150 Jahre Dogma der Immaculata

Rovere

Premiummitglied
Am 8. Dezember 1854 verkündete Papst Pius IX. das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariae, ein schon seit dem 10. Jhdt. gefeierter Kult wurde dadurch zum Bestandteil des katholischen Glaubens.
Warum bestätigte der Papst damals dieses Dogma? Er hat ja nix neues verkündet sondern einen schon längst geübten Brauch legitimiert.
Das Papsttum machte in dieser Zeit den wahrscheinlich fundamentalsten Wandel seiner Geschichte durch. Mitte des 19. Jhdt. ist der Papst mittelitalienischer Territorialherr und erster Notar Europas. Man anerkannt zwar das Primat des Bischofs von Rom, eine Regierung der Weltkirche wie wir es heute kennen gabs in Rom aber noch nicht. Man muß sich das ein wenig wie einen internationalen obersten Gerichtshof vorstellen an den irgendwann mal Streitigkeiten rangetragen werden dessen Entscheidungen aber nicht unbedingt befolgt werden (man denke an Kaiser Joseph II. - der hat sich um die Meinung eines Papstes nicht viel gekümmert obwohl er weiterhin gut katholisch blieb....)

Doch im 19. Jhdt. verändert sich die Rolle des Papstes grundlegend. Je mehr seine Macht über einen Staat schwindet - die Revolution 48 vertreibt ihn nach Gaeta, nur durch französische Truppen kann er nach Rom zurückkehren - deste stärker wird seine Autorität in der Führung der Gesamtkirche.
Und 1854 ist ein erster großer Schritt in diese Richtung. Die Aussage des Dogmas ist nicht weniger als dass erst die Bestätigung durch den Papst den geübten Brauch zum Glaubensbestandteil macht.
5 Jahre später ist Solferino geschlagen, das Königreich Italien bis auf Venetien und Latium vereint, 1866 geht auch Venedig an das junge Land, nur mehr Rom und seine Umgebung fehlen.
Pius IX. macht dann was interessantes. Er beruft ein Konzil ein, das erste seit 4 Jahrhunderten! Und das wesentliche Ergebnis ist das Unfehlbarkeitsdogma, dh. der Papst hat die letzte Autorität in theologischen Fragen - wenige Wochen nach der Verkündigung des Dogmas fällt Rom an Italien.

Und das ist das spannende dran, man glaubt die Päpste hätten schon immer diese Macht in der Kirche gehabt so wie sie es heute ist, doch bei genauerer Betrachtung ergibt sich dass erst die weltliche Herrschaft futsch sein mußte bevor die geistige begann - und heute vor 150 Jahren begann dieser Wandel!
 
Rovere schrieb:
Und das ist das spannende dran, man glaubt die Päpste hätten schon immer diese Macht in der Kirche gehabt so wie sie es heute ist, doch bei genauerer Betrachtung ergibt sich dass erst die weltliche Herrschaft futsch sein mußte bevor die geistige begann - und heute vor 150 Jahren begann dieser Wandel!
Das mit der "Macht der Päpste" siehst du richtig, diese Entwicklung hat indes nichts mit dem Dogma von 1854 zu tun.
Der Schock, der den "liberalen" Pius IX. "umdrehte" und zum "absolutistischen" Herrscher über die Kirche als geistliches Territorium werden liess, lag 1848; der Weg zum erzwungenen Dogma der Unfehlbarkeit führte über die Enzyklika "Quanta Cura" vom 8. Dezember 1864 mit dem gleichzeitig veröffentlichten "Syllabus Errorum".
Die innerkirchlichen Fehlentwicklungen, die natürlich auch politische Auswirkungen hatten - "Ultramontanismus" - wurden erst auf dem Vatikanum II (1962-65) korrigiert.
 
