Attila, der Hunne

Viele der "barbarischen" Herrscher sind uns nur mit ihren Herrschaftsnamen überliefert. Es ist sicher zweifelhaft, ob ein Theoderich als "Volks-Herrscher" geboren wurde. Beim Awarenkhagan Baian wird vermutet, dies könne ein Titel statt ein Name sein, seine Nachfolger bleiben völlig namenlos.
Diese Menschen hatten damals keinen Rufnamen im heutigen Sinn. Sie hießen z.B. einfach ‘Brüderchen’ (bis heute gebräuchlich, inkl. den vielen Abwandlungen), was dann die ganze Sippschaft benutzte, auch wenn der Junge schon in fortgeschrittenem Alter war und längst ein “Väterchen” hätte genannt werden können. Frauen hingegen hießen ab einem gewissen Alter “Mutti”. Kenne heute noch Gruppen, in denen miteinander nicht verwandte Erwachsene eine respektierte Frau “Mami” nennen (auch ein uraltes Wort, wahrscheinlich aus Asien).

Bei Attila hingegen wäre möglich, dass er bereits als Junge z.B. “Atti” hieß, falls der Name einen “Adligen” bedeutet hatte. Wer weiß...?
 
Leider werden wir nicht mehr ergründen können, ob Attilas ursprünglicher Eigenname alttürkisch "Etil" oder "Atel" lautete. Ganz davon abgesehen finde ich es schon erstaunlich, dass der Eigenname einer so bedeutenden und geschichtsmächtigen Persönlichkeit unbekannt geblieben ist.
Wobei man beachten sollte, dass "Etel" nur im Deutschen wie 'Ehtel' ausgesprochen wird, und auch ein 'Atel' keineswegs nur mit aufgerissenem Mund gesagt werden kann, sodass sich 'Atel' und Etel [sprich: "Äthäl"] recht ähnlich sind. ;)
 
Viele der "barbarischen" Herrscher sind uns nur mit ihren Herrschaftsnamen überliefert. Es ist sicher zweifelhaft, ob ein Theoderich als "Volks-Herrscher" geboren wurde.
Warum nicht? Theoderich der Große gehörte zu einer Familie, die einen Teil der Goten führte, also war schon bei seiner Geburt absehbar bzw. für seinen Vater wünschenswert, dass er ebenfalls eine wichtige Rolle im Stamm spielen würde. Bei den fränkischen Merowingern wiederum gab es Familienmitglieder namens Theoderich/Theuderich, die nie zur Herrschaft gelangten. Z. B. hatte Chilperich I. einen Sohn Theoderich, der als Baby starb, also muss es sich bei ihm eindeutig um seinen richtigen Namen gehandelt haben. Bei den Wandalen hatte Geiserich einen nie zur Herrschaft gelangten jüngeren Sohn Theoderich.
 
Es ist sicher zweifelhaft, ob ein Theoderich als "Volks-Herrscher" geboren wurde.
war der junge Theoderich unter einem anderen Namen Geisel in Byzanz? Ich glaube nicht - aber da war er in einem noch nicht so ganz herrschaftsfähigem Alter.
Alliteration in der Namensgebung war bei den german. Dynastien doch nicht ganz so selten, man denke nur an z.B. die Burgunder; sollte das bei Thiudimir-Thiudreiks (Theoderich) nicht auch der Fall gewesen sein? Die Amalersippe hat doch einige sowohl Thiu/Theo- als auch -reiks/rich Namen.

bzgl. Attilla: der polyethnische Heeresverband der Hunnen Atillas soll als lingua franca gotisch, latein und hunnisch verwendet worden sein; da die verschiedenen gotischen Gruppen (gepidische, herulische, ostgotische und teils auch westgotische) nicht die geringsten waren, ist ein gotischer Name im Sinne "Väterchen (der erfolgreichen hunnischen Heerscharen)" nicht völlig abwegig, zu schweigen von den sprachhistorischen Gründen (welche bei dem Namen "Attila" doch für ein gotisches Wort sprechen)
 
bzgl. Attilla: der polyethnische Heeresverband der Hunnen Atillas soll als lingua franca gotisch, latein und hunnisch verwendet worden sein; da die verschiedenen gotischen Gruppen (gepidische, herulische, ostgotische und teils auch westgotische) nicht die geringsten waren, ist ein gotischer Name im Sinne "Väterchen (der erfolgreichen hunnischen Heerscharen)" nicht völlig abwegig, zu schweigen von den sprachhistorischen Gründen (welche bei dem Namen "Attila" doch für ein gotisches Wort sprechen)
Dass er gotische Wurzeln haben könnte, wäre angesichts der bewegten Geschichte des “Etelgebiets” möglich.. :p Vermute aber eher, dass Attila bei solchen Mutmaßungen in seinem Grab rotiert - was man ihm eigentlich nur wünschen kann. Da wird ihm ein “Väterchen” nicht mehr viel ausmachen. :D
 
