Allgemeine Aussagen über die deutschen Kolonien

ursi

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1. Die deutsche Kolonialexpansion unter Bismarck war kein enthusiastischer Hurra-Imperialismus. Bismarck wollte das staatliche Engagement möglichst gering halten und setzte auf ein nominelles staatliches Schutzbriefsystems. Nachdem sollten private Interessen die Nutzung der Kolonien in die Hand nehmen. Dies erfüllte sich nicht. Statt zu einem semikolonialen Imperium mit beschränkter Haftung für das Reich kam es zu einer immer stärkeren Verwicklung des Staates in die koloniale Angelegenheiten.

2. In allen Gebieten der deutschen Kolonien wehrten sich die Einheimischen. Der Widerstand nahm unterschiedliche Formen an, auch die Reaktion der Kolonialbehörden war nicht einheitlich. In Togo erfolgten begrenzte Polizeiaktionen; im Norden des Landes begnügte man sich mit einer lockeren indirekten Herrschaft. Dieses System wurde auch in Kamerun angewandt. Im Süden des Landes wurde aber mit viel mehr brutaleren Mitteln gegen die Widerständigen angekämpft. In Deutsch-Südwestafrika reagierten die Einheimischen auf die Dezimierung ihrer Rinderherden und ihre soziale und rechtliche Diskriminierung, hier wurde mit der Peitsche regiert, durch den grossen Aufstand der Herero und Nama, den die Kolonialmacht mit Genozid beantwortete. In Deutsch-Ostafrika regierte die Kolonialbehörde ähnlich, als der Maji-Maji Aufstandes, der ebenfalls ausgelöst wurde als die Behörde verschärfte Zwangsmethoden einführten.

3. Nachdem die wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt und die brutalen Unterdrückungsaktionen in Deutschland viel Kritik gefunden hatten erfolgte 1907 unter dem Staatssekretär des neugeschaffenen Reichskolonialamtes Bernhard Dernburg eine Kurskorrektur der deutschen Kolonialpolitik. Die Umstellung auf eine weniger akut gewalttätige Politik war umso einfacher, als die Kolonialherrschaft nach 1907 vor afrikanischen Widerstand grösseren Umfangs sicher war. Hauptziel war nun die Bewahrung der afrikanischen Arbeitskraft, die wichtigste Grundlage für die Ausbeutung der Kolonien. Die Praxis sah aber anders aus als die Theorie. In Deutsch-Südwestafrika war von der humaneren Politik Dernburgs, die Bezeichnung dafür war „nergererhaltend“, nichts zu spüren, wenig spürte man in Kamerun davon und in Togo überdauerte die Eingeborenenpolitik nicht das relativ aufgeklärte Regiment des Gouverneurs von Zech. In Deutsch-Ostafrika konnte sich der Gouverneur von Rechenberg, ein Anhänger der neuen Kolonialpolitik, nur begrenzt gegen die dort sehr starken Siederinteressen durchsetzte.
Der Kurswechsel von 1907 ist aber nicht zu unterschätzen. In allen Kolonien war in den folgenden Jahren ein wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen.

4. Das afrikanische Kolonialimperium war für das Deutsche Reich insgesamt sicher kein Gewinn. Togo wurde nicht so sehr als Musterkolonie betrachtet weil es den Einheimischen besser ging als in den anderen Kolonien, sondern weil es dem Ideal von Britisch-Indian am nächsten kam. Die Afrikaner fanden sich dort relativ gut gestellt, wo ihnen die Exportproduktion von cash crops auf eigenen Land (Togo) oder zumindest der Verkaufs gesammelten Rohstoffen wie Kautschuk und Elfenbein ermöglicht wurde. Verbreiteter im deutschen Kolonialgebiet in Afrika war aber die Enteignung der Afrikaner zugunsten deutscher Siedler und Konzessionsgesellschaften. Überall führte dies zu Umsiedlungen, Verdrängung auf schlechte Böden, Arbeitszwang, Wander- und Saisonarbeiterwesen und damit verbunden die Zerstörung von Gemeinschafts- und Familienformen.


