Capital and Labour - Karikatur

Hä? Was gäbe es denn für einen Sinn, eine geschlossene Tür mit Sicherheitsschlössern mit einem offenen Spalt zu zeichnen?

Die Türen der damaligen Zeit waren bestimmt nicht so perfekt gezimmert, wie es heute üblich ist (besonders in weniger noblen Behausungen. Von daher kein Widerspruch.

Ich gehe mal davon aus, dass der Zeichner keine technische Zeichnung erstellen wollte und dass man daher nicht sooo akribisch den Augenmerk auf Ungereimtheiten im Detail (Darstellung des Schlosses, Türspalt) legen sollte.
 
Das ist eine Karikatur. Eine Karikatur ist keine Abbildung der Realität, sondern sie soll eine Botschaft transportieren.
 
Das ist eine Karikatur. Eine Karikatur ist keine Abbildung der Realität, sondern sie soll eine Botschaft transportieren.

Ich wage nicht zu widerprechen! :still:

Aber hast du dich nicht auch an Details "festgebissen"?
" ... ist die Tür ja nicht verschlossen, die Bolzen schließen Plan ab ..." ;)
 
Im oberen Bild rechts sitzt ein gut genährtes Kind in einer Art Sessel mit mehreren Kissen. Der Diener reicht ein übervolles Tablett - das Kind wird offensichtlich gemästet. Soll dieses Kind ebenfalls nach unten verkauft werden, sobald es kräftig genug ist?
Schau mal genau hin: das ist kein Kind, das ist ein Affe.

Es ist zwar zwischenzeitlich geklärt, dass es sich bei diesem "Kind" um einen Affen handelt, aber genau das, zusammen mit Schosshund und Papagei eröffnet ja noch viel weitere Interpretationsmöglichkeiten - wenn man mal bedenkt, dass der Tierschutzbund in Dtld. mit 800.000 Mitgliedern um ein vielfaches größer ist, als der Kinderschutzbund mit 50.000 Mitgliedern, dann scheint - zumindest bei oberflächlicher Betrachtung - das menschliche Herz über die Artgrenzen hinweg besser zu funktionieren, als innerhalb der eigenen Art.



Das glaube ich dagegen nicht. Wie schon schön herausgearbeitet wurde, dürfte es sich bei der Dame mit dem Anker um die Hoffnung handeln. Für Philomena würden dahingegen andere Attribute fehlen. Siehe auch:
Überzeugt. Das symbolisiert die Hoffnung, siehe:
Symbolism on Monuments (Anchor)

Den John Bull leite ich ganz allein durch die Darstellung ab, dick, Kniebundhose und Union-Jack-Weste.

Der Typ sieht zwar tatsächlich sehr "john-bullig" aus, aber eine Union-Jack-Weste kann ich nicht erkennen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die Interpretation John Bull wirklich teile.

Man sieht auf der Zeichnung ja nur, dass die Kinder in einem Korb herabgelassen wurden, warum und von wem bleibt offen. Das kann zum einen "die Gesellschaft" sein, aber auch einfach nur "das System". Durch die Darstellung der Kinder als wohlgenährt zum Zeitpunkt ihrer Ankunft, soll meiner Lesart nach und ergänzend zu dem, was Ingeborg bereits geschrieben hat, transportiert werden, dass man nicht zum armen und heruntergekommenen Arbeiter geboren, sondern von wem auch immer gemacht wird.

Das lasse ich als Alternative zu meiner Interpretation (unbeabsichter Absturz bei einem Besuch in der "Unterwelt") mal gelten. Wenn man jedoch meine Interpretation zugrundelegen würde, könnte man die Karikatur als einen Warnruf eines Bürgerlichen an das Bürgertum interpretieren: "So, wie wir unseren Reichtum produzieren und nicht bereit sind, diesen mit denen, die die eigentliche Arbeit leisten teilen, so produzieren wir auch einen Hass auf uns, den wir noch mal teuer - nämlich mit unserem Leben - werden bezahlen müssen." Ich sehe nach wie vor die Bedrohung der beiden feisten Kinder eher durch die Armen. Erinnert mich ein wenig an ein Gedicht von Baudelaire aus dessen Anthologie Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen), welches ich leider nicht rezitieren kann. Ich muss es suchen.
Aber eigentlich - so viel zu als Alternative gelten lassen - ist deine/Eure Interpretation wohl doch die zu bevorzugende.

Für die Arbeiter gibt es keine Hoffnung, deshalb steht sie ja vor der Tür.
Ich meine ja, weswegen ich weiter oben ElQ bei seiner Mutmaßung bei dem Putto handle es sich um Amor recht gebe und weiterhin dabei bleibe, dass Liebe (= der Putto) und Hoffnung (= die Dame mit Anker) durch John Bull ausgesperrt werden.

Wie gesagt, mit John Bull kann ich mich nicht recht anfreunden, ansonsten würde ich deiner Interpretation zustimmen.




