lamasohn

Neues Mitglied
Hi, folgende Frage: Kennt jemand Autorinnen/Minnesängerinnen aus dem Mittelalter und Seiten im Internet, die sich mit FRAUEN der mittelalterlichen Literatur beschäftigen? Besonders interessier ich mich für schreibende weltliche Frauen, weniger für Klosterfrauen (Hildegard,...), da gibt's je eh einiges dazu.
 
Um ehrlich zu sein, die einzigen schreibenden Frauen, die mir für das Mittelalter einfallen, sind Nonnen bzw. sonstwie kanonisierte Frauen. Hildegard, Mechthild von Magdeburg, Hrodswith (Roswitha) von Gandersheim, die Äbtissinnen des Stiftes Quedlinburg, die Äbtissinnen des Stiftes Essen, Teresa von Ávila...
 
Ob sie selbst zur Feder gegriffen hat, weiß ich nicht genau, aber Eleonore von Aquitanien war zweifellos eine der bedeutendsten Mäzeninnen und mächtigsten Frauen des Mittelalters. Von den Troubadoren wurde sie begeistert gefeiert, und eine späte Hommage an "Lady Alienor" findet sich noch in der Oper Carmina Burana von 1935, wofür Carl Orff Vaganten und Minnelieder aus dem Kloster benediktbeuren verarbeitete.


"Wäre diu welt alle min
Vom Meer bis an den rhin,
das wollte ich mir darben,
läge die Königin von Engelland
in minen armen."
 
Mir fallen da spontan zwei Namen ein: Marie de France und Christine de Pizan. Aber mehr als das kann ich leider auch nicht beisteuern.
 
Hi, folgende Frage: Kennt jemand ... Minnesängerinnen aus dem Mittelalter

Der Begriff Minnesängerinnen ist ein Widerspruch in sich.

Minnesang war eine hoch ritualisierte Form der gesungenen Liebeslyrik, die der Adel des Abendlandes im hohen Mittelalter pflegte. Minnedichtung reflektierte programmatisch unerfüllte Liebe, pries die Angebetete oder schilderte in späterer Zeit auch erotische Erlebnisse.

Es wäre für einen Menschen des Mittelalters völlig undenkbar gewesen, dass eine Frau diesen Minnesang ausgeübt hätte.
 
Es wäre für einen Menschen des Mittelalters völlig undenkbar gewesen, dass eine Frau diesen Minnesang ausgeübt hätte.

Siehe Post von Saint-Simone :fs:

Nur weil die deutschen Herren ihre Damen ein Dichtverbot gegeben haben, muss das nicht für andere mittelalterliche Kulturräume Westeuropas gelten. Immer diese Verallgemeinerungen.
 
Aber der Minnesang in Deutschland wurde von den süd- und nordfranzösischen Troubadours beeinflusst. Innhaltlich wurden beide Dichtungen von einem Thema beherrscht.
 
Danke erstmal für die Antworten bisher.
ad Triere: Christine de Pizan war mir schon ein Begriff, zu Marie de France werd' ich gleich mal ein wenig suchen.
ad Dieter: Als Minnesang werden ja auch die Texte an sich bezeichnet. Ich kann mir schon vorstellen, dass es Autorinnen gab, die Minnesang geschrieben haben (auch wenn es vermutlich nicht zum Vortrag von Sängerinnen kam)
Aber das wär' schon wieder eine interessante Frage: Haben nur Männer vorgesungen?
ad Joinville: Gab's tatsächlich ein ausgesprochenes Dichtverbot der deutschen Herren an die Damen?
 
ad Joinville: Gab's tatsächlich ein ausgesprochenes Dichtverbot der deutschen Herren an die Damen?

Nein, nicht das ich wüsste. Ich habe denn Begriff eher retorisch benutzt um zu verdeutlichen, das es zum Beispiel in Südfrankreich für Frauen durchaus möglich war zu dichten. Mir ist in der tat keine weltliche Dichterin (Minnesängerin oder wie auch immer) aus dem deutschen Sprachraum bekannt.
 
Das mit dem weiblichen Minnesang ist ein wenig schwer, weil der Minnesang in die Kategorie des Frauenlobs gehört und meist von einem Ritter an eine höher gestellte Dame gerichtet ist. Ich plädiere noch einmal, Minne von anderer Dichtung schärfer zu trennen!
 
Siehe Post von Saint-Simone :fs:

Nur weil die deutschen Herren ihre Damen ein Dichtverbot gegeben haben, muss das nicht für andere mittelalterliche Kulturräume Westeuropas gelten. Immer diese Verallgemeinerungen.

Christine de Pizan war eine Schriftstellerin, aber weder eine Troubadeuse noch eine Minnesängerin! Das sollte man doch auseinanderhalten!

Für die Gedankenwelt und Mentalität eines Menschen aus dem Mittelalter war es schlichtweg undenkbar, dass eine Frau öffentlich Minnelieder vortrug. Dass sie in ihrer Kammer zur Laute sang, ist etwas völlig anderes.
 
Für die Gedankenwelt und Mentalität eines Menschen aus dem Mittelalter war es schlichtweg undenkbar, dass eine Frau öffentlich Minnelieder vortrug. Dass sie in ihrer Kammer zur Laute sang, ist etwas völlig anderes.

Minnesängerinnen nein, Sängerinnen jedoch schon...

