Am Anfang der Befreiungskriege stand ein Hochverrat

Von Kalisch 1813 nach Paris 1814 oder später nach Wien, um die Beute zu "teilen" war es dann doch noch ein weiter Weg.

Noch bestand die Koalition nur aus Rußland und Preußen.
Ein von beiden Monarchen unterzeichneter Aufruf an die Rheinbundfürsten vom 19. März 1813, der alle die Fürsten mit Absetzung bedrohte, die sich nicht rechtzeitig den Alliierten anschlössen, blieb weitgehend unbeachtet, nur die Fürsten von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg- Schwerin - wobei hier die geografische Lage zu beachten ist - wechselten in das Lager der Allierten.

Später dann Schweden (22.April), wobei hier zu beachten ist, dass der schwed. Kronprinz, der ehem. Marschall Bernadotte, seine Thronfolge mit der Inbesitznahme Norwegens absichern wollte.

Und so nahm es nicht Wunder, dass Napoleon mit seiner trotz aus der Mehrzahl schlecht ausgebildeter junger Wehrpflichtigen (von Caulaincourt als "organisierter Mob" bezeichnet) bestehenden Armee in den Schlachten von Großgörschen (Lützen) 2. Mai und Bautzen 20.-21. Mai siegreich blieb, ohne allerdings die Allierten - auch aus Mangel an Kavallerie - verfolgen und entscheidend schlagen zu können.

Die Folge war der Waffenstillstand von Pläswitz:

Waffenstillstand von Pläswitz ? Wikipedia

Napoleon bezeichnete diesen später als Fehler.
Die Russen hingegen könnten ihr Glück gar nicht fassen:
"Als Langeron [General Alexandre de Langeron] die Nachricht von dem Waffenstillstand erhielt, "ging ich [Langeron] in Barclays Hauptquartier, wo er mich laut lachend empfing. Dieser Freudenausbruch war überhaupt nicht Barclays Art, der gewöhnlich kalt, ernst und streng auftrat. Wir lachten beide auf Napoleons Kosten. Barclay, alle Generale und selbst unser Monarch waren trunken vor Freude, und das zu Recht."" [1]

Während die Alliierten diplomatisch aktiv waren, blieb Napoleon weitgehend inaktiv. Einzig ein Vorstoß an Alexander I. erfolgte. Der Gesandte Caulaincourt wurde kalt an Metternich, den Mediator der Koalition verwiesen.

In Wien war man erschreckt über den aggressiven Ton der Alliierten und beunruhigt über den beschworenen "Volkskrieg". Wien wartete ab, Metternich lavierte (der Frhr. vom Stein war empört), da Österreich Zeit brauchte, um wieder Großmacht zu werden. Ein erster Schritt war, dass Metternich die diplomatische Führung durch Österreich durchsetzte.

Es folgte die Einbindung Großbritanniens:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reichenbacher_Konventionen_(1813)

Noch aber vollzog Österreich nicht den Wechsel. Erstens bestand Kaiser Franz I. auf Auflösung des Vertrages mit Frankreich, ehe ein neues Bündnis geschlossen wurde und zweitens wollte Österreich sicher gehen, dass dem Ende der hegemonialen Herrschaft Frankreichs auf dem Kontinent nicht die Rußlands nachfolgte.

Napoleon verstärkte seine Armee, ihm entging auch nicht das diplomatische Spiel der Alliierten und Metternichs. Dann sein Versuch, den Noch-Verbündeten zumindest zu einer bewaffneten Neutralität zu bewegen. Er lud, besser beorderte Metternich nach Dresden.

Zu dem 8 oder 9 Stündigen Gespräch vom 26. Juni zwischen Kaiser und Minister liegen 3 Berichte vor: Metternichs kurzer Brief an Kaiser Franz am Folgetag formuliert, dann seine umfangreicheren "Erinnerungen" in den
nachgelassenen Papieren, auf franz. Seite die Berichte Baron Fains und vom Marquis de Caulaincourt.

