Das Ende des chinesischen Kaiserreichs

H

hyokkose

Gast
Beitrag von Shi Fu An :

Ni hao!

Ich bin ein absoluter Chinafreak, bin zur Zeit mit AFS fuer ein Jahr in Shanghai, und ich kenne mich schon um einiges in chinesischer Geschichte aus.
Eine Sache die mich (und wohl auch die paar wenigen anderen Kenner chinesischer Geschichte/Kultur) unter anderem am meisten interessiert, ist das ENDE DES CHINEISCHEN KAISERREICHS !!! Ich habe mir ueber so vieles zu diesem Thema den Kopf zerbrochen, jetzt moechte mal wissen, was andere so wissen, besonders aber denken.
Was mich am meisten beschaeftigt:

- Wann endete Chinas Chance mit den Westmaechten machtpolitisch und militaerisch gleichziehen zu koennen ?

- War das Ende des alten China auch das Ende der chin. Kultur ?

- Was haette man in China wann ganz anders machen sollen ?

- Haette China irgendwie die Opiumkriege und spaeteren Rueckschlaege meistern koennen ?

- Was denkt ihr ueber die Westmaechte, war es richtig, was sie taten, auch auf die ganze Welt bezogen.

Hoffe, es gibt schoen jeder seinen Senf dazu, danke im vorraus,
Shi Fu An

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Beitrag von Heinz :

Shi Fu An,
ich hatte Dir im Forum über Xian versprochen, dass ich Deinen Forumsbeitag beantworten werde, wenn ich Zeit habe und so gut wie ich kann.
In dem Augenblick, wo es die Verbindungen zur Au?enwelt abbrach und sich auf sich selbst zurückzog.
Mit der Außenwelt im ständigen Kontakt bleiben und sich nicht als das Reich der Mittte bezeichnen.
In dem es den Weg Japans gegangen wäre und sich so schnell wie möglich auf den neuesten industriellen Stand gebracht hätte.
Die Westmächte haben sich so verhalten, wie sich imperialistische Großmächte eben verhalten. Eine Bewertung von gut und böse kann man in der Geschichte nicht vornehmen.

Heinz

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Beitrag von Heinz :

Shi Fu An,
Du wolltest, dass man Deine Fragen beantwortet. das habe ich getan. Es steht aber eine Antwort Deinerseits aus.

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Beitrag von hyokkose :

Heinz' vorschnelle "Antworten" werfen mehr Fragen auf, als sie wirklich beantworten können:

- Wann (in welchem Jahr? unter welchem Kaiser?) soll denn China "die Verbindungen zur Außenwelt" abgebrochen haben?

- "Reich der Mitte" ("Zhongguo") ist eine alte geographische Bezeichnung; wir Europäer sagen ja heute noch "Mittelmeer", obwohl wir seit vielen Jahrhunderten wissen, dass auch das Mittelmeer nicht auf der Mitte der Erdscheibe liegt.

- Bleibt noch der Vergleich mit Japan (auch wenn Japan in vielem mit China nicht vergleichbar ist):
Im China des späten 19. Jahrhundert war durchaus der Wille zur Modernisierung da. Warum hat es dort nicht geklappt? Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht. Jedenfalls kam es in Japan (1868, wenn ich nicht irre) zum Sturz der alten Ordnung: Der Shogun (der eigentliche Staatschef) wurde gestürzt, das gesamte Shogunat mitsamt den Daimyaten und dem Samurai-Stand abgeschafft. Der Tenno, der bislang nur zeremonielle Aufgaben hatte, wurde zum politischen Repräsentanten des Staates. Vielleicht funktionierte in China das alte politische System noch "zu gut", so dass die Reformen nur halbherzig auf den Weg kamen und immer wieder verhindert wurden. Als das alte Herrschaftssystem 1911 gestürzt wurde, war es zu spät.

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Beitrag von Heinz :

Unter Yung-tscheng(1723-1735) hörte der Einfluß der christlichen Missionare am Hof auf. Sie müssen sich nach Macao zurückziehen.
1793 und 1794 Versuche eine brittische und holländische Gesandtschaft am Kaiserhof zu installieren und bessere Bedingungen für den europäischen Handel zu erhalten, bleiben erfolglos.
1689 Vertrag von Nertschinsk zwischen dem chin. und dem russ. Reich, China muß auf das linke Amurufer verzichten.
1839-1842 Oppiumkrieg, im Friedensvertrag von Nanking muß China Hongkong abtreten, fünf chin. Häfen sind dem europ. Handel zu öffnen.
1857-1860 führen England und Frankreich den Lorchakrieg gegen China, 1858 Einnahme der Takuforts und 1860 Einmarch in Peking. Der Vertrag von Tietsin bestimmt Einrichtung von europ. Gesandtschaften in Peking.
Es gibt noch viele weitere Fälle, wo China zum Kontakt mit Europa gezwungen werden mußte, anstatt diesen Weg freiwillig zu gehen.

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Beitrag von hyokkose :

Kann man wirklich das Aufhören des Einflusses der Missionare als Abschottung deuten? Wann haben denn z. B. buddhistische Missionare an irgend einem europäischen Königshof irgendeinen Einfluß gehabt? Meiner Erinnerung nach hatte der schwindende Einfluß der (römisch-katholischen) Missionare eher mit innerkirchlichen Auseinandersetzungen (Stichwort "Ritenstreit") zu tun, aber ich mach mich da gern noch einmal richtig schlau. Jedenfalls ging der Trend in der christlichen Mission dahin, fremde Riten (und damit Kulturen) nicht mehr zu respektieren, sondern z. B. die chinesische Ahnenverehrung als Götzendienst zu verteufeln. Die Tendenz zur Intoleranz ging in diesem Fall klar von Europa aus.

Stichwort "Opiumkrieg": Was war der Auslöser? Die chinesischen Behörden begannen, energisch gegen die britischen Drogenbarone (und deren korrupte chinesische Helfershelfer) vorzugehen und beschlagten gewaltige Ladungen Opium. Die britische Regierung fand das nun unerhört, daß man ihre Landsleute am Drogenschmuggel großen Stils hindern wollte (wo man doch damit soo viel Geld verdienen konnte), und begann den Krieg. Eigentlich kann man über das kriminelle Verhalten der britischen Regierung nur den Kopf schütteln. Daß die chinesische Regierung zur Abtretung Hongkongs und zur Öffnung weiterer Häfen zur uneingeschränkten Nutzung für europäische Geschäfte aller Art (die chinesischen Behörden durften dort nicht gegen kriminelle Europäer vorgehen!) erst "gezwungen werden mußte, anstatt diesen Weg freiwillig zu gehen", verwundert mich hingegen nicht im geringsten. Mit den weiteren Verträgen im 19. Jahrhundert (ich glaube, sie sind unter der Bezeichnung "Ungleiche Verträge" in die Geschichte eingegangen) verhielt es sich nicht viel anders.

Ich sehe immer noch nicht den Moment oder den Zeitraum, in dem die chinesische Regierung beschlossen hätte, sich gegen die "Außenwelt" abzuschotten. Mein Eindruck ist, daß China durchaus an der Außenwelt interessiert war. Das Interesse an fanatischen Missionaren (im 18. Jahrhundert wurden in Europa noch Hexen verbrannt), Drogendealern, dubiosen Geschäftsleuten und Kanonenbooten (Piraterie unter ausländischer Staatsflagge) dürfte zugegebenermaßen begrenzt gewesen sein.

