Argumente für und wider der Annahme, Corvey sei römisch

Was den Höllenhund angeht: Wenn das rechts unten als Wagenrad interpretiert werden kann, würde ich auf die Entführung des Persephone tippen. Das war im Mittelalter eine geläufige Allegorie für die Auferstehung. Ein Sarg mit der Szene -eine antike Spolie- ist z.B. als Sarkophag Karls des Großen im Gespräch.

Damit wird aus heidnischen Mythen christliche Symbolik.

Ähnlich wird Odysseus zum Symbol des Menschen, der auf seinem Lebensweg Sünden wiedersteht.
 
Von den Corveyer Fresken hätte ich hier noch einige eigene Aufnahmen anzubieten, die etwas höher aufgelöst sind als die sonst im Netz verfügbaren Bilder:

Die Gesichter entsprichen eigentlich dem, was ich von mittelalterlichen Fresken und Buchmalereien kenne. Wenn ich an die mensa Hildeberti denke beispielsweise:
 

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Mit Aeneas hättest Du mich wahrscheinlich überzeugt. Aber mit den griechischen Superhelden Herakles und/oder Odysseus in einem fränkischen Gotteshaus habe ich erhebliche Probleme.

Und noch ein Text aus dem 9. Jhdt., aus Laon:
Catholicae fidei ac religionis titulo perspicuis patribus sororibusque, usquam locorum in sacro contubernio sociatis, humiles ac devoti coenobitae beati presulis Christi Remigii prosperum huius vitae successum et perpetuae felicitatis in Christo tripudium.
Meritam supernae districtionis vindictam mole peccaminum diutius experti, adeo fluctibus calamitosae tempestatis obvolvimur, ut solo Divinitatis respectu ipsum lucis excursum moras causemur innectere, et licet innumeris inter Schillam et Charibdim iactati naufragiis, utpote persecutionum undis huc illucque tumentibus, talia conqueri cogamur.



Schlussfolgerung: Dem karolingischen Mittelalter war es durchaus möglich, Cerberus, Scylla und Charibdis und andere teuflische Gestalten (wobei Scylla und Charibdis wohl doch eher als geographische Punkte gemeint sind) in einen christlichen Kontext zu stellen und dementsprechend zu verwenden.



Wenn ich mich richtig erinnere, befinden sich die Fresken an der Nordwand des Westwerks. Die Nordseite ist die "böse" Seite einer Kirche. Deshalb sind im Norden bei vorbarocken Kirchbauten auch so selten Eingänge zu finden, sondern meistens im Süden und im Westen (Hauptportal, Altar im Osten, daher kein Osteingang). Wenn also Monster an der Nordwand einer Kirche zu finden sind, ist das auch aus symbolischer Sicht nicht völlig absonderlich.
 
Und noch ein Text aus dem 9. Jhdt., aus Laon:
Catholicae fidei ac religionis titulo perspicuis patribus sororibusque, usquam locorum in sacro contubernio sociatis, humiles ac devoti coenobitae beati presulis Christi Remigii prosperum huius vitae successum et perpetuae felicitatis in Christo tripudium.
Meritam supernae districtionis vindictam mole peccaminum diutius experti, adeo fluctibus calamitosae tempestatis obvolvimur, ut solo Divinitatis respectu ipsum lucis excursum moras causemur innectere, et licet innumeris inter Schillam et Charibdim iactati naufragiis, utpote persecutionum undis huc illucque tumentibus, talia conqueri cogamur.

Schlussfolgerung: Dem karolingischen Mittelalter war es durchaus möglich, Cerberus, Scylla und Charibdis und andere teuflische Gestalten (wobei Scylla und Charibdis wohl doch eher als geographische Punkte gemeint sind) in einen christlichen Kontext zu stellen und dementsprechend zu verwenden.

Wenn ich mich richtig erinnere, befinden sich die Fresken an der Nordwand des Westwerks. Die Nordseite ist die "böse" Seite einer Kirche. Deshalb sind im Norden bei vorbarocken Kirchbauten auch so selten Eingänge zu finden, sondern meistens im Süden und im Westen (Hauptportal, Altar im Osten, daher kein Osteingang). Wenn also Monster an der Nordwand einer Kirche zu finden sind, ist das auch aus symbolischer Sicht nicht völlig absonderlich.

Was den Höllenhund angeht: Wenn das rechts unten als Wagenrad interpretiert werden kann, würde ich auf die Entführung des Persephone tippen. Das war im Mittelalter eine geläufige Allegorie für die Auferstehung. Ein Sarg mit der Szene -eine antike Spolie- ist z.B. als Sarkophag Karls des Großen im Gespräch.

Damit wird aus heidnischen Mythen christliche Symbolik.

