Churchills Briefe an Mussolini

steffen04

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ich hab gestern den oben verlinkten br2-Beitrag gehört. Darin geht es um einen mehrjährigen Briefwechsel Churchills mit Mussolini, in dem er versucht M. auf die Seite Großbritanniens zu ziehen, teilweise mit sehr "pragmatischen" Mitteln: etwa Versprechungen, Italien französische Besitzungen (Nizza, Korsika etc) zuzuschanzen. Oder skurillen Vorschlägen wie: Italien soll an der Seite Deutschlands in den Krieg gg. GB eintreten, damit eine starke Position in der Achse erhalten und aus dieser Position der Stärke in Friedensverhandlungen eintreten.

Schwerpunkt der Korrespondenz sind wohl die ersten Kriegsjahre, Churchill soll aber auch versucht haben, Mussolini noch 43/44 gg. Stalin zu mobilisieren.

Churchill hat zu Kriegsende wohl einiges aufgeboten, um die Briefe wieder zu bekommen.

br2 ist ein seriöser aber nicht gerade investigativer Sender. Ich nehme daher an, daß man die Briefe und den Background irgendwo nachlesen kann?
 
... Oder skurillen Vorschlägen wie: Italien soll an der Seite Deutschlands in den Krieg gg. GB eintreten, damit eine starke Position in der Achse erhalten und aus dieser Position der Stärke in Friedensverhandlungen eintreten.

Schwerpunkt der Korrespondenz sind wohl die ersten Kriegsjahre, Churchill soll aber auch versucht haben, Mussolini noch 43/44 gg. Stalin zu mobilisieren.

Churchill hat zu Kriegsende wohl einiges aufgeboten, um die Briefe wieder zu bekommen.
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@Steffen04

Ich habe noch nie etwas von so einem Briefwechsel gelesen, muß ja aber nichts heißen. Ich werde versuchen, da mal zu recherchieren.

Warum sollte UK an starken "Achsenmächten" interessiert sein, als der Achsenpakt geschlossen wurde, war C. noch nicht einmal Minister vom Primeminister ganz abgesehen, und warum sollte er nach Casablanca mit einem machtlosen Mussolini 1943/44 intrigieren?

Trotz Zweifel, bleiben wir bei einer "Ergebnisoffenheit".

M.
 
@Steffen04
Warum sollte UK an starken "Achsenmächten" interessiert sein, als der Achsenpakt geschlossen wurde, war C. noch nicht einmal Minister vom Primeminister ganz abgesehen, und warum sollte er nach Casablanca mit einem machtlosen Mussolini 1943/44 intrigieren?

Trotz Zweifel, bleiben wir bei einer "Ergebnisoffenheit".

M.

Es gibt ein paar Artikel in seriöser Presse (Spiegel, ARD) zu dem Thema, gib mal "Churchill Mussolini Briefwechsel" ein. Auch ein Artikel von Hans Woller in "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte".


Ich schenk mir jetzt mal das ständige "...falls die Briefe existieren":

C. war nicht an starken Achsenmächten, sondern an einem starken Italien innerhalb der Achse interessiert. Er hoffte, M. gg. AH. ausspielen zu können. Der Schriftwechsel begann wohl 1940.

Warum er nach Casablanca noch mit M. geturtelt hat, ist mir auch nicht klar:
tiefgründiges Mißtrauen gg. Stalin, Stichwort "Falsches Schwein"? Eifersucht gg. Roosevelt bzw. die erstarkenden "Vettern"?
Abneigung gg. de Gaulle?

viele maybes, wenig davon echt palusibel

Auf jeden Fall find ich in meinen Churchill-Biographien nichts zu dem Thema,deswegen auf Suche nach Hinweisen
 
Zuletzt bearbeitet:
Also wenn ich das auf die Schnelle richtig lese, hielt Woller (siehe IfZ-Artikel) 2001 die Briefe für eine Legende. Er begründet seine Meinung auch umfassend.

Bleibt nur die Frage, ob seit 2001 neue Erkenntnisse vorliegen, oder ob das halt eine der unausrottbaren Märchen ist!?
 
@ursi

Hab vielen Dank für den Hinweis auf Anmerkung 30.

