Das Pferd im Mittelalter (westliches Europa)

timotheus

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Hallo miteinander,

aufgrund verschiedener Gründe brennt es mir seit einigen Monaten unter den Nägeln, dieses Thema aufzumachen. Zum einen hat dieses Thema im Rahmen meiner Freizeitbeschäftigung Living History inzwischen einen ihm gebührenden Teil eingenommen (warum, erkläre ich gleich), und zum anderen möchte ich hier ein Thema schaffen, auf welches bei entsprechenden Diskussionen verwiesen bzw. wo das eine oder andere nachgelesen werden kann.

Das Pferd im europäischen Mittelalter

Es wäre auch wert gewesen, ihm ein eigenes Thema unter "Alltag im Mittelalter" zu widmen, denn es spielte eine wesentliche Rolle in der mittelalterlichen Gesellschaft. Natürlich fällt jedem bzw. jeder sofort das ritterliche Streitroß ein oder aber die weit über das Mittelalter hinausreichende Verwendung als Last- und Arbeitstier, doch dies sind lediglich zwei Pole von sehr weitgefächerten Funktionen, welche das Pferd erfüllte.

Es mag daher kaum überraschen, daß es sowohl zeitgenössische Literatur als auch eine Vielzahl amtlicher Dokumente des Mittelalters sich zu Pferden äußern und dies den Verfassern auch offensichtlich Vergnügen bereitet.
Bereits aus jenen Dokumenten des Mittelalters lassen sich Listen über Typen und Pferdearten ableiten, ebenso aber auch bezüglich Gangarten, Farben, Zuchtbriefe, Verkauf und Nutzen zu verschiedenen Zeiten.

Eine bedeutende Quelle stellt die Beschreibung zum Londoner Pferdemarkt von William Fitz Stephen um 1170 dar, der als Sekretär und Biograph von Thomas Becket bekannt ist. William Fitz Stephen beschreibt darin u.a. verschiedene Pferdetypen, die zum Verkauf ausgestellt bzw. angeboten wurden...

1. gradarii oder amblers
Dies sind Paßgänger, d.h., diese Pferde bewegen sich in einer leichten gangart, bei welcher zuerst beide Beine der linken Seite und danach beide Beine der rechten Seite vorwärts gesetzt werden.
Heutzutage wirkt dies natürlich befremdlich, zumal es in der modernen Reitschule als faul und fehlerhaft gilt - sprich: ein Pferd mit dieser Gangart gilt heute als "verzogen".
Pferde, deren Gangart so herabgesetzt war, daß sie im Paßgang (Kamele gehen übrigens auch so) gingen, galten damals als ideal für unerfahrene Reiter, welche komfortabel eine lange Wegstrecke zurücklegen wollten, denn diese Pferde verlagten kein hohes Maß an Reitkunst.
Anm.: Es gibt nicht wenige Bildquellen, welche Reiter auf genau solchen Pferden zeigen - z.B. Jäger auf Pferd im Queen Mary Psalter (14. Jh.) oder Wife of Bath in Canterbury Tales (15. Jh.)

2. Pferde für Landjunker, die grob, aber schnell gehen
(Die originale Umschreibung in pathetischem Vulgärlatein muß wohl noch umständlicher sein...)
Damit sind Pferde gemeint, die im Trab gehen; mit ihnen lassen sich jegliche Wegstrecken in einem moderat-schnellen Tempo zurücklegen. Natürlich erfordern sie vom Reiter, daß dieser im Reiten durchaus geübt ist.

3. colts
Damit sind schlicht und einfach (Hengst-)Fohlen bzw. Jungpferde gemeint, die noch nicht an Zaumzeug und Reiter gewöhnt worden sind.

4. summarii oder sumpters
Dies sind Lastpferde oder auch Packpferde, welche sich laut Quelle durch stämmige, aber sehr bewegliche Beine auszeichnen.

5. dextrarii oder destriers
Und da haben wir sie nun auch, die teuren Streitpferde der Ritterschaft - beschrieben mit Worten wie staturae honestae bzw. noble size. Was man damals unter solcher Statur verstand bzw. wie wir uns dies vorstellen müssen, folgt im nächsten Beitrag...
Abgesehen davon handelte es sich bei ihnen stets um Hengste.

6. mares
Das sind reine Arbeitspferde, welche vor Pflug, Egge, Schlitten und Wagen/Fuhrwerk/Karren eingesetzt werden; offenbar wurden sie auf solchen Märkten gemeinsam mit den Rindern ausgestellt.
Es waren wohl oftmals Stuten, manche von ihnen trächtig, andere mit Fohlen zur Seite.
Daß sie von William gesondert erwähnt werden, ist insofern bemerkenswert, da im Hochmittelalter die Pferde gerade erst begannen, den Ochsen als Transporttier Konkurrenz zu machen!

