Lässt sich ein solcher Prozess der Verarmung in einem solchen Maße wirklich erkennen? Klar drückte die napoleonische Wirtschaftsregulierung mit allen Zwangsmaßnahmen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Aber verarmten weite Landstriche so sehr? Und wenn ja, hätte das nicht sogar das Bandenwesen wie im vorrevolutionären Frankreich erst recht aufblühen lassen müssen?
Überdies muss es ja auch zu einer schrittweisen Erholung gekommen sein. Das war natürlich unterschiedlich, je nach dem, welche Gebiete auf welche Weise bsw. vom Krieg verzerrt wurden. Dabei verlagerten sich ja ab 1801 die Kampfschauplätze endgültig ins Bayerische, auch wenn wir dort schon im ersten und zweiten Koalitionskrieg bedeutende Kampfhandlungen haben, so wurde der Krieg von 1805 und 1809 dann zu einem großen Teil in Bayern ausgetragen oder im Schwäbischen (Schlacht bei Ulm).
Ich würde wirklich das Ende der wirklich kleinen Territorien wie der Reichsritterbesitzungen und die Fortentwicklung des Polizeiwesens für wesentliche Faktoren halten. Außerdem trat ja dann in der Tat ab 1815 eine längere Phase des Friedens ein. Innerhalb Deutschlands können wir dann doch erst 1866 wieder von einem großen militärischen Konflikt sprechen. Vergleicht man das mal mit den Kriegen des 18. Jh.! Span. Erbfolgekrieg, Großer Nordischer Krieg, Poln. Thronfolgekrieg, Österreichischer Erbfolgekrieg, Siebenjähriger Krieg, Bayerischer Erbfolgekrieg, Revolutionskriege... und einige andere kleinere regionale Konflikte da und dort. Das war sicherlich ein immer wieder guter Nährboden für das Banden(un)wesen.
Die Liquidierung der Kleinstterritorrien und die Modernisierung der Justiz und Polizei machte Räubern zweifellos das Leben schwer. Es waren ja vor allem die Territorien der Reichsritter, wo Banditen Unterschlupf fanden. Dort mussten die Räuber aber für Schutz auch teuer bezahlen. Am skrupellosesten trieben es Friedrich Karl Freiherr von Hutten zu Stolzenberg und sein Amtmann Kees, die berüchtigten Räubern Schutz boten und Streifen abwimmelten. 1802 wurde Kees auf Druck der Franzosen und des Landgrafen von Hessen- Kassel entlassen, und einige Gauner verhaftet, um die Beschwerden zu entkräften. Kees Nachfolger Rüllmann verfiel aber bald schon auf die gleichen Methoden wie der Räuber Nikolaus Joseph Harting alias Brabanter Claus zu berichten wusste.
Brabanter Claus hielt sich aber auch gerne in Thüringen versteckt.
"Es gehöre jener Ort zu einem Patrimonialgericht, und der gnädige Herr habe den Talles (befinde sich in schlechten Vermögensumständen)
Er (Brabanter Claus) habe daher der Frau Amtmännin ein Seidentuch geschenkt und sich auch gegen ihn erkenntlich erwiesen."
Sieht man sich die Beuteerträge von Banditen wie Brabanter Claus und Picard an, so gingen diese seit den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts deutlich zurück.
Der erwähnte Abraham Picard konnte zwischen 1790- 1800 in wenigen Jahren mehr als 10.000 Rthl erbeuten. 1805 wurde er als Betteljude festgenommen und besaß nur, was er auf dem leib trug. Dem Polizeispitzel Meyer Regensburg, der ihn festnahm sagte er:
"Er möge sich lieber an den Serves Joseph, den Mausche Elsässer oder den Major Rouhet halten, weil er die letzten zwei Jahre schlecht verdient habe und nunmehr ein armer Teufel sey."
Allerdings wussten sich Banditen wie Picard auch anzupassen, und um 1810 gingen die Profis dazu über mit wenigen Teilnehmern in Postbüros oder banken einzubrechen. Damian Hessel war so einer, und prominente Vertreter der fast mafiös organisierten Großen Niederländiscdhen Bande waren noch in den 1820er Jahren aktiv. Sie spezialisierten sich auf Messestädte und bevorzugten gewaltlosen Einbruch.
Die meisten anderen Räuber haben sich nicht reich gestohlen, und oft genug bestand die Beute nur aus Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.
Für die "klassischen Räuber" war die Zeit abgelaufen, und sie entwickelten sich zu einem neuen Kriminellentyp. Sozusagen vom Räuber zum Geldschrankknacker bzw Gangster.
Wo, vor allem auf dem Land nichts mehr zu holen war, hatte selbst der beste Bandit seine Sorgen.
Der letzte große Coup war der Postraub an der Subbach nahe Biedenkopf am 19. Mai 1822. Verzweifelte, pauperisierte Bauern hatten den Plan gefasst, das "Geldkärnchen" einen Geldtransporter, der einmal im Monat zwischen Gladenbach und Gießen verkehrte, zu überfallen.
Die Täter waren keine gestandenen Banditen, sondern Bauern aus dem kleinen Ort Kombach. Die preußischen Zollverordnungen hatten den Hand3l mit Tüchern zum Erliegen gebracht, und die Kartoffelfäule von 1816 bewirkte eine Hungersnot, die durchaus mit der "Great Famine" in den 1840er Jahren in Irland vergleichbar ist. Die verhinderten Räuber wurden bald enttarnt und nur dem jüdischen Hausierer David Briel aus dexbach gelang die Flucht mit seinem beuteanteil. Die anderen verrieten sich, da sie zuviel Geld ausgeben mussten, und alle wurden in Gießen exekutiert.
Die Modernisierung der Justiz und der Verfolgungsbehörden, die Liquidierung der Kleinterritorien und die lange Friedenszeit sind sicher bedeutende Faktoren für den Niedergang des Bandenwesens, allerdings sollte man nicht unterschätzen, dass sich ein grundsätzlicher Strukturwandel der Kriminalität vollzog.
Für das klassische Räuberwesen war charakteristisch, dass es sich auf das flache Land spezialisierte. Die ganz Reichen und Mächtigen konnten relativ sicher sein. Für den Überfall auf ein Schloss waren mindestens ein Dutzend Bewaffnete erforderlich, und eigentlich gelang so etwas nur den veteranen der Großen niederländischen Bande.
Opfer waren meist Gastwirte, Pfarrer, Beamte und Großbauern. Bargeld war relativ selten als Beute, eben weil der geldumlauf eher gering war auf dem flachen Land. die Zukunft gehörte daher kleinen Trupps von Einbrechern und Trickbetrügern, die sich auf Städte spezialisierten und Unterschlupf nunmehr in den Slums der aufstrebenden Groß- und Industriestädten fanden.