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Beitrag von Leopold_bloom :

Hallo hyokkose: "'Reich der Mitte' ("Zhongguo") ist eine alte geographische Bezeichnung;"
Richtig. Wobei "guó" eigentlich frei übersetzt nur "Land" heißt. Auf Chinesisch heißt Deutschland simpel: Dé-guó. Was aber die Vorsilbe "dé" bedeutet, hab ich leider vergessen.

Zusätzlich noch folgendes: Kann man es den Chinesen verdenken, wenn sie sich selbst als Reich der Mitte sehen? Zumal sie grob 1/6 der gesamten Weltbevölkerung stellen.
Das Weltbild mit Europa im Zentrum hinkt mindestens ebenso sehr.

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Beitrag von hyokkose :

Lieber Leopold Bloom,

Im ganz ursprünglichen Sinne ist unter "guó" sicher kein "Reich" (im Sinne von "Königreich" oder gar "Kaiserreich") verstanden worden, sondern ein Landstrich mit einer ummauerten Stadt als politisches Zentrum (so was wie die griechische polis). In unserem Zusammenhang muß "guó" ursprünglich wohl als Plural aufgefaßt werden: die "Länder der Mitte". Erst ab der Kaiserzeit ist die Übersetzung "Reich der Mitte" angemessen.

"dé" bedeutet in unserem Zusammenhang nichts anderes als "de"-(utschland). Das Schriftzeichen, mit dem "dé" geschrieben wird, hat (wenn ich mich nicht irre) allerdings die ursprüngliche Bedeutung "Tugend" bzw. "Charisma"; es steckt z. B. auch drin im Buchtitel "Daodejing" (oder "Tao-te-king"): "Klassiker des Wegs und der Tugend".
 
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Beitrag von Heinz :

@Hykkose,
Japan hatte mit portugisischen christlichen Misionaren dieselben Schwierigkeiten und hat den Übergang in die Neuzeit besser gelöst, als China.
Von imperialistischen Mächten kannst Du keine andere Verhaltensweise erwarten, wie sie von England und Frankreich praktiziert wurde.
Bist Du mit Shi Fu An bekannt? Warum schreibt er nicht selbst weiter im Forum, wo er doch die ganze Diskusion angestoßen hat. Schreibst du in seinem Auftrag?

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Beitrag von hyokkose :

Japan hat die portugiesischen Missionare schon viel früher rausgeworfen als China und pflegte 250 Jahre lang mit gar keinen Europäern Kontakt - nur holländische Händler hatten begrenzten Zugang zu einem einzigen kleinen Hafen. Japan war also vor 1868 sehr viel abgeschlossener als China.

Shi Fu An kenne ich übrigens nicht, auch das Pseudonym sagt mir nichts.

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Beitrag von Heinz :

Am 31.3.1854 erreichte Commodore Perry, Führer eines amerikanischen Geschwaders, die Öffnung meherer Häfen und den Abschluß eines Handelsvertrages zwischen Japan und den USA. Mit einem Schlag wird das in mittelalterlicher Erstarrung liegende Land in den Strom moderner Entwicklung gerissen.
Es folgen Verträge mit England 1854,Rußland 1855, Holland, Frankreich, Preußen 1861, der Schweiz und Belgien.
1868-1912)Meiji-Aera. Das Feudalsystem wird aufgehoben.
Dieselbe Entwicklung hätte China nehmen können

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Beitrag von hyokkose :

Eben, eben. Warum hat aber China diese Entwicklung nicht genommen? Japan war doch um 1850 weißgott noch viel rückständiger und verschlossener als China. Eine der Fragen des (inzwischen verschollenen?) Shi Fu An lautete: Was hätte man in China wann ganz anders machen sollen?

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Beitrag von Shi Fu An :

Okok, da bin ich wieder :)
Erst mal tuts mir leid, dass ich so lange auf mich warten liess, aber ich hab hier nich immer so viel Zeit zum schreiben - 'tschuldigung. Allerdings hab ich, nachdem ich meinen Anstoss schrieb, IMMER die naechsten paar Tage nachgeschaut, da war nie was. Inzwischen hat sich schon so viel hier getan, dass ich wohl kaum alles beantworten kann sorry.

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Beitrag von Shi Fu An :

Nun zum Thema: Also ich stimme zu 99% mit hyokkose ueberein!
Heinz, meiner Meinung hast du nich immer Recht. Am schaerfsten muss ich wohl den Bericht vom 26. Okt kritisieren, da gehoert fast alles anders formuliert!!!
Hierbei danke ich hyokkose dafuer, dass er alle deine Vertraege und Kriege auf den Punkt gebracht hat. Ab Mitte 19. Jhd. wird die chin. Geschichte wahnsinnig kommpliziert/komplex. Gut das mir die Erlaeuterung zum Opiumkrieg schonmal abgenommen wurde! Aber auf den Satz von wegen "weitere Faelle Kontakt mit dem Westen auf zu nehmen (...), gezwungen werden musste (?????????)". Also das ist natuerlich ganz falsch, sowohl in der Formulierung wie auch in der Aussage!!! WER MUSSTE WEN ZU WAS ZWINGEN ??? Kein Chinese, und auch kein anderer Nicht-Europaer, auch nicht die Japaner, will sagen NIEMAND in der Welt - geschichte hat jemals die Europaer gebeten zu kommen und dann zu intervenieren, kolonialisieren! Ein Problem, dass meiner Meinung nach auch heute noch existiert!
Wieso und wofuer bitte MUSSTE China gezwungen werden sich zu "oeffnen" ??? Hyokkose hat die verbrecherische Intention, sowie auch die Art und Weise, der Westmaechte gut geschildert! Bleibt noch zu sagen, dass Kontaktversuche meistens aufgrund der der ekelhaft arroganten Art der Europaer scheiterten, ich hoffe jeder weiss ueber ihren Umgang mit fremden Kulturen zu dieser Zeit bescheid!
Und JA, man kann in der Geschichte ueber gut und boese urteilen, zumindest bei gewissen Dingen, und den Kolonialismus sowie den Imperialismus verurteile ich ganz klar und deutlich, auch der gegenueber Chinas (wer anderer Meinung ist, solle mir das bitte schreiben)! NICHTS kann solche Dinge entschuldigen, und es wurde NOCH (!) nich mal alles aufgezaehlt, was der Westen in China verursachte!

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Beitrag von Shi Fu An :

Also wenn man der meiner Meinung, mal mit heinz uebereinstimmend, verlor das chin. Reich ebenfalls seine Chance auf Mitziehen, als es sich nach aussen abschottete, was es zweifellos tat! Hiefuer moechte ich allerdings so ziemlich genau das Abholzen der grossen chin. Flotte der MING Dynastie vorschlagen, weil China sich seitdem niemehr aussenpolitisch engagiete (auch nicht in der Qing Dynastie), obwohl es gerade zu diesem Zeitpunkt die maechtigste Flotte der Welt unterhielt, und in Asien dieser nichts haette widerstehen koennen! Haetten die Mingkaiser genauso gehandelt wie die Europaeer 200 Jahre spaeter - es jetzt ganz anders auf dem Globus aus! Aber das taten sie nicht, sie beschraenkten sich auf ihr Land und ihren Kulturkreis, aber das ist eine Mentalitaetsfrage. Ich sage durchaus nicht, dass sie das haetten tun sollen, im Gegenteil, ich denke ihr Weg war fuer den rest der Welt um einiges gesuender, wenn auch bestimmt nicht bewusst!

