Angriff auf Polen

Papa_Leo schrieb:
Dass die Anweisung 1938 an die Industrie lautete, in vier Jahren kriegsbereit sein zu müssen, ist kein Geheimnis - das wäre dann 1940 gewesen. Dass die Industrie noch nicht kriegsbereit war, ist auch klar. Dass Albert Speer Hiterl schon Ende 1941 riet, den Krieg zu beenden, weil er rüstungstechnisch schon verloren sei, wissen wiederum nicht so viele.

Als England und Frankreich im Münchner Abkommen überraschend auf Hitlers Forderungen bzgl. der Tschechoslowakei eingingen, war nach außen hin zwar der "Friede in der Welt gerettet", aber Hitler tobte hinter verschlossenen Türen, dass man ihm nun den Anlass zum Krieg kaputt gemacht hätte - er hätte den Krieg schon Ende 1938 in Kauf genommen, vielleicht sogar gewollt, aber er scheute sich wohl (noch) als skrupelloser Aggressor aufzutreten - sah die Notwendigkeit, zumindest den Hauch eines Anscheins zu wahren. Dies sieht man ja auch am inszenierte Anlass zum Überfall auf Polen, dem angeblichen Überfall polnischer Soldaten auf den Rundfunksender Gleiwitz.
In diesem Zusammenhang vielleicht noch interessant:

Hitler ist eben nicht in die Tschechoslowakei- wie an anderer Stelle (und in so manchen seriösen Abhandlungen) dargestellt-, sondern in die von ihm so genannte "Rest- Tschechei" einmarschiert, und selbst zu diesem Schritt hatte er zumindest formell das Ok vom tschechischen Staatsoberhaupt Emil Hacha.
Der slowakische Teil des Staates strebte nach Autonomie, was von der Prager Regierung jedoch bekämpft wurde.
Ob und inwieweit die Slowakei zum Zeitpunkt von Hitlers Einmarsch schon faktisch unabhängig war, weiß ich nicht, auf jeden Fall hatte er sich mit der slowakischen Führung auf der Basis gegenseitigen Wohlwollens verständigt.
Der Staat Tschechoslowakei zerfiel also (fast!) von selbst in zwei Teile, was es den Westmächten vielleicht auch schwerer machte, ihren Garantieerklärungen Taten folgen zu lassen.
Zu dieser Zeit kann man vielleicht von einem diplomatischen und psychologischen Tauziehen zwischen den beteiligten Mächten sprechen, bei dem ja für alle Beteiligten einiges auf dem Spiel stand.
 
Papa_Leo schrieb:
Dass die Anweisung 1938 an die Industrie lautete, in vier Jahren kriegsbereit sein zu müssen, ist kein Geheimnis - das wäre dann 1940 gewesen.
...
Als England und Frankreich im Münchner Abkommen überraschend auf Hitlers Forderungen bzgl. der Tschechoslowakei eingingen, war nach außen hin zwar der "Friede in der Welt gerettet", aber Hitler tobte hinter verschlossenen Türen, dass man ihm nun den Anlass zum Krieg kaputt gemacht hätte - er hätte den Krieg schon Ende 1938 in Kauf genommen, vielleicht sogar gewollt, ...
Vorweg: Wir haben schon geklärt, dass 1938 + 4 1942 ergibt :p

Was ich aber jetzt nicht verstehen kann:
Wenn er der Industrie den Auftrag gibt, 1942 kriegsbereit zu sein (wußte ich ich, tolle Information, danke!), warum hätte dann schon 1938 (oder 1939) Krieg führen wollen? Ist doch unlogisch! Entweder er verlangt von der Industrie früher bereit zu sein, oder er wollte später den Krieg! Oder seh ich etwas falsch?


Abgesehen davon:
Die Tschechei und Polen kann man nicht vergleichen, Polen wurde militärisch angegriffen, die Tschechoslowakei zerfiel wie 1993 "friedlich" (sicherlich auf Druck Hitlers, keine Frage). Die Tschechei wurde daraufhin wie Österreich von Hitler anektiert.
 
F. Metternich schrieb:
Vorweg: Wir haben schon geklärt, dass 1938 + 4 1942 ergibt :p

Was ich aber jetzt nicht verstehen kann:
Wenn er der Industrie den Auftrag gibt, 1942 kriegsbereit zu sein (wußte ich ich, tolle Information, danke!), warum hätte dann schon 1938 (oder 1939) Krieg führen wollen? Ist doch unlogisch! Entweder er verlangt von der Industrie früher bereit zu sein, oder er wollte später den Krieg! Oder seh ich etwas falsch?


