Das Junge Christentum und die Philosophie

P

philosoph2

Gast
Im späten Römischen Imperium konkurrierten verschiedene Philosophien um die Gunst bzw. den Verstand eines philosophierenden Römischen Bürgers.

Nun waren da hauptsächlich der Aristotelismus, der Platonismus, die Stoa und die Epikureer. Die Letzteren wurden von den Christen bald zu Erzkätzern erklärt, während der Stoizismus vereinnahmt wurde.

Kann man davon sprechen, dass das Christentum nicht nur mit anderen Mysterienkulten und Religionen, wie dem Judentum und dem römischen Heidentum, konkurrierte, sondern auch mit den Philosophien ihrer Zeit?

Oder ist es Zufall, dass Aristoteles, Platon usw. nach dem Aufstieg des Christentum vergessen wurden?
 
Kann man davon sprechen, dass das Christentum nicht nur mit anderen Mysterienkulten und Religionen, wie dem Judentum und dem römischen Heidentum, konkurrierte, sondern auch mit den Philosophien ihrer Zeit?

Natürlich können religiöse & philosophische Weltanschauungen im Gegensatz zueinander stehen und somit konkurrieren; müssen sie nicht, aber für viele war es wohl tatsächlich ein "entweder-oder".

Oder ist es Zufall, dass Aristoteles, Platon usw. nach dem Aufstieg des Christentum vergessen wurden?

Naja, ganz vergessen wurden sie ja nicht; dass aber bspw die Schließung der platonischen Akademie in Athen im Zusammenhang mit der "christlichen bekämpfung des Heidentums" steht ist wenig fraglich.

Allerdings galt das nur bis ins Hochmittelalter; ab dem 12./13. Jh entwickelte sich insbesonders Aristoteles zu dem Philosophen und Welterklärer des christlichen Abendlandes überhaupt. ;)
 
Ja, wenn du Augustinus zum späten römischen Imperium zählst.

Er wurde noch von Ciceros Hortensius (Confessiones, III), Aristoteles (C., ende IV) und Platon (C.,VII) beeinflußt.

Meinst du mit Philosophien ihrer Zeit, Philosophen die damals lebten oder Phil. die gelesen wurden?
 
Als Ketzer werden üblicherweise christliche Abweichler bezeichnet. "Richtig Ungläubige" nennt man (wie du auch) Heiden. Heiden waren selbstverständlich auch die griechischen Philosophen und ihre Gedanken insofern nicht mit dem Christentum vereinbar. Insofern kann man auch nicht sagen, der Stoiszismus sei vereinnahmt worden. Er war allenfalls noch am ehesten mit der Leib- und Lustfeindlichkeit kompatibel, die sich zunehmend mit dem Christentum durchzusetzen begann. Diese Entwicklung wird zum erheblichen Teil dem schon erwähnten Augustinus zugeschrieben.
 
Kann man davon sprechen, dass das Christentum nicht nur mit anderen Mysterienkulten und Religionen, wie dem Judentum und dem römischen Heidentum, konkurrierte, sondern auch mit den Philosophien ihrer Zeit?
Bis Kaiser Justinian die "heidnische Universität" schloß und die "Professoren" davonjagte, bestand eine solche Konkurrenz.
Wenn Du ein wirklich sehr gutes, informatives und dazu auch noch brillant geschriebenes Buch (und zwar ein schmales!) lesen möchtest:
Peter Browne: die letzten Heiden, Fischer TB

Oder ist es Zufall, dass Aristoteles, Platon usw. nach dem Aufstieg des Christentum vergessen wurden?
wie der Neuplatonismus und später die Scholastiker zeigen, waren jedenfalls Platon und Aristoteles nicht permanent in Vergessenheit geraten (allerdings wurden die "Lehren" der antiken Philosophen und Rhetoren christlich modifiziert)
 
Ich denke mal, dass Gnosis, Platonismus, die Kyniker, die Stoa und andere griechische Philosophien einen großen einfluss auf das Christentum ausübten - nicht in ihrer heidnischen Welterklärung, aber in ihren ethischen Ausformungen.

Das Asketentum entstand schließlich doch im Osten in deren Wirkungskreis. Dass das Fleisch grundsätzlich schlecht, der Geist aber zum göttlichen Licht strebe, ist ja nicht vom Christentum erfunden worden.

