Amerika Ende 18.Jahrhundert

excideuil

unvergessen
Von 1794 – 1796 war Talleyrand in Amerika im Exil.
Er übte sich in Geldgeschäften, pflegte und erwarb Freundschaften, reiste, beobachtete und studierte.

Um ihn geht es nicht in diesem Thread, aber einige seiner Beobachtungen in Amerika, die ihm so wichtig waren, dass sie Platz in seinen Memoiren gefunden haben, weckten mein Interesse:

„An der Frenchman-Bay, im entlegensten Westen wurde ich einmal durch ein Unwetter gezwungen, mich in dem kleinen Hafenort Machias aufzuhalten; ich richtete an den Wirt, bei dem ich eingekehrt war, sofort verschiedene Fragen. Er bewohnte das schönste Haus des Städtchens und war, wie ich hörte, ein Mann von großer „Respektabilität“, d.h. sehr vermögend. Wir unterhielten uns über Landwirtschaft, über Kornpreise u. dergl.; ich fragte ihn, wie zufällig, ob er auch schon in Philadelphia gewesen sei. „Nein“, antwortete er, „noch nicht.“ Und er schien mir doch schon ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. Dann fragte ich ihn, ob er den General Washington kenne. Er hatte ihn noch nie gesehen. „Aber wenn Sie nach Philadelphia kommen“, sagte ich, so würden Sie doch sehr froh sein, ihn zu sehen?“ „O ja“, erwiderte er, „das wohl, aber“, setzte er mit leuchtenden Blicken hinzu, „noch lieber möchte ich den Mister Bingham sehen, der so erschrecklich reich sein soll.“
Ich habe in ganz Amerika dieselbe Bewunderung für Geld und Reichtum gefunden, die sich noch dazu oft in sehr plumper Weise zeigte. Wenn der größte Teil der Bevölkerung noch kaum die ersten und notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen kann, so hat der Luxus der Reichen etwas Widerwärtiges. So erinnere ich mich, dass ich einmal in dem Salon einer Madame Robert Morris einen Hut aus der eigenen Fabrik des Hausherren gesehen habe, einen Hut, den kein europäischer Bauernbursche hätte aufsetzen mögen - und dieser Hut hing über einer kostbaren Porzellanvase aus Sèvres, die auf einem eleganten Seitentischchen stand, wie man beides in Trianon nicht schöner gefunden hätte. Ein Herr Smith bewohnte am Ufer des Ohio ein sogenanntes Loghouse, dessen Mauern und Fachwerk mit rohbehauenen Balken bestand. In seinem Wohnzimmer bemerkten wir einen prächtigen Flügel mit den reichsten Bronzeverzierungen. Mein Reisegefährte, Herr von Beaumetz, öffnete den Flügel, um etwas darauf zu spielen. „Bitte, bemühen Sie sich nicht“, sagte der Hausherr, „er ist ganz verstimmt; unser Klavierstimmer wohnt hundert Meilen von hier und ist in diesem Jahr noch nicht bei uns gewesen“.
Unter solchen Verhältnissen ist der Luxus jedenfalls nicht an seinem Platz.
Auch bei uns in Europa hat derselbe oft etwas Aufdringliches und Frivoles, um vielmehr in Amerika, wo er angekünstelt ist und mit den übrigen Sitten oft in einer lächerlichen Disharmonie steht.“ [1]

Der amerikanische Biograf Bernard erklärt Talleyrands Beobachtungen:

„Die amerikanische Einstellung zum Überfluss war für Talleyrand ebenso verwirrend, wie sie es für spätere Generationen von Europäern sein würde. Sein Interesse an Geld war rein zweckbedingt; es war nur dazu gut, ihm die Möglichkeit zu geben, die Dinge zu kaufen, die er gern hatte: luxuriöse Umgebung, Bücher, Gemälde, schöne Kleidung, Geschenke für seine Freunde. Die Vorstellung, dass man damit einen sozialen Status erkaufen könnte, war einem Mann fremd, der in einer Gesellschaft aufgewachsen war, in der eine Stellung ererbt und nicht erkauft wurde und in der ein Rang ein unverkäuflicher Besitz war, den man hatte und haben würde, unabhängig vom materiellen Besitz.“ [2]

Auf die Person Talleyrands bezogen ist die Erklärung sicher schlüssig.