Ähnlich wird Odysseus zum Symbol des Menschen, der auf seinem Lebensweg Sünden wiedersteht.

Danke Euch Beiden. Das klingt glaubwürdig.

Wenn ich mir die Gesichter der Corveyer Bilder auf Divicos Fotos(2. u. 3.) anschaue, dann stehen die frühchristlichen Fresken in der Tat näher als z.B. den römischen Fresken in Pompeji.
Jedenfalls nach meiner unmassgeblichen Meinung und nach oberflächlicher Internet Bildersuche.

Gruß
jchatt
 
Prima Beitrag! Der Troja -Gründungsmythos kann eine Erklärung für das Odysseusgemälde im Westwerk sein.

Zum Thema ANGILI ergibt sich aus meiner Sicht eine weitere Interpretationsmöglichkeit:
die hier erwähnten Boten, oder auch christlichen Engel könnte auch der germanische Stamm der ANGELI/ANGILI sein, der lt. Tacitus ein Teil der Sueui war und auf der Ptolemäuskarte in der betreffenden Gegend verzeichnet ist.
Bei den Sachsen war hier der AUGA Gau.
Also: ... deine Angili (germanischer Stamm) sollen die Wächter ihrer Mauern sein ...
 
Zum Thema ANGILI ergibt sich aus meiner Sicht eine weitere Interpretationsmöglichkeit:
die hier erwähnten Boten, oder auch christlichen Engel könnte auch der germanische Stamm der ANGELI/ANGILI sein, der lt. Tacitus ein Teil der Sueui war und auf der Ptolemäuskarte in der betreffenden Gegend verzeichnet ist.
Bei den Sachsen war hier der AUGA Gau.
Also: ... deine Angili (germanischer Stamm) sollen die Wächter ihrer Mauern sein ...
Darauf immerhin sind Klabes und Konsorten nicht gekommen.

Das sind allerdings nicht die Angeli sondern die Anglii.

Aber nehmen wir im Sinne der Ergebnisoffenheit einfach mal an, dass es sich trotzdem um dieselbe Gruppe handelt (und vergessen wir nebenbei, dass es sich bei der Bauinschrift um ein Zitat aus einem Antiphon, also einen kirchlichen Wechselgesang handelt):

Bei Tacitus steht, dass sie nicht weiter erwähnenswert seien, außer dass sie einen bestimmten Gott (Nerthus) verehren und offenbar kaum Kontakt mit den Römern hatten: fluminibus aut silvis muniuntur (sie werden durch Flüsse und Wälder beschützt).

Also ein nicht weiter erwähnenswerter Stamm. Hm... Ist es denkbar, dass ein nicht weiter erwähnenswerter Stamm in einer römischen Bauinschrift erwähnt wird?

Also: Umgib (Imperativ!) diese Stadt, oh Herr (Nero)* mit Mauern, auf dass deine Angeln sie bewachen....

Zusammengefasst ein nicht weiter erwähnenswerter Stamm, der laut Tacitus kaum Kontakt mit den Römern hat, soll für diese Stadt Wache stehen. Das muss jeder selbst entscheiden, ob er das für plausibel hält. Derjenige muss dann aber zusätzlich für plausibel halten, dass derselbe Text später identisch in einem Kirchenlied auftaucht.

Die in dem genannten Germania-Abschnitt genannten Stämme und ihr Nerthus-Kult wird nebenbei mit dem Meer und einer Insel im Meer verbunden. Wieso du sie nun an der Weser verortest ist mir unklar.


*Also dass ich DNE nicht als *Dominus Nero lese, ist hoffentlich klar, aber das wird ja u.a. kolportiert.
 
Zusammengefasst ein nicht weiter erwähnenswerter Stamm, der laut Tacitus kaum Kontakt mit den Römern hat, soll für diese Stadt Wache stehen. Das muss jeder selbst entscheiden, ob er das für plausibel hält. Derjenige muss dann aber zusätzlich für plausibel halten, dass derselbe Text später identisch in einem Kirchenlied auftaucht.

Der vollständige Text des "Kirchenlieds" (Responsorium) lautet:

Civitatem istam tu circumda, Domine,
et angeli tui custodiant muros eius;
exaudi Domine populum tuum cum misericordia.
Qui regis Israel, intende:
qui deducis velut ovem Ioseph.
Avertatur furor tuus, Domine, a populo tuo,
et a civitate sancta tua.


Zieh einen Ring um diese Stadt, Herr;
deine Engel mögen ihre Mauern schützen.
Erhöre, Herr, dein Volk mit deiner Barmherzigkeit.
Der Du Israel weidest, höre,
der Du Josef hütest wie Schafe.
Wende ab deinen Zorn, Herr, von deinem Volk,
und von deiner heiligen Stadt.

