"Arbeitercompagnie" - Preußisches Heer

TomRohwer

Neues Mitglied
Hallo in die Runde...
ich brauche einmal "Schwarmwissen", die üblichen Recherchewege helfen leider nicht weiter.;)

In Theodor Fontanes "Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahr 1864" finden sich in etlichen Truppenaufstellungen, die Fontane akribisch aufführt, sogenannte "Arbeitercompagnien".

Selbige sind in vorderster Front bei dem Sturm auf die Düppeler Schanzen beteiligt, offenbar gehören sie zum Preußischen Heer. Die einzige Erklärung zum Stichwort "Arbeitercompanie", die ich bis jetzt finden konnte, die in etwa aus diese Zeit stammt, bezieht sich auf das Würtembergische Heer, und dort ist es offenbar eine andere, ältere Bezeichnung für "Disziplinarkompanien".

In der Zeit des 2.Weltkriegs wurde die Bezeichnung dann wohl gelegentlich für "Strafkompanien" der Wehrmacht verwendet.

Weiß irgendjemand im Forum etwas genaueres über die "Arbeiterkompanien" des Preußischen Heeres oder anderer verbündeter Heere, die im Krieg 1864 gegen Dänemark kämpften?

Vielen Dank schon mal im Voraus.
 
Arbeitercompagnien...
Man sagt auch „Handwerkscompagnien „.

Dieser Begriff tauchte wohl zuerst 1691 bei den Franzosen auf.

Es handelt sich da um eine militärisch organisierte Abteilung/(en) zu Anfertigung von allerhand Armeebedürfnissen.
Es geht um Arbeiten mit großer Präzision. Arbeiten also die präziser gefertigt werden als wenn sie von gewöhnlichen Bürgerhandwerkern verfertigt werden.
 
Selbige sind in vorderster Front bei dem Sturm auf die Düppeler Schanzen beteiligt, offenbar gehören sie zum Preußischen Heer.
Das könnte von dem Einsatz her ggf. auch eine Art Pioniere gewesen sein. Ich finde dazu auf Seiten über die Geschichte des Pionierwesens auf die Schnelle aber nichts. Weißt Du, ob die irgendwas Spezialisiertes gemacht haben, oder "nur" Gräben geschaufelt und verfüllt haben?

(Ich weiß spontan auch nicht, wie vertraut Fontane mit den Begrifflichkeiten des Heeres war, ggf. hat er Sappeure und Mineure gesehen und diese als "Arbeiterkompanien" angesprochen? (Passiert ja bis heute selbst den besten Qualitätszeitungen...)

Post Schreibulum:
Traditionsstiftend für das tyske Pionierwesen scheint es zu sein. Beachte im Link insbesondere auf S. 2, großes Bild, was die Burschen da alles anschleppen. Fontane könnte das durchaus für Arbeit gehalten haben...
https://www.bdpi.org/wp-content/uploads/2016/08/Geschichte-Pioniere-Teil-2.pdf

P.S.2: Der These Ralf M. folge ich eher nicht - das wären ja Hochwertspezialisten und viel zu wertvoll, um sie bei einem Sturmangriff ganz vorne zu verheizen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Grübel... Pioniere können es insofern eigentlich nicht sein, als die als solche aufgeführt werden.

Das sieht bei Fontane z.B. so aus:

Schanze II.
Entfernung: 389 Schritt.
Vertheidigt durch Abtheilungen vom 22.Regiment.
Genommen durch 10 Compagnieen der Brigade Canstein und
1 Pionier-Compagnie.
Befehlshaber : Major v.Fragstein vom 35.

Formation .
3 Schützen-Compagnieen : Hauptmann v.Spies vom 35. , Hauptmann v.Leszcinski und Hauptmann Krähe vom 60.
1 Pionier-Compagnie: Hauptmann Daun.
1 Arbeiter-Compagnie: Hauptmann Struensee vom 35.
2 Sturm-Compagnieen: Hauptmann Bachfeld und Hauptmann v .Schütz vom 35.
4 Reserve Compagnieen : Premierlieutenant v.Treskow und Hauptmann v.Kameke vom 35. , Premierlieutenant v.Kaminietz und Premierlieutenant Caspari vom 60.

