30jähriger Krieg

Hallo!
Vor längerer Zeit habe ich mal auf irgendeinem Fernsehsender (welcher, weiß ich nimmer) einen Bericht über den 30- jährigen Krieg gesehen. Dabei wurde mehrmals erwähnt, daß es ein Tagebuch eines Söldners gäbe, in dem dieser über seinen ganz normalen Alltag zwischen Märschen, Kämpfen, täglicher Suche nach Nahrung und sämtlicher weiterer Begleitumstände eines absolut nicht erstrebenswerten Lebens als bezahlter Soldat in dieser Zeit berichtet.
Weiß vielleicht jemand Genaueres zu diesem Buch? Wenn ja- ist dieses irgednwo erhältlich?
 
ich bin grade dabei, mir die wallenstein-biografie von golo mann duchzulesen. interessanter mann und sicher eine ganz wichtige periode für deutschland und europa.

nur begeistern kann ich mich nicht an einer zeit, in der ein drittel der einwohner deutschlands elendig zugrundeging.

(und eine bitte an die mods: das thema vom zeitalter der entdeckungen in die glaubensspaltungsabteilung zu verschieben)


hast du die biographie mitlerweile durch??
und ist sie empfehlendwert?
 
Diese Antwort gilt Kleopatra_64, auch wenn ich vielleicht nicht gemeint war:

Die Wallenstein-Biographie von Golo Mann ist ein hervorragendes Buch, bis in's Detail recherchiert und umfassend, daher eben auch sehr lang. Der Stil des Autors ist (ich erlaube mir mal ein Urteil) sehr eigenwillig und etwas gewöhnungsbedürftig, aber amüsant zu lesen. Ich möchte behaupten, daß dies Buch, wenn nicht das beste, so doch eines der besten zum Thema Dreißigjähriger Krieg und Wallenstein ist.
 
Für das Reich und seine Territorien hat der Westphälische Frieden meiner Ansicht nach die allergrößte Bedeutung, denn er schreibt endgültig die Handlungsunfähigkeit der zentralen Reichsorgane fest und macht das Reich von den Garantien ausländischer Mächte abhängig, was sich später als wirkungslos erweisen sollte. Zwar wird heute immer wieder hervorgehoben, daß z.B. endlich ein dauerhafter Reichstag an einem festen Ort etabliert wurde, doch dieser Reichstag hatte nichts zu entscheiden..


Für Deutschland markierte der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede in der Tat einen tiefen Einschnitt und das Ende einer Epoche: Das "Heilige Römische Reich" versank in politische und militärische Ohnmacht und wurde von den aufsteigenden Territorien der machtbewussten Landesfürsten endgültig überflügelt. Der römische Kaiser übte nur noch eine schattenhafte Herrschaft aus, was Zeitgenossen dazu veranlasste, vom HRR als einem "lebenden Leichnam" zu spotten.

Die Friedensbestimmungen lockerten die Reichseinheit beträchtlich, da die Fürsten volle Landeshoheit erhielten und sogar Bündnisse mit ausländischen Mächten abschließen durften. Auch territorial erlitt das Reich schwere Einbußen: Schweden erhielt Vorpommern, das Erzbistum Bremen und das Bistum Verden als Reichslehen, Frankreich wurde im Besitz von Metz, Toul und Verdun bestätigt, die Niederlande und die Eidgenossenschaft schieden endgültig aus dem Reichsverband aus.

Durch die Kriegereignisse und den wirtschaftlichen Zusammenbruch, den Seuchen und Hungersnöte begleiteten, verlor Deutschland etwa 40% seiner Bevölkerung. In vielen Städten mordete der Krieg ein Drittel aller Einwohner dahin, auf dem Land mancherorts sogar die Hälfte. Die beträchtliche Entvölkerung weiter Reichsgebiete führte in der Zukunft zu gesellschaftlichen Um schichtungen und einem wirtschaftlichen Strukturwandel.

Wichtig waren immerhin die abschließenden Bestimmungen auf konfessionellem Gebiet, die für die Zukunft die Gefahr von innerdeutschen Religionskriegen bannten. So wurde der Augsburger Religionsfriede von 1555 bestätigt und auf die Calvinisten als dritte Konfession ausgedehnt. Gültig blieb auch der Grundsatz "Cuis regio, eius religio" (Wes das Land, des der Glaube) und dafür der Gebietsstand des Jahres 1624 für die Konfessionszugehörigkeit festgesetzt.