Mercy schrieb:
Das mit der "Macht der Päpste" siehst du richtig, diese Entwicklung hat indes nichts mit dem Dogma von 1854 zu tun.
Der Schock, der den "liberalen" Pius IX. "umdrehte" und zum "absolutistischen" Herrscher über die Kirche als geistliches Territorium werden liess, lag 1848; der Weg zum erzwungenen Dogma der Unfehlbarkeit führte über die Enzyklika "Quanta Cura" vom 8. Dezember 1864 mit dem gleichzeitig veröffentlichten "Syllabus Errorum".
Die innerkirchlichen Fehlentwicklungen, die natürlich auch politische Auswirkungen hatten - "Ultramontanismus" - wurden erst auf dem Vatikanum II (1962-65) korrigiert.
Vielleicht hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Der Inhalt des Dogmas - die unbefleckte Empfängnis - hat selbstverständlich nix mit dem neuen Machtanspruch der Päpste zu tun der sich von einer territorialen Herrschaft zu einer absolutistischen, geistigen Herrschaft entwickelte.
Und dass der Papst "ex cathedra" sozusagen einen längst geübten Brauch zum verbindlichen Dogma erhebt , quasi ein Probegalopp fürs Unfehlbarkeitsdogma, sehe ich schon als Etappe auf dem Weg zur neudefinierten Autorität des Hl. Stuhls.
 
Rovere schrieb:
Und dass der Papst "ex cathedra" sozusagen einen längst geübten Brauch zum verbindlichen Dogma erhebt , quasi ein Probegalopp fürs Unfehlbarkeitsdogma, sehe ich schon als Etappe auf dem Weg zur neudefinierten Autorität des Hl. Stuhls.
So "ex cathedra" war das nicht; es gab zuvor eine Rundfrage an mehr als 200 Bischöfe. Und Maria war modern, das hat Lourdes vier Jahre später fulminant bestätigt.
Selbst Ranke hat dieses Dogma nicht so wahrgenommen.
 
am Rande:

1857 entschied Pius, dass die Darstellung von männlichen Geschlechtsteilen innerhalb der Mauern der Vatikanstadt eine Lust auf die Menschen innerhalb dieser Mauern erzeugen könnte, woraufhin er eigenhändig mit Hammer und Meissel das steinerne Geschlechtsteil einer jeden Statue im Vatikan abschlug. Er beschädigte dadurch hunderte von Meisterwerken von Bernini, Bramante und Michelangelo. Die Zerstörungen an den Skulpturen werden auch heute noch mit Feigenblättern aus Gips kaschiert.

Feigenblatt
 
Pio Nono war eben eine Persönlichkeit die man nicht gerade als eindimensional bezeichnen konnte.....eins muß man ihm aber lassen - er hat es geschafft die Rolle der Kurie in der Kirche grundlegend umzumodelln und zu einer Macht auszubauen. Ob er dies wollte oder nicht doch eher Territorialfürst des Kirchenstaats und Ehrenpräsident einer italienischen Föderation (wie er es ja zu Beginn seines Pontifikats anstrebte) bleiben - dies sei dahin gestellt.
Ein Muß jedensfalls über diese Epoche ist das Werk Rom oder Tod von Gustav Seibt.
 
Rovere schrieb:
Pio Nono war eben eine Persönlichkeit die man nicht gerade als eindimensional bezeichnen konnte.....eins muß man ihm aber lassen - er hat es geschafft die Rolle der Kurie in der Kirche grundlegend umzumodelln und zu einer Macht auszubauen.
Bei der Länge des Pontifikats und in welchen Zeitläuften!
Mit der Seligsprechung zusammen mit seinem "Antipoden" wurde er jedenfalls ins Kurzgedächtnis der Zeitgenossen gerufen.
 
Mercy schrieb:
So "ex cathedra" war das nicht; es gab zuvor eine Rundfrage an mehr als 200 Bischöfe. Und Maria war modern, das hat Lourdes vier Jahre später fulminant bestätigt.
Selbst Ranke hat dieses Dogma nicht so wahrgenommen.
Es ist doch kein Widerspruch zwischen einer Ex cathedra - Verkündigung und einer vorherigen Konsultation - oder?
Welche Dogmen gingen 1854 eigentlich voran? Ich muss sagen ich bin da im Moment total blank welcher Papst vor Pio Nono ein Dogma erlies und wie das Procedere dazu war.
 
Rovere schrieb:
Es ist doch kein Widerspruch zwischen einer Ex cathedra - Verkündigung und einer vorherigen Konsultation - oder?
Welche Dogmen gingen 1854 eigentlich voran? Ich muss sagen ich bin da im Moment total blank welcher Papst vor Pio Nono ein Dogma erlies und wie das Procedere dazu war.
Dogmen eigentlich keine; es gab Konzilsentscheidungen, die einen "Streit" beendeten (oder sollten) und später dogmatisch genannt wurden.
Ex cathedra im Sinn von 1870 war nur 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme Marias durch Pius XII.
 
Zurück
Oben