Aber, und das beschäftigt mich, kann man „die übertriebene Verehrung des Geldes als Ziel an sich“ [3] allein auf das Fehlen eines dynastischen Hintergrundes reduzieren?
Muss man nicht vielmehr auch das Fehlen von eigenen Traditionen und einer eigenen Kultur mit in die Betrachtungen einbeziehen?

Was sagen die Amerika - Kenner dazu?

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand: Memoiren, Köln und Leipzig, Bd. 1, 1891, Seiten 186-189
[2] Bernard, Jack F.: Talleyrand Diplomat – Staatsmann – Opportunist, München, 1989, Seite 166
[3] ebenda, Seite 167
 
Darf man auch was als Nichtamerikakenner dazu sagen? :D

Die Amerikaner werden nicht nur von Talleyrand als hinsichtlich Mode geschmacklos, hinsichtlich Luxus unbeholfen beschrieben. Kennst Du die Passage in Mirabeaus "Meine Bekehrung" zur reichen Amerikanerin?

Nein, leider nicht, die Schriften Mirabeaus liegen mir nicht vor, habe leider nur ein paar Biografien. Und ehrlich gesagt wäre ich auch nicht auf die Idee gekommen, bei ihm zu suchen.

Grüße
excideuil
 
Ich habe in ganz Amerika dieselbe Bewunderung für Geld und Reichtum gefunden, die sich noch dazu oft in sehr plumper Weise zeigte. Wenn der größte Teil der Bevölkerung noch kaum die ersten und notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen kann, so hat der Luxus der Reichen etwas Widerwärtiges.

Die Feststellungen sind interessant.

Ist denn Talleyrand dieser Vergleich zum "größten Teil der Bevölkerung" und den "ersten und notwendigen Lebensbedürfnissen" aus Frankreich durch ähnliche Kontakte bekannt? Jedenfalls in der Weise, dass er zu einem solchen Vergleich kommen kann?

Ich habe die Vermutung, dass eine solche Perspektiv für ihn neu gewesen sein könnte. Die Umstände und wirtschaftlichen Diskrepanzen wird man in Europa zeitgleich ähnlich vorfinden, und sich über den direkten Vergleich möglicherweise schwer ein Urteil bilden können.

Der zweite Aspekt betrifft das ausgeprägte Erwerbsstreben, soweit er es in verstärktem Umfang beobachtet haben will. Vor dem Hintergrund der Siedler, einem pionierhaftem Umfeld, den Auswanderungen etc. mag das zutreffen.
 
Die Feststellungen sind interessant.

Ist denn Talleyrand dieser Vergleich zum "größten Teil der Bevölkerung" und den "ersten und notwendigen Lebensbedürfnissen" aus Frankreich durch ähnliche Kontakte bekannt? Jedenfalls in der Weise, dass er zu einem solchen Vergleich kommen kann?

Ohne jeden Zweifel. Seine Kariere begann als Generalbevollmächtgter des Klerus 1785. In dieser Eigenschaft "ließ er eine Aufstellung über die Fürsorge- und Lehrfunktionen erarbeiten, die der Kirche oblagen. Er schickte an alle Bistümer Frankreichs ein Rundschreiben in Form eines Fragebogen. So schuf er ein umfassendes Bild der Lage der Kirche, ..., über die von ihr ausgeübten Funktionen: Krankenhäuser, Asyle, Schulen; über die Ausgaben, um diese Funktionen zu erfüllen, über die Einkünfte, mit denen sie rechnen konnte, und den Zusammenhang zwischen dem festgelegten und dem flüssigen Kapital." [1]

Zeitgleich finden wir ihn in den Salons der Welt und Halbwelt, finden ihn in den Spielhöllen von Paris (nur nicht in der Kirche!). Calonne war sein Freund, er damit mit den offiziellen Finanzen vertraut. Er pflegte Umgang mit Choiseul und vielen anderen. Ich denke, als er dann 1788 zum Bischof von Autun ernannt wurde, war er einer der bestinformiertesten Personen Frankreichs.