Text und Übersetzung:
http://gregorien.info/chant/id/2726/14/en


Die Zeile mit den Engeln findet sich auch in einem anderen liturgischen Gesang, der Antiphon "Domum istam protege":

Domum istam protege, Domine,
et angeli tui custodiant muros eius.


Schütze dieses Haus, Herr,
und deine Engel mögen seine Mauern bewachen.

Domum istam protege
 
Klabes übersetzte angelus mit Bote, ignorierend oder schlicht nicht wissend, dass es sich um ein kirchenlateinisches Wort handelt, welches man in Rom zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht kannte.

zumindest verwendet das Wort "Angelus" Lucius Annaeus Seneca (Epistulae morales ad Lucilium)

= Nec ego, Epicuri, angelus scio (Ich kenne den Boten Epicuri nicht ?), somit wurde es zu Zeiten Augustus bereits publiziert, das ist doch schon recht interessant. Das man es dann später in einem Kirchenlied wieder findet ändert doch an der frühen Verwendung nichts, oder ?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das hatten wir schon, siehe dazu Beitrag #40.
Im Übrigen schrieb Seneca der Jüngere erst einige Jahrzehnte nach Augustus.
 
Die Christianisierung der Sachsen muß einen gewaltigen Schub erhalten haben:
815 - Gründung einer ersten Missionszelle im sagenumwobenen Hethis im Solling durch Benediktinermönche aus Corbie
822 - Kaiser Ludwig der Fromme schenkt dem Kloster die Villa Huxori – Grundsteinlegung des Klosters Nova Corbeia an der Weser, Umsiedlung der Mönche aus Hethis
836 - Übertragung der Gebeine des Heiligen Vitus von St. Denis bei Paris nach Corvey, Beginn der bedeutenden Wallfahrtsgeschichte Translatio sancti Viti. Die Begeisterung der Sachsen beim Einzug des Heiligen muß ungeheuer gewesen sein, und beeindruckend war die Zahl der Wunder, die allerorten während des Zuges durch die Fürsprache des Heiligen erfolgten. Bemerkenswert, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß Karl der Große 804 seine letzten Schlachten mit den Sachsen ausfocht.
Über die von KdG so drangsalierten und „bekehrten“ Sachsen ist Aegidius Gelenius (1595-1656) voll des Lobes: "Wer sollte nicht weinen und jubeln vor Freude beim Anblick eines so vortrefflichen und frommen Volkes!“
844 - Die erste Steinkirche in Corvey wird dem Heiligen Stephanus geweiht.
Da hätte man dann als Wandmalereien doch eher Abbildungen aus dem Leben der beiden Heiligen Stephanus und Vitus erwarten können.

St. Vitus ist begleitet von einem Löwen und einem Vogel. In der 46 Kilometer entfernten Kirche St. Vitus in Willebadessen ist der Heilige mit einem Raben abgebildet:

http://www.vitus-gemeinde.de/vitus/fotos/abschlussstein_heiliger_vitus.jpg

Die Verbindung von corvus zu Corvey war wohl naheliegender als von corbeia nova zu Corvey.
 
Puh, da ist Mal wieder einiges zu korrigieren:

1. Von "erster Missionszelle" kann man bei einer Gründung 815 nicht sprechen. Da gab es schon die sächsischen Bistümer.
2. In Hethis wurde ein Kloster gegründet, dass später an den günstigeren Ort an der Weser bei Höxter verlegt wurde, wo es dann Nova Corbeia genannt wurde. Das waren nicht zwei unterschiedliche Institutionen. Die Verlegung eines Klosters/Stiftes/Bistums ist in der Kirchengeschichte bei Weitem nicht singulär.
3. Die Translatio ist kein Wallfahrtsbericht, sondern die Beschreibung einer Heiligentranslation, der Übertragung der Gebeine eines Heiligen an einen anderen Ort.
4. Die Sachsenkriege dauerten u.a. so lange, weil nacheinander verschiedene soziale Gruppen aus verschiedenen Regionen unterworfen wurden. In Südostwestfalen herrschte schon länger Ruhe. Und eine Generation reicht durchaus, entsprechende Ansichten zu verbreiten.
5. Auch zur Kunstgeschichte gibt es Einführungen, die man zur Kenntnis nehmen kann. Die Illustration des Christentums durch heidnische Bilder war jedenfalls weit verbreitet.
(6. Frag dich lieber, wie die Abbildung von Mr.Spock auf den Sarg Ludwig des Frommen kam. Vielleicht hat ja die Sternenflotte die Geschichte der Zeit gefälscht. ;) )
 
Puh, da ist Mal wieder einiges zu korrigieren:
1. Von "erster Missionszelle" kann man bei einer Gründung 815 nicht sprechen. Da gab es schon die sächsischen Bistümer.

