Ausführliche Hierarchie des mittelalterl. Klerus?

P

pinafore

Gast
Ich suche nach einer ausführlichen Beschreibung der kirchlichen Hierarchie im Mittelalter. Angefangen beim Papst, über die Bischöfe, bis hin zu den Pfarrern im Dorf und den Novizen im Kloster. Gibt es etwas deratiges als Diagramm? Ich habe nichts gefunden.

Aber diese Forum macht den Anschein, als könnten meine Fragen beantwortet werden. :teach: :hoch:

pinafore
 
Hi Arcimboldo,
der von Dir vorgeschlagene Text ist in der Tat sehr interessant, er beinhaltet jedoch nicht alle Stufen der kirchlichen Hierarchie, soweit ich das sehe. Der Text läßt im Grunde nur eine Staffelung Papst -> Bischöfe -> Pfarrer zu. :( Sind vielleicht noch andere, nutzbringende Quellen bekannt?
 
....hast Du wirklich alle Seiten bis 1.2.7. geöffnet ? Da gehts nämlich "runter" bis zu den Bettelorden . Ein allgemeingültiges Diagramm wäre wegen der teilweisen Unabhängigkeit mancher Orden von Rom nicht treffend . :yes:
 
Das Thema scheint nicht so einfach zu sein, da es einerseits zahlreiche Verflechtungen zwischen Staat und Kirche gab und andererseits jede Institution innerhalb der Kirche ihre eigene Unterhierarchie besaß. So hatte jedes Kloster seine eigene Hierarchie, die wiederum von Orden zu Orden unterschiedlich war.

So aus dem Ärmel und ohne Gewähr meine ich zu wissen, daß ein Benediktinerkloster einem Abt unterstehen konnte, der je nach politischer Stellung beispielsweise den Titel eines Reichsprälaten bzw. Fürstabts innehatte. War es ein reichsunmittelbares Nonnenkloster, so konnte die Äbtissin den Titel einer Reichsäbtissin oder Fürstäbtissin führen, der Prälatentitel war jedoch Männern vorbehalten. Der Vorsteher eines Franziskanerklosters war jedoch kein Abt, sondern trug den Titel eines Guardian.
Die Orden hatten ihre eigene Verwaltungstruktur, die weitgehend von den sonstigen kirchlichen Verwaltungsstrukturen unabhängig war. (Wobei ich meine, daß auch hier der Papst das letzte Wort hatte.) Das ist in der katholischen Kirche im Prinzip bis heute so geblieben.

Einige Stichworte sind hier zu finden: http://www.die-bibel-lebt.de/kirche.htm
Vielleicht lohnt es sich auch, hier zu surfen: http://www.susas.de/MA_Nav.htm
 
Hyokkose hat nur allzu recht. Um es mit den Worten Fred Sinowatz zu sagen: "Es ist alles sehr kompliziert" und im Fall der kirchlichen Hierarchie trifft das auf jeden Fall zu.
Vielleicht hilfen dir jedoch die kirchlichen Rangabzeichen aus der Heraldik. Seit dem 19. Jhdt wurden sie vereinheitlicht, sie bestehen allerdings schon viel länder. Dort ergibt sich die Bedeutung einer Person anhand der Zahl ihrer Fiocchi (vulgo Quasteln).

Info (fremdländisch): http://www.ghg.net/shetler/catholic/vestments/heraldry.html

Eine aktuelle englische Ehrenordnung habe ich auch gefunden, ich weiß allerdings nicht, ob sie auch für das MA anwendbar ist (und schon gar nicht für das ganze MA): http://www.ghg.net/shetler/catholic/vestments/precedence.html

@ Hyokkose:

Das mit dem Prälatentitel für Abtissinen ist eine interessante Frage, vor allem weil seit 1242 in Nonnberg/Salzburg die Äbtissin in den Prälatenstand erhoben ist...
:confused: Ist das nun das selbe oder etwas anderes?
 
Mit der Prälatin lag ich wohl falsch. Danke für die Korrektur.
 
Mir hat die aktuelle Äbtissin einmal erzählt, dass dies eine ziemlich einzigartige Ausnahme ist, also mach dir nichts draus. Das fällt wirklich unter Insiderwissen, da die Nonnen sehr wenig Kontakt zur Außenwelt und auch zu WissenschafterInnen haben. Ich mußte beispielsweise feststellen, dass ein Professor von mir - Mädievist mit einem Salzburg-Schwerpunkt - noch nie im Kloster selbst war...

Für alle anderen Frauenstifte und -klöster trifft deine Aussage wohl wirklich zu; dies ist auch viel nützlicher zu wissen als diese eine bescheidene Ausnahme.
 
Danke für die Antworten, das ist alles schonmal sehr hilfreich!

Mir ist noch nicht ganz klar, in wieweit z.B. Klöster einzuordnen sind. Der Abt eines einflußreichen Klosters könnte doch evtl. mächtiger sein, als der Bischof einer Diözese. Ich bezweifle allerdings, daß er in der Hierarchie über dem Bischof steht. Klöster besaßen zwar in sich geschlossene Hierarchien, aber wem waren sie unterstellt? Dem Bischof? Oder dem Papst? Mehr bleibt ja fast nicht mehr, wenn ich richtig liege.