Ich habe die Vermutung, dass eine solche Perspektiv für ihn neu gewesen sein könnte. Die Umstände und wirtschaftlichen Diskrepanzen wird man in Europa zeitgleich ähnlich vorfinden, und sich über den direkten Vergleich möglicherweise schwer ein Urteil bilden können.

Diese Perspektive war neu für ihn:

"In den Städten werden Wechsel- und Börsengeschäfte mit den ersten Bankhäusern Europas gemacht, und wenn man drei, vier Tagesreisen weit ins Innere geht, wo man das Geld kaum kennt, herrscht fast überall der Tauschhandel vor." [2]

Vollkommen klar. Talleyrand kannte aus Frankreich oder England nur gewachsene Strukturen; Amerika musste ihn überraschen.

Der zweite Aspekt betrifft das ausgeprägte Erwerbsstreben, soweit er es in verstärktem Umfang beobachtet haben will. Vor dem Hintergrund der Siedler, einem pionierhaftem Umfeld, den Auswanderungen etc. mag das zutreffen.

Ich meine, Talleyrands Beobachtungen sind zutreffend. Man bedenke seine Erziehung, seinen Geschmack und seine Stellung zum Geld.

Grüße
excideuil

[1] Orieux, Jean: Talleyrand Die unverstandene Sphinx, F.a.M., 1970, Seite 73
[2] Talleyrand: Memoiren, Köln und Leipzig, Bd. 1, 1891, Seite 186
 
Die Feststellungen sind interessant.

Ist denn Talleyrand dieser Vergleich zum "größten Teil der Bevölkerung" und den "ersten und notwendigen Lebensbedürfnissen" aus Frankreich durch ähnliche Kontakte bekannt? Jedenfalls in der Weise, dass er zu einem solchen Vergleich kommen kann?

Ich habe die Vermutung, dass eine solche Perspektiv für ihn neu gewesen sein könnte. Die Umstände und wirtschaftlichen Diskrepanzen wird man in Europa zeitgleich ähnlich vorfinden, und sich über den direkten Vergleich möglicherweise schwer ein Urteil bilden können.

Der zweite Aspekt betrifft das ausgeprägte Erwerbsstreben, soweit er es in verstärktem Umfang beobachtet haben will. Vor dem Hintergrund der Siedler, einem pionierhaftem Umfeld, den Auswanderungen etc. mag das zutreffen.
Talleyrand war ziemlich geldgierig. Deshalb ist seine Kritik an der Widerwärtigkeit der Geldverehrung wohl nicht wörtlich zu nehmen. Seine Kritik dürfte eher in die Richtung gehen, dass die Amerikaner nach Reichtum streben, dabei aber keinen Geschmack haben, keinen Geist, keinen Witz, "32 Religionen und nur eine Sauce!", etc.

Man muss Talleyrands Lage in den USA bedenken. Der Arm der Jakobiner war lang genug, um zu verhindern, dass Washington ihm eine Audienz erteilte (Washington erteilte eigentlich jedem eine Audienz). In der "vornehmen" Gesellschaft Philidelphias kam Talleyrand ohnehin nicht an. Für die war der Skandal-Bischof-Politiker aus Frankreich viel zu zweifelhaft. Er bekam keine Kredite und man schloss keine Geschäfte mit ihm ab. Talleyrand wohnte in einer Mietswohnung und konnte mitansehen, wie sein Kapital schrumpfte, das er eigentlich durch Börsengeschäfte vergrößern wollte.