Mag Metternich Beteiligter gewesen sein, seine Ausführungen lesen sich unglaubwürdig. Während Fain und Caulaincourt Napoleon schildern wie er Metternich bestürmt, ihn auch persönlich angreift (Bestechung durch die Engländer) stellt Metternich sich als glorreich siegreich in der Szene dar und schiebt Napoleon einseitig die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen zu. Und unterschlägt dabei, dass Napoleon gute Gründe für die Nicht-Annahme der Bedingungen der Allierten hatte, da diese vorbehaltlich der Bedingungen der Engländer gestellt waren und ihm damit als Schwäche seitens der Engländer ausgelegt werden würden. Es stellt sich mir eher so dar als hat Metternich in Kenntnis der folgenden Ereignisse Napoleon Worte in den Mund gelegt, die er so nie gesagt hat.

Wie auch immer, wenige Tage nach dem Gespräch wurde Österreich aus dem Vertrag mit Frankreich entlassen, es wurde weiter vereinbart, den Waffenstillstand bis 10. August 1813 zu verlängern und es wurden Friedensverhandlungen zu Prag angedacht.

Es ist festzustellen, dass Napoleon nicht ernstlich verhandeln wollte, Caulaincourt keine Vollmacht besaß. Fühlte sich Napoleon stark genug oder glaubte er nicht, dass Österreich und damit sein Schwiegervater ihm den Krieg erklären könnte? Jedenfalls fanden Verhandlungen nie statt und nach Ablauf des Waffenstillstands am 10. August erklärte Österreich am 11. August Frankreich den Krieg.

Aber von August 1813 bis 31. März 1814 vergingen noch viele Monate und noch viele Zehntausend Soldaten mussten im Kampf gegen die Hegemonialmacht Frankreich sterben.

Grüße
excideuil
[1] Lieven, Dominic: Russland und Napoleon – Die Schlacht um Europa, C. Bertelsmann, München, 2011 (2009), Seite 394
 
Zu dem 8 oder 9 Stündigen Gespräch vom 26. Juni zwischen Kaiser und Minister liegen 3 Berichte vor: Metternichs kurzer Brief an Kaiser Franz am Folgetag formuliert, dann seine umfangreicheren "Erinnerungen" in den
nachgelassenen Papieren, auf franz. Seite die Berichte Baron Fains und vom Marquis de Caulaincourt.

Mag Metternich Beteiligter gewesen sein, seine Ausführungen lesen sich unglaubwürdig. Während Fain und Caulaincourt Napoleon schildern wie er Metternich bestürmt, ihn auch persönlich angreift (Bestechung durch die Engländer) stellt Metternich sich als glorreich siegreich in der Szene dar und schiebt Napoleon einseitig die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen zu. Und unterschlägt dabei, dass Napoleon gute Gründe für die Nicht-Annahme der Bedingungen der Allierten hatte, da diese vorbehaltlich der Bedingungen der Engländer gestellt waren und ihm damit als Schwäche seitens der Engländer ausgelegt werden würden. Es stellt sich mir eher so dar als hat Metternich in Kenntnis der folgenden Ereignisse Napoleon Worte in den Mund gelegt, die er so nie gesagt hat.
Vllt. noch ein Wort zu Metternich.
Manfred Botzenhart [1] attestiert Metternich bei der Beurteilung seiner Zeitgenossen Scharfsinn.
Bei der Beurteilung der Rolle seiner eigenen Person gerade gegenüber Napoleon wird eine gewisse Überhöhung deutlich.
Botzenhart liefert das Beispiel der Diplomatenaudienz vom 15. August 1808, die nach anderen glaubwürdigeren Erinnerungen als "freimütige und offene Aussprache, die in durchaus normalem Umgangston stattfand, in der sich zwar Metternich nicht einschüchtern ließ, in der aber keine "Lektionen" erteilt wurden und in der es keinen Sieger und keinen Besiegten gab" geschildert wurde. Bei Metternich hingegen heißt es, Napoleon habe ihn "ganz laut und heftig" über die Vorbereitungen zum Krieg von 1809 interpelliert, "und ich hatte die Genugtuung, ihm vor den herumstehenden Bevöllmächtigten Europas viele Wahrheiten zu sagen". [...] Napoleon habe schließlich mitten im Satz abgebrochen und sei aus dem Saale hinausgangen, das Schlachtfeld gleichsam als Verlierer vor dem Überlegenen räumend, der anschließend die Glückwünsche aller seiner Kollegen entgegennehmen konnte, weil er "dem Kaiser eine Lektion erteilt habe"." [2]

