Das Konzil zu Konstanz

derLiterat

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Wer kennt den zweiten Ritter?

Während des Konstanzer Konzils (1414-1418) wurde am 6.Juli 1415 der Prager Magister für Philosophie, Johannes Hus, auf dem Scheiterhaufen vor den Toren der Stadt verbrannt. Und das trotz eines Schutzbriefes für freies Geleit, gewährt vom römisch-deutschen König Sigismund von Luxemburg.
Der König beauftragte zwei deutsche Ritter für den Geleitschutz des Johannes Hus. Einen dieser Ritter habe ich ausgegraben: Johan von Chlum (Schlesien, heute Polen). Für den zweiten Ritter fehlt mir jeglicher Hinweis.
Aber gerade das Verhalten der beiden Ritter nach dem Wortbruch des Königs scheint mir studierenswert.
Wer also hat eine Idee, oder Vermutung, über die Identität des zweiten Ritters?

Natürlich kann in diesem Zusammenhang auch über das Konzil, das Schisma, oder sonstige Glaubensumstände jener Zeit diskutiert werden.

Gruß an die interessierte Runde
derLiterat
 
Es sind jetzt beinahe sieben Stunden vergangen und keiner hatte eine Meinung - eigentlich bleibt da nur ein großes Fragezeichen!
Da sich keine Ideen, oder Anregungen, offenbarten, muss ich wohl allein
weiter forschen... Allerdings wundert mich schon, dass niemand im Forum eine Meinung zu dem größten geschichtlichen Glaubensereignis des Mittelalters hatte!!!
Aber vielleicht bin ich auch zu ungeduldig? Grundsätzlich gilt: jede Meinung
ist wertvoll!!!
 
bin auf Anhieb überfragt, aber eine gute Arbeit zum Thema ist immer noch "Ketzer und Rebell" von Richard Friedenthal ;vielleicht findest Du da etwas
 
Ich erlaube mir, der Reihe nach einige Punkte abzuhandeln...

Erstens:
Zu dem gesuchten Herrn habe ich leider auch nichts gefunden...

Zweitens:
Johann von Chlum (genannt Kepka) war zwar ein Sohn des Herrn von Schwoika (Svojkov), lebte aber nicht ritterlich, sondern ließ sich seinen Erbteil auszahlen und führte das Leben eines bezahlten Söldners (seit 1402).
Außerdem liegt besagtes Schwoika keineswegs in Schlesien (heute Polen), sondern im nördlichen Böhmen (heute Tschechien) - in der Gegend von Haida (Novy Bor), Böhmisch Leipa (Ceska Lipa) und Böhmisch Kamnitz (Ceska Kamenice). Das ist zwar zu Schlesien benachbart, aber eben nicht mit diesem identisch.
Vgl. dazu http://www.luzicke-hory.cz/td12.html - Abschnitt "Burg Svojkov" bzw. "Svojkovský hrádek (Burg Schwoika)" sowie http://www.luzicke-hory.cz/laugemap.html

Drittens:
Zu dem "Dilemma" des Geleitschutzes äußert sich bspw. Martin Kintzinger in Schneidmüller/Weinfurter "Die deutschen Herrscher des Mittelalters"...

Martin Kintzinger schrieb:
Ein Schatten, der bis heute das Ansehen Sigmunds verdunkelt, fiel hingegen auf den König und das Konzil durch die Hinrichtung des böhmischen Reformators Jan Hus am 6. Juli (1415 - Anm. von mir), der auf Verlangen Sigmunds und unter dessen Geleitschutzzusage auf dem Konzil erschienen war. Wieder hatten sich Konzilsanliegen und Eigeninteressen Sigmunds überkreuzt. Die auf die mehrfach verurteilten Lehren Wycliffs zurückgreifende Theologie des Jan Hus stellte das Konzil vor große dogmatische Herausforderungen und bot in Böhmen politischen Sprengstoff.
Deshalb wird anstelle der früher vermuteten Leichtfertigkeit, mit der Sigmund das Geleit gegen Hus gebrochen habe, heute eher von einer Ausweglosigkeit der Situation gesprochen, zwischen der theologisch notwendigen Verurteilung der Lehren des Reformators einerseits und seiner unbedingten, auf Widerlegung seiner Thesen bestehenden Standhaftigkeit andererseits.
Für die Luxemburger Herrschaft in Böhmen bedeutete der Tod des Jan Hus eine erhebliche Belastung.

Anm.: Fette Hervorhebungen im Text von mir...



Und schlußendlich muß ich noch eine ganz naive Frage stellen:
Warum machst Du zu einem Ereignis aus den Jahren 1414/18 - ergo spätes Spätmittelalter - das Thema im Forum "Altertum" auf? :grübel:
 
Da mich das Thema interessierte, habe ich mich im Laufe des Tages mal wieder in die spannende Geschichte des Konstanzer Konzils vertieft.
Ergebnis:

Das Geleit bestand
1. aus einer schon im Frühjahr 1414 bestimmten persönlichen Begleitung durch zwei vom König beauftragte böhmische Edelleute;
2. aus einem Geleitsbrief in lateinischer und deutscher Ausfertigung. Erhalten ist nur die lateinische Fassung vom 28. Oktober 1414 (F. Palacký)

Die Reise nach Konstanz unternahm Hus ohne den Geleitsbrief, wie er selbst wiederholt nach Prag schreibt, doch im Schutz der beiden böhmischen Ritter. Von Papst oder Konzil ist offenbar kein eigenes Geleit für Hus ausgefertigt worden, doch stand er zunächst unter dem allgemeinen Schutz der zum Konzil Kommenden.
Über die Tragweite des königlichen Geleits gehen die Ansichten auseinander. Der Geleitsbrief war wohl nicht mehr als ein gewöhnlicher Reisepaß. Aus der scharfen Reaktion der Hus begleitenden Ritter und den wiederholten Protesten vieler böhmischer Adeliger wird man aber weitgehende Zusagen Sigismunds für die sichere Rückkehr vermuten dürfen.

vgl Jedin (Hrsg) Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 3,2, S. S. 6273

F. Palacký, Documenta Mag. Joannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam et controversias de religione in Bohemia annis 1403-1418 motas illustrantia (Prag 1869, Neudr. Osnabrück 1966).
 
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