All das bedeutet freilich nicht, dass ganz Deutschland in Machtlosigkeit versank. Aus dem Heer der über dreihundert Territorien (exklusive der Reichsritterschaft) ragte der Vielvölkerstaat der Habsburger als Großmacht heraus, später gefolgt von Brandenburg-Preußen, das nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 ebenfalls zur europäischen Großmacht aufstieg.

Dennoch wäre die Geschichte Deutschlands wohl anders verlaufen, wenn es die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges nicht gegeben hätte, der politische Gewichte und gesellschaftliche Strukturen in Zentraleuropa so entscheidend verändert hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erlaube mir, zwei von Dieter angesprochene Punkte ein wenig zu differenzieren...

Verwendete Literatur: Georg Schmidt "Der Dreißigjährige Krieg" - C.H. Beck, München 1995, hier speziell das Kapitel V. 3. Der Westfälische Frieden

Die Friedensbestimmungen lockerten die Reichseinheit beträchtlich, da die Fürsten volle Landeshoheit erhielten und sogar Bündnisse mit ausländischen Mächten abschließen durften.

Schmidt schreibt dazu:
In Verbindung mit § 2 Art. VIII, der den Reichsständen das Bündnisrecht gewährte, ist daraus immer wieder geschlossen worden, daß diese zu "souveränen Staaten", "Völkerrechtssubjekten" und Bündnispartnern der europäischen Mächte geworden seien. Tatsächlich wurde ihnen aber nur ein Bündnisrecht unter sich und mit Auswärtigen zu ihrem eigenen Schutz und ihrer Sicherheit eingeräumt ("pro sua cuiusque conservatione et securitate"). Ausdrücklich verboten waren alle Bündnisse, die gegen den "Kaiser und Reich" geleisteten Treueeid verstießen. Der Reichs-Staat und der Zusammenhalt der deutschen Nation wurden dadurch keineswegs in Frage gestellt, selbst der Kaiser hatte keine Einwände.
Letztlich setzte das Reichsgrundgesetz Westfälischer Frieden nur das spätmittelalterliche Einigugsverbot, das der Kaiser im Prager Frieden (Friedensschluß vom 30. Mai 1635 zwischen Kaiser und Reichsständen während des Krieges - Anm. von mir) wiederbelebt hatte, außer Kraft. Das Bündnisrecht diente der Erhaltung und Festigung des territorialen Status quo und der Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1618...
Den Reichsständen lag nichts ferner, als auf eine Auflösung des Reichsverbandes hinzuarbeiten... Die Festschreibung des Status quo bedeutete sicherlich eine Optimierung der Landesherrschaft: Der territoriale Absolutismus ist mit dieser "Magna Charta der deutschen Landesfürsten" (Press) beschleunigt, nicht jedoch initiiert worden...



Wichtig waren immerhin die abschließenden Bestimmungen auf konfessionellem Gebiet, die für die Zukunft die Gefahr von innerdeutschen Religionskriegen bannten. So wurde der Augsburger Religionsfriede von 1555 bestätigt und auf die Calvinisten als dritte Konfession ausgedehnt. Gültig blieb auch der Grundsatz "Cuis regio, eius religio" (Wes das Land, des der Glaube) und dafür der Gebietsstand des Jahres 1624 für die Konfessionszugehörigkeit festgesetzt.

