Sicherlich gab es Kämpfe, aber die Verlustzahlen dürften weit übertrieben sein
Ich meinte auch nicht, dass die Verluste allesamt auf die Kämpfe zurückzuführen seien, sondern wollte nur aufzeigen, dass Hannibal eben nicht in bestem Einvernehmen und mit voller Unterstützung der Einheimischen einen gemütlichen Spaziergang durch die Alpen gemacht hat.
Hannibal wird insbesondere in der römischen Annalistik oft als monströser Buhmann dargestellt. Das sehe sogar ich, der nicht zu der Extremkritik an den Römern wie z.B. Seibert als Hannibalbiograph neigt. Der angeblich unglaubliche Alpenzug Hannibals dürfte als Vorwand für die mangelnden Vorbereitungen der Römer gedient haben, so nach dem Motto, wer konnte damit rechnen?
Dass Hannibals Alpenüberquerung die Römer überrascht hätte, behauptet eigentlich nur Appian. Ansonsten ist es wohl eher heute beliebt, die Römer als überrascht und unvorbereitet hinzustellen. Da kann man dann natürlich argumentieren, die Römer hätten Hannibal als Monster gezeichnet, das enorme Verluste in Kauf genommen hätte, um etwas zu machen, womit die Römer gar nicht rechnen konnten, weswegen sie behaupten konnten, dass ihnen ihre mangelnden Vorbereitungen nicht vorwerfbar seien.
In Wahrheit aber wurde, wie Livius ausführlich berichtet, schon im Frühling 218 der Praetor Lucius Manlius mit zwei Legionen, 600 Rittern und 11.000 Mann Bundesgenossen in Gallia Cisalpina stationiert. Das waren fast so viele Truppen wie der Konsul Sempronius für die geplante Invasion in Afrika erhielt, ebenso Scipio für Spanien. Man deckte also Norditalien und wollte den Krieg möglichst rasch nach Afrika und Spanien tragen. Als in Gallien der Gallieraufstand ausbrach, wurde auch noch der Praetor Gaius Atilius mit einer Legion und 5.000 Mann Bundesgenossen nach Norditalien geschickt. Rein zahlenmäßig hatten die Römer in Norditalien also präventiv schon mehr Truppen stehen als Hannibal nach seiner Alpenüberquerung - wenn man Polybios', der sich auf Hannibal beruft, Angaben folgt - noch hatte.
Von mangelnder Vorbereitung kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, die Römer hatten sich auf alle Eventualitäten vorbereitet und versuchten die Initiative zu gewinnen. Solange man noch nicht sicher wusste, was Hannibal plante, wäre es ohnehin sinnlos gewesen, alle Truppen in Norditalien zusammenzuziehen, Däumchen zu drehen und zu warten, ob und wann und was die Karthager unternehmen. Was hätte man sonst noch tun können? Einen Festungsgürtel anzulegen entsprach nicht römischer Vorgangsweise (zumal Festungen auch Besatzungen brauchen, und es wäre politisch kaum durchsetzbar gewesen, ausgehobene Bürger langfristig in Festungen herumsitzen zu lassen), dazu gingen sie erst in der Kaiserzeit über.
Das ist aber Unsinn, denn der Zug von Heeren über die Alpen war nun beileibe nichts Besonderes oder Ungeheuerliches. Im Jahre 225, also 7 Jahre vorher, war z.B. ein größeres Heer der Kelten über die Alpen gezogen und hatte die cisalpinen Kelten der Poebene wesentlich verstärkt.
Allerdings wissen wir nicht, wie viele Verluste diese Kelten hatten. Klimatisch werden sie mit den Alpen außerdem besser zurechtgekommen sein als Soldaten aus Afrika oder von den Balearen.