Dass er gotische Wurzeln haben könnte, wäre angesichts der bewegten Geschichte des “Etelgebiets” möglich.. :p Vermute aber eher, dass Attila bei solchen Mutmaßungen in seinem Grab rotiert
an der Wolga (Aetil) war er wohl seltener als an der Theiß :winke: und den röm. Quellen ist er nur als "Attila" bekannt... ob und welchen hunnischen Namen er hatte, wissen wir nicht (keine Quelle überliefert einen), aber es ist nun auch kaum anzunehmen, dass der Gesandte Priscos (dessen Bericht ist ja berühmt genug) nur daheim "Attila" und in Pannonien einen anderen Namen für den Hunnenboss verwendete -- kurzum, da gibts wohl keine nennenswerte Rotationsbewegung in Etzels Grab, aus der sich Strom gewinnen ließe :D:D

aber nochwas ulkiges: ich hab mal gelesen, dass "Etzel" nicht nur von Attila, sondern auch von Aetius käme - muss nachschauen, wo das war.
 
dann einigen wir uns ganz unverbindlich auf Pannonien, wo ihn Priscos besuchte (und wo allerdings die Wolga nicht fließt) :winke::D
 
aber nochwas ulkiges: ich hab mal gelesen, dass "Etzel" nicht nur von Attila, sondern auch von Aetius käme - muss nachschauen, wo das war.
Ich halte das eigentlich für relativ plausibel, da es in Wahrheit Aetius (mit hunnischen Truppen!) war, der den Burgundern arg zusetzte, nicht Attila. Insofern könnte ich mir schon vorstellen, dass in der Überlieferung Attila und Aetius verschmolzen sind.
 
da es in Wahrheit Aetius (mit hunnischen Truppen!) war, der den Burgundern arg zusetzte, nicht Attila.
ich weiß - und auch Dietrich von Bern hatte nie mit Attila zu tun - - - aber das sind halt die Wirren der sozusagen "epischen" Erinnerung (Niebelungenlied)

ob der lat. Name Aetius ohne große Verbiegungen zu Etzel werden kann? Aber davon abgesehen, halte ich im Kontext der Niebelungenüberlieferungen das von dir genannte verschmelzen beider Namen - Aetius und Attila - auch für recht plausibel.

noch was - off-topic - zum Niebelungenlied: in Prokops Gotenkrieg gibt es eine Stelle die Gattinnen von Uraias und Hildebad betreffend, die sich bestens als Vorbild für die Badszene des Niebelungenlieds eigenen würde (wird auch in Herwigs Goten so erwähnt)
 
dann einigen wir uns ganz unverbindlich auf Pannonien, wo ihn Priscos besuchte (und wo allerdings die Wolga nicht fließt) :winke::D
Nö! Die Gelehrten streiten sich heute noch, wo jenes Etelgebiet gewesen sei.. (wiederhole: Etel=Dom auf alttürkisch und Etil=Wolga; das Gebiet laut Konstantinos dem Siebten “Atelkuzu”, bzw. “Atel ke uzu”, “-kuzu” für Gebiet) Sodass jenes “Atelkuzu” sich möglicherweise bis zu den Karpaten erstreckt haben könnte. Es ist keineswegs belegt, dass Attila aus Pannonien stammt!!
 
Es ist keineswegs belegt, dass Attila aus Pannonien stammt!!
?? über seinen Geburtsort hab ich doch gar nichts gesagt... aber wo auch immer der war: seine Meriten hat sich andernorts verdient :D:D:D und wenn ich mich recht entsinne, residierte er in Pannonien, als der Gesandte Priscos bei ihm auftauchte.
Noch überzeugt mich nichts, was gegen eine gotisch-sprachige Namens/Titelgebung (Vater der Heerscharen oder so ähnlich) sprechen würde.
 
?? über seinen Geburtsort hab ich doch gar nichts gesagt... aber wo auch immer der war: seine Meriten hat sich andernorts verdient :D:D:D und wenn ich mich recht entsinne, residierte er in Pannonien, als der Gesandte Priscos bei ihm auftauchte.
Soviel ich weiß, wird vermutet, dass er in Buda gehaust haben soll.


