"Ahnenschwund"

H

hyokkose

Gast
In der Hoffnung, zu dieser Frage kompetente Hilfe (ich denke da z. B. an deSilva...), möchte ich zu diesem Thema eine Frage anhand eines konkreten Beispiels formulieren:

Ich habe die Ahnentafel einer deutschen Bauernfamilie vor mir (alle Mitglieder sind samt und sonders Bauern), der ich folgendes entnehme:
Die Eltern sind um 1865 geboren; die Ahnentafel reicht zurück bis zu den Ur-Urgroßeltern, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts geboren sind. Pro Generation ergeben sich im Durchschnitt ca. 27,5 Jahre.
Die Partner stammen überwiegend aus dem Dorf und seinen Nachbardörfern, selten darüber hinaus. Der Radius vergrößert sich allerdings von Generation zu Generation, da die Ahnen aus den Nachbardörfern wiederum von Ahnen aus noch weiter entfernten Nachbardörfen abstammen. Während Eltern und Großeltern noch aus einem Radius von ca. 5 km stammen, hat sich der Radius in der Ururgroßelterngeneration auf ca. 15 km vergrößert (als "Ausreißer" kann eine Ururgroßmutter gelten, die aus einem fast 25 km entfernten Dorf stammt). Im 19. Jahrhundert bestand zwischen den in der Ahnentafel aufgeführten Dörfern keine Bahnverbindung.
Da es zu Ehe zwischen Verwandten gekommen ist, besteht die Ururgroßelterngeneration aus 14 (statt 16) Ahnen.

Ich nehme an, das Beispiel darf als repräsentativ für eine deutsche Bauernfamilie in vorindustrieller Zeit gelten.

Meine Frage ist: Wie läßt sich der sogenannte "Ahnenschwund" auf weiter zurückliegende Generationen hochrechnen?
Ich gehe davon aus, daß Ehen zwischen relativ nahen Verwandten ähnlich selten sind wie im genannten Beispiel, Ehen zwischen immer entfernteren Verwandten jedoch von Generation zu Generation häufiger werden. Eine Situation, die irgendwann zur "Inzucht" zwingt (wie in einem Hochgebirgstal oder auf einer Insel) ist nicht gegeben, die nächsten geographischen Barrieren sind mehrere hundert Kilometer entfernt. Die Konfessionsgrenzen (die in Deutschland vom 16. bis ins 20. Jahrhundert freilich eine bedeutende Rolle spielten) können einstweilen ignoriert werden.

Wie viele Ahnen sind nach 5, 6, 7... Generationen zu erwarten? Ab welcher Generation wird der Ahnenzuwachs im Verhältnis zur nachfolgenden so gering, daß er praktisch vernachlässigbar ist?
 
Gute Frage.

Bei meinen eigenen Forschungen habe ich festgestellt, dass es eine rein rechnerische Ableitung meist gar nicht geben kann, weil es immer wieder zu Verwandtenhochzeiten (oder besser gesagt: zu Hochzeiten von 2 Personen, die gemeinsame Vorfahren haben) gekommen ist.

Gerade dann, wenn die Menschen wie in Deinem Beispiel aus einem räumlich umgrenzten ruralen Umfeld stammen, aber auch wenn es sich um Angehörige einer bestimmten städtischen Schicht (z.B. Patriziat) handelt, die zumeist "unter sich" geblieben sind - auch bei den Heiraten.

Ein Rekord in meiner Ahnenliste ist ein Vorfahr, der gleich 6 verschiedene Kekulé-Nummern auf sich vereint und zwei Generationen angehört. Je weiter man zurückgeht, desto ausgeprägter werden solche Fälle. Vorfahren, die vor 1000 oder gar 2000 Jahren gelebt haben, dürften hunderte, wenn nicht tausende von Kekulé-Nummern auf sich vereinen. Ahnenschwund pur!

Da es jedoch kaum jemanden gibt, der seine Ahnentafel so weit zurückreichend hat, fällt dieses Phänomen auch nicht so sehr auf.
 
Gute Frage.

