Kirlon schrieb:
Ich möchte nicht den ganzen Paulus ausklammern, sondern nur ein Wiederaufleben unserer alten Diskussion verhindern, da mir das Unterfangen als sehr fruchtlos erscheint.
Hoffentlich haben wir nicht noch mehr Differenzen, die wir alle ausklammern müssen, bis nichts mehr übrig bleibt.
Kirlon schrieb:
Ich schlage vor, wir machen an deiner letzten Aussage weiter; denn dass Paulus der "Durchbruch zur Universalkirche zu verdanken" ist, scheint unstrittig zu sein.
Da ist für mich schon Ende mit Paulus - zunächst mal.
Die Mission war schon damals von räumlichen Distanzen ziemlich unabhängig. Denn schon vor 56 n.Chr. bestand in Rom eine christliche Gemeinde, von der sich Paulus sogar nach Spanien entsenden lassen wollte (Röm 15, 24) Die Missionierung betraf zunächst die regionalen Ballungszentren (Palästina, Kleinasien) und die Knotenpunkte des Reiseverkehrs (Antiochien, Ephesus, Thessaloniki, Korinth, Rom), so dass sich großstädtische Schwerpunkte des Christentums bildeten. Eine Bedingung für die rasche Ausbreitung war eine überall zu verstehende Sprache, die Koine. Sie hatte damals die Bedeutung, die heute das Englische hat, war also nicht nur auf die Gebildeten beschränkt. Marseille war griechische Koloniegründung. Jüdische Grabinschriften im Westen bevorzugten die griechische Sprache. Auch die Schaffung der Septuaginta zeugt davon, dass das Griechische wahrscheinlich auch in synagogalem Gebrauch war.
Die Tatsache, dass alle in der Anfangszeit bekannten Schwerpunkte christlicher Mission auch eine Synagoge aufwiesen, wie die Archäologie gezeigt hat, legt es nahe, dass vor der Trennung von Christen und Synagoge die Missionare zunächst die örtliche Synagoge aufsuchten - schon wegen der gemeinsamen Tradition. Allerdings verschärfte die unterschiedliche Interpretation der Schriften die Spannungen, wie der Barnabas-Brief zeigt. Die Rezeption popularphilosophisch-skeptischer Götter- und Mythenkritik durch Juden wie Christen trug dazu bei, dass die Unterschiede aus heidnischer Perspektive gar nicht deutlich wurden (Joh. Geffcken, Zwei christliche Apologeten, 1907). Dieses enge Nebeneinander ist auch der staatlichen Religionspolitik zuzuschreiben, die sich die Identifizierung beider Gruppen durch die Öffentlichkeit zu eigen machte (Tac. Ann. 15, 44; Sueton, Vita Claudii 25; Cassius Dio, Hist. Rom. 67, 14, 1 ff.) und beide entsprechend launenhaft und sehr wechselvoll behandelte. Das änderte sich erst, als unter Kaiser Septimius Severus und Caracalla Juden kommunale Ämter bekleiden durften und ihnen mit der Constitutio Antoniana 212 sogar die staatsbürgerliche Gleichstellung eröffnet wurde. Seit dieser Zeit wird nichts mehr über judenfeindliche Staatsaktionen berichtet.
Was zur raschen Ausbreitung des Christentums im Fernbereich führte, die Koine, mag im Nahbereich für die sehr zähe und schleppende Verbreitung mitverantwortlich gewesen sein. Nur selten gelang es, die Brücke zur Landessprache zu schlagen. Irenäus v. Lyon berichtet aus dem Ende des 2. Jh. noch um seine Bemühungen um das Keltische, wobei unbekannt ist, ob er Erfolg hatte. In Syrien allerdings hatte es allerdings bald eine Übersetzung der 4 Evangelien ins Altsyrische gegeben und bald darauf eine Harmonie des Tatian. In diesen Zeitraum fallen auch die ersten altlateinischen Übersetzungen aus Nordafrica. Augustin klagt noch im 4. Jh. darüber, wie die Doppelsprachlichkeit Punisch/Lateinisch die Predigt lähmt. Zu dieser Zeit kann man auch für Rom Griechisch als Liturgiesprache und Latein als Predigtsprache beobachten. In Spanien bemühte man sich erst gar nicht um die iberischen Sprachen. Dafür aber kam sehr früh das Koptische/Sahidische in Ägypten ins Spiel, worin erst die Evangelien übersetzt wurden und später eine nicht unbedeutende Literatur entstand. Man achtete sogar auf die Dialekte (sahidisch = Oberägypten, bohairisch = Unterägypten)
In den ländlichen Gebieten stand einer Missionierung der bäuerliche Konservativismus, die weitverzweigte familiäre Vernetzung mit ihrer sozialen Kontrolle im Alltagsleben, das örtliche im Magischen verankerte Brauchtum entgegen. Erst das nachkonstantinische Christentum begann da mit Ersatz-Angeboten.
Damit ende ich zunächst mal meinen Beitrag, der das starke und langanhaltende Stadt-Land-Gefälle in der Ausbreitung des Christenums zum Gegenstand hatte.
Fingalo