Das nächste Problem ist die Inquisition. Ich entschuldige mich für mein mangelndes Wissen ;), aber soweit ich mich erinnere, war die Inquisition nur dem Papst zur Rechenschaft verpflichtet. Aber auch die Inquisition, als sozusagen Tochtergesellschaft der Kirche, war doch bestimmt hierarchisch gegliedert.

Und dann wäre da noch der beliebte Index, welcher gewiß nur dem Papst Rechenschaft ablefgte, aber wohl auch eine eigene Hierarchie besaß. Oder ich liege total falsch. :king:
 
Klöster und Herren

pinafore schrieb:
Mir ist noch nicht ganz klar, in wieweit z.B. Klöster einzuordnen sind. Der Abt eines einflußreichen Klosters könnte doch evtl. mächtiger sein, als der Bischof einer Diözese. Ich bezweifle allerdings, daß er in der Hierarchie über dem Bischof steht. Klöster besaßen zwar in sich geschlossene Hierarchien, aber wem waren sie unterstellt? Dem Bischof? Oder dem Papst? Mehr bleibt ja fast nicht mehr, wenn ich richtig liege.
Es gab Klöster, die dem Ortsordinarius, also dem zuständigen Diözesanbischof unterstellt waren. Dann gab es die "exempten" Klöster, die dem Papst unterstanden z.B. Fulda
Für Fulda war [747]eine rechtliche Sonderstellung durch das Privilieg der so genannten »Exemption« erreicht: Das Kloster unterstand nicht mehr dem Machtbereich von Bischof oder König, sondern direkt und ausschließlich dem Papst.
http://www.erzbistum-muenchen.de/EMF095/EMF009413.asp

Der König, der hier angesprochen ist, war Herr des Reichsklosters (das sah allerdings im 8. Jh anders aus als im 13. Jh).
 
Es gibt (zumindest heute) sehr wohl Äbte, die hierarchisch über einem Bischof stehen können. Zum Beispiel ist der Abt des Klosters Wettingen-Mehrerau nicht nur Mitglied der Bischofskonferenz (da er die Jurisdiktion über mehrere Pfarren, außerhalb einer bischöflichen Diözese, ausübt) sondern steht aufgrund seines Rangs im Zisterzienserorden auch allgemein im Kardinalsrang, d.h. er steht über einer Menge von Bischöfen und ist bei der Konklave wahlberechtigt.

Bedeutend für die Emanzipation der Klöster war die Cluniazensische Reformbewegung, sodaß sich Klöster und Orden von ihren weltlichen Herren lösten, diese Entwicklung fand jedoch wesentlich später als die Exemptio Fuldas ihren Höhepunkt....
 
Folglich wäre es für ein ausführliches Diagramm nötig, jedes Kloster einzeln zu betrachten. Ebenso kann man keine direkte Hierarchie ableiten, da es so aussieht, als wäre die "normale" Hierarchie je nach Machtstellung "angepaßt" und "ausgebaut" worden...?!

Wenn der Abt von Fulda nur dem Papst untersteht, nicht aber dem Bischof der Diözese, ergibt sich daraus nicht eine gefährliche Situation? Weiß jemand, warum entsprechenden Klöstern so viel Macht zugeordnet wurde?

Und: Nehmen wir das Beispiel Fulda... Der Abt ist nur dem Papst unterstellt. Die Inquisition dürfte aber Weisungsrecht besitzen und ist ebenfalls dem Papst unterstellt. Da sehe ich auch Konflikte.
 
Die Klöster waren allerdings wieder innerhalb ihres Ordens an gewisse Spielregeln gebunden. Da konnte kein Abt so einfach aus der Reihe tanzen, denn über dem einzelnen Kloster stand das Generalkapitel.
Auch innerhalb des Klosters war ein Abt kein despotischer Herrscher; er wurde von seinem Konvent gewählt und konnte von ihm auch wieder zum Rücktritt gezwungen werden.
 
Bei der Frage nach der kirchlichen Hierarchie des Mittelalters kommt man mit unseren heutigen Vorstellungen von Hierarchie nicht viel weiter. Als geradezu archetypische Institution des Mittelalters lässt sich die Kirche (wie annähernd vergleichbare Korporationen auch) nur sehr schwer in unser Bild einer relativ klaren Ordnung, von klaren Abgrenzungen von Kompetenzen, von Rechten, von Entscheidungsstrukturen einordnen. Wie alle mittelalterlichen Institutionen funktionierte die Kirche in einem bunten, uns gelegentlich chaotisch erscheinenden Mit-, Neben-, Unter- und Übereinander von Personen und Korporationen, die alle irgendwie die Interessen der Kirche vertraten und dabei miteinander und gegeneinander agierten, Kontakte knüpften und Feindschaften ausfochten, Machtspielchen und Intrigen nicht abgeneigt waren und dennoch in ihrer Gesamtheit irgendwie handlungsfähig waren. Auch die unvergleichliche Komplexität der Kirche und ihre nicht geringe Aufgabe in der Welt dürften dieses vielfältige Treiben nicht gerade gemildert haben.