Bei meinen eigenen Forschungen habe ich festgestellt, dass es eine rein rechnerische Ableitung meist gar nicht geben kann, weil es immer wieder zu Verwandtenhochzeiten (oder besser gesagt: zu Hochzeiten von 2 Personen, die gemeinsame Vorfahren haben) gekommen ist.

Natürlich kann ich den "Ahnenschwund" in einer konkreten Familie nie vorausberechnen, mir geht es um einen realistischen Mittelwert. Daß es sich hier nicht um eine simple Multiplikationsrechnung handeln kann, ist mir schon klar, daher bin ich auf der Suche nach kompetenter Hilfe.

Gerade dann, wenn die Menschen wie in Deinem Beispiel aus einem räumlich umgrenzten ruralen Umfeld stammen, aber auch wenn es sich um Angehörige einer bestimmten städtischen Schicht (z.B. Patriziat) handelt, die zumeist "unter sich" geblieben sind - auch bei den Heiraten.
Daher setze ich Mitglieder einer breiten Bevölkerungsschicht (Bauern) voraus. Das Umfeld ist wohl innerhalb einer Generation räumlich "umgrenzt", doch verschieben sich die Grenzen der gesamten Ahnentafel von Generation zu Generation weiter. Man könnte natürlich mit einkalkulieren, daß nach ca. 500 km eine natürliche Grenze (Küste, Hochgebirge) erreicht wird, doch wäre dies im vorliegenden Beispiel erst nach 100 Generationen der Fall.

Bei der Beschäftigung mit Handwerkerfamilien konnte ich feststellen, daß der Radius hier häufig sehr viel sprunghafter ansteigt, da Handwerksgesellen auf Wanderschaft zu gehen pflegten und nicht selten in relativ weit entfernte Betriebe einheirateten. Doch mich interessiert hier eher eine Rechnung für die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit.
 
In

Wie viele Ahnen sind nach 5, 6, 7... Generationen zu erwarten? Ab welcher Generation wird der Ahnenzuwachs im Verhältnis zur nachfolgenden so gering, daß er praktisch vernachlässigbar ist?


Da kursieren unter Genealogen verschiedene Formeln und Rechenmodelle, die aber natürlich allesamt wieder umstritten sind.
Wenn sich sonst keiner meldet, werde ich heute abend mal nachschauen.
(meine aktiven Ahnenforschungen liegen etliche Jahrzehnte zurück, deshlb nicht sofort parat)
 
Wie schon die Vorredner ausführten gibt es bei dieser Fragestellung viele Unwägbarkeiten:
(1) Es hängt immer von der absoluten Größe des Heiratspools ab; hierbei spielen - wie auch schon erwähnt - geografische, aber auch kulturelle (Religion, Sozialschicht, wirtschaftliche ("...ich will mich reich beweiben hier in Padua") Aspekte eine Rolle)
(2) Wie Hyok schon angedeutet hat, verschiebt sich dieser "Pool" aber mit der Zeit. Kommt die Mutter aus dem Westen und der Vater aus dem Osten, und die väterliche Großeltern noch weiter aus dem Osten und die mütterlichen noch weiter aus dem Westen, dann wird kaum ein Ahnenschwund aus geografischen Gründen vorliegen.
(3) Heiraten ist auch eine Sache der Gelegenheiten und der Neigungen. Cousinenheiraten sind eine sehr "naheliegende" Angelegenheit. Übliche Sympathiekriterien (Ähnlichkeit mit der Mutter, dem Vater) ergeben jedenfalls eine Tendenz...
(4) Eine Modellbildung vereinfacht meist unter Zuhilfenahme zufälliger Gleichverteilungen und einer strikten Generationentrennung. Das einfachste Modell (A):
Heiraten eines zufälligen Partners innerhalb eines konstant großen "Pools" der Größe 2*N. In jeder Generation kommt es zu N Heiraten mit einem zufälligen Partner.

Eine Simulation ist relativ simpel, aber das Programm wird doch etwas länglich, weil alle Generationen mit zu berücksichtigen sind, also nicht nur Geschwister, Cousinen und Groß-Cousinen-Heiraten. Wird heute möglicherweise nichts mehr.