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Beitrag von Shi Fu An :

ups, der erste Satz sollte mit "Also nach meiner Meinung,..." anfangen! Sorry, aber hier issesschon elf und morgen faengt um 7 die Schule an... :-(

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Beitrag von Heinz :

Vielen Dank Shi Fu An,
ich hatte bei dem Forum Xian Deine Bitte gelesen. sich mit dem Thema "Ende des Chin. Kaiserreiches" zu befassen. Da das einige Zeit schon her war, ich war in unserem Haus im Odenwald, mußte ich dies Forum erst suchen und fand es endlich. Wie Du sehen konntest habe ich am 24.10 um Antwort gebeten.
Es war mir bekannt, dass die Mingkaiser ihre Flotte abholzen ließen. Wann war dies genau, da ich aus meinen Unterlagen hierüber nichts finden konnte?
Du bestätigst nur meine These, dass die Abschottung noch nie einer Kultur gut bekommen ist. Der Fortschritt lebt vom Austausch. Du siehst, dass gerade heute China mit seinem ersten bemannten Weltraumflug den Weg beschreitet, den die USA und Rußland schon beschritten haben. Die Olympiade, welche in Beijing stattfinden wird ist ein weiterer Beweis der Öffnung. Ich war als Tourist mit meiner Frau in Beijing, in der verbotenen Stadt, Peking Oper und Große Mauer. Die Chinesen waren sehr freundlich. Nur der Austausch der Kulturen und das Kennenlernen und Verstehen des Anderen kann weiteren Fortschritt und Frieden bringen.

Den Westmächten nun ihren Imperialismus vorzuwerfen ist müßig, da auch in Asien Eroberungskriege geführt wurden.
Ich erinnere nur an die chin. Angriffe auf Vietnam und Burma.
 
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Beitrag von Shi Fu An :

Jetzt zu Japan: 1. Wurde es von den USA gezwungen, und zwar sehr direkt! 2. Ja, Japan hat sich frueh modernisiert, und dabei wesentlich schneller als Europa sich je entwickelte. Nein, es war nicht einfach, heinz, sorry, du schreibst manche Dinge echt zu blumig: Es musste sehr hart gekaempft werden um die ganze alte Gesellschaft ueber Bord zu werfen, es war nich einfach mal so "ok, lets get modern" !!! Da wurde viel Blut vergossen (wie immer in Japan/Asien). Und auch (oder gerade) die Japaner mussten erst mal erlernen, was im europaeischen Sinne "entwicklung" heisst. Denn was taten die Daymos, die das erste mal die grossen schwarzen Schiffe der USA sahen ? Genau, sie bauten welche aus Holz nach und strichen sie schwarz an, in der Hoffnung nun dasselbe zu haben..... Das is nich so fortschritlich. Die Japaner haben alles vom Westen erlernen muessen, und dabei spielten 2 psychische Eigenheiten die Hauptrolle: 1. Fleiss - man war wirklich um Moderne bemueht! Das ist aber auch in China gegeben, in Sachen Organisation und der Bewaeltigung grosser Projekte war China immer Top. Der Unterschied, der China (unter anderem) zu diesem Zeitpunkt fehlte, den Japan aber schon immer ganz besondrs innehatte liegt hier: Patriotismus (!!!). Um Dr. Lilly Abegg zu zitieren: "Wenn man einem Japaner sagt: "Kauf ein Auto, denn das ist gut fuer dein Land, dann wird er das auch tun." " Das spielte hier eine entscheidende Rolle: In Japan gab es eine Motivation mit den Westmaechten gleichzuziehen. Man hatte Angst um Japan als Nation, und das durfte nicht sein, auch wenn man hierfuer die alte Gesellschaft opfern musste. Und eben das war in China anders: Die Chinesen waren traditionell unpatriotisch, schon gar nicht dem bei uns bekannten "Hurrapatritotismus" zugeneigt. Natuerlich, die chin. Kultur geht ueber alles, aber nicht der Staat als solches. Nationalbewusstsein in unserem Sinne gab es nicht! Der kam erst spaeter auf, und heute naja, weiss man ja wie's ist. Genau das hat aber in diesem entscheidenden Schicksalsschlag der Geschichte (unter anderem) gefehlt: Der Wille zusammenzuhalten und gemeinsam etwas anzupacken, auch wenn das Regime nicht so beliebt ist, oder Traditionen einfach eliminiert werden muessen. Die Qing Dynastie war verhasst, in China war gerade mal wieder der Punkt seiner periodischen Chaoszeiten gekommen, nichts besonderes, wenn man die Geschichte betrachtet, da kam Modernisierung and Nationalstaatbildung gar nicht gut.
Nun noch ein paar Fakten, die man vielleicht ueberdenken sollte, wenn man ein Urteil ueber Sinn und Unsinn des westl. Imperialismus faellen will. Sehn wir uns doch bitte die Geschichte an: WAS war denn die Folge der Modernisierung Japans ? Technologische Unausgewogenheit in Asien, kaiserlicher Exodus in China, Uebertriebener Nationalismus, Militaerdiktatur, 2. Weltkrieg in Asien, Hiroshima! DAS hatte man sich in der Meiji-Aera noch nicht vorstellen koennen. Japan ist somit der beste Beweis, was passieren kann, wenn man fremde Kulturen einfach mal so beeinflusst und modernisiert. Niemand kann sowas berechnen. Ich mein: du weckst ein Inselvolk mit beeindruckenden Faehigkeiten aus seinem Isolationsschlaf und kaum 50 Jahre spaeter wirfst du die erste Atombombe auf sie, weil sie sich fast ganz Asien unterworfen haben.... DAS kann passieren! Und Japan hat ja nicht wie Hitler aus Wahnsinn den Krieg begonnen, sondern aus rein taktischen und oekonomischen Rechnereien! Der Hitlernahe Rassismus der Japaner und das, was sie in China und Suedostasien angerichtet haben ist zwar signifikant fuer den Krieg, aber allein der Grund, warum Japan Pearl Habour angriff und damit den Krieg mit Amerika provozierte ist sehr viel banaler und nachvollziehbarer, wenn auch nicht weniger tragisch!
Aber was das ist, oder besser, wovon ich denke, dass es das ist, das schreib ich naechstes mal, ich bin naemlich verdammt muede :) Hab noch gar nich geschrieben, dass ich sehr froh bin, dass sich doch so viele zum Theme und meinen Fragen geaeussert haben!