"Cuius regio, eius religio" galt so eben nicht mehr; hierzu führt Schmidt aus:
Das reformierte Bekenntnis (Calvinismus) erhielt faktisch den Status einer dritten "Reichskonfession". Die ihm angehängenden Stände wurden restituiert. Der 1. Januar 1624 galt als neuer Stichtag für den konfessionellen Besitzstand - ein Datum nach dem Sieg des Kaisers über die böhmisch-pfälzischen Stände, aber noch vor dem Übergreifen des kaiserlich-katholischen Systems nach Norddeeutschland. Das "ius reformandi" der Reichsstände blieb zwar unangetastet, besaß aber nicht mehr die früheren Konsequenzen: Ein neuer oder ein konvertierter Fürst durfte seinen Landesuntertanen seine Konfession nicht mehr aufzwingen. Für die Kurpfalz galt 1618 als Normaljahr, da Kurfürst Karl Ludwig (1617-1680), der restituierte Sohn Friedrichs V., ansonsten ein katholisches Land hätte übernehmen müssen.
...
Die "willkürlichen" Konfessionswechsel eines ganzen Landes gehörten nun der Vergangenheit an. Nicht nur in den Städten, auch in den Territorialstaaten lebten Angehörige unterschiedlicher Bekenntnisse friedlich nebeneinander. Ihre Rechte waren exakt abgestuft. Für die Landeskonfession galt das "exercitium publicum religionis" mit Kirchen, Glocken etc. Bestand schon vor 1624 eine weitere (Neben-)Konfession, durfte diese in einem Bethaus mit privaten Predigern ausgeübt werden. Die "devotio domestica" garantierte hingegen lediglich das Recht, dem eigenen Glauben gemäß zu leben und nicht am Gottesdienst der anderen Konfession teilnehmen zu müssen. Sie sollten mit Nachsicht geduldet, konnten aber ausgewiesen werden. Den Emigranten durften jedoch Zeugnisse ihrer Geburt und freien Abkunft, ihres erlernten Berufs und unbescholtenen Lebenswandels nicht verweigert werden. Ungwöhnliche Reverse oder hohe Abzugsgebühren waren ebenso untersagt wie obrigkeitliche Eingriffe in das Vermögen... Diese Garantien von der konfessionellen Duldung bis zur Vermögens- und eingeschränkten Bewegungsfreiheit zeigen, daß die alte Wertvorstellung "deutsche Freiheit" nicht nur in Gestalt verbriefter reichsständischer Rechte, sondern auch im überständischen Sinn 1648 eine normative Basis erhielt. Den Erblanden (habsburgisches Gebiet; lediglich für Schlesien existierte eine eigenständige Toleranzvereinbarung - Anm. von mir) blieben diese Regelungen ausdrücklich vorenthalten: Dort herrschte das "ius reformandi" in seiner traditionellen Form und damit die Gegenreformation (der Ausschluß von dieser Regelung galt übrigens auch für die Oberpfalz, welche nach dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg zu Bayern gekommen war - Anm. von mir)...
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Timotheus
Sehr richtig, ich würde sogar soweit gehen, dass diese neue Macht des Mehrkonfessionalismus, den Ständen in die Hände arbeitete. So sah es zumindest in der Pfalz und in Staaten aus, welche leicht in den Einfluss anderer Mittelstaaten gelangen konnten. (Vergl. http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=12673 ! Diese Systematik sehe ich schon u.a. im 1648er Frieden begründet.)
Jedenfalls sind diese feinen Unterschiede sehr wichtig und die Diferenzierung wird mit der neueren Forschung zur Reichsgeschichte eigentlich noch vertieft und wird noch weiter von dem einfachen Bild abweichen, welches Dieter liefert und durchaus noch in nicht kleinen Kreisen vertreten ist.
 
Jedenfalls sind diese feinen Unterschiede sehr wichtig und die Diferenzierung wird mit der neueren Forschung zur Reichsgeschichte eigentlich noch vertieft und wird noch weiter von dem einfachen Bild abweichen, welches Dieter liefert und durchaus noch in nicht kleinen Kreisen vertreten ist.


Ich hatte nicht die Absicht, mit meinem Beitrag eine ausführliche wissenschaftliche Analyse zu liefern, sondern wollte lediglich einige zentrale Leitlinien verdeutlichen. Dass man die Artikel des Friedensvertrags erheblich detaillierter interpretieren kann, steht natürlich außer Zweifel.

Außer Zweifel steht aber auch, dass die Reichsstände völlige Koalitionsfreiheit erhielten, wobei die Einschränkung, dass sich Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich richten durften, eher als Augenwischerei zu betrachten ist. Dagegen wurde in der Zukunft mehrfach verstoßen, ohne dass dies gerügt oder gar geahndet wurde, bzw. geahndet werden konnte. Diesbezügliche Reichsexekutionen glichen eher Lachnummern.