Model (B): Regionale Diffusion: Das Gebiet des aktiven Heiratspools (in dem eine zufällige Partnerwahl erfolgt) wird regional begrenzt durch die N benachbartesten Partner. Dieses Modell ist bedeutend realistischer, weil es bei Wahl eines kleinen N die genannten lokalen Effekte berücksichtigt, ohne dass es zu einer engen Isolation kommt. Die Gesamtbevölkerung kann deshalb beliebig groß gewählt werden; nur der "Nachbarschaftsparameter" N bestimmt die Inzuchtstärke. Ich glaube aber nicht, das ich sehr große Modelle rechnen kann mit meinem Programm....

Man kann jetzt fragen, inwieweit diese "Nachbarschaftsgröße" ein besseres Maß als der "Ahnenschwund" ist? Ist es nicht! Aber man hat möglicherweise ein besseres Gefühl für die Abschätzung dieser Nachbarschaft als für den etwas abstrakten "Ahnenschwund".
Auf der anderen Seite würde man bei genealogisch bekanntem Ahnenschwund auf die ungefähre Größe der potenziellen "Heiratsgruppe" schließen können.
 
Gerade in Großfamilien sind arrangierte Verwandtenehen (Cousin-Cousine) eher die Regel als die Ausnahme gewesen, blieb doch so der Besitz in der Sippe.

Das ist in traditionellen Familien mit Migrationshintergrund bekanntlich auch heute noch oft üblich.
 
Wie schon die Vorredner ausführten gibt es bei dieser Fragestellung viele Unwägbarkeiten:
(1) Es hängt immer von der absoluten Größe des Heiratspools ab; hierbei spielen - wie auch schon erwähnt - geografische, aber auch kulturelle (Religion, Sozialschicht, wirtschaftliche ("...ich will mich reich beweiben hier in Padua") Aspekte eine Rolle)

Die Sozialschicht habe ich doch bereits festgelegt. Was die absolute Größe des Heiratspools betrifft, lassen sich realistische Schätzungen vornehmen:

Die Durchschnittsgröße eines Dorfes (bzw. Kirchspiels) wird man in ländlichen Gegenden nicht über 400 Einwohner ansetzen. Man kann von vier Heiraten pro Jahr ausgehen. Der Altersunterschied beträgt im Durchschnitt eher weniger als fünf Jahre, so daß pro Dorf und Generation mit einem Pool von 40 Heiratswilligen beiderlei Geschlechts zu rechnen ist. Rechnen wir jeweils drei Nachbardörfer hinzu, wären wir bei insgesamt 80 Weiblein + 80 Männlein.

(3) Heiraten ist auch eine Sache der Gelegenheiten und der Neigungen. Cousinenheiraten sind eine sehr "naheliegende" Angelegenheit. Übliche Sympathiekriterien (Ähnlichkeit mit der Mutter, dem Vater) ergeben jedenfalls eine Tendenz...

Gegen Heiraten zwischen Cousins und Vettern 1. Grades gibt es andererseits gewisse kulturelle Vorbehalte. Zumindest nach römisch-katholischem Recht ist hier eine Dispens erforderlich: Inzest ? Wikipedia
 
@hyo: Das dürfte allerdings eher für Migranten aus islamischen Ländern zutreffen.
Richtig, ich wollte es nur nicht explizit erwähnen. Es weiß auch so jeder, was ich meinte. Aber in früheren Zeit spielte auch in deutschen Bauernfamilien die Großfamilie eine ähnliche Rolle. Das ganze Dorf war irgendwie miteinander verwandt und auf Hochzeiten ging es entsprechend hoch her.

Ich denke an die Insel Hiddensee, die ich von früher gut kenne, als man noch an Winterabenden mit der Taschenlampe in die Kneipe gehen musste. Es gibt vielleicht ein halbes Dutzend echte (alteingesessene) Insulanerfamiliennamen (Schluck, Gau, Schlieker, Thürke, Witt fallen mir spontan ein). Ein Gang über den Kirchhof bringt es an den Tag: Schluck geb. Gau; Gau geb. Schluck usw.).