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Beitrag von Shi Fu An :

Zu Heinz letztem Beitrag:
Wann genau die Flotte vernichtet wurde is net so wichtig, wichtig ist die Tatsache an sich. Ich habe nirgendwo bestaetigt, dass die Abschottung einer Kultur schlecht sei, ich habe jediglich bestaetigt, DASS sich China IN GEWISSER WEISE isoliert hat. Das betrifft keinesfalls das von uns beiden wohl gleichermassen geliebte INTERESSE an anderen Kulturen und fremden! Vergiss bitte nicht, dass die Chinesen ohne auch nur einen Aufstand schweizer Uhren in Massen kauften und bald auch schon selber herstellten (!), da sie einfach davon fasziniert waren. Auch waren alle Qing Kaiser an europaeischer Kunst interessiert und hielten auslaendische Kuenstler! Aber darueber reden wir hier nicht: es geht um die agressiven Kolonialisierungsversuche (und KEIN milderer Ausdruck ist korrekt!) der Westmaechte! Das war doch kein Austausch von Kultur, sondern Agression! Es ging dem Westen um Geld, um Macht, um aussenpolitische Paranoia, sonst nichts. Tut mir leid, aber dein Satz "Fortschritt durch Austausch" kann daher nur wie Hohn klingen (ich denke aber mal unbewusst)!Es ist jeder Kultur selbst ueberlassen was sie uebernehmen moechte oder nicht! Man kann Invasion nicht dadurch rechtfertigen, dass man sagt: "Tja, waert ihr nur so stark wie wir gewesen, haettet ihr jetzt nicht den Salat..." Und das ist immerhin alles, was du gesagt hast! Das die POLITISCHE und Gesellschaftliche Isolation China in einen Nachteil gegenueber den Westmaechten gebracht hat stimmt, aber das ist doch wohl die Schuld der Europaeer gewesen, oder etwa nicht ? Der Taeter kriegt die Schuld, nicht der, der sich nicht wehren konnte! Darueber hinaus weiss ich ueber Chinas Kriege bescheid, klar, ich sage nicht, das China mit Absicht um sich herum hat alles seinen Lauf nehmen lassen, wie kein Land es tut, und das finde ich dann genauso wenig gut wie bei uns. Aber China ist niemals diesem Eroberungs- und Missionarswahnsinn verfallen, wie wir Europaeer (und spaeter auch Amerikaner) stets betrieben haben! Und ich habe ja schon geschrieben, das China in der Weltgeschichte oft die Chance hatte es den Westmaechten gleich zu tun, und zwar vor ihrer Zeit. Und haetten sie dies getan, faende ich es genauso schlimm, und du waerest bestimmt auch meiner Meinung!
Ich assoziiere "Fortschritt" nicht mit Kolonialisierung, aber genau das ist doch passiert!!! Und ich glaube ehrlich, es waere fuer den Rest der Welt besser gewesen, wenn Europa abgeschottet geblieben waere! Zuletzt noch die provokante Frage, inwiefern sich denn bitte dieser "Austausch" geaeussert haben soll, denn der geht doch wohl immer in 2 Richtungen, oder nicht ? Was haben wir denn so gelernt von anderen Kulturen und speziell von China, und ich meine jetzt nich die Technik, Papier und Porzellan hersustellen! Andere Kulturen kennenlernen: ja - Andere Kulturen beeinflussen und aendern wollen: NEIN!!! Und schon gar nicht mit Gewalt, und immerhin, gibt es bis jetzt wohl kein Bsp. in der Menschheitsgeschichte, wo es nicht so gewesen waere.....
Ganz unabhaengig davon find ichs schoen, dass du China schonmal gesehn hast, bestimmt auch mehr als ich (noch ;-) ), aber dass die Chinesen freundlich sind und du da und da gewesen bist bestaetigt wohl nichts, ausser dass die Chinesen freundlich sind und du da und da gewesen bist :)
 
Beitrag von hyokkose :

1. Wann genau die Ming-Flotte "abgeholzt" worden sein soll, weiß ich auch nicht so genau. Aber im 1. Drittel des 15. Jahrhunderts fanden die berühmten See-Expeditionen Zheng Hes statt, die ein teures Unterfangen waren und wohl auch deswegen eingestellt wurden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß die Regierung einfach so ihre ganze Flotte eingestampft hat, zumal damals die Küstenpiraterie schlimme Ausmaße erreichte, lasse mich aber gern eines Besseren belehren. Ich schätze mal, daß die Regierung einfach andere Prioritäten setzte: Im Norden wurden die Mongolen wieder gefährlich, im Süden lief 1427 eine (übrigens auch ganz schön imperialistische)Intervention in Vietnam schief, da sah man keinen Bedarf, Afrika-Reisen zu sponsern, für die man weder einen wirtschaftlichen noch einen politischen Nutzen sah.
Es wäre jetzt aber sehr überspannt, die Behauptung zu wagen: "Daß die Ming sich damals nicht den Indischen Ozean gesichert haben, dafür bekamen die Qing 400 Jahre später die Quittung." Genauso unsinnig wäre es, Karl V. für die Machtergeifung Hitlers verantwortlich machen zu wollen (Motto: "Hätte er bloß damals den Luther einkassiert")...
Jedenfalls, das "Abholzen der Ming-Flotte" als Ursache für den Niedergang der Qing vorzuschlagen... ich weiß nicht recht...

2. "Die Qing Regierung war verhasst, in China war mal wieder der Punkt seiner periodischen Chaoszeiten gekommen"
War die Qing-Regierung von Haus aus verhaßt? Und woher kam das Chaos? Nur, weil das bei den Chinesen "periodisch" so zu sein pflegt? Das scheint mir wenig zu erklären.
Vielleicht war es so: Nachdem die Qing China erobert hatten, lief im Inneren alles recht gut: Keine Katastrophen, keine Bürgerkriege, gut funktionierende Verwaltung. Die imperialistischen Kriege der Qing fanden weit weg vom chinesischen Kernland statt - das chinesische Territorium vergrößerte sich ja gewaltig: Mongolei, Ostturkestan, Tibet. Auf der Seeseite lief wenig - außer Taiwan. Die Folge des Wohlstands: Gewaltige Bevölkerungsexplosion. Im 19. Jahrhundert wäre die Zeit reif gewesen für eine industrielle Revolution: Die "überzähligen" Bauernsöhne, die sich vom Ackerboden nicht mehr ernähren konnten, wären das ideale Menschenmaterial für eine frühkapitalistische Industrie gewesen. Aber die meisten Anstrengungen, die die Regierung zur Modernisierung machte, zielten auf den Militärapparat. Völlig logisch, man wollte ja den Westmächten Paroli bieten. Nur leider kam das Militär immer mehr gegen die eigene Bevölkerung zum Einsatz. (Die Japaner richteten ihre neue Militärmaschinerie hingegen fast planmäßig nach außen: Ab 1876 gegen Korea, 1895 gegen China, 1905 gegen Rußland).

3. Daß die Japaner von Haus aus patriotischer seien als die Chinesen, will mir auch nicht einleuchten. Es gibt doch im menschlichen Erbgut wohl kein "Patriotismus-Gen", das sich zudem noch an die Landesgrenzen hält. Zum Patriotismus gehören normalerweise zwei Zutaten: Bedrohung von außen und Propaganda von innen. Die zweite Zutat war vermutlich im relativ kleinen Japan leichter herzustellen als in dem riesigen Vielvölkerstaat der Qing.

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Beitrag von Leopold_bloom :

zur 3. These hyokkose: Ich glaub auch nicht, dass die Japaner patriotischer sein sollen als die Chinesen (die sinds nämlich...), aber mir ist der Begriff Patriotismus zu negativ besetzt. Für mich heißt Patriotismus schlicht Vaterlandsliebe (nicht zu verwechseln mit Nationalismus). Und das ist nichts verwerfliches. Eher im Gegenteil....