Was mich gerade stutzig macht: "Sturm-Compagnien" z.B. als ... "Gattung" hat es in Infanterie-Regimentern aber ja auch nicht gegeben, oder?
Vielleicht ist es gar keine offizielle Einheitsbezeichnung, wie "Pioniere" oder "Schützen", "Füsiliere" usw.
Sondern beschreibt die aktuelle Aufgabe in dieser Einsatzsituation, und Fontane macht da eine "Kategorien-Verwurschtelung". (In vorderster Front war er m.W. eh nicht dabei.)
 
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Was mich gerade stutzig macht: "Sturm-Compagnien" z.B. als ... "Gattung" hat es in Infanterie-Regimentern aber ja auch nicht gegeben, oder?
Vielleicht ist es gar keine offizielle Einheitsbezeichnung, wie "Pioniere" oder "Schützen", "Füsiliere" usw.
Sondern beschreibt die aktuelle Aufgabe in dieser Einsatzsituation, und Fontane macht da eine "Kategorien-Verwurschtelung".

Der Gedanke war mir beim Lesen Deines vorherigen Abschnitts auch gekommen: Nicht Truppengattung, sondern konkrete Gefechtsgliederung mit Aufgabenzuordnung.

Wenn Du die Kompanien aufaddierst, kommst Du auch genau auf 10+1 (10 Compagnien Bde. Canstein + 1 Pio.)
 
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Nicht Truppengattung, sondern konkrete Gefechtsgliederung mit Aufgabenzuordnung.
Das sehe ich auch so. Die Informationen in den spärlichen Quellen lassen darauf schließen, dass es sich bei den Arbeiterkompanien um ganz normale Infanteriekompanien handelte, mit der besonderen Aufgabe, in der zweiten Reihe hinter den "Schützenkompanien" und vor den "Sturmkompanien" zusammen mit den Pionieren allfällige Hindernisse zu überwinden. Dazu wurden sie je nach dem mit Leitern und ähnlichem Gerät ausgerüstet, trugen aber vornehmlich Sand-/Heu- und Strohsäcke in die vordersten Reihen. Mir ist nicht klar, ob sie mit diesen Säcken Stacheldraht niederdrücken oder Deckungen schaffen mussten.

Bei Düppel gab es 6 Sturmkolonnen
1. Kolonne: Arbeiterkompanie = 5. Kompanie 4. Garderegiment zu Fuss
2. Kolonne: Arbeiterkompanie = 3. Kompanie des Brandenburgischen Füsilierregiments Nr. 35
3. Kolonne: Arbeiterkompanie = 11. Kompanie des 1. Posenschen Infanterieregiments Nr. 18
usw.
Der Krieg gegen Dänemark im Jahre 1864

Offenbar dienten sie auch der Lockerung der Nervosität ihrer Kameraden, wie diese Anekdote zeigt:
indes rüstete sich auch die Arbeitercompagnie des 18. Regiments. Sie kam nicht, wie der Wald von Dunsinan, mit grünen Zweigen, nein, sie kam wie ein Trupp lebendig gewordener Stroh- und Sandsäcke heran um uns den Weg zu bahnen - an Humor fehlte es da nicht. "Strohsack, lauf nicht so!" " Sandsack, zurück" und was dergleichen mehr.
Unterhaltungen am haüslichen Herd

In der dänischen Serie "1864" sieht man das mit den Säcken auch, allerdings rennen dort alle auf einmal los.
 
Dazu wurden sie je nach dem mit Leitern und ähnlichem Gerät ausgerüstet, trugen aber vornehmlich Sand-/Heu- und Strohsäcke in die vordersten Reihen. Mir ist nicht klar, ob sie mit diesen Säcken Stacheldraht niederdrücken oder Deckungen schaffen mussten.

Stacheldraht war 1864 mWn noch kein Ding.

In der dänischen Serie "1864" sieht man das mit den Säcken auch, allerdings rennen dort alle auf einmal los.

Wissen wir, wer da losläuft? Die Sandsäcke an den eigenen Linien zu lassen, oder erst späteren Wellen mitzugeben, ergibt auch keinen richtigen Sinn.

(Kenn nur ein paar von den Szenen aus youtube, aber nicht die ganze Serie)[/QUOTE]
 
Stacheldraht war 1864 mWn noch kein Ding.
Danke für die Richtigstellung. Umso mehr frage ich mich, wozu die Strohsäcke dienten.
Die Fernsehserie nehme ich natürlich nicht als Referenz.