Ähnliches erlebte ich als Student an der unteren Havel zwischen Rathenow und Havelberg. Die Bewohner der Dörfer an beiden Flussseiten (Brandenburg/Sachsen-Anhalt) sprechen anders und haben nix miteinander zu schaffen (Es gab und gibt keine Brücke.). Geheiratet wurde bis in unsere Zeit nur jeweils untereinander. Auch heute noch eine sehr abgelegene Gegend und ein sehr eigener, bodenständiger Menschenschlag. Wessis, die sich dort in die schöne Landschaft einkaufen wollten, hat man der Forke vom Hof gejagt.
 
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Richtig, ich wollte es nur nicht explizit erwähnen. Es weiß auch so jeder, was ich meinte. Aber in früheren Zeit spielte auch in deutschen Bauernfamilien die Großfamilie eine ähnliche Rolle. Das ganze Dorf war irgendwie miteinander verwandt und auf Hochzeiten ging es entsprechend hoch her.

Mir ging es allerdings um (mittel-)europäische Verhältnisse; in anderen Kulturen sieht es wieder anders aus. Ein Extrembeispiel in die andere Richtung stellt Korea dar; hier sind oder waren bis vor kurzem m. W. Ehen zwischen Verwandten 8. Grades (!) gesetzlich verboten. Es ist noch gar nicht so lange her, daß Eheschließungen zwischen Personen mit demselben Familiennamen verboten waren (in Korea gibt es kaum mehr als 200 Familiennamen), das hieß de facto, daß Personen, die irgendwann im Mittelalter einen gemeinsamen (nachweislichen oder vermuteten) Urahnen in rein männlicher Linie hatten, nicht heiraten durften.


Ich denke an die Insel Hiddensee, die ich von früher gut kenne, als man noch an Winterabenden mit der Taschenlampe in die Kneipe gehen musste. Es gibt vielleicht ein halbes Dutzend echte (alteingesessene) Insulanerfamiliennamen (Schluck, Gau, Schlieker, Thürke, Witt fallen mir spontan ein). Ein Gang über den Kirchhof bringt es an den Tag: Schluck geb. Gau; Gau geb. Schluck usw.).
Daß bei einer Insellage (für Hochgebirgstäler gilt dasselbe) die Zahl der Familiennamen sehr überschaubar bleibt, hatte ich schon angesprochen. Auf dem "flachen Land" hat man auf Friedhöfen oft denselben Eindruck, doch der Eindruck kann täuschen. Beim Durchblättern alter Kirchenbücher ist mir oft aufgefallen, daß z. B. um 1700 manche Familiennamen recht häufig sind, die dann um 1850 bereits ausgestorben sind. Daneben gibt es auch Familiennamen, die sich kontinuierlich über die Jahrhunderte halten, doch eine gewisse Fluktuation ist immer da.
 
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(2) Wie Hyok schon angedeutet hat, verschiebt sich dieser "Pool" aber mit der Zeit. Kommt die Mutter aus dem Westen und der Vater aus dem Osten, und die väterliche Großeltern noch weiter aus dem Osten und die mütterlichen noch weiter aus dem Westen, dann wird kaum ein Ahnenschwund aus geografischen Gründen vorliegen.
Es kann aber ebensogut sein, dass in der nächsten Generation wieder in das Gebiet der Großeltern zurückgekehrt wird.
Model (B): Regionale Diffusion: Das Gebiet des aktiven Heiratspools (in dem eine zufällige Partnerwahl erfolgt) wird regional begrenzt durch die N benachbartesten Partner. Dieses Modell ist bedeutend realistischer, weil es bei Wahl eines kleinen N die genannten lokalen Effekte berücksichtigt, ohne dass es zu einer engen Isolation kommt. Die Gesamtbevölkerung kann deshalb beliebig groß gewählt werden; nur der "Nachbarschaftsparameter" N bestimmt die Inzuchtstärke. Ich glaube aber nicht, das ich sehr große Modelle rechnen kann mit meinem Programm....
Müsste in diesem Falle nicht sogar eine Art Karte im Programm liegen, auf der jeweils die Ahnen verortet werden und durch Zufallsgenerator in ein benachbartes Örtchen wechseln, so dass man mit jeder Generation zurück eine größere Streuung erreicht? Oder wäre das in dem beschriebenen Modell praktisch schon bedacht, dass sich die Linien entfernen oder wieder nähern könnten?
 
