Amerikanischer Bürgerkrieg: General Order No. 233

The Guy

Neues Mitglied
Guten Tag!
Ich bin neu in diesem Forum und habe direkt eine harte Nuss zu knacken.
http://www.archives.gov/education/lessons/blacks-civil-war/images/recruitment-broadside.gif
Bezüglich dieses Flugblattes frage ich mich, inwieweit die General Order No. 233 den amerikanischen Bürgerkrieg radikalisiert hat und was Abraham Lincoln zu dieser Order geführt hat. Mir geht es speziell um die General Order und NICHT um die Proklamation vom 1. Januar 1863. Soweit ich weiß, steht diese nämlich in Verbindung zu abnehmenden Verpflichtungszahlen der weißen Bevölkerung und dem Wunsch vieler befreiter Sklaven für ihre Freiheit weiter zu kämpfen.
Weiter würde mich interessieren, ob es tatsächlich bekannte Fälle für Vergeltung im Rahmen der General Order No. 233 gibt.
Im Vorraus schon einmal vielen Dank!
Liebe Grüße,
The Guy
 
Schöne Fragestellung. Hat sich jetzt schon gelohnt hier mal wieder reinzuschauen.

Auch wenn du die Frage nach der Radikalisierungswirkung und der Motivation Lincolns geteilt hast, würde ich beide Fragen zusammenfassen. Das Dokument selbst, gibt die Antwort schon vor. (Stanton, Sec. of war)

Die General Order No. 223 ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Politik und Bürokratie im amerikanischen Bürgerkrieg auf bereits vorhandene Probleme und Entwicklungen reagierten und nicht wie sie sie auslösten. Wenn ich mich recht entsinne, waren schwarze Marineangehörige die ersten regulären Soldaten des Nordens die in Gefangenschaft gerieten. Diese Dokumente müssten daher auch oft nachrangig betrachtet werden und nicht als Initialpunkt für Entwicklungen.

Aus meiner Sicht ist die 'GO 223' ein nachträglich eingerichteter Legalitätsrahmen, ähnlich dem 'Partisan Ranger Act' der Südstaaten aus dem Jahr 1862, der die bereits vorhandenen Guerillagruppen und deren Aktionen aus Sicht des Südens legitimierte.

Ein weiterer Aspekt könnte auch sein, dass einige, ich nenne sie jetzt mal Aufrufe, des War Departments bewusst auf eine Wirkung nach Innen und Aussen gerichtet waren. Man muss immer im Hinterkopf haben, dass Lincoln sich während des Krieges einer Wahl stellen musste. Der innenpolitische Druck hin zu einer 'härteren' Gangart war somit ein ständiger Begleiter.
Zudem wird immer noch, an der im Süden sehr populären Version, von Lincoln als Initiator des 'Hard-War' gearbeitet. (Die amerikanische Version des 'Totalen Krieges'). vgl. Cisco, Walter-Brian: War Crimes against southern civilians, 2007.

Die Frage nach bekannten Vergeltungsmaßnahmen die auf die 'GO 223' direkt verweisen ist da schon ungleich schwieriger. Werde nochmal nachschlagen und ggf. einen Nachschlag liefern. :)
 
Vielen Dank für die Antwort!
Mir ist durchaus auch bewusst, dass Lincoln eher Reaktionär, als Aktionär war. Mir sind in meiner laufenden Recherche durchweg Fälle von Verstößen gegen das Kriegsrecht seitens der Konföderierten über den Weg gelaufen. So ist beispielsweise das Massaker von Fort Pillow zu nennen. Konkret gesagt frage ich mich einfach, ob es bestätigte Fälle von der Ausführung der G.O. 233 gibt. War die G.O. 233 einfach nur eine auf dem Papier existierende Anweisung, eine "Scheinvergeltung" welche schwarzen Soldaten eine "Sicherheit" vorspielen sollte?
Meine Recherche endet immer bei der Untersuchung solcher Kriegsverbrechen, welche dann ohne reelle Vergeltungsmaßnahmen endeten.
Um die Funktion und Bedeutungsschwere der G.O 233 bewerten zu können, müsste man ja Beispiele für ihre tatsächliche Umsetzung finden.
Einen schönen Abend noch! :winke:
 
?..und was Abraham Lincoln zu dieser Order geführt hat. Mir geht es speziell um die General Order und NICHT um die Proklamation vom 1. Januar 1863.

Unmittelbarer Kontext war die Ankündigung der Könfederierten, gefangen genommene weiße Offiziere von "black soldiers" der Union zu bestrafen, und die Gefangenen insgesamt zu versklaven.
 
Ergänzend dazu,.. Der Kontext ergab sich zum einen als Reaktion auf die Maßnahmen des Union Generals Benjamin Franklin Butler bei der Besetzung von New Orleans, der rigeros gegen die Belästigung seiner Truppen oder Missachtung der Fahne der Union durch die einheimische Bevölkerung vorging und andererseits darüberhinaus noch schwarze Besatzungstruppen in der Stadt stationierte.

Daraufhin reagierte die konförderierte Regierung mit der 'GO 111' die auch die von silesia erwähnte Passage enthielt.
Link zu GO 111
http://www.geschichtsforum.de/newreply.php?do=newreply&p=667683

Um die Funktion und Bedeutungsschwere der G.O 233 bewerten zu können, müsste man ja Beispiele für ihre tatsächliche Umsetzung finden.

..oder auch nicht. :scheinheilig:
Wenn man keine Beispiele für ihre Umsetzung findet, wäre das ja auch aussagekräftig für ihre Funktion und Bedeutungsschwere.

Allerdings ist es auch schwierig, z.B. die eskalierende Gewalt in den Border States mit den Proklamationen aus Washington oder Richmond in Verbindung zu bringen.

Also ich habe jetzt flüchtig nochmal in den öffentlichen amerikanischen Archiven nachgeschaut. Konnte keine dokumentierte Beispiele für ihre Umsetzung finden (heisst aber nicht das es keine gibt).

Wenn es zu Maßnahmen aufgrund der GO 233 gekommen wäre, dann wären diese Maßnahmen, wie auch die Auslöser, 'legal' und würden wahrscheinlich nicht unter Kriegsverbrechen zu finden sein.. Und für Kriegsverbrechen allein wurde meines Wissens nach nur der Kommandant von Andersonville (Wirz) nach dem Krieg exekutiert.

Allerdings würde es mich ehrlich gesagt wundern, wenn Unions-Offiziere diese Anweisung der GO 233 in der Breite umgesetzt hätten. In meinen Augen ist es wirklich eine politische Antwort auf die GO 111 der Südstaaten mit begrenzten Auswirkungen.
 
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