Das spätere Verdikt gegen jedweden außerehelichen Geschlechtsverkehr (also auch den vorehelichen) geht ja weit über das Verdikt des Paulus gegen die "Hurerei" hinaus, weil der Leib ein Tempel sein solle.

Man wollte eine bessere Gerechtigkeit verwirklichen als die Heiden (Mt 5, 13-20). Der Einfluss der heidnischen Philosophie bestand also nicht in deren Übernahme (obgleich die griechische Philosophie bei der Erklärung der Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi ohne Änderung der äußeren Erscheinung wertvolle Bausteine in der Unterscheidung zwischen Material und Form lieferte), sondern in der Konkurrenz des Ethos, also im Vergleich und im Wunsch, besser sein zu wollen.
 
Ich denke mal, dass Gnosis, Platonismus, die Kyniker, die Stoa und andere griechische Philosophien einen großen einfluss auf das Christentum ausübten - nicht in ihrer heidnischen Welterklärung, aber in ihren ethischen Ausformungen.

Das Asketentum entstand schließlich doch im Osten in deren Wirkungskreis.
Mag sein, dass es durch die Philosophie beeinflusst wurde, aber Asketentum gab es auch im Rahmen verschiedener orientalischer Kulte. Z. B. gab es im Tempel der "Syrischen Göttin" (=Atargatis) in Hierapolis in Syrien eine den Säulenheiligen ähnliche Einrichtung.
 
Mag sein, dass es durch die Philosophie beeinflusst wurde, aber Asketentum gab es auch im Rahmen verschiedener orientalischer Kulte. Z. B. gab es im Tempel der "Syrischen Göttin" (=Atargatis) in Hierapolis in Syrien eine den Säulenheiligen ähnliche Einrichtung.
Deren Vorbildfunktion dürfte aber sehr begrenzt sein, so dass ich nicht glaube, dass der Einfluss von dort kam.
 
Klar wird man sich nicht direkt an diesem Heiligtum orientiert haben. Ich wollte darauf hinaus, dass die Askese aus religiösen Gründen der orientalischen Welt bekannt war, und da das Christentum nun mal im Orient entstand und in den ersten Jahrhunderten dort seinen Schwerpunkt hatte, wäre es nicht erstaunlich, wenn es entsprechend beeinflusst worden wäre.
(Ich verweise auch auf das Beispiel der Selbstkastration des Origenes, die sich zwar im Christentum nicht durchgesetzt hat, aber im Orient bei verschiedenen Kulten verbreitet war.)
 
Meinst du mit Philosophien ihrer Zeit, Philosophen die damals lebten oder Phil. die gelesen wurden?

Ich meine eher ersteres, aber alle 3 können gelten.

Das Asketentum entstand schließlich doch im Osten in deren Wirkungskreis. Dass das Fleisch grundsätzlich schlecht, der Geist aber zum göttlichen Licht strebe, ist ja nicht vom Christentum erfunden worden.

Ich habe einmal gelesen, dass die Kyniker bei dieser Entwicklung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben sollen. Auch sie lehnten jeden Luxus ab, selbst schon damals selbstverständliche Dinge und lehrten ein betont Bescheidenes Leben.

Ironischerweise haben grade sie, die Herkules verehrten und ihrer Lebensweise eine besondere Nähe zur Natur attestierten, dabei allerdings von Spenden gelebt, was in dieser Form eben nur möglich ist, wenn jemand da ist zum Spenden, also in einer kultivierten Umgebung.

Sowas findet man in christlichen Klöstern eher selten, dennoch gab es in der Frühzeit christliche Bewegungen, die durch dieses Bild (wahrscheinlich neben Jesus und seinen Jüngern in den Evangelien, die offenbar auch ein Leben als Wanderprediger gelebt haben) geprägt worden sein müssen.

Was ich mich auch frage, ist, wie die frühen Christen die heidnischen Philosophen betrachteten. War Philosophie für sie mit den Christentum ganz unvereinbar oder eher sowas wie eine Wissenschaft, die man unabhängig vom Glauben betreiben kann?
 
Nein, viele frühe christliche Theoretiker setzten sich mit Philosophie auseinander, vor allem mit dem Neuplatonismus. Sie nutzten aber auch das Handwerkszeug der Philosophie - also die Kunst des Argumentierens, des Definierens etc. - für ihre eigenen theologischen Diskussionen.
 