Die Tür steht durchaus in direktem Zusammenhang mit den umgebenden Figuren und Gegenständen. Bedeutender in der Interpretation ist hier mE der Sachverhalt, dass die Tür eigentlich offen ist - die Schließzylinder schließen Plan mit der Tür, sie wird lediglich durch den fetten Kerl und die Geldsäcke versperrt.


Wie oben schon geschrieben, ist die Tür ja nicht verschlossen, die Bolzen schließen Plan ab, daher wäre mein Ansatz eher der, dass man zwar die sichersten Schließsysteme hat, es aber nicht nötig hat, diese zu verwenden, um die Tür zu versperren. Quasi der Ausdruck einer absoluten Hoffnungslosigkeit.

Wie oben schon erwähnt, sehe ich das nicht so. Für mich macht die Tür einen geschlossenen Eindruck.

Die Nennung der namhaften Schloßhersteller würde zudem bei einer offen Tür nicht viel Sinn ergeben!?

Das ist doch deutlich zu sehen. Die Tür ist doch sogar einen Spalt weit auf.

Das ist wohl einfach eine Sache der individuellen Wahrnehmung. Für mich ist sie geschlossen. :grübel:

Da kein Türrahmen dargestellt ist, kann man das auch schlecht genauer feststellen.
Hätte der Zeichner die Tür nur im Profil gezeichnet, so hätte man diese nicht so gut als solche wahrgenommen (sondern möglicherweise eine Mauer daraus gemacht). Daher wohl die perspektivische Darstellung.

Eure Diskussion finde ich interessant. Für mich war die Tür zweifelsohne geöffnet, als Rahmen hatte ich die Pergola mit den Blumen (Kletterrosen?) interpretiert, inzwischen zweifele ich an der geöffneten Tür. Dennoch würde ich eher für die geöffnete Tür plädieren, weil man den Schließzylinder doch eigentlich nur in diesem Falle sieht.
 
Es ist zwar zwischenzeitlich geklärt, dass es sich bei diesem "Kind" um einen Affen handelt, aber genau das, zusammen mit Schosshund und Papagei eröffnet ja noch viel weitere Interpretationsmöglichkeiten ...
Das halte ich durchaus für eine der markigsten Aussagen der Karikatur, was ich ja schon mal angedeutet habe.

Der Typ sieht zwar tatsächlich sehr "john-bullig" aus, aber eine Union-Jack-Weste kann ich nicht erkennen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die Interpretation John Bull wirklich teile.
Eine mir nahe stehende Deutschlehrerin hat mir mal den Tip gegeben eine schwarz-weiß-Karikatur in Gedanken auszumalen, wenn ich mir mit der Interpretation nicht sicher bin. Versuche dich mal an der Weste, die zugegebenermaßen durch den Arm davor schlecht zu erkennen ist.

Eure Diskussion finde ich interessant. Für mich war die Tür zweifelsohne geöffnet, als Rahmen hatte ich die Pergola mit den Blumen (Kletterrosen?) interpretiert, inzwischen zweifele ich an der geöffneten Tür. Dennoch würde ich eher für die geöffnete Tür plädieren, weil man den Schließzylinder doch eigentlich nur in diesem Falle sieht.
Das ist eigentlich auch ein Argument (war wohl zu nahe liegend für mich :red:)

@Xander: bei Karikaturen kommt es ja auch auf die Details an um sie zu erschließen. Karikaturisten malen weder etwas zufällig, weil ihnen gerade nichts besseres einfällt noch bemühen sie sich um eine größtmögliche Realitätsnähe. Und wieso "auch"?
 
wenn die Tür bereits offen ist, warum will das kleine Flügelwesen anklopfen?

auch der Ausdruck der Frau macht für mich, in diesem Fall, keinen Sinn.
Sie steht vor einer halb, geöffneten, durch Geldbeutel verbarikadierten Tür, will hinein, aber lehnt entspannt auf dem Anker?

wäre es perspektivisch so gemeint, daß die Tür halb offen ist hätte sie ganz unten, von der Tür bis zum Bildrand, Platz hineinzugehen
 
...
@Xander: bei Karikaturen kommt es ja auch auf die Details an um sie zu erschließen. Karikaturisten malen weder etwas zufällig, weil ihnen gerade nichts besseres einfällt noch bemühen sie sich um eine größtmögliche Realitätsnähe. Und wieso "auch"?

Zustimmung!