Noch überzeugt mich nichts, was gegen eine gotisch-sprachige Namens/Titelgebung (Vater der Heerscharen oder so ähnlich) sprechen würde.
Es spricht nichts wirklich dagegen. Es gibt einfach nur auch noch andere Möglichkeiten... ;)
 
Noch ein kleiner Nachtrag, ohne den gotischen Einfluss auf den Namen ausschließen zu wollen, und eigentlich nur, um für mehr Sanftmut bei der Herleitung des Namens zu plädieren. ;) Die Geburt des Hunnenführers weiter östlich zu vermuten (sprich Domgebiet, d.h. ‘Etel-Gebiet’), würde auch bez. dem gotischen ‘Touch’ des Namens unter dem Einfluss der Cernjachov-Kultur mehr Sinn machen...

Anonymus berichtet um 1190 in seiner Gesta Hungarorum, dass “Mágóg”, der Sohn von “Jáfet”[1], etwa zur Zeit Alexanders des Großen der Skythen erster König gewesen sei, dessen Name dann den Magyaren zur Bezeichnung ihres Volkes gedient habe. Attila sei ein Nachfahre von Magog gewesen, und sei 451 n.Chr.[2] mit einem riesigen Heer vom Land der Skythen nach Pannonien gestürmt, wo er die Römer vejagt und das Land erobert haben soll.


1.: Da das Skythenreich riesig, und ich meine RIESIG gewesen sein muss (auch im Hinblick auf die zahlreichen Funde in Ungarn), kann auch sein – falls an der Geschichte was dran ist – , dass dieser Jafet ein Kleinkönig im Osten, also sowas wie ein ‘warlord’ war... (ähnlich wie möglicherweise auch der skythische König Atheas im Westen des Reiches)
2.: Wie auch die Jahreszahl zeigt, sind die Behauptungen von Anonymus nicht über jeden Zweifel erhaben – auch er schrieb über eine längst vergangene Zeit und ergänzte mit Legenden.


Seine Gesta hungarorum ist übrigens auf Katalanisch übersetzt worden und befindet sich inkl. Erläuterung online (im Gegensatz zur erhaltenen Kopie aus dem 13. Jh.). Falls jemand interessiert ist, kann ich mal den Link posten.
 
Wir müssen jetzt aber nicht wirklich über die Gesta Hungarorum und ihren Quellenwert für die hunnische Geschichte diskutieren, welche die biblische Völkertafel und die Geschichte der Hunnen zur Urgeschichte der Ungarn macht, oder? Da harmonisiert ein ungarischer Mönch die ihm zugängliche Geschichtsschreibung (nämlich die christliche und die römische) mit der Vorstellung dass die Magyaren die Hunnen seien (daher ja auch der nichtungarisches Name der Ungarn).
 
Wir müssen jetzt aber nicht wirklich über die Gesta Hungarorum und ihren Quellenwert für die hunnische Geschichte diskutieren, welche die biblische Völkertafel und die Geschichte der Hunnen zur Urgeschichte der Ungarn macht, oder? Da harmonisiert ein ungarischer Mönch die ihm zugängliche Geschichtsschreibung (nämlich die christliche und die römische) mit der Vorstellung dass die Magyaren die Hunnen seien (daher ja auch der nichtungarisches Name der Ungarn).
Müssen wir nicht, denn es geht nicht um die von Dir kritisierten Punkte. Es geht ja auch nur um Attila, und was die Vorfahren über ihn zu wissen glaubten. Auch will ich die Hunnen niemandem unterschieben.

Müssen wir aber die Gedanken des guten Anonymus wirklich völlig dem Reich der Fantasie zuordnen, um uns in Ruhe sprachlichen Herleitungen hingeben zu können? Und wie können wir uns so sicher sein, dass “Attila eigentlich Etzel hieß”?

Ich habe nichts behauptet, sondern nur zu informieren versucht, und ja, leise Zweifel angebracht. Aber sollte ich mich zu weit vorgewagt haben, ziehe ich mich höflich aus dieser Runde zurück.
 
Niemand behauptet, dass "Attila eigentlich Etzel hieß". Etzel ist die regelmäßige hochdeutsche Ableitung von Attila bei apokopierten -a > Attil.
Germanisches <t> wird in der hochdeutschen Lautverschiebung regelmäßig zu /ts/ (<z>), das /a/ bleibt entweder /a/ oder wird zu /e/.

