Ich habe mir nun überlegt, in wie weit ich das mit den 3 Stunden von Talleyrand nachvollziehen kann. Hauptsächlich fußen meine Annahmen auf einem Selbstversuch mit gestoppter Zeit mit einer Kleidung von um 1803, die man sich wohl auch bei Talleyrand vorstellen kann (vergleicht man seine Porträts, wo er keine Hofkleidung trägt).
Ich würde davon ausgehen, dass Talleyrand erstmal das Hemdchen gewechselt hat. (Casanova z.B. gönnte sich den Luxus jeden Tag ein frisches Hemd anzuziehen. Bei Talleyrand würde ich vom Gleichen ausgehen.
Nach dem
Hemdwechsel, wofür wir 2,5 min. veranschlagen dürfen (das mit den Manschettenknöpfen, ist immer eine ziemliche Fummelei), ließ er sich eine frische
Unterhose und die
Strümpfe reichen oder sogar anziehen.
Ich würde mal bei Talleyrand, wenn er so eine Frostbeule war, von Unterhosen ausgehen, auch wenn die damals nicht selbstverständlich waren. Obendrein dürfte hinein spielen, wenn er tatsächlich 2 Paar Strümpfe übereinander trug, dass er dadurch deutlich länger brauchte. (Konnte er sich überhaupt selber die Strümpfe anziehen?) Dafür veranschlage ich 4,5 min..
Jetzt sollte er sich die
Hose angelegt haben, wofür man mit etwa 2 min. rechnen kann.
Bei der Wäsche saß er sicherlich nicht fröstelnd da, sondern legte einen Hausmantel oder sowas an.
Man müsste freilich wissen, ob er sich des Morgens badete oder nur eine gewöhnliche
Wäsche vornahm. Ich würde mal bei letzterem von 5-6 Minuten samt Mantelanlegen ausgehen.
Das
Zähneputzen war damals schon sehr verbreitet, gerade bei Herren, die was auf sich hielten. Es sind schon schöne Zahnbürstensets erhalten. Da geben wir ihm mal die Zeit von 5 min. dafür.
Das
Rasieren bspw., von dem man ausgehen kann, denn damals ließen sich echte Herren der Gesellschaft schon täglich rasieren, muss man erstmal länger als die heutige Nassrasur veranschlagen. Heute braucht man vielleicht 6 Minuten mit allem drum und dran, damals war das anders. Der Barbier (oder Bediente) nahm drei Gänge vor, man rasierte mit- und gegen den Strich der Barthaare und ging zuletzt nochmal ordentlich drüber. Den mittlerweile modischen Backenbart hatte Talleyrand ja nicht. Wenn ich mich recht von einer Veranstaltung her entsinne dauerte eine ordentliche Rasur so um die 15 bis 20 min.. Das kommt natürlich immer auf die Beschaffenheit des Bartwuchses und die Gesichtsform an.
Nun wurde er wohl frisiert, wenn das nicht zuvor kam. Für das
Pudern konnte ich diesmal nicht die Zeit nehmen, aber das dauert je nachdem wieviel Restpuder man vom Vortag in den Haaren hat, so 10-15 Minuten. Wobei das auch sehr von der Frisur abhängt. Talleyrand bspw. hatte ja um 1803 eine sehr simple Frisur, ohne die Seitenlöckchen. Andererseits wird er als Herr der höchsten Kreise darauf einen besonderen Wert gelegt haben.
Nun musste Talleyrand irgendwann aus den
Pantoffeln schlüpfen und die
Schuhe, ich nehme an mit Schnallen, schlüpfen und den Morgen- oder
Hausmantel ablegen. Dafür rechne ich mit etwa 2 min.
Nun kam noch vor der Weste die
Krawatte. Beim Rasieren wäre sie noch hinderlich gewesen. (Kann aber auch schon früher angelegt worden sein.) Krawatten von Musselin waren der ganze Stolz eines modischen Herren und auf das Binden wird die größte Sorgfalt verwendet. Daher gehe ich von 2,5 min. aus. Hätte er noch eine zweite über der ersten getragen, z.B. eine bunte oder gemusterte weiße, dann müsste man noch 2 min. draufhauen.
Nun musste er die Weste oder
Westen anlegen. Ich gehe jetzt mal von der topmodischen Version mit Unterweste und weißer Weste darüber aus. Zum Glück gab es da nicht viele Knöpfe zum Schließen, da die Taille ja sehr hoch lag und oben das Jabot zwischen den Vorderkanten möglichst schön hervor quoll. Dafür käme ich auf 3 min.. (Theoretisch können Westen und Krawatte auch vor dem Pudern angelegt worden sein, denn vor dem Puder schützten in der Regel Morgenmantel und Puderschürze, sowie eine Pudermaske.)
Über die Westen wurde der
Frack gezogen, der mit seinen engen Ärmeln schon eine kleine Herausforderung darstellt und auch ein bisschen den Rest des Gesamtkunstwerkes durcheinander brachte. Für das reine Anlegen kommt man auf 2 min..
Dann brauchte jemand wie Talleyrand alle möglichen
Accessoires. Die Uhr kam in die Uhrentasche, eine Tabatiere (schnupfte er?), ein Portefeuille, vielleicht ein Schnupftuch, sicherlich aber die Handschuhe in den Rock. In der Weste konnte man nicht viel verstauen. Insgesamt braucht man dafür um die 1,5 min..
Nun besah man nochmal den Sitz der Krawatte. Waren die Spitzen derselben recht schön abstehend? Waren eventuell die Schleifen gleichmäßig? Dann nahm man den
Hut unter den Arm. Das dauert nochmal 1-2 min..
Fertig war Talleyrand. Es könnte natürlich sein, dass ich sowas wie Ordensbänder etc. unterschlagen habe.
feif:
Macht: 69 Minuten.
Und das ist nun ohne Pausen und ohne Bad gerechnet. Es kann also gut sein, dass er damit auf die 2-3 Stunden kam.
Im Unterschied zum Eingangsbeitrag habe ich diesmal Körperhygiene etc. in die Betrachtungen miteinbezogen. Deswegen habe ich die neue Rechnung aufgemacht. Ein paar Aspekte habe ich revidiert, wie es mir anhand des Selbstversuches sinnvoll schien.