Um sich über Wasser zu halten, aber auch seine Langweile zu bekämpfen, makelte Talleyrand Landgrundstücke, die sich in der amerikanischen Wildnis befanden. Dabei lernte er - der ehemalige Präsident der Nationalversammlung - die einfachsten und wohl auch faulsten Siedler kennen, die in irgendwelchen erbärmlichen Hütten lebten und von nichts anderem träumten als vom Reichtum, die eben lieber Mr. Bingham sehen würden als Präsident Washington.
 
Zuletzt bearbeitet:
Talleyrand war ziemlich geldgierig. Deshalb ist seine Kritik an der Widerwärtigkeit der Geldverehrung wohl nicht wörtlich zu nehmen. Seine Kritik dürfte eher in die Richtung gehen, dass die Amerikaner nach Reichtum streben, dabei aber keinen Geschmack haben, keinen Geist, keinen Witz, "32 Religionen und nur eine Sauce!", etc.

Man muss Talleyrands Lage in den USA bedenken. Der Arm der Jakobiner war lang genug, um zu verhindern, dass Washington ihm eine Audienz erteilte (Washington erteilte eigentlich jedem eine Audienz). In der "vornehmen" Gesellschaft Philidelphias kam Talleyrand ohnehin nicht an. Für die war der Skandal-Bischof-Politiker aus Frankreich viel zu zweifelhaft. Er bekam keine Kredite und man schloss keine Geschäfte mit ihm ab. Talleyrand wohnte in einer Mietswohnung und konnte mitansehen, wie sein Kapital schrumpfte, das er eigentlich durch Börsengeschäfte vergrößern wollte.

Um sich über Wasser zu halten, aber auch seine Langweile zu bekämpfen, makelte Talleyrand Landgrundstücke, die sich in der amerikanischen Wildnis befanden. Dabei lernte er - der ehemalige Präsident der Nationalversammlung - die einfachsten und wohl auch faulsten Siedler kennen, die in irgendwelchen erbärmlichen Hütten lebten und von nichts anderem träumten als vom Reichtum, die eben lieber Mr. Bingham sehen würden als Präsident Washington.

Talleyrand kam mit nichts als ein paar Empfehlungsschreiben nach Amerika. Dass ihn Präsident Washington nicht empfing, hatte er dem französischen Geschäftsträger Fauchet, der im Falle einer Audienz sogar mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohte, zu verdanken. Diese Drohung, selbst wenn sie eigenmächtig gewesen wäre, sehe ich sogar als kleines Kompliment an.

Der Finanzminister Alexander Hamilton ließ sich aber nicht abschrecken, mit ihm verkehrte Talleyrand und es gab sogar eine Zusammenarbeit zwischen beiden Finanzexperten.
Ja, richtig, Finanzexperte: Talleyrand verfasste nicht nur Memoranden über Investitionen in Grundstücke, Warengeschäften, Spekulationen mit Staatsanleihen, nein er spekulierte selbst erfolgreich mit 30000 $ mit Staatsanleihen, die nur aus Krediten stammen konnten.
Er stand mit englischen Bankhäusern in Kontakt, wohnte zeitweise bei dem Finanzmann und Banker Olive, war in Aktientransaktionen, in Grundstücksgeschäften unterwegs, kümmerte sich um das Vermögen der Madame de Latour du Pin, half Hamilton bei seiner poltischen Arbeit ... [1]

Der Vergleich mit einem Vorstadtmakler ist daher nicht zutreffend. Vielmehr reiften seine wirtschaftlichen und finanziellen Kenntnisse und so konnte er nach seiner Rückkehr nach Paris seine berühmten Vorträge:
"Versuch über die Vorteile der Anlegung neuer Kolonien" und
"Über die Handelsverhältnisse der Vereinigten Staaten zu England" [2]
im Nationalinstitut vorlegen.

