Arbeit und Armut im Mittelalter

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ursi

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Arbeit, Armut und Stand im Mittelalter


Arbeit und Armut gehören in der Antike und im Mittelalter zusammen. Das Denken und Sprechen über Arbeit vollzog sich immer im Kontext des Denkens und Sprechens über Armut.

Antike und Spätantike

Cicero bezeichnet in seiner Schrift „De officiis“: „Alle Handwerker befassen sich mit einer schmutzigen Tätigkeit; denn eine Werkstatt kann nichts Edles an sich haben“ (Opifices… omnes in sordida arte versantur; nec enim quicquam ingenuum habere potest officina). Das kann man auch so auslegen: Körperliche Arbeit disqualifiziert physisch, sozial, moralisch und intellektuell. Die Arbeit gegen Lohn war in der Antike entehrend, da herrschte die Einstellung vor; „wer Lohn nimmt wird zum Sklaven“ (Ipsa merces est auctoramentum servitutis). Erst mit dem Christentum wird die Arbeit zur Weiterführung der „göttlichen“ Schöpfung. So werden Berufe die in der schon erwähnten Schrift Ciceros als unwürdige Tätigkeit betitelt werden, hervorgehoben. Die körperliche Arbeit wird positiv Bewertet. Augustinus hat stets den Wert der Arbeit betont und erläutert. Wer arbeitet stand in Gottes gnaden und war nicht Arm, den Jesus war ein Handwerker nach der Bibel.

11. und 12. Jahrhundert

Es setzt sich die arbeitsteilige Gesellschaft durch, die gesellschaftliche Ordnung beruht nach dem Schema der funktionalen Dreiteilung (seit dem 9. Jahrhundert). Die gesamte Gesellschaft wird in drei Ständen aufgebaut: Klerikern, Rittern und Arbeitenden. Die einen beten, die anderen kämpfen und die dritten arbeiten. Diese drei Stände sind nicht hierarchisch, sondern eindeutig funktional konzipiert. Was heisst das? Arbeit wird hier das erste Mal als gesellschaftsnotwenig gesehen, auch wenn nicht alle Mitglieder der Gesellschaft arbeiten. Im 11. Jahrhundert ist der Stand der arbeitet durch die Bauern definiert. Dies ändert sich, neue Berufe kommen dazu, Kaufleute, städtische Handwerker und schliesslich Professoren und die Intellektuellen. Was aber bis zum Ende des Ancien Régime gleich bleibt ist, der dritte Stand ist immer der, der Arbeitenden. Eine Begleiterscheinung des neuen Denkmusters ist der Zusammenschluss zu Assoziationen (Zünfte und Gilden). Eine Anmerkung zum Kaufmann; der Kaufmann galt in der Antike und Spätantike als eine fragwürdige Figur, ab dem 11. Jahrhundert galt sein Beruf als ehrlich und wurde als Arbeit gedeutet.
Eine Auflistung aller arbeitenden Menschen und ihre Berufe lieferte Hugo von St. Viktor in der „ars mechanicae“ Er hat somit die arbeitende Bevölkerung aufgewertet.

14. und 15. Jahrhundert

In den grossen Städten entwickelte sich die Vorstellung einer spezifischen Existenz des sozialen Milieus, das Milieu der Nacht. Darunter versteht man die so genannten „arbeitsscheuen Elemente, wie Bettler, Diebe, Verbrecher, Zuhälter und Prostituierte. Dies hatte Ausgrenzungen zur Folge. Dieser Prozess setzte auf den alten Problemkonstellation von Armut und Arbeit neue Momente frei, die Bevölkerung wurde in drei Kategorien eingeteilt: Die arbeitenden, die Menschen die zwar arbeitswillig aber nicht arbeitsfähig sind und die als arbeitsfähig gelten, aber denen ein Mangel an Arbeitswillen unterstellt wird. Diese Unterteilung wurde zu einem grossen Thema der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Es führte zur Kontrolle der Armut, Bettler brauchten zum Beispiel eine Lizenz. Die Armut wurde immer mehr bürokratisiert, diszipliniert, rationalisiert und pädagogisiert. Arbeit hiess nun Pflicht und Fleiss, Ordnung, Mässigung und Disziplin. Diese Entwicklung kann man in ganz Europa feststellen. Man kann diese neue Denkweise auch schriftlich-literarisch nachweisen. Im Bettlerspiegel oder Scharlatansspiegel (Speculum cerretanorum), werden die Tricks der so genannten arbeitsscheuen und deshalb betrügerischen Bettler zum Nutzen der arbeitenden Mehrheit der Menschen entlarvt, die Armenfürsorge zu einem Instrument der Arbeitserziehung. Armut wird jetzt nicht mehr, wie in der Antike und Spätantike oder im frühen und hohen Mittelalter durch den Zwang der Arbeit definiert sondern vielmehr Arbeit als Mittel gegen Armut verstanden.
1516 veröffentlichet Thomas Morus Utopia, darin beschreibt er eine Gesellschaft die keine Armut mehr kennt, weil alle arbeiten. Er polemisiert aber in Utopia auch gegen den Adel, die durch Nichtstun erschlaffen. In der Welt von Morus verstehen alle Menschen etwas von Landwirtschaft und haben einen Beruf gelernt.
Martin Luther berief sich in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) auf den deutero-paulinischen Satz, dass nicht essen solle, wer nicht arbeiten wolle und begründete damit seine Auffassung, es füge sich nicht, dass „einer auf des anderen Arbeit müssiggehe“.

Die Unterscheidung des nichtarbeitsfähigen und deshalb würdigen von angeblich arbeitsscheuen und deshalb unwürdigen Armen hat sich durchgesetzt, wobei ausser acht blieb, dass es sich bei diesen unwürdigen Armen vielfach um arbeitslose, unterbeschäftigte und unterbezahlte Menschen handelte.

Quellen: Otte Gerhard Oexle, Arbeit,Armut, "Stand" im Mittelalter
Michael Mollat, Die Armen im Mittelalter
 
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