C. von Winterfeld schreibt in Geschichte des Schleswig-Holstein'schen Krieges von 1864
An der Tete jeder Kolonne marschirt eine zum Ausschwärmen bestimmte Infanterie-Kompagnie. Unmittelbar dahinter folgt die Arbeiter-Abtheilung mit umgehangenen Gewehren.
Es steht da aber auch, dass jedermann in der Sturmkolonne einen halb gefüllten Sandsack mit sich zu tragen habe.

Auch in den Erinnerungen Moltkes ist es ein "unmittelbar dahinter"
Moltkes m̲ilitärische Werke
 
Kann es sein, dass man die Stroh- bzw. Sandsäcke brauchte, um Wege zu reparieren? Wenn ein paar tausend Infanteristen mit Pferden, Wagen und Kanonen eine nicht-asphaltierte Straße entlang marschieren vergrößern sich Schlaglöcher. Wenn die dann nicht geflickt werden, wird es für Kanonen und Tross schwierig weiterzukommen. Oder wäre das eine klassische Pionieraufgabe?
 
Eine weiße Masse auf kurzen schwarzen Beinen kam schnell auf uns zu; das war eine Kolonne, in der jeder Mann einen großen Strohsack vor sich trug, hinter ihnen die wirkliche Angriffskolonne. Der Feind überwand unsere Verhinderungen auf die leichteste und sinnreichste Art der Welt, die ersten paar Mann schnitten mit einer Schere das Drahtgitter durch, die nächsten warfen ein paar Kissen auf unsere Fußangeln, und die ganze Kolonne lief hinüber.
Auszug aus einem Brief eines dänischen Unteroffiziers von 1864 in Larsen, Karl, Ein modernes Volk im Kriege , 1907
 
Das Stroh irritiert mich. Sandsäcke werden zum Bau von Feldbefstigungen verwendet, und ein vor sich her getragener Sandsack bietet auch einen gewissen Schutz gegen Kugeln, Granatsplitter etc (plus den psychologischen Effekt, darauf zu hoffen, das dem so ist...). Aber Stroh? Kann das das auch leisten? Denn einen anderen Zweck erkenn ich nicht wirklich.

Die Fernsehserie nehme ich natürlich nicht als Referenz.

Sorum nicht, aber die dort gezeigte Erstürmung der Düppler Schanzen erscheint mir insgesamt als eine der besten filmischen Umsetzungen eines Gefechts aus dem 19. Jh., die ich kenne, mit viel liebe zum historischen Detail. Würd mich freuen, wenn auch das Detail passt. ;)
 
Die Fernsehserie nehme ich natürlich nicht als Referenz.
Ich meinte damit, dass ich nicht wegen des Filmes an Sandsäcke in den vordersten Reihen bei Düppel glaubte. Sie mussten schon noch anderweitig belegt sein.
Ich finde es auch gut, dass die Filmleute dieses Detail einbrachten und zwar vermutlich richtig, wenn man davon ausgeht, dass jeder einen halbvollen Sandsack mit sich tragen musste.

Vidste De, at danskerne rejste krigshistoriens første pigtrådshegn foran skanserne på Dybbøl i 1864?
Wussten Sie, dass die Dänen 1864 vor den Schanzen bei Düppel den ersten Stacheldrahtzaun der Kriegsgeschichte errichteten?
1864-Zeitung - Historiecenter Dybbøl Banke
Nun, sie geben dann im weiteren zu, dass das ein Draht mit "Stacheln" im Boden 1m davor und dahinter und nicht am Draht war.
Gab es diese spitzen Gegenstände vor und hinter dem Draht auch anderswo in der Zeit?
 
Gab es diese spitzen Gegenstände vor und hinter dem Draht auch anderswo in der Zeit?

Krähenfüße und ähnliche Geschichten (so stell ich mir das grad vor) wurden seit der Antike immer wieder verwendet; auch im am. Bürgerkrieg und im 1. Wk. Warum nicht 1864? Neu (zumindest für mich) ist da va der Draht. Ich erinnere mich an eine Rekonstruktion des Belagerungsrings um Alesia aus der Antike. Da lagen vor angespitzten, in den Boden gerammten Stöcken als Hindernis auch Krähenfüße aus, als kleiner Bonus Malus für die Angreifer...
 
Diese Strohsäcke könnten behelfsmäßige Faschinen gewesen sein, um rasch Grabenhindernisse aufzufüllen. Sie wären nicht so stabil wie gebündeltes Reet oder Reisig (so fertigte man sie eigentlich), aber leichter zu tragen.
 
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