Literatur:

Wolfgang Reinhard, Kleine Geschichte des Kolonialismus

Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion, Band 4 Dritte Welt Afrika

Klaus J. Bade, Imperialismus und Kolonialmission: Das kaiserliche Deutschland und sein koloniales Imperium.

Bader, Hans-Jürgen, Der Abwehrkampf der afrikanischen Bevölkerung Nordkameruns

Bald, Detlef, Afrikanischer Kampf gegen koloniale Herrschaft. Der Maji-Maji Aufstand in Ostafrika

Becher, Jürgen, Misshandlung und Bestrafung – körperliche Aspekte des Alltags kolonialer Herrschaft

Hild, Simone, Der Herero Aufstand von 1904 und seine Bedeutung im öffentlichen Gedanken in Südwestafrika

Meyer, Wolfgang, Schwarz-Weiss-Rot. Die deutschen Kolonien 1883-1918

A. Adu Boahen, General History of Africa Band 7, Africa under Colonial Domination 1880 - 1935
 
Die Kolonisierung in Afrika ist ein ziemlich dunkles Kapitel europäischer Geschichte. Argument für die Expansion in Afrika war natürlich die Ausrottung des Sklavenhandels und zugleich die Liquidierung des "arabischen Imperialismus" in Ostafrika und des Mahdireiches. Doch im Grunde wurde nur die Sklaverei durch Zwangsarbeit ersetzt. In diesem Punkt unterschieden sich Deutsche, Briten, Franzosen, Belgier und Portugiesen durchaus nicht sonderlich.

Kenia Touristen werden ja in den letzten Jahren gerne zur Kaffeefarm am Fusse der Ngong Berge von Karen Blixen gekarrt. Das Ganze ist schön romantisch, so ala "Out of Africa". Die Kikuyu, die Blixen mit so viel Sympathie beschrieb, waren allesamt zugunsten der britischen gentry enteignet worden. Auf ihren eigenen Parzellen durften sie keinen Kaffee pflanzen, weil sie angeblich unfähig zur Schädlingsbekämpfung waren. Blixen lässt sich zwar sehr ausführlich über das Schicksal einer zahmen Antilope aus, doch findet sich in ihrem Werk kein Wort über die Degradierung und Entrechtung der Afrikaner. Auch nicht über den den ausgiebigsten Gebrauch der Prügelstrafe, über auspeitschungen von Hausangestellten, nur weil sie vielleicht einer "Lady" widersprochen hatten.

Der junge Winston Churchill, der als Nachfahre Marlboroughs über die Arroganz der weissen "gentry" erhaben sein konnte, war entsetzt über die Zustände, die er dort antraf und hätte am liebsten im Unterhaus darauf aufmerksam gemacht. In Nairobi gelangte er zur deprimierenden Überzeugung, dass die Rassenkonflikte mit dem Verhalten einer Nashornherde vergleichbar sei. "Es gehe da plump zu, mit dickem Panzer und aggressiven Hörnern, mit kurzer Sicht, bösartiger Veranlagung und einem Trieb, beim geringsten alarm alles wild niederzuwalzen."

Vielleicht pries Churchill aus diesem Grund Uganda als "Perle Afrikas", denn dort verhinderten die Tsetse Fliege und die Anophelismücke dass sich dort die europäische Heimsuchung der "white settlers" niederliess.
 
4. Das afrikanische Kolonialimperium war für das Deutsche Reich insgesamt sicher kein Gewinn.

Hier würde ich nur anmerken, das es volkswirtschaftlich ein Verlustgeschäft war, privatwirtschaftlich jedoch ein Gewinngeschäft für viele Unternehmer, Kaufmänner, Reedereien usw.

Literatur:

Horst Gründer: Geschichte der deutschen Kolonien, 5. Aufl., Paderborn 2004.
 
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