Da stellt sich mir unwillkürlich die Frage, wenn Metternich sich nicht scheute, seine Rolle in einer Szene vor vielen Zeugen so wie geschildert darzustellen, wie sehr müssen seine Aussagen zu der Szene vom 26. Juni 1813 infrage gestellt werden, bei der es keine Zeugen gab?

Natürlich ändern meine Zweifel nichts daran, dass etliche Zitate aus den nachgelassenen Papieren Metternichs Eingang in viele Publikationen gefunden haben. So läßt er z.B. Napoleon sagen:

""Nun gut, was will man denn von mir?" fuhr mich Napoleon an, "dass ich mich entehre? Nimmermehr! Ich werde zu sterben wissen, aber ich trete keine Handbreit Bodens ab. Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzig Mal schlagen lassen, und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks. Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein." [3]
Hier soll wohl im Nachgang N. die Legitimität abgesprochen werden.

Oder:
"Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million Menschen." [4]
Na, ja, N. der "Menschenfresser" gibt dies in einer so wichtigen Audienz zur Kenntnis?

Dann Metternich:
"Sie sind verloren, Sire," rief ich lebhaft aus. "ich hatte ein Vorgefühl davon beim Kommen; jetzt beim Gehen habe ich die Gewißheit." [5]
Metternich der Prophet oder der aus der Kenntnis der weiteren Abläufe schreibende?

Egal, wie Metternich seine Rolle später sah, den weiteren Verlauf der Ereignisse nach dem Treffen beeinflusste dies natürlich nicht. Ohne Frage kommt dem Grafen eine große Bedeutung im Kampf gegen die hegemoniale Herrschaft Frankreichs und zur Rückkehr Österreichs als Großmacht zu. Und so trägt seine Erhebung in den erblichen Fürstenstand nicht zufällig das Datum 20. Oktober 1813.

Pfiffig sein Kammerdiener: "Wünschen Durchlaucht heute den gleichen Anzug, den Exzellenz gestern trug?"

Zum Schluß noch zwei Literaturtipps:
Bleyer, Alexandra: Auf gegen Napoleon! Mythos Volkskriege, Primus Verlag, Darmstadt, 2013

Thamer, Hans-Ulrich: Die Völkerschlacht bei Leipzig – Europas Kampf gegen Napoleon, Verlag C.H. Beck, München, 2013
Für Bürger mit Adresse in Sachsen hier erhältlich:
Schsische Landeszentrale fuer politische Bildung

Grüße
excideuil

[1] Botzenhart, Manfred: Metternichs Pariser Botschafterzeit, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster Westf., 1967
[2] Botzenhart a.a.O., Seite 240
[3] Metternich: „Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren“ Erster Teil, 1773-1815, Wilhelm Braumüller, Wien 1880, Bd. I, Seite 151
[4] Metternich, a.a.O., Seite 155
[5] Metternich, a.a.O., Seite 157
 
Derzeit wird sich im Forum recht ausführlich mit dem WW 1 befasst. Klar, ist der Beginn doch fast 100 Jahre her.

Da bleibt mir wohl nur noch, ein paar Ereignisse, die sich zum 200. Male jähren zu erwähnen.

In der Silversternacht zu 1814 begann Feldmarschall Blücher mit seinen Truppen bei Kaub den Rhein zu überqueren:

Blchers Rheinbergang

Damit agierten die Alliierten Truppen innerhalb der "natürlichen Grenzen" Frankreichs. Kaiser Napoleon dachte weiterhin nicht an Frieden, und so dauerte es noch 3 Monate, bis die Alliierten Truppen am 31. März 2014 in Paris einmarschierten.