Betrachtet man Talleyrands Entwicklung im "ancien régime", dann ist völlig klar, dass die Vereinigten Staaten nicht "sein Land" sein konnten. Seine Beobachtungen mögen einem anderen nicht aufgefallen sein, er hingegen ist dagegen geradezu prädestiniert, nicht zuletzt wegen seiner sehr eigenen Stellung zu Geld und Luxus.

Aber um Talleyrand geht es nicht in diesem Thread.

Grüße
excideuil

[1] vgl. Ernst, Dr. Eberhard: Talleyrand in Amerika 1794-1796, F.a.M, 2000 (Dr. Ernst ist ein anerkannter Talleyrand-Kenner, dessen umfangreiche Sammlung 2002 in den Besitz der Sächsischen Landesbibliothek überging)
[2] abgedruckt in: Bulwer, Sir Henry Lytton: Geschichtliche Charaktere Bd. 1 Talleyrand, Leipzig und Heidelberg, 1871
 
... kann man "die übertriebene Verehrung des Geldes als Ziel an sich" [Talleyrand] allein auf das Fehlen eines dynastischen Hintergrundes reduzieren?
Muss man nicht vielmehr auch das Fehlen von eigenen Traditionen und einer eigenen Kultur mit in die Betrachtungen einbeziehen?
Aber um Talleyrand geht es nicht in diesem Thread.
Bisher wurde, gemäß Deiner Einleitung, vorzugsweise über T. diskutiert, und ich finde das Ergebnis auch sehr interessant.

Aber stimmt denn seine Diagnose ("übertriebene Verehrung...") überhaupt? Nur in diesem Fall würde es sich lohnen, ihr nachzugehen. Anders gefragt: Wer kann denn sonst noch verlässliche Auskünfte über das (explizit benannte) Thema geben?
 
Bisher wurde, gemäß Deiner Einleitung, vorzugsweise über T. diskutiert, und ich finde das Ergebnis auch sehr interessant.

Aber stimmt denn seine Diagnose ("übertriebene Verehrung...") überhaupt? Nur in diesem Fall würde es sich lohnen, ihr nachzugehen. Anders gefragt: Wer kann denn sonst noch verlässliche Auskünfte über das (explizit benannte) Thema geben?

Die Formulierung: „die übertriebene Verehrung des Geldes als Ziel an sich“ stammt nicht von Talleyrand sondern von seinem amerikanischen Biografen Bernard. Ich gehe nicht davon aus, dass er davon spräche, wären die Beobachtungen Talleyrands nicht zutreffend.

Grüße
excideuil
 
Nein, leider nicht, die Schriften Mirabeaus liegen mir nicht vor, habe leider nur ein paar Biografien. Und ehrlich gesagt wäre ich auch nicht auf die Idee gekommen, bei ihm zu suchen.

Grüße
excideuil
Das Ganze ist natürlich nicht gerade stubenrein. Die amerikanische "Dame", die sich den Gigolo, die Hauptfigur des Romanes, leistet, ist natürlich reich, geschmacklos und ordinär und obendrein einigermaßen ekelig. Ich kann Dir nur empfehlen, den Roman mal zu lesen. Er erschien in einer Reihe Erotischer Klassiker in vor etwa 40-50 Jahren im Heyne-Verlag und ist eigentlich immernoch für kleines Geld zu haben. Der Roman charakterisiert ganz schön die adelige Gesellschaft der Jahre kurz vor der Revolution, keine Klischees werden ausgelassen. :D

Apropos Klischees, ich mache mir einmal das Vergnügen ein paar Klischees zusammen zu tragen, die mir auf Anhieb einfallen und die m.E. von französischer Seite, also die der franz. Eliten wohlgemerkt, über die Amerikaner kursierten:
- prüde
- kulturell unbedarft
- geldgierig
- grobgeschnitzte Hinterwäldler
- wild und freiheitsbewusst
Vielleicht hat jemand noch weitere zu bieten.

Wie sahen denn andere Ausländer die Amerikaner, zum Beispiel Deutsche oder Engländer?