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Beitrag von hyokkose :

Ich will hier nicht den Patriotismusbegriff als solchen (in all seinen liebenswerten oder auch weniger liebenswerten Spielarten) verteufeln.
Ich habe den Begriff in dem Sinne gebraucht, wie ihn Shi Fu An wohl gemeint hat: "Der Staat geht über alles" - und dafür wäre "Nationalismus" auch nicht ganz der richtige Ausdruck.

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Beitrag von Heinz :

Ich neige auch mehr hyokkoses Überlegungen zu, wie der von Shi Fu An.
Mich würde auch schon rein persönlich interessieren, wann die Flotte abgehoözt wurde, allein um diese in den zeitlichen Ablauf zu bringen.
Lieber Shi Fu An, dass ich die Chinesen in Beijing und Umgebung freundlich gefunden habe und da gewesen binn kannst Du mir doch nicht vorwerfen? ich habe mich immer schon für China interessiert und da unser Sohn bereits als Austauschstudent dagewesen ist, wollte ich unbedingt auch mal hin, wobei man natürlich als Tourist nur die Schokoladenseiten gezeigt bekommt.

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Beitrag von hyokkose :

Jetzt erst komme ich darauf, daß hier im Geschichtsforum unter der Kategorie "Neuzeit - Machtkämpfe in China u. Japan" ein Artikelchen zu unserem Thema zu finden ist.
Die folgende These finde ich besonders einleuchtend - Zitat:

Zweitens waren die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten in China "zu gut" organisiert. Wer Talent und Ehrgeiz besaß, fand mit großer Wahrscheinlichkeit einen Platz innerhalb der Elite und mußte sich nicht – wie in England – eigene Wege bahnen.

Vielleicht ist auch an folgender These was dran - Zitat:

Drittens war der chinesische Staat eher zu schwach als zu stark. Es gab, anders als in Großbritannien, keinen aggressiven, staatlich bestimmten Merkantilismus, der externe Märkte gewaltsam öffnete.

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Beitrag von Leopold_bloom :

Nur die Schokoladenseiten Heinz? Es geht auch anders. Zwar ist Individualtourismus in China noch heute eine Katastrophe (Sprachbarriere, keine Unterkunft in Dörfern etc.), aber es geht mit viel Mühe doch.
Und dann sieht/ sah man auch das "Kriegsgebiet" am Chang Jiang/ Yangzi/ Jangtse.

Zurück zur Diskussion: Ganz stark vereinfacht kann man doch sagen: Wer über Jahrtausende (!) über einen (meist) vereinten Staat verfügt (mal von der Mongolenherrschaft und den Japanern abgesehen), kann so viel nicht falsch gemacht haben. Und mit Frühkulturen wie den Shang werdens dann fast 5000 Jahre Kultur.
Die haben schon leckere Sachen aus Porzellanschälchen gegessen, da saßen unsere Vorfahren noch im Wald und aßen Haferbrei aus Holzschälchen...

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Beitrag von Heinz :

Lieber Leopold,
hast Du Individualtourismus in China Gemacht uns wann war das?

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Beitrag von Leopold_bloom :

Individualtourismus? So weit das eben möglich ist, ja. War 2002

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Beitrag von Heinz :

Toll Leopold,
so hätte ich es mir nie zugetraut.

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Beitrag von Leopold_bloom :

Wer kein Geld hat, handelt aus purer Not, lieber Heinz

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Beitrag von Heinz :

Meinen Respekt.

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Beitrag von Leopold_bloom :

Danke Heinz. Es ist eher so: Ermutigt von anderen Reisen, die ich mit Rucksack gemacht hab, dachte ich, das ginge in China auch. Aber das ist wirklich für Fortgeschrittene....

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Beitrag von Anilla :

Ich wohne in Ungarn und ich intressiere mich auch in dein Thema. Shi Fu An du hast gesagt, du kennst dich in chinesichen Literatur aus. Was halst du von Die wastliche Reise? ich weiß nicht wie ihre Titel auf Deutsch heißt.

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Beitrag von hyokkose :

Shi Fu An hat wohl wieder keine Zeit zum Schreiben. Ich bin zwar kein Literaturexperte, aber eine Teil-Übersetzung von Wu Chengens Xiyouji habe ich mal gelesen. Der Titel des Buchs hieß "Monkeys Pilgerfahrt", eine etwas seltsame Übersetzung für die "Reise nach Westen". Es gibt wohl noch andere deutsche (Teil-)übersetzungen, aber ob die besser sind? Das chinesische Original soll unendlich lang sein.

Nur, mit dem Ende des Alten China hat es wenig zu tun.

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Beitrag von Anilla :

Danke hyokkose! Und weißt du nicht, wo man es im Internet bestellen kann? Wenn du es weißt, bitte schreib es mir. (takianilla@freemail.hu)

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Beitrag von Shi Fu An :

So, da bin ich wieder (aber nur kurz)!

@ Anilla: Die Reise nach Westen hab ich noch nicht gelesen, soll aber gut sein. Kennst du den beruehmtesten Roman Chinas ? Der heisst "Traum der roten Kammer"/"Dream of the red chamber". Auch noch nicht gelesen, aber gestern war ich in 'ner "Shanghaioper" ueber diese Geschichte und ich muss sagen, es war einfach nur fantastisch! Auch wenn ich viel lieber Beijing-Oper sehen will, da die ja so Top sein soll.


Hier noch einige (wirklich gute) Filmtipps fuer alle, auf Anfrage kann ich auch gern schreiben, worums da geht:

"Der Kaiser und sein Attentaeter"

"Hero" (!!!)

"Der Opiumkrieg"

"Der letzte Kaiser" von Bernardo Bertolucci

"Die rote Laterne" (!!!)

"Leben"

"Lebe wohl meine Konkurbine" (!!!mein absoluter Liebling-China Film!!!)

Hoffe bald auch mal wieder was zu den vielen Themenpostings schreiben zu koennen, bis dann,
Shi Fu An

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Beitrag von Heinz :

Danke, Shi Fu An.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Beitrag von Shi Fu An :