Abgesehen davon:
Die Tschechei und Polen kann man nicht vergleichen, Polen wurde militärisch angegriffen, die Tschechoslowakei zerfiel wie 1993 "friedlich" (sicherlich auf Druck Hitlers, keine Frage). Die Tschechei wurde daraufhin wie Österreich von Hitler anektiert.

Und was ist genau das Problem? Ich verstehe nicht ganz auf was Du hinauswillst? Er hat 1939 den Krieg gegen Polen schon gewollt und ihn befohlen, habe ich schon erklärt. Hitler wurde von niemanden gezwungen einen Krieg zu beginnen. Auch haben die westlichen Staaten ihn nicht dazu gedrängt. Sein Pech war das England und Frankreich nach dem Überfall auf Polen Deutschland den Krieg erklärten.

In der Tschechei hat er es sehr geschickt gemacht und nur dank der Friedenspolitik der Engländer (auch schon erwähnt) konnte er dies so durchziehen. Wir können ja gerne in einem sept. Thema den Ablauf diskutieren.
 
'39, aber das nur am rande.

neben dem '42 bereit sein, gab's aber auch so die überlegung, dass vor '44 losgeschlagen werden musste, weil dann der rüstungsvorsprung der zu erwartenden feindstaaten (vor allem der SU) zu gross gewesen wäre.
und bei hitler alles rational zu erklären, führt sowieso schnell an grenzen.
 
F. Metternich schrieb:
Vorweg: Wir haben schon geklärt, dass 1938 + 4 1942 ergibt :p

Was ich aber jetzt nicht verstehen kann:
Wenn er der Industrie den Auftrag gibt, 1942 kriegsbereit zu sein (wußte ich ich, tolle Information, danke!), warum hätte dann schon 1938 (oder 1939) Krieg führen wollen? Ist doch unlogisch! Entweder er verlangt von der Industrie früher bereit zu sein, oder er wollte später den Krieg! Oder seh ich etwas falsch?


Abgesehen davon:
Die Tschechei und Polen kann man nicht vergleichen, Polen wurde militärisch angegriffen, die Tschechoslowakei zerfiel wie 1993 "friedlich" (sicherlich auf Druck Hitlers, keine Frage). Die Tschechei wurde daraufhin wie Österreich von Hitler anektiert.

Ich versteh jetzt Dein Problem nicht so ganz - und auch der angeschlagene Tonfall erscheint mir nicht ganz passend. :confused:
Tatsache ist jedoch, dass er diesen Auftrag gab und dann 1938 den Krieg schon führen wollte. Willst Du ernsthaft Hitlers Motivationen mit LOGIK beleuchten? Ganz davon abgesehen, dass es nicht das erste Mal gewesen wäre, dass Hitler (Zeit)pläne über den Haufen warf, ohne sich groß um Realitäten zu kümmern.

Die Tschechei kann man sehr wohl mit Polen vergleichen, denn Hitler gab schon kurz nach dem Münchner Abkommen - also noch bevor er wusste, wie die Entwicklung mit der "Rest"-Tschechei weiter gehen würde - Weisung an das Militär, die Zerschlagung der Resttschechei vorzubereiten ... also durchaus kriegswillig.

Die Tschechei zerfiel also friedlich wie 1993 auf Druck Hitlers ... das hört sich ja wunderbar harmlos an. Sicher, es gab keinen Krieg - aber nur, weil die Tschechei alleine sich als zu schwach sah. Man hatte auf Hilfe Frankreichs gehofft und sogar im Mai 1938 eine Teilmobilmachung angeordnet - im gleichen Monat, als Hitler der Wehrmacht sein Ziel der "Zerschlagung der Tschechoslowakei" eröffnete und den Führer der Sudetendeutschen, Peter Henlein, aufforderte, immer so viel zu fordern, dass die Tschechei die Forderungen nicht erfüllen kann - um dann einen Vorwand des militärichen Losschlagens zu haben.

Die Westmächte drängten Prage, eine Kompromisslösung mit den Sudetendeutschen zu suchen, aber Henlein lehnte im Auftrag Hitlers alle Versuche ab, stellte sogar ein Sudetendeutsches Reichskorps auf mit dem Ziel "Dauerndes Beunruhigen längs der gesamten Front mit kleinen Unternehmungen gegen tschechische Postierungen, Wachhäuser usw. Auftreten in Form von Terrorgruppen" (Zitat nach Martin Brozat, Das Sudetendeutsche Freikorps", in VfZG IX).

Durch die daraus entstehende Unruhe konnte Hitler am 12. September auf dem Reichstag mit militärischer Intervention drohnen.