Zumindest unter den Trobadors - die sich der altokzitanischen Sprache Südfrankreichs bedienten - gab es auch Frauen (zeitgenössisch als Trobairitz statt asl Trobador bezeichnet): Kleidung der Troubadoure? - Beitrag #4
Dort bereits genannt wurde die Condesa de Dia/Comtessa de Dia/Gräfin von Dia: Beatriz de Dia ? Wikipedia
Hier noch zwei weitere Beispiele:
Azalaïs de Porcairagues ? Wikipedia
Castelloza ? Wikipedia

Allerdings sollten wir hier - wie bereits erwähnt - zwischen dem Minnesang und der sonstigen Lieddichtung (Spruchdichtung/religiöse Dichtung) unterscheiden, denn ich denke, das ist in dieser Diskussion ein grundsätzliches Verständigungsproblem:
http://www.geschichtsforum.de/f77/spr-che-gebete-der-minnes-nger-17897/
http://www.geschichtsforum.de/f48/der-minnesang-die-minnelieder-2803/
 
Ich haslte es für unsinnig, anhand eines exotischen Besipiels Frauen-Troubadoure zu postulieren.

Die Ausnahme bestätigt die Regel, wonach es natürlich keine weiblichen Troubadoure und schon gar nicht Minnesängerinnen gab! Einzelne und hergesuchte Damen sind kaum repräsentativ für die Masse der Troubadoure.
 
Ich hatte Dir auch nicht widersprechen, sondern die Trennung von Minnesang und Dichtung dabei nochmals hervorheben wollen...

Ich haslte es für unsinnig, anhand eines exotischen Besipiels Frauen-Troubadoure zu postulieren.

Das hatte ich auch nicht tun wollen - wiewohl es mehr als ein Beispiel dafür gibt (ich hatte drei benannt; es gibt offenbar noch einige mehr - ist jetzt aber nicht so wichtig).

Die Ausnahme bestätigt die Regel, wonach es natürlich keine weiblichen Troubadoure und schon gar nicht Minnesängerinnen gab! Einzelne und hergesuchte Damen sind kaum repräsentativ für die Masse der Troubadoure.

Natürlich handelt es sich bei der Trobairitz um ein begrenztes Phänomen - beschränkt auf den okzitanischen Sprachraum und die Zeit vom Ende 11. bis etwa 13. Jh. Über ihre Zahl gibt es verschiedene Aussagen - und Einigkeit besteht wohl nur darin, daß sie natürlich eine Minderheit darstellten.
Und für die Minnesänger ist definitiv kein weibliches Pendant bekannt - und wohl auch höchst unwahrscheinlich.
 
Und für die Minnesänger ist definitiv kein weibliches Pendant bekannt - und wohl auch höchst unwahrscheinlich.

Was natürlich auch in der Funktion des Minnesangs liegt: Ein Ritter macht einer höher gestellten Dame Avancen, ohne die sexuelle Erfüllung, die er gesellschaftlich gar nicht erhoffen darf, zu suchen. Die Troubadourlyrik hat dieses Problem nicht. Vielleicht liegt das Missverständnis in diesem Thread darin, dass Minnegesang fälschlicherweise auf sämtliche mittelalterliche (Lieder)Dichtkunst ausgeweitet wird?
 
Zumal die Begriffe gern falsch verwendet werdet. Die Minne selbst hat im Mittelalter eine inhaltliche oder vielmehr wertende Änderung erfahren. "Minne" ist ein mittelhochdeutscher Begriff des frühen Mittelalters für jedwede mentale, emotionale, soziale und karitative Zuwendung und Wertschätzung, also durchaus auch die Zuwendung zu Gott und anderen (auch geleichgeschlechtlichen) Mitmenschen.

Die Minne als Defintition einer emotional-erotischen Beziehung zweier Geschlechter, als Liebe, kam erst später so um 1170, als die Minne zu einer platonischen Liebe stilisiert wurde und als "hohe Minne" vor allem die platonische, doch glühende Verehrung des niederen Mannes oder Ritters zu einer höhergestellten Dame bezeichnete und im Minnegesang ihre öffentliche Äusserung erfuhr und sich eine eigene Kunstrichtung entwickelte.

Im Spätmittelalter erfuhr gerade der sexuell-erotische Aspekt eine Verstärkung, sodaß man das Wort "Minne" untauglich fand edlere Gefühle zu beschreiben und stattdessen die "Liebe" in den Vordergrund trat. Die Minne erfuhr sogar eine Tabuisierung.

Der Trobador, Troubadour oder Trouvère dagegen war ein Dichter, Komponist und Sänger, der sich nicht nur der Verehrung hingab und eine Dame damit unterhalten sollte, ist aslo mit dem Minnesänger nicht zu verwechseln.
Man könnte den Troubadour sozusagen als Schlagersänger des Mittelalters bezeichnen. Wilhelm von Aquitanien war ein Troubadour, man würde ihn aber wohl kaum als Minnesänger bezeichnen. ;)
 
Was natürlich auch in der Funktion des Minnesangs liegt: Ein Ritter macht einer höher gestellten Dame Avancen, ohne die sexuelle Erfüllung, die er gesellschaftlich gar nicht erhoffen darf, zu suchen. [...]

... da muss ich widersprechen: Minnesang ist nicht gleichzusetzen mit der Anbetung einer (höher gestellten) Frau durch einen Sänger. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen nicht der Mann eine Frau anbetet; wiewohl die meist dem Tagelied zuzuordnen sind (Falkenlied, Dietmar von Aistens "slafest du, friedel..." fallen mir spontan ein; auch beim damals häufig vorkommenden Wechsel sprechen ja abwechselnd Mann und Frau...)

Nichts desto trotz: den Minnesang ausübende Frauen im deutschsprachigen Raum habe ich jetzt trotz intensiver Recherche nicht gefunden. Man kann vermutlich festhalten: Es gab singende/dichtende Troubairitz, jedoch keine Frauen im deutschsprachigen Raum des Mittelalters, die sich dem Minnesang zuordnen ließen.
 
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