Verteidigung Deutschlands nicht sogar vollständig überrannt worden wäre.

Zum dritten war die Österreichische Armee auch nicht unbedingt hilfreich, da sie zum Teil in Serbien gebunden war und zum anderen ethnisch sehr zersplittert war und auf die Kampfkraft ihrer slawischen Regimenter nicht unbedingt vertraut wurde.

Zum vierten erwiesen sich allein die Operationen in Polen mit 2 Armeen der Mittelächte als logistischer Alptraum. Die Versorgungslage war äußerst schwierig und Kommunikation nur sehr schleppend möglich. Diese Probleme hätten sich bei mehr Armeen im Bereich Polen/Baltikum sicher noch potenziert.

Dazu mussten die Deutschne niicht allein kämpfen, die Mehrheit der russischen Truppen an der Ostfront wurde bis 1915 von Österreich-Ungarn gebunden. Die Osmanen erwiesen sich als unfähig an der Kaukasusfront größere Erfolge zu erzielen, bis Russland zusammen brach und kassierten mehrere Niederlagen gegen Russland.
 
Das ist doch ein wenig dumm gewesen ? Die Deutschen , Österreicher, bulgaren und Türken grenzten doch alle an Russland und da Russlands Heer sowieso von den Großmächten zu den schwächsten gehörte hat hätte Russland nicht lange standgehalten . Die wären doch überrannt worden und st. Petersburg hätte man schnell erreicht. Danach hätte man das komplette Heer auf die westfront schicken können und Frankreic wäre ebenfalls gefallen

Ich vermute, dass die deutsche Heeresleitung in Frankreich den stärksten Gegner sah. Also galt es, zunächst den anzugreifen und auszuschalten. Bei einem Präventivschlag gegen Russland hätte die Gefahr gedroht, dass französische Verbände weit nach Deutschland hineingestoßen wären. Damit wäre eine Frontlinie in Deutschland entstanden.
 
@YoungArkas: Zustimmung zur Erklärung.

Und als Ergänzung, bei G. Ritter (Der Schlieffenplan. Kritik eines Mythos, 1956, S. 70) findet sich in Anlehnung an die Ausführungen von Schlieffen zu seinem letzten operativen Kriegsspiel in 1905 folgendes erklärendes Zitat:

"Wir gehen mit allen Kräften nach Frankreich, liefern dort eine Entscheidungsschlacht, die selbstverständlich zu unseren Gunsten ausfällt, und am Abend des [erfolgreichen] Schlachttages oder spätestens am nächsten Mogen stehen die Eisenbahnzüge bereit und die Sieger rollen nach dem Osten, ...., um eine Entscheidungsschlacht zur schlagen. In dieser Weise verlaufen Kriege heute nicht.....Wenn wir also nicht nach der Entscheidung [im Westen] dort Truppen wegziehen können, so müssen wir schon bei Beginn des Krieges die Russen zurückzutreiben suchen. "

Und Ritter kommentiert es folgendermaßen: "Wie sich das mit dem uns schon bekannten Plan Schlieffens von 1912 verträgt, bei Kriegsbeginn die deutschen Ostgrenzen völlig unverteidigt zu lassen, bleibt sein Geheimnis. "

Der Angriff im Westen war ein sehr hohes Wagnis, das zeitlich mit der Wegnahme von Liege als belgischen Eisenbahnknotenpunkt stand oder fiel, wie beispielsweise Van Evera in "The Cult of the Offensive ..." ausführt.

Die Konzentration auf den Westen war, entsprechend des "Kults der Offensive" auch nur der einzige realistische Weg - und der war bereits eher unrealistisch - für Moltke eine "siegreichen" Krieg zu führen. Ein Aspekt, der häufiger im Rahmen des Mythos des "Kurzen Krieges" im Forum diskutert wurde.