Und dies wurde durch das Münchner Abkommen verhindert, wo die Großmächte - die Tschechei war ja noch nicht einmal dabei, also von wegen "zerfällt" - die Abtrennung der sudetendeutschen Gebiete an Deutschland beschließen.
Die Tschechei sollte dafür eine Grenzgarantie von England, Frankreich, aber auch Deutschland erhalten.

Zwei Monate später teilt Hitler den Oberbefehlshabern der Wehrmacht mit, dass der Einmarsch in Böhmen beschlossene Sache sei - handelt so jemand, der keinen Krieg zu dem Zeitpunkt will?

Die slowakische Preßburger Landesregierung, die eigentlich nur eine Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei erreichen hatte wollen, rief unter deutschen Druck am 14. März 1939 die Unabhängigkeit der Slowakei aus und Hitler erpresst Emil Hacha mit der Drohung, die Luftwaffe würde Prag in Schutt und Asche legen, wenn die Tschechen Widerstand gegen den deutschen Einmarsch leisten würden (vgl. Aufzeichnungen des Chefdolmetschers Dr. Paul Schmidt). Ist das für Dich wirklich ein FRIEDLICHER ZERFALL wie 1993?
 
Hm, zu dem von mir kritisierten Tonfall - kann es sein, dass bei Metternichs Post einmal das Wort "nicht" fehlt? Dann nehm ich die Kritik sofort zurück, denn dann liest sich sein Beitrag völlig anders ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Haha, Du hast recht, ich hab statt "nicht" ein zweites Mal "ich" geschrieben, dann klingt das wirklich recht aggresiv, sorry an alle :)
War aber ehrlich gemeint, ich wußte das NICHT ...
 
für hitlers "nachvollziehbares" vorgehen spricht auch, dass der angriff ursprünglich nicht am 1.9., sondern schon am 30.8. stattfinden sollte.

aus irgendeinem grund hat hitler ihn dann stunden vorher abgeblasen, so knapp, dass eine kleinere einheit (bataillonsstärke oder so) nichts mehr davon mitbekommen hat und bereits auf polnischem gebiet operierte.

die ganze anekdote mit details findet sich bei piekalkiewicz, der 2. weltkrieg.
 
Also, bitte merken, ab sofort, wenn ich zwei Mal "ich" hintereinander schreibe, meine ich in Wirklichkeit "ich nicht" :bussi:

Klar hat Hitler den Krieg begonnen. Klar hat er Polen angegriffen, niemand hat ihn dazu gezwungen.
Ich hab mich vorher ungeschickt ausgedrückt, habe mit "Krieg" den "großen Krieg" gegen die Westmächte gemeint und nicht den "kleinen" gegen Polen.

Mein Punkt ist: Hat er die Westmächte unterschätzt und darauf spekuliert, dass die wieder nachgeben (auch angesichts des Hitler-Stalin Paktes) oder wollte er bereits 1939 die Auseinandersetzung mit den Westmächten?

Zweiteres scheint von einigen Fakten her unlogisch (keine vorbereitete Industrie, der eigentliche Gegner des Rassenwahns im Osten, ...), wobei das Argument "Hitler und Logik ist ein Widerspruch" auch was für sich hat :)
 
Mit Grossbritannien wollte er sicher ein Bündnis. Am 27. Sept. 1939 äusserte er sich über den geplanten Westfeldzug: "das Ziel ist Frankriech zu zerschlagen". England dagegen beabsichtigte er "gefügig zu machen und auf die Knie zu zwingen". Jetzt kam er auf die Ideen der zwanziger Jahre zurück. Die Idee damals war, bevor die Ausdehnung nach Osten beginnen kann, Frankreich auszuschalten und gleichzeitig England willig zu machen. Nun sah Hitler im 39 seinen ins Auge gefassten Feldzug als eine Möglichkeit diese Ideen zu verwirklichen und seine Bündniskonstellation auf militärischen Wege doch noch zu bekommen.

Zum Schweizer Volksbundkommissar Carl J. Burkhardt sagte 1939 folgendes:

"Alles, was ich unternheme, ist gegen Russland gerichtet; wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden."
 
Zudem habe ich in archivierten Akten einen Briefwechsel zwischen dem Führer Hitler und dem Duce Mussolini gelesen, in dem Hitler seine Schritte schon vor dem Krieg zu rechtfertigen versuchte, da die Polen ja randalieren würden. Auch wollte er sich mit diesem Brief Rückhalt bei den Italienern suchen.
Finde ich die Briefe in meinen Unterlagen wieder, dann benenn ich diese.
 