Eine allgemeingültige Hierarchie dieser mittelalterlichen Kirche (abgesehen von der ganz groben Schablone Papst oben, Bischöfe in der Mitte, Pfarrklerus unten) wird nicht aufzustellen sein.

Werfen wir doch einmal einen Blick auf ein paar Einzelbeispiele:

Der Papst stand als Kirchenvater an der Spitze der Kirchenhierarchie, als geistliches Oberhaupt der gesamten Christenheit (in eigenem Anspruch gerne auch als universelles Oberhaupt der gesamten Christenheit). So weit, so klar. Aber selbst diese einfache Aussage ist schon problematisch. Was ist mit den Schismen? Wer war da das tatsächliche Oberhaupt, dem die Loyalität zu schulden war? Und selbst wenn man die Schismen einmal außen vorlässt, dann gab es immer noch den Konziliarismus: Keineswegs dem Papst, sondern einer allgemeinen Kirchenversammlung kam die Leitung der Christenheit zu. Und von den Kardinälen, die den Papst zu wählen hatten, was eine gewisse Abhängigkeitssituation mit sich bringt, will ich gar nicht anfangen...

So geht es dann weiter: Bischöfe waren ihren Domkapiteln verpflichtet, ohne die sie kaum handlungsfähig waren. Zwar waren sie die personelle Spitze ihres Bistums, doch im Territorium selber waren es die Archidiakone (als Träger bischöflicher Gerichtsbarkeit), die zumeist das Sagen hatten. Adelige Patronatsherren oder traditionelle Exemptionsrechte verhinderten weiterhin einen Zugriff auf den einzelnen Pfarrklerus. Und wenn ein Bischof gar einmal mehrer Bistümer in seiner Hand vereinte, dann waren es schnell seine Amtsvertreter vor Ort, die sich flugs die Rechte des woanders weilenden Bischofs anmaßten.

Auch in den Orden sah es nicht anders aus. Zwar existierte der "Gehorsam" als eine der drei mönchischen Grundtugenden, aber der bezog sich rein rechtlich gesehen in erster Linie auf den Abt und niemand anderen. Außerhalb der Klostermauern waren Hierarchien wenig geregelt und die Feindschaften bestimmter Orden untereinander sprechen da sicherlich Bände. Nimmt man jetzt noch dazu, dass manche Klöster noch einmal eine übergeordnete Organisationsform (Kongregation) entwickelten, dann wird auch hier wieder der Rahmen einer simplen Hierarchie, eines einfachen Oben-Unten, gesprengt.

Kommen dann noch Legaten, Inquisitoren, städtischer und adeliger Klerus, Landeskirchenwesen, Eigenkirchenwesen, die Unterscheidung von Amtsgewalt und Titulargewalt und all die tausend anderen Formen mittelalterlicher Kirchlichkeit dazu, dann wird das Gesamtsystem Kirche sehr schnell nahezu undurchschaubar.

Eine einfache Hierarchie lässt sich dazu einfach nicht aufstellen.


pinafore schrieb:
ergibt sich daraus nicht eine gefährliche Situation

Eine gefährliche Situation? Vielleicht. Eine typisch mittelalterliche Situation? Auf jeden Fall!


P.S.: Zur Prälatinnen-Frage: Der Begriff praelatissa für Äbtissinen findet sich in offiziellen Schriftstücken der kirchlichen Administration. Einmalig war er daher keineswegs.
 
Zitat Herold :

::Eine gefährliche Situation? Vielleicht. Eine typisch mittelalterliche Situation? Auf jeden Fall!
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... nur mittelalterlich.. ? ich denke das ist ein Problem jedes großen Apparates bis heute, einschließlich der entsprechenden Begleiterscheinungen...... ! :rolleyes:
 
Ok, ich wollte es am Anfang ja nicht sagen, aber die Hierarchie ist fürs Rollenspiel gedacht. Ich neige als Meister eher dazu, mir meine eigenen Hirarchien zu basteln, aber die gnädigen Spieler verlangen etwas realistisches, etwas, "das an die Wirklichkeit angelehnt ist...!" :) Naja... so sind sie halt...!
 
Das hättest du ja ruhig sagen können. Es ist immer netter zu wissen, wofür man sich die Arbeit mit der Antwort antut...:yes:
 
Eben, deshalb hab ichs nicht getan. Die meisten Menschen können nicht verstehen, daß einem Rollenspiel sehr am Herzen liegen kann. ;)
 
hyokkose schrieb:
Die Klöster waren allerdings wieder innerhalb ihres Ordens an gewisse Spielregeln gebunden. Da konnte kein Abt so einfach aus der Reihe tanzen, denn über dem einzelnen Kloster stand das Generalkapitel.
naja, generalkapitel gab es aber bei weitem nicht in allen orden.
das ist eine erfindung der zisterzienser und wurde u.a. von den prämonstratensern und den karthäusern übernommen.
in vielen anderen ordens gab's diese art von kontrollorgan aber nicht.
 
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