Es funktioniert so ähnliche wie eine "Brown'sche Bewegung": richtungslos. Im Prinzip sind das auch die klassischen Modelle zur Epidemieausbreitung.

Man kann das - wie moderne Epidemieausbreitungskonzepte - auch mit "zufälligen Fernwirkungen" versehen, also etwa Flugreisen, oder im MA - wie oben schon gesagt - Wandergesellen...
Da solche Modelle viele "Agenten" enthalten, werden solche Globalsimulationen schnell schwerfällig, gerade wenn man Frameworks einsetzt, wie das schon genannte "NetLogo". Ersatzweise kann man einen ad hoc Zustrom "frischen Blutes" (Zuwanderer) in eine lokale Population einbauen, wodurch die potenzielle Anzahl von Ahnen wieder ansteigt; die Größenordnung hierfür muss man dann ausprobieren :)

Eine Welt aus vernetzten lokalen Populationen ist wahrscheinlich die beste Näherung: Im Gleichgewicht ist die Wechselwirkung zwischen allen Zentren gleich, und da alle lokalen Heiratsmärkte gleich sind, braucht man auch nur einen zu simulieren.

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Meine Schwierigkeit liegt im Moment noch darin, die Anzahl Vorfahren aus dem Generationengitter abzuzählen - das stimmt alles vorne und hinten nicht :)
 
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Beim Durchblättern alter Kirchenbücher ist mir oft aufgefallen, daß z. B. um 1700 manche Familiennamen recht häufig sind, die dann um 1850 bereits ausgestorben sind. Daneben gibt es auch Familiennamen, die sich kontinuierlich über die Jahrhunderte halten, doch eine gewisse Fluktuation ist immer da.
Das ist genau in dem anderen Thread ("Aussterben von Familiennamen") problematisiert worden. Das ist ein häufiger Effekt, auch der biologischen Evolution. Auch am frühen Abend mit einem Berg gewonnener Chips am Roulett-Tisch zu sitzen schützt nicht davor, später mit leeren Taschen dazustehen :)
 
Habe soeben mit einem kompetenten Fachmann (etliche Veröffentlichungen im Bereich) gesprochen, es würde nichts vernünftiges geben.
Alle Versuche bisher wären bereits beim ersten spätestens 2."Life-Versuch" gescheitert.

Was ich irgend wo noch wusste ... Makulatur. Sorry



Er hat ein Ortssippenbuch über ein 350 Seelendorf erarbeitet. Evangelisch, Altwürttembergisch mitten im kath. Oberschwaben.
Verwandtschaftsehen nahe Null!
Die konfessionellen Mauern ringsum waren höher als der Montblanc, da ging nichts mit ins Nachbardorf heiraten. Die nächstgelegenen ev. Orte waren Ulm, Reutlingen, Ebingen wo sie sich ihre Frauen/Männer holten, der Geburtenüberschuss ist ständig weggezogen.
Also genau das Gegenteil des zu erwartenden.

Mögl. Erklärung: In der Landwirtschaft war des "Wissen, dass aus den Verwandtschaftsehen nicht Gutes entsteht" permanent vorhanden.
Mit der Viehzucht hatten sie das Anschaungsmaterial ja direkt präsent.
 
Habe soeben mit einem kompetenten Fachmann (etliche Veröffentlichungen im Bereich) gesprochen, es würde nichts vernünftiges geben.
Ah,aber ich komme voran:)
Zuerst mal das Modell A: Zufällige Heiraten innerhalb einer konstanten Population. Strikte Einhaltung der Generationen; Vater und Mutter werden durch Tochter und Sohn ersetzt. Kein Wachstum.