So, zurueck zum Thema! Ich sehe beim Durchlesen meiner Berichte, dass ich anscheinend nicht immer alles genau erklaere, und viel Wissen vorraussetze, vielleicht sollte ich besser auf Erklaerungen achten.
@hyokkose:
1. Natuerlich ist allein das Abholzen und vor allem einfach Verrottenlassen (!!!) der Mingflotte nicht DIREKT verantwortlich dafuer, dass China die Opiumkriege verloren hat, aber es ist zumindest das beste symbolische Ereigniss fuer das militaerische Desinteresse Chinas an weiterentfernten Orten auf der Welt (und wer redet hier bitte nur von Afrika ???), die leicht zu kolonialisieren gewesen waeren. Der Kostenfaktor und andere Kriege galten genauso fuer Europa, dennoch wurden dort auch die waghalsigsten Unternehmungen durchgefuehrt. Es besteht kein Zweifel ueber die unterschiedliche Mentalitaet, die hier meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle gespielt hat.
Warum die Ming fuer den Untergang der Qing verantwortlich sind, das will dir ich nun (nachtraeglich) erklaeren:
Ming = Qing
Man muss wissen, dass die Qing keine Chinesen waren (dazu spaeter noch was), sondern ein nomadisaches Reitervolk, aehnlich wie die Mongolen, genannt MANDSCHU. Nachdem sie das (wieder mal ;-) ) im Chaos versunkene Ming-China ueberrant hatten und sich der letzte WIRKLICHE Kaiser Chinas in seinem Gartenhaueschen in der Verbotenen Stadt an einer Seidenschnur erhaengte, gruendeten die Mandschu die Qing-Dynastie. Was aenderten sie ? So gut wie nichts. Kleinigkeiten im Hofleben, da ein bisschen in der Verwaltung gestrafft, hier etwas Technologie vernachlaessigt, das war alles (Nur das Heer blieb im nomadischen "Bannersystem" der Mandschu bestehen). Da die Qing selber keine nennenswerte Verwaltung und aenhliches besassen, nun aber die absoluten Herrscher ueber Asiens kulturellen Mittelpunkt waren, taten sie das, was alle Fremdherrscher bisher in China taten: sie wurden assimiliert. D.h. sie uebernahmen quasi alles, was die Ming ihnen vermacht hatten. So auch die Doktrin, dass man keine grosse Flotte brauechte und Besitzungen in Uebersee unwichtig waeren. Dies wurde natuerlich durch die Tatsache, dass die Qing ein Steppenvolk gewesen waren, noch verstaerkt.
Die Qing waren also eine exakte Kopie des chinesischen Vorgaengers! Das ist der Grund, warum die Ming fuer das Versagen der Qing verantwortlich waren, ich hoffe, es einleuchtend dargestellt zu haben.
Von dem Hitler-Luther-Bsp. hab ich noch nie was gehoert.

2. OHJA, und wie die Qing verhasst waren. Ich glaube, der obige Text erklaert groesstenteils warum, aber wenn um mehr Beweise gefargt werden, kann ich auch gerne noch ein paar Dinge dazu schreiben.

(Jetzt muss ich leider schon wieder schluss machen, hier isses 11 Uhr, und fuer Chinesen Bettgehzeit, natuerlich lass ich meinen Bericht nicht SO enden, daher, kommt sicher bald der naechste Teil, bitte daher nur auf das schon geschriebene im ersten Teil antworten, und vielleicht da auch bitte nich zuviel, sonst artets fuer mich fast schon in Arbeit aus :) )

88, Shi Fu An

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Beitrag von Heinz :

Vielen Dank Shi Fu An,
mir war bekannt, dass die Qing aus der Mundschurei kamen.

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Beitrag von hyokkose :

Auch mir war das klar (oben habe ich glaub' ich geschrieben, daß die Qing China erobert haben...).

Mich hätte eher interessiert, wie und wann sich das Abholzen der Ming-Flotte abgespielt hat.

Was verstehst Du unter "Mentalität"? Dieser Begriff muß meistens zur Erklärung von allem möglichen herhalten, erklärt aber letztlich gar nichts; denn die Gehirne von Chinesen und Europäern sind in der Bauweise absolut identisch.
Warum nicht das Kind beim Namen nennen und das unterschiedliche Verhalten der Ming und der europäischen Seefahrer mit der jeweils herrschenden Ideologie deuten?
Zwar haben die Chinesen die außerchinesischen Völker genauso als Barbaren angesehen wie die Europäer die außereuropäischen Völker. Aber es gibt einen ganz gewichtigen Unterschied: Für die christlichen Europäer waren die außereuropäischen Völker vor allem Heiden. Wer nicht getauft ist, steht unter der Macht des Satans und kommt in die Hölle. Wer in die Ferne fährt, um Heiden zu taufen (und ggf. diejenigen abzuschlachten, die sich partout nicht taufen lassen), tut ein gutes Werk und kommt in den Himmel. Das war zwar sicher nicht das einzige Motiv für die "Entdeckungs"-Fahrten, aber es verschaffte dem ganzen Unternehmen die ideologische Legitimation. Diese Legitimation konnte die neokonfuzianistische Doktrin der Ming- und Qing-Zeit nicht bieten.

Warum die Qing verhaßt waren, leuchtet mir noch nicht ein. Zieht man sich durch Assimilation bis hin zur "exakten Kopie" automatisch Haß zu?
Nur die Anhänger des ancien regime (also der Ming-"Adel") hatten gute Gründe, die Qing zu hassen. Bei der Eroberung Chinas durch die Qing kämpften auf beiden Seiten Chinesen. Dem Bauersmann auf dem Lande und dem kleinen Beamten dürfte es ziemlich egal gewesen sein, ob der Kaiser in Peking von seiner Frau Gemahlin auf kantonesisch, mandschurisch oder türkisch angeredet wurde.
 
Beitrag von Shi Fu An :

@hyokkose: Es tut mir leid, aber manchmal hab ich den Eindruck, dass du dich komisch anstellst:

Willst du in Frage stellen, ob es ueberhaupt Mentalitaeten gibt oder nicht ??? Und dass die dann nicht mal unterschiedlich sein sollen ??? Wer schon einmal in China war, weiss ganz genau WIE sehr anders die Chinesen denken und handeln. Ideologie ist doch nur EIN Bestandteil einer Gesellschaft und ihres Charakters. Vielleicht ist Mentalitaet nicht der Lexikonreife Ausdruck fuer die Bezeichnung aller Unterschiede zwischen den Kulturen oder Gesellschaften, bitte, dann nimm einen andern. Ich meinte mit Mentalitaet aber eben dieses! WIE jemand denkt, handelt, die Welt sieht und beurteilt und was er so fuer Vorstellungen hat, haengt wohl kaum vom biologischen Aufbau des Gehirnes ab, sondern von seinem gesellschaftlichen Umfeld, das ihn von Geburt an begleitet. Ein Chinese, der in Deutschland geboren und dort gross wird, ohne Kontakt zu China oder anderen Chinesen, wird vom Verhalten her nicht sehr chinesisch sein (Muss ich das echt erklaeren, oder wusstets du dass nicht auch ? Ich bin mir sicher, aber wieso stellst du dann so komische Fragen?)