Ich finde es interessant welches Aufsehen damals Franklin in Frankreich erweckte. Mit seinen langen, offenen, schütteren Haaren und seiner schlichten Kleidung muss er doch sehr exotisch und eigenwillig gewirkt haben. Entsprach er damit nicht zu einem guten Teil den Vorstellungen der Franzosen von den Amerikanern?
Bei der Betrachtung der Ansichten der Franzosen über die Amerikaner darf man natürlich nicht übersehen, dass sich die Franzosen selber noch im späten Ancien Régime für das kulturell führende Volk hielten, was übrigens auch Mirabeau ganz süffisant nebenbei zur Geltung bringt. Sicher nicht ganz zu Unrecht waren die Franzosen von ihrer Führungsrolle überzeugt. Allein aus künstlerischer Sicht war Frankreich ohne Zweifel blühend. Es gab unglaublich viele hervorragende Maler von Greuze bis Vigée-Lebrun, Bildhauer von Pigalle bis Pajou, Architekten, Komponisten von Méhul bis Grétry und so weiter.
 
Apropos Klischees, ich mache mir einmal das Vergnügen ein paar Klischees zusammen zu tragen, die mir auf Anhieb einfallen und die m.E. von französischer Seite, also die der franz. Eliten wohlgemerkt, über die Amerikaner kursierten:
- prüde
- kulturell unbedarft
- geldgierig
- grobgeschnitzte Hinterwäldler
- wild und freiheitsbewusst
Ich möchte auf das "geldgierig" in Deinem Beitrag bzw. auf die "übertriebene Verehrung des Geldes an sich" eingehen, von der excideuil in # 1 berichtete. Denn "die Amerikaner" hatten in der Tat ein anderes Verhältnis zum Geld als "die Europäer".

Das amerikanische Verhältnis zum Geld entsprach den Erfahrungen der Siedler und Kolonialisten. Schon die ersten Siedler mussten lernen zu wirtschaften, da im strengen nordamerikanischen Winter ansonsten der Exitus drohte und es gibt viele Geschichten über Siedler, die im Herbst eine fette Ernte einfuhren und im Winter/Frühjahr elendig erfroren oder verhungerten. Die Kolonien waren nicht als Ausgabepositionen in den Bilanzen ihrer Herren vorgesehen sondern als Einnahmequellen. Sie dienten der Ertragsteigerung und hatten zu liefern: Waren, Luxusgüter, Rohstoffe, Gold, etc. Das hatte zwei wichtige Auswirkungen: einerseits mussten Ausgaben der Gewinnsteigerung dienen. Andererseits waren dort die Freiräume für unternehmerisches Handeln größer, wenn dies der Gewinnsteigerung nützte.

Man möge diese Situation mit der Lebenswirklichkeit der (einfachen) Menschen in Europa am Ende des 18. Jh. vergleichen, insbesondere ihrer durch ständische und gesellschaftliche Zwänge eingeschränkten Arbeits- und Berufswelt. Thomas Jeffersen berichtete von seinem Frankreich-Aufenthalt über die Misere der französischen Landwirtschaft und Frankreichs Landbevölkerung, die Brachflächen nicht bewirtschaften darf und hungern muss.
Ich finde es interessant welches Aufsehen damals Franklin in Frankreich erweckte. Mit seinen langen, offenen, schütteren Haaren und seiner schlichten Kleidung muss er doch sehr exotisch und eigenwillig gewirkt haben.
Nicht nur die Haare, auch seine Nerzkappe erregte Aufsehen. So ein Ding konnte sich nur ein echter Hinterwäldler aufsetzen und wurde zum Vorbild für die Perückenformen der Damen der Pariser Salons. Interessant war Franklin für die Pariser Gesellschaft vor allem wegen seiner (angelesenen) Bildung, seinen Studien zur Elektrizität und seinen Berichten von der "Neuen Welt" , z. B. über Amerikas Flora und Fauna etc.
 