Bevölkerungsgröße N Männer und N Frauen.
Zwangsweise sind die Meisten nach etwa G = ld 2*N Generationen mit allen Urahnen verwand. In den folgenden Generationen kommen keine Ahnen mehr dazu.

Simulationsergebnisse in der Anlage; es sind die erwarteten "logistischen" Kurven.

Ich habe nun den Ahnenschwund von Maria Theresia hinzugefügt. Es sieht etwa so aus, dass die Habsburger innerhalb eines Pools von etwa 60 Prinzen und 60 Prinzessinnen geheiratet hätten. Abweichungen von der Idealkurve können ihre Ursache haben in:
- Vermeidung von Cousinenheiraten
- Mehr als 2 überlebende Kinder
- Einheirat eines genetisch Fremden

Ein etwas komplexeres Modell ("Frischblutzufuhr") ist in Arbeit.
 

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@deSilva: Ah,aber ich komme voran:)
Und ich kann dich nicht bebommeln. Ich hatte zwar mit GIS zu tun, an NetLogo habe ich mich bis dato nicht getraut.

Vielleicht könntest du trotzdem mal die verwendeten Algorithmen hier reinstellen oder mir per PN übermitteln.
 
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Vor zehn Jahren kamen mal wieder "Multi-Agenten" Konzepte in die diskrete Simulationslandschaft. Multi-Agenten-Simulation ? Wikipedia
Solche Konzepte erlauben im Prinzip eine massive Parallelisierung und passen gut in die heutige Supercomputerscene.

Für den "Hausgebrauch" entstanden auch einige Entwicklungssysteme, die aber in erster Linie eine hohe "didaktische" Qualität haben. D.h. sie sind zum Lernen und verstehen gemacht und nicht auf Hochleistung getrimmt. Das ist ein großes Ärgernis für realitätsnahe Anwendungen...

Zwei sehr bekannte Entwicklungssysteme sind NetLogo und StarLogo TNG
NetLogo Home Page
StarLogo TNG

Ich stehe dem verspielten StarLogo etwas reserviert gegenüber.
NetLogo hat eine einigermaßen verständliche Programmiersprache (LOGO- bzw LISP-ähnlich), die gut dokumentiert ist,mit einer Riesenfülle von Beispielen und Demos. Es gibt ebenfalls Browser-PlugIns, so dass man NetLogo Modelle auch ins Web stellen kann.
Die Programmiersprache ist aber gewöhnungsbedürftig,wenn man bisher nur BASIC, C oder JavaScript gesehen hat...
Positiv ist, dass man mit wenig Aufwand sehr schnell kleine und einfache Simulationen programmieren kann, die "nett" aussehen.
Negativ ist die nicht gerade üppige Performance und sehr einfache Präsentationsmittel, die etwas puristisch wirken.

Wenn man nicht ein erfahrener Programmierer ist (und möglichst auch schon mal LISP gesehen hat!) dann würde ich nicht direkt sagen: Download und Los! Da wäre nur der Frust vorprogrammiert....

Alles ist natürlich nur in Englisch; mWn gibt es keine größere deutsche Szene.

Ich habe vor längerer Zeit mal eine Anwendung in der Archäologie gesehen: Eine Simulation der Bodennutzung im amerikanischen Südwesten durch die Anasazi. Man hat solange die Weide-, Abholz- und Grundwasserparameter verändert, bis sie endlich ausstarben :)

MASON Multiagent Simulation Toolkit
ist ein anderes interessantes Framework auf Java-Basis.
 
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Ah,aber ich komme voran:)
Zuerst mal das Modell A: Zufällige Heiraten innerhalb einer konstanten Population. Strikte Einhaltung der Generationen; Vater und Mutter werden durch Tochter und Sohn ersetzt. Kein Wachstum.


Ich habe nun den Ahnenschwund von Maria Theresia hinzugefügt. Es sieht etwa so aus, dass die Habsburger innerhalb eines Pools von etwa 60 Prinzen und 60 Prinzessinnen geheiratet hätten. Abweichungen von der Idealkurve können ihre Ursache haben in:
- Vermeidung von Cousinenheiraten
- Mehr als 2 überlebende Kinder
- Einheirat eines genetisch Fremden
.