Literatur John Clark (Hrsg.; Museum of London) The Medieval Horse And Its Equipment (nur in Englisch verfügbar)

Anm.: Da ich das Buch gerade lese, wenn ich etwas Zeit dafür finde, möchte ich vorerst auf diesen und den folgenden Beitrag beschränken...

In diesem Sinne

Timo
 
Größe der Pferde und Vergleich zu heutigen Pferden

Hier nun ein kurzer Abriß, welche Größe i.S.v. Risthöhe die Pferde im Mittelalter erreichten.

Ich erlaube mir, Bilder von heutigen Pferderassen einzustellen, die in der Größe dem mittelalterlichen Pferd bzw. den verschiedenen Maßen mittelalterlicher Pferde nahekommen...

Skelettfunde haben ergeben, daß damalige Pferde, welche v.a. der Kategorie 4 zuzuordnen sind, lediglich eine Größe von 11...12 Hand hatten (entspr. etwa 110...120 cm). Im heutigen Sprachgebrauch wären das Ponies...
Die überwiegende Zahl der Pferde, welche alltäglich in Gebrauch waren, wiesen Größen von 12½ ... 15 Hand auf (ergo etwa 125...150 cm).
Besondere Reitpferde des Adels waren vereinzelt auch etwas größer, aber das maximum diesbezüglich liegt laut Fundlagen bei 16 Hand (das wären knapp 160 cm).

Fazit: Das "typische" europäische Pferd des Mittelalters war ca. 13½ ... 14 Hand (135...140 cm) groß.

Zur Statur muß noch hinzugefügt werden, daß die mittelalterlichen Pferde von robusterem und stämmigerem Körperbau waren als heutige Pferde. An der Stelle jetzt die genaue Knochenanalyse im einzelnen darzulegen, erscheint mir fürs erste aber doch zuviel des Guten...

Zum Größenvergleich hier noch die Bilder:
Obere Reihe links: Shetland Pony ca. 110 cm (da liegt quasi die Untergrenze)
Obere Reihe Mitte: Dales Pony ca. 140 cm (entspricht der damals typischen Größe)
Obere Reihe rechts: Welsh Cob ca. 150 cm (wäre wohl etwa die damalige Streitroßgröße)
Unten: Cleveland Bay 163...170 cm (heute i.d.S. kein besonders großes Pferd, aber größer als die Pferde im Mittelalter)

Literatur wie im Beitrag zuvor angegeben...
 

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Sehr interessantes Thema, da ich selber auch reite. Hab edazu bisher leider noch nie etwas drüber gelesen. Mit nem durchschnittlichen Stockmaß von 1, 35 - 1,4 m waren die damahligen "pferde" ja wirklich äußerst klein. Wennsich heutzutage zum beispiel ein Shire Horse mit über 1,80 m Größe anschaut....
Muss ziemlich lustig ausgesehen haben, wenn die Ritter auf solch kleinen Pferden durch die Lande gezogen sind. Logisch, dass die Pferde dann einen kräftigeren Körperbau hatten, als die meisten der heutigen Ponys. Schon angesichts des Gewichts der schwer gerüsteten Männer.
Zum Vregleich habe ich mal ein Foto von meinem Pony mit einer Größe von 1,43 m reingestellt
 

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Also ich hab mir für eben Living-History bzw Schaukampfzwecke ein dickes Tinkertier von 153 WH zugelegt, wissend, daß die Scheckung damals (MA) nicht wirklich "in" war. Dafür ist sie ziemlich kurz (quadratisch) und damit wendig genug, trotz ihrer Masse enge, schnelle Manöver zu gehen.

@Lütte: Lustig? Lustig ist nur das außergewöhnliche. Ich denke eher unsere heutige Warmblüter hätten damals Erstaunen hervorgerufen, und unsere reitenden Teenies hätten damals Lachsalven hervorgerufen ;) Außerdem: Lass Dich mal von einem 150er Pferd überrennen ... im Schaukampf (choreographiert und damit harmlos) eine Standardübung. Das ist alles andere als "lustig"

@timo: Da bei den Pferden Maßstäbe fehlen, ist es schwer, ihre Größe relativ zueinander abschätzen zu können. Oder hast Du da am Zoom gedreht? Das Dales Pony und der Welsh Cob entsprechen auch in der Statur den damals bevorzugten Tieren, während Nr. 4 meiner Meinung nach etwas zu lang ist ...