Talleyrand ist sicher ein Zeitzeuge. Aber man darf seine Berichte dennoch nicht als Zeugenaussagen nehmen, sondern muss immer die schillernde Persönlichkeit selbst betrachten, wenn man ihre Aussagen untersucht. Er war "Kind" mehrerer Epochen und Diener vieler Herren. Seine "Betrachtungen" sollte man mit größter Vorsicht zur Kenntnis nehmen.
 
Talleyrand ist sicher ein Zeitzeuge. Aber man darf seine Berichte dennoch nicht als Zeugenaussagen nehmen, sondern muss immer die schillernde Persönlichkeit selbst betrachten, wenn man ihre Aussagen untersucht. Er war "Kind" mehrerer Epochen und Diener vieler Herren. Seine "Betrachtungen" sollte man mit größter Vorsicht zur Kenntnis nehmen.

Selbstverständlich darf man Talleyrands Berichte als Zeugenaussagen und Quelle nehmen. Jede Zeitzeugenaussage ist geprägt von unterschiedlichen Einflüssen und dass muss man in seiner "Kritik" berücksichtigen. Die Historiker arbeiten hier mit der historisch kritischen Methode (Quellenkritik und Quelleninterpretation).

Deshalb stellt man ja auch die W-Fragen an Quellen:

Wann und wo wurde sie aufgezeichnet?
Wie viel Zeit verging zwischen den tatsächlichen Geschehen und der Aufzeichnung?
Wer hat sie für wen aufgezeichnet?
Welche Perspektive und mit welcher Absicht wurde sie aufgezeichnet?
Wie sind die Zeugnisse beschaffen?

Und dieses Schema hilft einem dabei eine solche Quellenkritik zu verfassen:

http://www.geschichtsforum.de/f82/schema-zur-quellenkritik-34009/
 
Talleyrand ist sicher ein Zeitzeuge. Aber man darf seine Berichte dennoch nicht als Zeugenaussagen nehmen, sondern muss immer die schillernde Persönlichkeit selbst betrachten, wenn man ihre Aussagen untersucht. Er war "Kind" mehrerer Epochen und Diener vieler Herren. Seine "Betrachtungen" sollte man mit größter Vorsicht zur Kenntnis nehmen.
Ich finde seine Aussagen passen für mich schon in das allgemeinere Bild von Franzosen über Amerika. Und mehr interessiert mich in diesem Zusammenhang noch nicht.

Außerdem war er bis zu dem Zeitpunkt, wenn es auch m.E. für eine Einordnung seiner Ansichten ohnehin irrelevant ist, seinem Kurs treu. Er war vordem ein Geistlicher wider Willen, war dann ein Befürworter fortschrittlicher Ansichten, ging dann aber konsequenterweise ins Exil nach England. Bis dahin kann ich zumindest noch nicht erkennen, dass er seinen König oder gewisse Werte verraten hätte.
 