Das ist ein Genealoge, kein Informatiker.

Er hat, wie er mir erzählte, die Programme die ihm bisher bekannt wurden, anhand von ein paar Stammbäumen bei denen er den Ahnenschwund über 400-500 Jahre auf Grund konkreter eigener Forschungen kennt, laufen lassen, und die Ergebnisse wären "mehr als daneben" gewesen.

Wobei es beim Hochadel (Habsburg) recht zuverlässig, beim Adel noch akzeptabel, bei den Bürgerlichen gar nicht läuft.
 
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wobei es beim Hochadel (Habsburg) recht zuverlässig, beim Adel noch akzeptabel, bei den Bürgerlichen gar nicht läuft.

Das wäre verständlich, da es sich beim Adel um eine begrenzte Gruppe handelt, die einen recht hohen messbaren Ahnenschwund erwarten lässt. Bei Bürgerlichen, die überhaupt so viel Ahnenkenntnisse haben, tritt zwangsweise der statistische Auswahleffekt auf: Diese Leute heiraten wahrscheinlich sehr bewusst und "unzufällig" :)

Man muss ja auch sehen, dass Modelle nur statistische Aussagen machen können, also über den mittleren Ahnenschwund einer Gruppe, niemals über die konkrete Situation eines Einzelnen, der ja ein "Extrem" sein kann. Mit Maria Theresia habe ich offenbar in der Tat Glück gehabt. Für einen echten Vergleich braucht man 5 oder 6 europäische Hochadlige, am besten der gleichen Generation!

Im Anhang ein entsprechendes Histogramm, dass beim Modell A (512 Paare in der 8. Generationen) entstanden ist.

Zwei Geschwister haben einen Schwund von 50%: Da ich die Geschwisterheiraten nicht herausgenommen habe, kommt es in fast jeder Generation zu einer solchen Heirat! Dies beeinflusst die globalen Werte bei ca. 10 Generationen und einigen 100 Paaren aber kaum.
---
Anmerkung: Auf der x-Achse ein "binning" in %-Schritten
 

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Ungerne, aber hier der größte Teil des "Modells A".
Die "patches" sind in diesem Fall "Personen"; das Wort kommt aus der Idee, hiermit "ortsfeste" Eigenschaften zu modellieren, im Gegensatz zu "agents", die sich auf diesen "patches" hin und her bewegen können...
Code:
to go                        ;; nächste Generation (= "tick")
  set alleAhnen 0            ;; hier werden alle Ahnen aller Personen aufaddiert
                             ;; .. um einen Mittelwert zu berechnen
  set lfdNr ((ticks + 1 ) * 10000)
  ask patches with [istFrau] [
        let partnerAhnen ahnenListe
        let maenner patches with [not istFrau and not verheiratet]
        if any? maenner [
           ask one-of maenner [
                 set ahnenListe  (remove-duplicates (sentence ahnenListe  partnerAhnen))
                 set verheiratet TRUE  
                 set partnerAhnen ahnenListe
               ]

            ]
        set ahnenListe partnerAhnen                      ;; setzt ahnenListe der Schwester auf Ahnen des Bruders
        set alleAhnen (alleAhnen + (length ahnenListe))  
            
        ]
  ask patches with [verheiratet] [    
           set verheiratet false
           ]
           
  ;; Visualisierung         
  set-current-plot "Histogramm"
  histogram  ([100 -  ((length  ahnenListe) * 100 / maxAhnen)] of patches)

  set-current-plot "Schwund"
  
  let ahnenschwund (100 - alleAhnen * 200 / (maxAhnen * world-width * world-height)) ;; Prozente
  plot ahnenschwund
  output-print (list "Gen. " (ticks + 1) ahnenschwund)
  
  set maxAhnen (maxAhnen * 2)                   ;; in der naechsten Generation doppelt soviel Ahnen möglich

  tick
  
  if ticks = generationen [
    stop
    ]   
end
 
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