Aber eben aus diesem Grund ist es für mich nicht schlüssig, warum ein Karikaturist eine offene Tür darstellt und sich gleichzeitig die "Mühe" macht Schlösser mit deren namhaften Herstellern zu zeichnen!
 
auch der Ausdruck der Frau macht für mich, in diesem Fall, keinen Sinn.
Sie steht vor einer halb, geöffneten, durch Geldbeutel verbarikadierten Tür, will hinein, aber lehnt entspannt auf dem Anker?
Sie hat doch die Hand an der Tür, als wolle sie sie aufschieben. Wäre die Tür geschlossen gäbe das keinen Sinn.
 
wenn es so ist, dann will sie aber wie eine coole Sau im Türrahmen stehen, lässig zurückgelehnt auf den Anker, sich zum Raum hin präsentierend

wär heftig angesichts des Elends innen


naja, sie will sie aufschieben, d.h. die Tür ist nicht (komplett) offen; ihre haltung wirkt auf mich eher wartend, verharrend

so wie sie auf dem Anker steht kann sie keinen Schritt nach vorne gehen
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich rätsele noch darüber, ob der Zeichner mit der Darstellung eines farbigen Dieners in dem oberen rechten Bild dem Betrachter ebenfalls eine Mitteilung geben will.
Wie muss es im Augen des damaligen Betrachters wirken, wenn es einem farbigen Diener offensichtlich besser geht als dem britischen Arbeiter?
 
Was die Türschlösser angeht - geht man dem Wikilink des Bildes nach, so steht darunter für die Bezeichnungen der Schlösser das Wort "Tresorschlösser".

Geht man also davon aus, dass es sich hierbei nicht um eine einfache Tür, sondern um eine Tresortür handelt, gibt das nochmal eine Verschärfung hinzu: obwohl der "Tresor" bereits geöffnet ist, kommen Hoffnung und Liebe nicht hindurch, weil der Weg durch das Geld versperrt ist - soll heißen: obwohl es vielleicht sogar Menschen gäbe, die die Arbeiterklasse nicht einsperren/ausbeuten wollen würden, wird auch deren Blick durch das erwirtschaftete Geld verblendet. (Wäre jetzt mein Ansatz)

Der Dicke auf dem Geldberg wäre für mich schlicht (den vorigen Ausführungen folgend) der Geist des Kapital(ismu)s, der diese Sperre errichtet hat.
 
@Kiba

Kannst du deinen Lehrer mal fragen, wenn ihr mit dem Thema durch seit, warum, nach seinem Kenntnisstand, Hamerton zwei Schlösser zeichnete und diese beschriftete?

ich würd das echt gerne wissen
 
ich würd das echt gerne wissen

Hast Du den Hinweis übersehen, nach dem im Begleittext der Karikatur 1843 der Bezug auf Menschen wie Hunde, die das Tageslicht nie sehen werden, gegeben wird? - "Hunde für immer"

Ich habe Deinen Beitrag so verstanden, dass es da eine Verbindung zu den Kurzbezeichnungen der Schlösser gibt.
 
Nachdem die Karikatur in einer englischen Zeitschrift erschienen ist, glaube ich das nicht. Karikaturen haben grundsätzlich zu eigen, dass sie so gezeichnet wurden, dass die Zielgruppe sie versteht.

muß nicht sein; im selben Zeitraum veröffentliche Punch eine Karikatur von Hamerton welche eindeutigen Bezug auf/zu/für Irland nimmt

The Punch Project: July-Dec 1843, p89 - King O'Connell at Tara

der damalige Bürgermeister von Dublin, Daniel O´Connell in Tara
 
Hast Du den Hinweis übersehen, nach dem im Begleittext der Karikatur 1843 der Bezug auf Menschen wie Hunde, die das Tageslicht nie sehen werden, gegeben wird? - "Hunde für immer"

Ich habe Deinen Beitrag so verstanden, dass es da eine Verbindung zu den Kurzbezeichnungen der Schlösser gibt.

sorry, ich versteh nicht, was für einen Begleittext?

meinst du den aus #35?

falls die Sprachidee zutreffen sollte, glaube ich nicht, daß die Arbeiter gemeint sind. warum etwas leidvolles (Hundeleben) kompliziert verschlüssen, wenn es eh schon brutal, naturgetreu dargestellt wird?

ich dachte eher an eine Beleidigung der Kapitalisten (Schloß= Kapitalist = Hund/immer)

könnts mir vorstellen bei jemandem der sein Pseudonym "Shallabala" nennt; das Derbe ist ihm nicht fremd
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst möchte ich ein Lob auf Eure Bemühungen aussprechen. Das Ding ist sicher eins der anspruchsvollsten seiner Klasse.

Wir haben das heute auch besprochen. Neben vielen bereits diskutierten Dingen kamen noch folgende Fragen auf:

- Was hat das Seil (in anderen Interpretationen: die "Schlange") um das Ankerkreuz der Britannia zu bedeuten?

- Wie sind die scheinbar aus dem Stollen am rechten Bildrand kommenden Personen zu deuten? Der im Vordergrund abgebildete Mann scheint zwar abgetragene, aber dennoch eher gehobene Mode zu tragen (EDIT: und geht darüber hinaus auch an Krücken). Folgt hinter ihm seine Frau und eine ältere Tochter? Und gehören die im Korb sitzenden wohlgenährten Kinder möglicherweise auch zu diesem Personenverband? In dem Fall würde auch die Gefahr eines rapiden sozialen Abstieges in der Karikatur angesprochen werden.
 
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