Dass die Ming Adligen als einzige gegen die Mandschurenherrscher waren oder Gruende dafuer gehabt haetten - damit liegst du leider ganz falsch! Wenn die Autoren der Buecher, die ich dazu gelesen habe, nicht falsch liegen, dann konnten sich die Qing eben gerade NUR deswegen halten, weil sie die Verhaeltnisse, die im Gentrysystem herrschten nicht anruehrten. Sie waren naemlich auf die elitaere und gebildete Klasse der Ming angewiesen, denn wie haetten sie sonst bitte das neue Riesenreich verwalten sollen ??? Von der untersten Verwaltungsebene an, bis fast ganz oben, natuerlich OHNE jegwede Schluesselposition oder letzte Instanz, waren es chinesische Beamte. Es gab Widerstand der Chinesen in allen Bevoelkerungsebenen, aber wie du es ja teilweise schon sagtest, sobald es den Bauern besser ging UND der Ming Adel keine Repressionen zu fuerchten hatte, waren die Qing als Herrscher akzeptiert. Vergiss nicht den Faktor Assimilation: ein wahres Mongolenreich, mit dem Umsturz der alten Ordnung und einer bewusst "anders" seienden Fuerungsschicht haette sich in China wohl kaum halten koennen! Es war ja schon eine unglaubliche Beleidigung, den "Schweinezopf" tragen zu muessen, den die Qing zum Zeichen der Demuetigung einfuehrten und den man beim Zusammenbruch der Regierung als erstes beseitigte! Die Qing waren vielleicht nicht ueber 300 Jahre lang gehasst, aber du musst einsehen, dass sie als Fremdherrscher 100mal eher anfaellig fuer Aufstaende waren, als eine chinesische Regierung mit gleichen Fehlern! Und dies war ja auch Mitte des 19. Jahrhunderts (und in einigen Teilen Chinas auch schon lange vorher) der Fall.
Das war ja auch das Problem der Qing in den Opiumkriegen:
Der Kern ihrer Armee, die "Bannertruppen", waren allesamt Mandschuren, aber natuerlich nicht genug, ueberall gleichzeitig zu kaempfen.
Das chinesische Heer war schon seit Urzeiten mehr oder weniger auf die Aufstellung von Milizen direkt vor Ort angewiesen, was man aber diesmal auf keinen Fall riskieren wollte, da die Situation innerhalb der Bevoelkerung schon sehr explosiv war. Waffen an die Menge verteilen - unter keinen Umstaenden. Dabei haette das vielleicht die Loesung sein koennen: EIN einziger Gouverneur in Suedchina, Gebiet Guangzhou (1. oder 2. Opiumkrieg), schaffte es, die Massen zu mobiliesiern. Er konnte sie ueberzeugen, dass sie hier fuer eine gemeinsame Sache kaempften und nicht fuer einen Mandschu in Beijing. So lies er bewaffnete Milizen aufstellen, und er hatte als einziger Erfolg gegen die englischen Truppen, die bei den Kaempfen 1500 Mann verloren und sich zurueckziehen mussten! Ich hatte mich schon immer gewundert, mit wieviel Leichtigkeit die Westmaechte gegen die Chinesen vorgehen konnten. Hier ist vielleicht EINER der Gruende - die Nichtzuhilfenahme der Bevoelkerung. Und die unpatriotische Art und Weise der Chinesen UND natuerlich der Unwillen, eine "fremde" Regierung zu unterstuetzen, die zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall schon jegliches Ansehen eingebuesst hatte!

Was du ueber den Glauben und Legitimation sagst, da stimme ich mit dir uberein. (Noch ne Frage: Wenn du oder Heinz oder wer auch immer NICHTS zu einer der aufgestellten Thesen sagt, die ich niedergeschrieben habe - heisst das, dass du da zustimmst? Da bin ich mir nie ganz sicher, es werden immer nur einige Dinge rausgepickt und weitergesponnen)
Ich denke, nicht nur die Legitimation fuer auslaendische Eroberungszuege war durch den Glauben gegeben, sondern zweitens auch noch der wahre Glauben, also dass einige wirklich an ihre "goettliche" Mission geglaubt haben (wenn auch wohl nur die wenigsten) und keine politischen Absichten hatten und drittens, die Anerziehung des missionarischen Charakters als solches, nicht nur in Bezug auf Eroberungszuege, sondern einfach das fest im Unterbewusstsein verwurzelte Gefuehl, seine eigenen Werte fuer in der ganzen Welt als die einzig wirklichen Anzusehen, und diese unter allen Umstaenden durchsetzen zu wollen. Die Werte haben sich sehr geaendert, aus dem Wunsch, arme Heiden aus der Hoelle zu retten (oder sie dorthin zu schicken... ;-) je nachdem wies grad passt!) wurden die Menschenrechte, aber das Missionaritaetstum hat den Westen so sehr gepraegt, dass es sich bis heute gehalten hat, und ich weiss nicht, wie ich dieses beurteilen soll. Wie ueblich sehe ich es irgendwo aeusserst skeptisch. Es ist dieses Anlegen von Rastern, die man von seiner eigenen vertrauten Welt so sehr gewohnt ist und die tief im Unterbewusstsein liegen, so sehr, dass man vergisst, dass die eigenen Kategorien und Schubladen nicht ueberall gleich passen koennen oder auch gar nicht. Es ist so schwer zu akzeptieren, dass andere Kulturen nach anderen Uhren Ticken und das diese dann auch anders zu bewerten sind! Auch ich erwische mich immer wiede dabei, gerade hier in China. Aber wenn man erstmal ueber die ein oder anderen Hindernisse kommt, sieht man, wie relativ viele Dinge doch sind.
 
Beitrag von Shi Fu An :

Zitat von hyokkose:
"Die folge des Wohlstandes: Gewaltige Bevoelkerungsexplosion. Im 19. Jhd. waere die Zeit reif gewesen fuer eine industrielle Revolution..." Nun:
Dies und fast alles andere, was man ueber China in dieser Epoche in unsere Geschichtsbuecher schreibt (Stillstand in der Gesellschaft Kultur, etc. etc.) stammt noch eben aus DIESER Zeit und hat sich seit fast 100 Jahren kaum veraendert. Es ist traurig, dass man einfach immer und immer wieder die alten Meinungen und Anschauungen kopiert hat, ohne sie ganz genau nachzupruefen. Ich gebe zu, das ist so mitunter das schwierigste, was es wohl gibt, da China nie sehr leicht zu verstehen ist, und dann noch im Zusammenhang mit der so anderen westlichen Welt, trotzdem sollte es nicht unversucht bleiben - und der Artikel ueber die Untersuchung von China und England zu dieser Zeit ist schonmal ein guter und erfrischender Anfang (siehe hyokkoses Beitrag vom 30. Okt.!). Ich will in diesem Beitrag nicht an diese Thesen anknuepfen oder sie beurteilen o.ae.
Ich will nur sagen, dass diese Aussage, China in der Krise - Abhilfe durch Fruehkapitalismus, sehr unueberlegt ist und einer genaueren Pruefung bedarf! Mit Sicherheit musste "Kapitalismus" oder "Modernisierung" fuer alle moeglichen Probleme als non plus ultra Loesung schon mehr herhalten als der Begriff Mentailitaet ;-)
China hatte doch schon ein funktionierendes Wirtschaftssystem, und an diesem krankte das Land nicht. Die Ueberbevoelkerung war ein grosser Problem. Dieses Problem war NICHT durch westlichen Kapitalismus zu loesen. Sonst haette er sich doch irgendwie von selbst entwickelt oder waere nach den Kriegen auf fruchtbareren Boden gefallen. Die industrielle Revolution war eine Antwort auf die Probleme in Europa, warum sollte das in China funktionieren ? Und sehen wir uns Europa zur Zeit des fruehen Kapitalismus an: wieviele Menschen lebten dort ? Mehr als 200mio. ? Bestimmt nicht. In einem einzigen LAnd aber lebten 400mio. Menschen! Kein Kapitalismus der Welt haette diese Massen an Arbeitslosen jemals versorgen koennen. Die Probleme in Europa waren wohl kaum damit zu vergleichen. Und was ist mit den Charakterzuegen des Fruehkapitalismus ? Billiglohnarbeit in den Fabriken der Staedte ? Gab es schon! Modernisierung der Machinen ? Vielleicht ein paar Moeglichkeiten. Aber haette das mehr Arbeitsplaetze geschaffen ? WIE ??? Ich kann ein Bsp. fuer die Modernisierungsversuche nennen: Mit dem Federstrich, der in Shanghai fuer die Gruendung einer Dampfschiffahrtsgesellschaft auf dem Chang Jiang (Jangtse) sorgte, hatte man in einer Sekunde 30.000 Treidelarbeiter an den Ufern des Stromes arbeitslos gemacht! So sah Modernisierung in China aus. Zu der SEHR sehr unterschiedlichen Mentalitaet (damals), was Maschinen angeht, empfehle ich unbedingt, Dr. Lilly Abeggs "Ostasien denkt anders" zu lesen!!! Da isnd einige wunderbare Anekdoten drinn zu finden.
Ich glaube ernsthaft, dass die Modernisierung der Industrie nur minimal die chinesischen Probleme haette loesen koennen. Die Bevoelkerung war einfach ZU zahlriech und nicht mit neuen Maschinen oder den paar Neuigkeiten aufzufangen gewesen! Die Misere musste in den vielen Buergerkriegen und chaotischen Zeiten enden. So ist in China bis jetzt jede Dynastie zu Grunde gegangen und es hat sich bis heute nicht geaendert.
Ganz davon abgesehen, selbst WENN (was ich aber nicht glaube!) der Anschluss an Europas moderne Welt die Loesung aller Probleme gewesen waere, so haette es auch deshalb nie funktioniert, weil der Westen ja gar kein Modernes China wollte, sondern einen fuer ihn geoeffneten Markt, auf dem er Geld machen konnte. Das Schicksal der Chinesen, gerade der im Landesinneren spielte doch ueberhaupt keine Rolle. So haette China auch keine Chance gehabt, selbst wenn es gewollt haette. Mit einer Revolution im Innern und starken Feinden von draussen war kein Versuch von Modernisierung erfolgreich.