Ich war vor kurzem in Wielun, dem "polnischen Guernika" sie sich dieses Städtchen nennt. Wielun lag nahe der ehemaligen polnisch-deutschen Grenze und wurde als erste Stadt Polens zerstört.
In Wielun zeigte sich bereits was dieser Angriff auf Polen eigentlich bedeutete - ohne Kriegserklärung, ohne Vorwarnung fiel um 4:40 morgens die deutsche Luftwaffe über diese kleine Stadt ohne militärische Einrichtungen her und legte sie in Schutt und Asche. Tausende starben dabei - als erste in diesem Wahnsinn der Europa beinahe ausgelöscht hätte.

Das sollte man nie vergessen bei allen Spekulationen über diplomatisch-strategische Winkelzüge - mit dem Dritten Reich konnte man nicht verhandeln, das konte man nur ausmerzen.
 
Rovere schrieb:
Das sollte man nie vergessen bei allen Spekulationen über diplomatisch-strategische Winkelzüge - mit dem Dritten Reich konnte man nicht verhandeln, das konte man nur ausmerzen.

dem ganzen beitrag ist nichts hinzuzufügen! der schluß besonders gut und richtig. :hoch:
 
Ja, weil die Ideologie in seinem Buch !Mein Kampf" festgehalten, die Ausbreitung Deutschlands nach Osten vorsah. Polen sollte da ja nur den Anfang machen. Es war die Vertreibung, Versklavung und Ausrottung der slawischen Völker vorgesehen und deshalb wurde der Krieg auch im Osten mit besonderer Grausamkeit geführt im Gegensatz zum Krieg im Westen. :(
 
Hitler wollte definitiv den Krieg mit Polen!


Das Schmundt-Protokoll belegt dies eindeutig und auch ein Polen, das bereit gewesen wäre, auf die deutschen Forderungen und Verhandlungs-"Vorschläge" einzugehen, hätte den Krieg oder zumindest eine Abhänigkeit vom DR als Satellitenstaat nicht abwenden können.

Entgegen kam Hitler die polnische Aggressivität zu diesem Zeitpunkt. Polen wollte sich Danzig einverleiben und war durchaus bereit, auch ohne Rückendeckung durch F und GB gegen das DR Krieg zu führen - wobei die Schlagkraft der Reichswehr von ALLEN vollkommen unterschätzt wurde.

Hitler hoffte wahrscheinlich, das Polen - welches übrigens bereits im Mai gegen das DR teilmobil gemacht hatte - den ersten Schlag führen würde, um als angegriffener darzustehen, damit F und GB sich raushalten.
Da das nicht geschah, musste ein Kriegsgrund her - Gleiwitz! Die Geschichte war aber ZU durchsichtig!

Gruß,

Andreas
 
ganz_der_alte schrieb:
Da das nicht geschah, musste ein Kriegsgrund her - Gleiwitz! Die Geschichte war aber ZU durchsichtig!
Gruß
Andreas

Lieber Andreas, SS-Einheiten in polnischer Uniform überfielen den Sender Gleiwitz. Als Opfer wurden tote KZ-Häflinge zurückgelassen.
 
heinz schrieb:
Lieber Andreas, SS-Einheiten in polnischer Uniform überfielen den Sender Gleiwitz. Als Opfer wurden tote KZ-Häflinge zurückgelassen.

Das weiss ich!
Aber die Geschichte war doch eben deshalb seeehr durchsichtig! Die Verantwortlichen des DR hofften wahrscheinlich, wenn sie als angegriffene darstehen würden, das sich F und GB heraushalten.
 
ganz_der_alte schrieb:
Das weiss ich!
Aber die Geschichte war doch eben deshalb seeehr durchsichtig! Die Verantwortlichen des DR hofften wahrscheinlich, wenn sie als angegriffene darstehen würden, das sich F und GB heraushalten.
Lieber Andreas, eigentlich hätten die Geheimdienste von GB und F das rausbekommen müssen. Was sicherlich auch geschah, weil sie ihren Bündnisverpflichtungen durch Kriegserklärungen an das DR nachkamen.
 
ganz_der_alte schrieb:
Das weiss ich!
Aber die Geschichte war doch eben deshalb seeehr durchsichtig! Die Verantwortlichen des DR hofften wahrscheinlich, wenn sie als angegriffene darstehen würden, das sich F und GB heraushalten.

Ging auch etwas um die eigene Bevölkerung. Hitler schien sehr bemüht, bei den Deutschen nicht als der Schuldige am Krieg da zu stehen. Eine Kriegsbegeisterung wie beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es sowieso nicht, da brauchte man wenigstens das (schwache) Gefühl, im Recht zu sein.
 
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