In diesem operativen Konflikt spiegelt sich dann auch bereits ein Problem wider, das Moltke antrieb, einen präventiven Krieg zu führen, wie bei Mombauers Studie zu Moltke auch deutlich wird. Die zunehmende Angst, aufgrund der abnehmenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, relativ zur Entente, den Rüstungswettlauf zu verlieren, wie bei Herrmann und Stevenson beschrieben.

D. Herrmann: The Armng of Europe and the Making of the First World War, 1996
D. Stevenson: Armaments and the Coming of War. 1996
 
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Ich vermute, dass die deutsche Heeresleitung in Frankreich den stärksten Gegner sah. Also galt es, zunächst den anzugreifen und auszuschalten. Bei einem Präventivschlag gegen Russland hätte die Gefahr gedroht, dass französische Verbände weit nach Deutschland hineingestoßen wären. Damit wäre eine Frontlinie in Deutschland entstanden.

Ich hab das so verstanden, dass Frankreich eher leicht/schnell zu besiegen wäre
und deswegen als erstes "dran glauben" müsste. Russland benötigt alleine
wegen seiner enormen Größe mehr Zeit. Außerdem vermute ich mal, dass
bei den Planungen in den Jahren vorher niemand mit England gerechnet hat.

Oder wurde England von den Generalen eingeplant?
 
Ich hab das so verstanden, dass Frankreich eher leicht/schnell zu besiegen wäre
und deswegen als erstes "dran glauben" müsste. Russland benötigt alleine
wegen seiner enormen Größe mehr Zeit. Außerdem vermute ich mal, dass
bei den Planungen in den Jahren vorher niemand mit England gerechnet hat.

Oder wurde England von den Generalen eingeplant?

Die Annahmen des Schlieffen-Plans beruhten darauf, dass GB wegen der Verletzung der Neutralität Belgiens nur mit geringen Kräften eingreifen würde.
 
Die Deutsche Heeresleitung nahm an, dass Russland länger braucht, um soweit zu mobilisieren, dass es eine Gefahr darstellt. Man konnte es sich also leisten, die Ostgrenze zunächst eher schwach zu verteidigen.
Man wollte Frankreich (das man als Hauptgegner sah und das schneller eine Gefahr darstellen konnte => eine schwach verteidigte Westgrenze, weil man mit allen Kräften Russland schlagen will, ist eine größere Gefahr, als umgekehrt) schnell besiegen, um sich dann Russland zuwenden zu können.
Ich bin mir nicht sicher, dass die OHL Deine Einschätzung bzgl der raschen Eroberung Petersburgs teilte ... und ... was dann? Napoleons Feldzug hatte doch gezeigt, dass ein Krieg gegen Russland mit der Eroberung einer Stadt nicht gewonnen war. Ich glaube, man hoffte auch darauf, dass Russland den Krieg wieder beendet, wenn der wichtigste Partner besiegt ist: Frankreich.
 
Mal abgesehen davon, dass in Russland die Strecken viel weiter waren, die Infrastruktur sehr viel schlechter, stelle man sich mal vor: Dtld. habe alle seine Kräfte gen Russland geworfen und während man irgendwo in den osteuropäischen Weiten feststeckte hätte Frankreich das Ruhrgebiet besetzt... Der Krieg wäre verloren gewesen.

Aus der Rückschau wäre das vielleicht tatsächlich besser gewesen, hätte sicherlich ein paar Millionen Menschen das Leben retten können.
 
Die Entwicklung der 1890er zum Schlieffenplan waren von dieser Erkenntnis geprägt, im Osten militärisch keine Entscheidung erzwingen zu können.
 
Ich vermute, dass die deutsche Heeresleitung in Frankreich den stärksten Gegner sah. Also galt es, zunächst den anzugreifen und auszuschalten. Bei einem Präventivschlag gegen Russland hätte die Gefahr gedroht, dass französische Verbände weit nach Deutschland hineingestoßen wären. Damit wäre eine Frontlinie in Deutschland entstanden.