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Beitrag von hyokkose :

Lieber Shi Fu An,

wenn eine Modernisierung der Industrie nicht in der Lage gewesen wäre, 400 Millionen Menschen mit Arbeit zu versorgen, wie verdienen dann heute über 1 Milliarde Menschen ihren Lebensunterhalt?

(Zum übrigen Inhalt Deiner Beiträge melde ich mich später noch einmal.)

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Beitrag von Heinz :

China muß sich industrialisieren, damit es den Anschluß an die Weltentwicklung halten kann. Aber nicht so, dass es für 1,3 Milliarden keine Arbeit mehr gibt. Was China im ausreichendem Maße besitzt, dass sind Menschen. Allein Beijing hat davon 15 Milionen. Shanghai dürfte an die 25 Millionen haben und es soll eine Stadt geben, die noch mehr Einwohner hat.

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Beitrag von hyokkose :

Lieber Heinz,

darf ich aus Deinen Worten die Befürchtung herauslesen, daß China vor der Wahl steht, entweder ein überhitztes Wirtschaftswachstum oder gigantische Arbeitslosenzahlen produzieren zu müssen?

Lieber Shi Fu An,

mit meinem Beitrag vom 28. Oktober wollte ich gewiß nicht zum Ausdruck bringen, daß der Kapitalismus die Lösung für alle Probleme Chinas im 19. Jahrhundert bedeutet hätte. Ich wollte damit nur sagen, daß von den wirtschaftlichen und demographischen Gegebenheiten aus gesehen eine kapitalistische Entwicklung sehr gut möglich gewesen wäre. Wenn es dazu nicht gekommen ist, muß die Ursache in den politischen Umständen gesucht werden, und das siehst Du ja wohl genauso wie ich. (Vielleicht mit dem Unterschied, daß ich das "periodische" Chaos nicht für eine quasi naturgesetzliche Erklärung halte.)

Mit meinen Anmerkungen zur "Mentalität" wollte ich nicht sagen, es gäbe überhaupt keine Mentalitäten. Ich habe nur gefragt, was Du hier unter "Mentalität" verstehst. Wenn Du kulturelle Unterschiede meinst, dann lassen sich diese auch im einzelnen konkret benennen: religiöse Anschauungen und Wertesysteme, politische Ideologie, Wirtschaftssystem, soziale Hierarchie, Kunst und Kultur etc.
Das Schlagwort "Mentalität" an sich erklärt eben überhaupt nichts, sondern ist im Gegenteil selber erst mal erklärungsbedürftig. Natürlich gibt es große Mentalitätsunterschiede zwischen einem Bauern, der sein ganzes Leben in einem Dorf in Ningxia verbracht hat, und einem Taxifahrer, der in einem Shanghaier Arbeiterviertel aufgewachsen ist. Auch einem oberbayrischen Bauern möchte ich eine andere Mentalität zuschreiben als einem Berliner Taxifahrer. Vielleicht sind sich die beiden Taxifahrer aus Berlin und Shanghai in der Mentalität sogar relativ ähnlich.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß es wenig Sinn macht, von (dazu noch über die Jahrhunderte gleichbleibenden?) nationalen Mentalitäten zu sprechen. Ich bin mir sicher: Wenn es eine Zeitmaschine gäbe, die uns dreihundert Jahre zurückversetzen könnte, dann hätten wir mit der Mentalität unserer damaligen Landsleute viel größere Probleme als mit der unserer heutigen ostasiatischen Zeitgenossen (von Sprachschwierigkeiten einmal abgesehen).

Was das Verhältnis der Chinesen zu den Mandschus betrifft, liegen wir vielleicht doch nicht so weit auseinander.
Ich denke, daß Du die Rolle der nationalistischen Ressentiments gegen die "Fremdherrscher" ein wenig überschätzt. Es war wohl erst das barbarische Vorgehen der Europäer, das eine Fremdenfeindlichkeit größeren Ausmaßes hervorrief, die sich am Ende dann nicht nur gegen die Europäer, sondern teilweise auch gegen die "fremden" Qing richtete.
Beim Ming-"Adel" habe ich mich natürlich falsch ausgedrückt. Gemeint habe ich den Hochadel, also die Angehörigen der kaiserlichen Familie und die dazugehörigen Hofschranzen und Eunuchen - also die, die am meisten zu verlieren hatten. Der Großteil der Beamtenschaft hatte nichts zu verlieren, sofern er nur rechtzeitig die Fahnen wechselte.

Übrigens steckt auch in Deiner Darstellung ein Fehler: Die Bannerleute waren nämlich keinesfalls ausschließlich Mandschuren, vielmehr gehörten schon lange vor der Eroberung des Ming-Reichs Chinesen dazu, z. B. Fan Wencheng, einer der wichtigsten Berater Nurhacis.
Wenn die Qing 100mal anfälliger für Aufstände gewesen wären "als eine chinesische Regierung mit gleichen Fehlern", dann hätten die Qing sich nicht praktisch gleich lang wie die Ming halten können, deren Fehler sie ja Deiner Ansicht nach genau kopierten.

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Beitrag von Heinz :

Lieber hyokkose,
ja so sehe ich es. Die Industrialisierung verleitet zu Maschinen,die die menschliche Arbeitskraft ersetzen können, was aber nicht im Sinne des chin. Volkes ist. Anderseits müssen sie den techn. Fortschritt mitmachen, sonst können sie sich im Konkurenzkampf der Völker nicht behaupten.
 
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