Die Kernaussage bleibt, dass die Territorien nach dem Friedensschluss das Heilige Römische Reich endgültig überflügelten, das nur noch ein Schattendasein führte. Dass der Prozess der Territorialisierung Jahrhunderte zuvor eingesetzt hatte und stetig mächtiger geworden war, ist eine bekannte Tatsache. Dennoch haben die diesbezüglichen Vertragsbestimmungen, die einen finalen Schub bedeuteten, nochmals eine besondere Qualität.

Zu erwähnen ist, dass die internationale Garantie der Verträge den ausländischen Vertragspartnern unter Berufung auf den Frieden massive Eingriffsmöglichkeiten in die deutsche Politik eröffnete. Das Reich war nach den Verträgen staatsrechtlich schwer zu umschreiben und glich nach Ansicht des bedeutenden Staatsrechtlers Samuel Pufendorf (1632-1694) einem Monstrum.
 
@ Dieter
Schon in Ordnung, das führt hier zu weit weg, dass Pufendorf ein ganz extremer Kritiker des Reiches war, sollten wir nicht vergessen. Aber das hat ja eher etwas mit den Auswirkungen des Krieges zu tun und weniger mit ihm selbst auch wenn 30-jähriger Krieg und das Reich ganz eng miteinander verbunden sind.:winke:
(Vielleicht können wir einmal über die Entwicklung des Reiches im 17. und 18.Jh. diskutieren, wobei der Span. Erbfolgekrieg sicherlich eine Art Zäsur darstellt, also würde ich das in zwei Threads gliedern und somit gleich viele Fragen im Fragen & Antworten-Bereich im vorhinein klären können, weil das Reich dieser Periode zwar im Lehrplan kaum Platz hat, aber für das Verständnis der Zeit unabdinglich ist.)
 
Zu Timotheus Zitat asu Schmidt bezüglich des Bündnisrechtes der Reichsstände:
Schmidt argumentiert hier meines Erachtens nach verfassungsrechtlich zu eng. Der Westphälische Friede legitimierte reichsrechtlich ein politisches Verhalten der Reichsfürsten, daß sich bereits seit dem 16. Jahrhundert entwickelt hatte und im Dreißigjährigen Krieg ausuferte. Man denke an die vielfältigen Bündnisse diverser Fürsten gegen den Kaiser mit Frankreich und Schweden. Verfassungsrechtlich könnte man hier sogar eine Eindämmung solcher Verhältnisse erblicken. Realpolitisch sind die Regelungen des Westphälischen Friedens jedoch eine Kapitulation vor den tatsächlichen Verhältnissen und werden werden von der weiteren Entwicklung ad absurdum geführt: Spätestens seit dem Spanischen Erbfolgekrieg handeln die größeren Reichsfürsten als Repräsentanten souveräner Staaten und werden vom Kaiser politisch auch als solche behandelt, lediglich die kleineren Territorien vor allem im schwäbischen Kreis lehnen sich noch an das Reich an, dessen Institutionen mit regelmäßiger Sicherheit versagen.
 
lediglich die kleineren Territorien vor allem im schwäbischen Kreis lehnen sich noch an das Reich an, dessen Institutionen mit regelmäßiger Sicherheit versagen.
Das ist für mich einer der wichtigsten Punkte. Es gab eben Gegenden, für welche das Reich noch sehr wichtig war. Intakte Reichskreise gab es vor allem noch im Westen (eigentlich widersinnig, denn am nächsten zum erklärten Reichsfeind), wozu ich auch die geistlichen Kurfüsten bspw. zählen würde, die immerhin noch zu den Krönungen persönlich erschienen. Darüber hinaus war das Reich noch für die vielen kleineren Reichsstände (Reichsstädte und -ritter, geistliche Fürstentümer überhaupt) relevant, was sogar in Norddeutschland noch erstaunlichen politischen Zündstoff besorgte.

Wir argumentieren aus unserer Sicht heraus, weil wir die Weiterführung bis 1806 kennen und vor allem die Auflösung des Reiches. Wenn Du schon bis zu den Konsequenzen des 18.Jh. weiterführst, darfst Du aber auch nicht unterschlagen, dass in Preußen einfach Widersacher erwuchsen, von ganz anderem Format und dass gerade das Reich bis 1765 im 18.Jh. nicht gerade mit Kaisern versehen war, die in der Lage gewesen wären, es zu restaurieren.
 
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