Das amerikanische Verhältnis zum Geld entsprach den Erfahrungen der Siedler und Kolonialisten. Schon die ersten Siedler mussten lernen zu wirtschaften, da im strengen nordamerikanischen Winter ansonsten der Exitus drohte und es gibt viele Geschichten über Siedler, die im Herbst eine fette Ernte einfuhren und im Winter/Frühjahr elendig erfroren oder verhungerten. Die Kolonien waren nicht als Ausgabepositionen in den Bilanzen ihrer Herren vorgesehen sondern als Einnahmequellen. Sie dienten der Ertragsteigerung und hatten zu liefern: Waren, Luxusgüter, Rohstoffe, Gold, etc. Das hatte zwei wichtige Auswirkungen: einerseits mussten Ausgaben der Gewinnsteigerung dienen. Andererseits waren dort die Freiräume für unternehmerisches Handeln größer, wenn dies der Gewinnsteigerung nützte.
Das ist natürlich einleuchtend. Erklärt aber nicht die Stellung zum Geld in meiner Fragestellung. In den Beispielen ging es um einzelne Luxusprodukte, die deplaziert wirkten, weil sie wohl weniger einem luxuriösen Leben dienen sollten sondern wohl eher als Statussymbol, als Dokumentation des Reichtums zu betrachten sind. Daher frage ich mich ja, ob die Stellung der Amerikaner in der Gesellschaft sich (ausschließlich) über den Reichtum definierte, weil die europäische ständische Stellung nicht existierte.
Talleyrand ist sicher ein Zeitzeuge. Aber man darf seine Berichte dennoch nicht als Zeugenaussagen nehmen, sondern muss immer die schillernde Persönlichkeit selbst betrachten, wenn man ihre Aussagen untersucht. Er war "Kind" mehrerer Epochen und Diener vieler Herren. Seine "Betrachtungen" sollte man mit größter Vorsicht zur Kenntnis nehmen.
"Wer so vielen Herren dient wie er - dem Ancien régime und der Revolution, der napoleonischen Herrschaft und der Restauration - und scheinbar so ganz ohne Überwindung aus einem Lager ins andere übergeht, der kann übler Nachrede nicht entrinnen." [1]

Ich bin mit der Quellenkritik und Quelleninterpretation völlig bei ursi:
Der Teil der Memoiren, aus dem die Zitate stammen ist m.W. um 1815/16 verfasst. T. bestimmte, dass die Memoiren erst 30 Jahre nach seinem Tode veröffentlicht werden dürften. Es gab nach Erscheinen 1891 heftige Diskussionen über Echtheit und Verfälschungen. Tatsächlich ist der Teil der Span. u. der Enghien-Affäre fragwürdig. Der Teil, die Bourbonen betreffend - ist m.A.n. nicht gedacht, um sich royalistisch zu geben, um sich bei den Bourbonen beliebt zu machen, sondern um seine Niederlage gegen L.XVIII. 1814 zu verdecken. Der Amerika-Teil hingegen erscheint mir unbedenklich.
Aber das nur nebenbei, denn es geht nicht um Talleyrand.

Grüße
excideuil

[1] Eugen Guglia: Der Wiener Kongress - seine Fürsten und Staatsmänner, in Buxbaum, Gerda: Der Wiener Kongress, Eine Dokumentation mit einem Nachwort von Gerda Buxbaum, Harenberg, Dortmund 1983 (1896) Seiten 73-74
 
Das ist natürlich einleuchtend. Erklärt aber nicht die Stellung zum Geld in meiner Fragestellung. In den Beispielen ging es um einzelne Luxusprodukte, die deplaziert wirkten, weil sie wohl weniger einem luxuriösen Leben dienen sollten sondern wohl eher als Statussymbol, als Dokumentation des Reichtums zu betrachten sind. Daher frage ich mich ja, ob die Stellung der Amerikaner in der Gesellschaft sich (ausschließlich) über den Reichtum definierte, weil die europäische ständische Stellung nicht existierte.
Kann dies auch mit dem religiösen Hintergrund zusammenhängen?

Wie soll man sich in einer nicht-ständischen Gesellschaft anders abheben als durch Reichtum? Eventuell wäre Bildung noch ein Faktor, aber doch auch eher für Intelektuelle untereinander.

David Hume lehnte ja die Orientierung der Calvinisten auf den Reichtum beispielsweise ab. Wobei andererseits gerade die Zurschaustellung des Reichtums andererseits von den Reformierten abgelehnt wurde, teilw. sogar sehr vehement.
 
Bis dahin kann ich zumindest noch nicht erkennen, dass er seinen König oder gewisse Werte verraten hätte.

Auf jeden Fall hat er seinem Vaterland Frankreich gedient, das ohne sein diplomatisches Geschick und seine Rafinesse weder seinen Großmachtstatus noch seinen fast ungeschmälerten territorialen Bestand auf dem Wiener Kongress behalten hätte.
 
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