(Ich verweise auch auf das Beispiel der Selbstkastration des Origenes, die sich zwar im Christentum nicht durchgesetzt hat, aber im Orient bei verschiedenen Kulten verbreitet war.)
Das stimmt nun so nicht. Denn die Intention war prinzipiell verschieden. Die Selbstkastration des Origines entsprang einer asketisch sexualfeindlichen grundhaltung. Die heidnische Selbstkastration war aber ein Fruchtbarkeitsritus, bei dem die Hoden in der Erde vergraben wurden.
 
Was ich mich auch frage, ist, wie die frühen Christen die heidnischen Philosophen betrachteten. War Philosophie für sie mit den Christentum ganz unvereinbar oder eher sowas wie eine Wissenschaft, die man unabhängig vom Glauben betreiben kann?
Was war ganz unterschiedlich. Bei Paulus ist Philosophie eine Torheit vor Gott. Aber bald erkannte man die Notwendigkeit, in der Mission den heidnischen Philosophen Paroli bieten zu müssen, indem man sich ihres Instrumentariums bediente, um die eigene Lehre "rüber zu bringen".
 
Was ich mich auch frage, ist, wie die frühen Christen die heidnischen Philosophen betrachteten. War Philosophie für sie mit den Christentum ganz unvereinbar oder eher sowas wie eine Wissenschaft, die man unabhängig vom Glauben betreiben kann?

Für Justin (110-165) betrieben sie ,z.T., eine Wissenschaft, die letzten Endes in Christus mündete.

"Als aber Sokrates mit wahrer Vernunft und nach genauer Prüfung diese Dinge ans Licht zu bringen und die Menschen von den Dämonen abzuziehen versuchte, haben die Dämonen es durch Menschen, die an der Schlechtigkeit ihre Freude hatten, dahin gebracht, daß er als Gottesleugner und Religionsfrevler hingerichtet wurde, indem sie vorgaben, er führe neue Götter ein und in gleicher Weise setzen sie gegen uns ganz dasselbe ins Werk. Denn nicht allein bei den Griechen wurden durch Sokrates vom Logos diese Dinge ans Licht gebracht, sondern auch bei den Barbaren 1 von demselben Logos, als er Gestalt [S. 70] angenommen hatte, Mensch geworden war und Jesus Christus hieß. "

BKV

oder auch Clemens von Alexandria (150- 215)

"Nun war vor der Ankunft des Herrn die Philosophie für die Griechen zur Rechtfertigung notwendig; jetzt aber wird sie nützlich für die Gottesfurcht, indem sie eine Art Vorbildung für die ist, die den Glauben durch Beweise gewinnen wollen. "Denn dein Fuß", so heißt es, "wird nicht anstoßen",1 wenn du alles Gute, mag es sich bei den Griechen oder bei uns finden, auf die Vorsehung zurückführst."

http://www.unifr.ch/bkv/kapitel151.htm

Epikur wird abgelehnt "...Epikuros, dem Bahnbrecher der Gottlosigkeit,..."

http://www.unifr.ch/bkv/kapitel147.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, viele frühe christliche Theoretiker setzten sich mit Philosophie auseinander, vor allem mit dem Neuplatonismus. Sie nutzten aber auch das Handwerkszeug der Philosophie - also die Kunst des Argumentierens, des Definierens etc. - für ihre eigenen theologischen Diskussionen.
exakt - man denke nur an contra Celsum.

aber eine Bemerkung zu den Asketen: diese entstammten oft der besitzenden Schicht, auch auf Seiten des Christentums, und nicht selten berichten die Quellen von Asketen und Eremiten, welche ihrem heilsbringenden Handwerk nicht ohne pueri nachgingen... (vgl. Peter Browne, die letzten Heiden)
 
Vor allem Platons Ideenlehre hatte erheblichen Einfluss auf die christliche Lehre. Augustin und Boethius haben ihn rezipiert. Die Idee ist der Anteil des Göttlichen in jedem Ding. Erst die Teilhabe der Dinge an einer Idee, macht sie eben dazu.
Dies ist ein Beispiel für Kontinuitäten.
 
Zurück
Oben