@Steffen04

Trotz intensiver Recherche, die Quellenedition zur italienischen Geschichte der Diplomatie (1939-1943, s. Anmerkung 30 in dem Artikel) scheint nicht online verfügbar zu sein.

In den KTB von C. findet sich prima facie auch nichts. C. hätte m.E. keine Korrespondenz mit dem Regierungschef eines Kriegsgegners geführt, ohne das Kabinett zu informieren und R. Bei Ismay findet sich auch auf die Schnelle nichts.

Vllt. hast Du recht, es wird wahrscheinlich ein unausrottbares "Märchen" sein.

M.
 
Wollers Darstellung ist die aktuelle der Geschichtswissenschaft, auch wenn daneben immer wieder nicht evaluierbare Publikationen auftauchen, die sich auf die älteren Aussagen im zweifelhaften Kontext stützen und diese immer wieder aufwärmen.

Zu Wollers Darstellung anzufügen sind die Cabinet Decisions on Foreign Policy, 1938-41 (Hill), in denen die kritische Phase vom Mai 1940 anhand der Quellen wiedergegeben ist, insbesondern die Churchill-Halifax Konfrontation.

Die DDI enthalten vom 15.5.1940 den wohl einzigen Briefwechsel. So wie Woller das für 1940 aufrollt, sind auch die behaupteten Briefwechsel Ende 1940 und 1943/44 in den Kontext zu stellen. 1944 waren (Rest-!)Italien (auch bzgl. Russland, wenn dieses angeblich Ch. Anliegen gewesen sein soll) ebenso wie Mussolini völlig bedeutungslos. 1943 war es Italien, dass wie Rumänien nach Stalingrad die Fühler zu den Westmächten/Großbritannien ausstreckte. Darauf erhielt man keine Antwort, was komisch anmutet, wenn den Ch. in diesem Jahr ebenso Fühler ausgestreckt haben soll.
 
Die Rolle Italiens 30er und 40er Jahren ist interessant.

Mussolini hat die politische Bedeutung von Italien gestärkt:

- Italien war eine der Garantiemächte des Locarner-Vertrages (1925 glaub ich), unterzeichnete das anti-deutsches Stresa-Abkommen (1935) und das Münchener Abkommens (1938)
- Militärische Interventionen (Libyen, Spanien, Äthiopien)
- Truppenaufmarsch an der Grenze zu Österreich 1934 zwecks Aufrechterhaltung der Österreichischen Unabhängigkeit gegenüber Deutschland
- Mussolinis Triaden gegen den Bolschewismus (ganz im Sinne Churchills)
- 1939 versuchte Chamberlain Italien davon abzuhalten, sich vollständig Deutschland anzuschliessen und reiste dazu nach Rom.

Allerdings war die industrielle und militärische Macht Italiens schwach - insbesondere im Vergleich zu den Ambitionen Mussolinis.
- Niedrige Produktivität
- Viel Landwirtschaft
- Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen
- Devisenknappheit
- Schwierigkeiten mit dem technologischen Fortschritt mitzuhalten
- Unfähige Offiziere

Zu Beginn des Krieges erwogen die alliierten Militärstrategen die Vor- und Nachteile des Kriegeintritts Italiens auf deutscher Seite gegenüber einem neutralen Italien. Für die Briten hätte ein neutrales Italien Ruhe im Mittelmeer und im Nahen Osten bedeutet. Andererseits erlaubte der Krieg in Nordafrika den Briten eine Kriegsteilnahme auf einem Kriegsschauplatz, wo sie nicht starken Kontingenten der übermächtigen Deutschen Wehrmacht gegenüber standen. Sie konnten so ihre Land- und taktischen Luftstreitkräfte entwickeln, ihre Seemacht einsetzen und wichtige Fortschritte machen in der Kriegsführung.

P. Kennedy schreibt in Aufstieg und Fall der grossen Mächte: "Nur selten in der Geschichte menschlichen Konfliktes hat man argumentiert, dass der Eintritt eines zusätzlichen Feindes in den Krieg dem Gegner mehr schadete als einem selbst;"



Italien 1943 als Bündnispartner? Da schliesse ich meinem Vorposter an.


Grüsse
Arthur
 
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