Heute vor 200 Jahren gab es einen ersten Friedensschluss: Den Frieden von Kiel zwischen Schweden und Dänemark:

Befreiungskriege : Wie Napoleon Dänemark in den Abgrund riss - Nachrichten Geschichte - DIE WELT

Frieden von Kiel ? Wikipedia

Grüße
excideuil

 
Derzeit wird sich im Forum recht ausführlich mit dem WW 1 befasst. Klar, ist der Beginn doch fast 100 Jahre her.

Da bleibt mir wohl nur noch, ein paar Ereignisse, die sich zum 200. Male jähren zu erwähnen.
Gestern vor 200 Jahren wandte sich Fürst Metternich in einem Brief an den Außenminister des französischen Empire, Marquis de Caulaincourt, mit der dringenden Bitte, um einen schnellen Friedensschluss. Er verwies dabei "auf die Schwierigkeiten, als Minister einer Koalition, zu der auch fünfzigtausend Kosaken gehören, aufzutreten." [1]
Natürlich konnte ein Friedensschluss zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die "natürlichen Grenzen" Frankreichs einschließen. Deutlich wurde (wieder einmal) die Befürchtung Metternichs, durch eine übermäßige Reduzierung der franz. Macht sich eine russische Hegemonie auf dem Kontinent "einzuhandeln".
Bekanntlich erfolgte kein Friedensschluss. Ergebnis des Kongress von Châtillon ? Wikipedia war die Quadrupelallianz von Chaumont. Diese Allianz bereitete den Friedensvertrag von Paris (30. Mai 1814) und damit auch den Wiener Kongress vor. Sie wurde nach Napoleons 2. Abdankung im Nov. 1815 erneuert und begrub endgültig Frankreichs Ambitionen auf die "natürlichen Grenzen".

Grüße
excideuil

[1] Kissinger, Henry A.: Das Gleichgewicht der Großmächte Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812 – 1822, Manesse Verlag, Zürich, 1986, Seite 241
 
Heute vor 200 Jahren marschierten die alliierten Truppen in Paris ein. In ihrer Mitte der russische Zar und der preußische König.

Der Zar nahm Quartier im Palais Talleyrands auf Grund von Gerüchten, dass die Tuilerien unterminiert seien. Damit wurden die Salons des Fürsten in der rue St. Florentin für ein paar Tage Zentrum der europäischen Geschichte.
Bereits am gleichen Tag fanden die Gespräche statt, die in der Summe auf diesen Satz Talleyrands zuliefen: "Napoléon oder Ludwig XVIII., alles andere ist Intrige." und in der Proklamation der Alliierten Stunden später an den Wänden der Häuser von Paris zu lesen war, dass mit Napoléon und seiner Familie nicht mehr verhandelt würde.

Talleyrand hatte noch am 28. April für den Verbleib der Kaiserin in Paris im Kronrat gestimmt, allein 2 Briefe Napoléons bestimmten, dass sein Sohn nicht in die Hände des Feindes fallen dürfe, und so verließ die kaiserl. Familie gefolgt von allen Würdenträgern des Empire am folgenden Tag die Stadt.

Gefolgt von allen Würdenträgern? Nein, natürlich nicht. Talleyrand hatte es verstanden - übrigens völlig unbehelligt von Polizeiminister Savary und Polizeipräfekt Pasquier - sich an der Stadtgrenze von Paris wegen fehlender Papiere an der Weiterfahrt hindern zu lassen.

Der Zar hielt nichts von den Bourbonen. Talleyrand sicherte ihm zu, dass Frankreich die Bourbonen wünsche.

Als Vice-Grand-Elécteur des Empire war er berechtigt, den Senat einzuberufen.
In den am 1. und 2. April folgenden Beschlüssen wurde dann eine provisorische Regierung eingesetzt, und Napoléon für abgesetzt erklärt, das Volk und vor allem die Armee von seinem Eid auf den Kaiser entbunden. Napoléon hatte seine Macht 1799 in zwei Tagen gewonnen und jetzt in zwei Tagen verloren.

Grüße
excideuil
 
Zurück
Oben