Stimmt das Überhaupt hatten die Deutschen nicht mehr Angst vor der russischen Dampfwalze.

Stichwort 181 Millionen Menschen.
 
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Stimmt das Überhaupt hatten die Deutschen nicht mehr Angst vor der russischen Dampfwalze.
Ja schon, nur rechneten sie damit, dass es Wochen dauern würde, bis die Russen aus ihrem Riesenreich ihre Truppen gesammelt hätten und zum Angriff übergehen würden. Bis dahin hoffte man im Westen fertig zu sein und sich voll auf den Krieg gegen Russland konzentrieren zu können. Dementsprechend unangenehm überrascht war und nervös wurde man, als bereits in den ersten Kriegstagen russische Verbände in Ostpreußen gesichtet wurden.

Stichwort 181 Millionen Menschen.
Sicher? Meyers Großes Konversations-Lexikon gibt die Einwohnerzahl Russlands für 1897 mit "nur" 128 Mio. an. Ich bezweifle, dass die Bevölkerung bis 1914 so stark gewachsen ist.
 
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Zum anderen gab es und gibt es auch heute noch ein logistisches Problem zwischen West- und Mitteleuropa auf der einen Seite, und Russland auf der anderen. Die Russische Breitspur bei der Eisenbahn.
Sprich, wenn man nach Osten will muss man entweder die Waggons und Lokomotiven umspuren damit sie das Russische Eisenbahnnetz befahren können oder man hat eine immense Anzahl an rollendem Material auf Halde. Dann muss aber alles umgeladen werden an der übergabestelle Normalspur zur Breitspur.
Und wieder zurück das ganze falls man das Kriegstheater im Osten verlassen will und im Westen anzugreifen. Auch keine richtig gute Option.

Apvar
 
Ja schon, nur rechneten sie damit, dass es Wochen dauern würde, bis die Russen aus ihrem Riesenreich ihre Truppen gesammelt hätten und zum Angriff übergehen würden. Bis dahin hoffte man im Westen fertig zu sein und sich voll auf den Krieg gegen Russland konzentrieren zu können. Dementsprechend unangenehm überrascht war und nervös wurde man, als bereits in den ersten Kriegstagen russische Verbände in Ostpreußen gesichtet wurden.


Sicher? Meyers Großes Konversations-Lexikon gibt die Einwohnerzahl Russlands für 1897 mit "nur" 128 Mio. an. Ich bezweifle, dass die Bevölkerung bis 1914 so stark gewachsen ist.

Wikipedia sagt 181 Millionen Russisches Kaiserreich ? Wikipedia.

Eigentlich bestätigst du meine Meinung Frankreich sollte schnell besiegt werden und die Eroberung Russlands wurde als sehr schwierig gesehen.
 
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Und doch wurde Russland besiegt.

Na gut, aber es geht hier darum, warum die Angriffstaktik des Zweifrontenkrieges nicht durch eine andere Taktik ersetzt wurde, wie es tatsächlich zum tragen kam.
Das Ergebnis sollte dabei zweitrangig sein, sonst bekommen die Gedanken um die EF wieder den Beigeschmack der Auswertung der Zukunft. Vor 1914 war aber Gegenwart ... oder so ...:grübel:
 
Die gewaltige Tiefe des russischen Raumes, die der zaristischen Armee es gestattet mühe- und problemlos sich auch übe große Entfernungen zurückzuziehen, verbrannte erde zu hinterlassen, ließen ganz gewiss keinen schnellen Sieg, wenn überhaupt, erwarten. Und dann ist da noch die gigantische logistsche Aufgabe zu lösen. Schon der ältere Moltke vertra die Auffassung, das man Russland ein paar heftige Schläge versetzten kann, aber aufgrund der schieren Größe Russlands nicht zu besiegen sei. Das war sicher ein nicht zu verachtender Grund sich darüber hinaus auf den als militärisch stärker geltenden Gegner Frankreich zu stürzen.
 
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