Das liegt an der zweiten bzw. hochdeutschen Lautverschiebung: /ts/z/ entwickelt sich in der hochdeutschen Lautverschiebung aus /t/. Auch Lehnworte werden dem unterzogen. Wir können das an einigen Worten genau sehen (synchrone und diachrone Beispiele gemischt):
to/tom/ten - zu
two/twee - zwei
tegula - Ziegel (diachron)
Tolbiacum - Zülpich (diachron)
to sweat - schwitzen
Tick - Zecke
tabula - Zabel (nur noch in einer literarischen Gattung erhalten, den Schachzabelbüchern) (diachron)
Geschütte (niederdeutsch) - Geschütz
Tyr - Ziu (vgl. Tuesday) (diachron)
Tiden - Gezeiten
Getal - Zahl
Und zuletzt das Wort, anhand dessen sich wohl einige Leute die Umlautung am besten merken können, und in dem sowohl die Umlautung t > z als auch die Umlautung tt > tz vorkommt, was allerdings im heutigen Deutschen als Vulgarismus erhalten ist:
Titte - Zitze.

So eben auch Attila :rechts: Et-ts-el bzw. Etzel.
 
Müssen wir aber die Gedanken des guten Anonymus wirklich völlig dem Reich der Fantasie zuordnen, um uns in Ruhe sprachlichen Herleitungen hingeben zu können?

Nimm ihn einfach genauso ernst, wie seinen Zeitgenossen, der Trier von einem babylonischen König Trebetas herleitete, wie den begonnenen Brückenbau Alexander des Großen über die Meerenge von Gibraltar oder die trojanische Herkunft der Franken.
 
Nimm ihn einfach genauso ernst, wie seinen Zeitgenossen, der Trier von einem babylonischen König Trebetas herleitete, wie den begonnenen Brückenbau Alexander des Großen über die Meerenge von Gibraltar oder die trojanische Herkunft der Franken.
Jetzt übertreibst Du ein bisschen! :D ;) Dann können wir mal ganz generell die geschichtliche Identität einiger Völker streichen. Dennoch, ich glaube nicht, dass es gerecht wäre zu glauben, Anonymus habe sich alles aus dem Finger gesaugt. Immerhin weiß er auch von verifizierten Fakten zu berichten...

Aber zurück zu Attila: was ist daran stoßend, wenn wir annehmen, dass Attila wahrscheinlich als Skythe im Domgebiet auf die Welt kam? Da kann er ja - wenn’s sein muss – den gotischen Namen erhalten haben.
 
Aber zurück zu Attila: was ist daran stoßend, wenn wir annehmen, dass Attila wahrscheinlich als Skythe im Domgebiet auf die Welt kam? Da kann er ja - wenn’s sein muss – den gotischen Namen erhalten haben.

Wieso als Skythe?

Die Herkunft der hunnischen Sprache ist umstritten, wobei alttürkische oder mongolische Idiome in Erwägung gezogen werden, nicht aber iranisch-skythische.

Es scheint so, als ob die neuere Forschung das Hunnische inzwischen ziemlich eindeutig als Turksprache klassifiziert. Dieser Ansicht ist z.B. István Bóna, Professor der Ur- u. Frühgeschichte an der Universität Budapest. Er schreibt:

Von der hunnischen Sprache wurde leider nichts, besser gesagt nichts sicher hunnisches, überliefert, erhalten blieben uns nur zahlreiche Eigennamen ... Ein ansehnlicher Teil der Namen weist auf eine (Verbindungen mit dem Altbulgarischen und dem Mongolischenzeigende) Turksprache hin, auch wenn dies nicht immer sofort augenfällig ist. Der Name des hunnischen Großkönigs wird beispielsweise in fünf- bis sechserlei Formen geschrieben ... Turknamen sind mit ziemlicher Sicherheit folgende aus der führenden hunnischen Schicht bzw. aus dem Fürstenhaus: Kharaton/Karaton (alttürkisch: Qaráton = Schwarzbekleideter), Uldin/Uldis (alttürkisch: Öldin = Glücklicher), B/Vasik (alttürkisch: Bársig = Pantherähnlicher oder Basig = Gouverneur), Kursik (alttürkisch: Kürsig = Braver, Edler oder Qursig = Gürteltragender), Eskam (alttürkisch: Großer Pfarrer), Atakam (alttürkisch: Vater-Pfarrer) ...

In Kenntnis all dieser Fakten bedarf der populär gewordene und große Irrtum einzelner moderner Forscher einer Richtigstellung: Sie verwechseln wegen einiger mongoloide Züge aufweisender Schädel die mongoloide Großrasse mit der mongolischen Sprache und machen aus Hunnen "richtige" Mongolen.

Ohne Schwierigkeiten kann festgestellt werden, dass die Machthaber des Hunnenreichs von dessen Entstehung bis zu seiner Vernichtung 469 Turknamen trugen und demnach auch hunnischer Herkunft waren.

(István Bóna, Das Hunnenreich, Stuttgart 1991, S. 32 f., 35; Konrad Theiss Verlag)
 
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