Du weißt also von einer noch früheren Missionszelle in Hethis? - Sicher gab es schon Bistümer. Die Entfernung von 60 Kilometern von Paderborn hätte sich angeboten für diese Gründung. Aber es mußten erst Mönche aus dem 600 Kilometer entfernten Corbie anreisen zu einer Gründung.

2. In Hethis wurde ein Kloster gegründet, dass später an den günstigeren Ort an der Weser bei Höxter verlegt wurde, wo es dann Nova Corbeia genannt wurde. Das waren nicht zwei unterschiedliche Institutionen. Die Verlegung eines Klosters/Stiftes/Bistums ist in der Kirchengeschichte bei Weitem nicht singulär.

Ich schrieb: Grundsteinlegung des Klosters Nova Corbeia an der Weser, Umsiedlung der Mönche aus Hethis. - Da sind wir uns doch einig.

3. Die Translatio ist kein Wallfahrtsbericht, sondern die Beschreibung einer Heiligentranslation, der Übertragung der Gebeine eines Heiligen an einen anderen Ort.

Das muß man nicht betonen. Aber das Spektakel einer Translation dient doch dem dann folgenden Aufschwung durch eine steigende Wallfahrtsindustrie.

4. Die Sachsenkriege dauerten u.a. so lange, weil nacheinander verschiedene soziale Gruppen aus verschiedenen Regionen unterworfen wurden. In Südostwestfalen herrschte schon länger Ruhe. Und eine Generation reicht durchaus, entsprechende Ansichten zu verbreiten.

46 Jahre lang führte Karl der Große seinen Kampf gegen das sächsische Heidentum. Um dann über andere heidnische Analogien den armen Sachsen das Christentum nahezubringen?

5. Auch zur Kunstgeschichte gibt es Einführungen, die man zur Kenntnis nehmen kann. Die Illustration des Christentums durch heidnische Bilder war jedenfalls weit verbreitet.

Sooo weit verbreitet nun auch nicht! Zu den Corveyer Wandmalereinen steht im Katalog von 1999: Die Kenntnis von den Taten des Ithakers (Odysseus) war in karolingischer Zeit auch bei belesenen, gelehrten Geistlichen recht beschränkt. Da die Wandbilder in einen Nebenraum - den der einfache Pilger sicher nicht zu Gesicht bekam - verbannt waren, scheinen die exquisiten geistigen Bedürfnisse der gebildeten Mönche befriedigt zu haben. Vielleicht etwas weit hergeholt der Vergleich: eine Art „Playboy“ für das Mittelalter. Hilde Claussen bietet hier für den „Corveyer Meeresfries, der sicher der erste seiner Art war“ eine „fromme“ Erklärung: "…der Meerwesenfries mit seinen Fabelfiguren und Schiffen … stellt allegorische das Meer dieser Welt dar, … Das böse Meer steht hier für die sündige Welt, deren vielfältige Gefahren und dämonische Versuchungen den Christen bei seiner Lebensfahrt zum Hafen des Heils bedrohen. In diesem Meeresbild fand auch der tugendhafte Odysseus, der unbeirrt von allen Anfechtungen über die Meere fuhr und als Besieger eines Meeresdämons einen passenden Platz."

(
6. Frag dich lieber, wie die Abbildung von Mr.Spock auf den Sarg Ludwig des Frommen kam. Vielleicht hat ja die Sternenflotte die Geschichte der Zeit gefälscht. ;) )

Ich konnte Mr. Spook nirgends auf dem Sarkophag entdecken. Hast du eine andere Abbildung? (Ein Glück für dich, daß das nicht als Trollerei gesehen wurde. Da kann man hier schnell für Wochen in die Ecke gestellt werden.)
 
Gnarf: Hatte übersehen, dass die Frage in das Zitat gerutscht ist. Antwort editiere ich hier rein, wenn die Zeit reicht.

Edit: Schau Dir die Ohren auf den Fragmenten an. Ganz klar Vulkanisch. (Bei uns war das im Studium eine Zeit lang ein Running Gag. Illig war damals ja wesentlich aktueller.) Google ich nach "Ludwig der Fromme Sarkophag" wird mir kein einziger Sarkophag angezeigt. Nur 5 Bilder von Ludwig und ein Stammbaum und dann Bilder zu anderen Themen. Und Ironie ist keine Trollerei.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht groß, spitz. Uns fiel es auf, als eine Kommilitonin meinte: "Frisuren wie Romulaner!". Und ein Anderer: "Und spitze Ohren."

Aber auf der Abbildung im PDF kann ich keine Details erkennen.
 
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