Bye
Suedwester
 
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Suedwester schrieb:
@timo: Da bei den Pferden Maßstäbe fehlen, ist es schwer, ihre Größe relativ zueinander abschätzen zu können. Oder hast Du da am Zoom gedreht? Das Dales Pony und der Welsh Cob entsprechen auch in der Statur den damals bevorzugten Tieren, während Nr. 4 meiner Meinung nach etwas zu lang ist ...

Da gebe ich Dir recht.
Ich habe die Bilder aus dem Netz, etwas bearbeitet und hatte gehofft, es könnte durch die Relation mit der Umgebung einigermaßen erkennbar sein. Ging leider nicht ganz auf...
Daß Nr. 4 (Cleveland Bay) über dem Maß der damaligen Zeit liegt, hatte ich übrigens im Text vermerkt.

Anm. @Tinker: Für Living History und/oder Reenactment sind diese mE gut geeignet - allerdings wegen Größe und Statur; die Scheckung ist (wie Du schon schreibst) nicht sehr authentisch.
 
Ok, hier mal ne ganz simple Frage für die Kenner der englischen Begriffe fürs Pferdle. Was wäre denn nach der obigen Klassifizierung Timos ein "Courser"?
 
Marbod schrieb:
Was wäre denn nach der obigen Klassifizierung Timos ein "Courser"?

Marbod, das ist in diesem Thema ein interessanter Terminus - und die Frage ist alles andere als simpel.
Courser kenne ich einmal als Bezeichnung eines Rennpferdes bzw. für den Vorläufer der Rennpferde - also i.S.v. Vollblutpferd.
Andererseits, und im 14. Jh. meint man mit dem Wort Courser oder Coursour dies auch, gibt es die Bezeichnung für einen Pferdehändler bzw. Pferdehalter (vgl. o.g. Buch) - und ein Blick auf ein Online Dictionary zeigt bspw. auch folgendes:
Horse Courser - (a) one that runs horses, or keeps horses for racing; (b) a dealer in horses :grübel:

Ich nehme aber an, Du willst auf den Pferdetyp Courser hinaus.
Solche Pferde (Vorläufer der Rennpferde) waren wohl kaum die "Einheimischen", sondern einzelne Importe aus Persien oder dem Orient - ich wollte auf einen entsprechenden Link verweisen, doch der führt in einen "Time Out". Ich habe diesbezüglich übrigens auch keine gesicherte Information gefunden, ob und - wenn ja - in welchem Maße orientalische Pferde bereits im Mittelalter nach Europa kamen!
Derartige Pferde dürften demnach im Abendland so einzigartig und vor allem selten gewesen sein, daß sie ein William Fitz Henry nicht für den "normalen" Pferdehandel gelistet hat.
Außerdem waren sie wohl in Bezug auf die damaligen Verwendungszwecke in Europa ziemlich ungeeignet und wären daher eher etwas für Angehörige der Oberschicht gewesen, die eben ein schnelles Pferd vorführen wollten.
 
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Noch eine Anmerkung zur Statur der destriers oder dextrarii - also der Streitpferde für den (ritterlichen) Kriegseinsatz.

Zwei bzw. drei der heutigen Pferderassen lassen sich auf damalige Streitrösser zurückführen und zeigen vom Körperbau noch entsprechende Merkmale...

1. Der Ardenner
Ardenner werden auf das französische Solutre zurückgeführt, welches bereits bei den Römern zum Einsatz kam, dann bei den Rittern im Mittelalter, aber auch noch während der Napoleonischen Kriege.
Ursprünglich waren sie wohl etwa 140...150 cm groß, durch orientalische Veredlung während der Kreuzzüge und v.a. später während des Empire erreichten sie schließlich ihre heutige Größe von 155...162 cm. Das dazu verhältnismäßig hohe Gewicht von 800 bis 1000 kg vermittelt noch heute einiges von der Statur des mittelalterlichen Solutre.

2. Der Schwarze Friese
Er ist ein Nachfahre des alten Friesenkaltblutes, die im 16./17. Jh. mit andalusischen Kriegspferden gekreuzt wurden. Aus diesem Grund ist der Friese mit seinem Stockmaß von etwa 160 cm und seinem Geblüt (er gilt als Warmblutpferd) einigermaßen entfernt von seinem mittelalterlichen Vorfahren. Seine Gestalt verrät aber immer noch einiges aus früherer Zeit.

3. Das Shire Horse
Das Shire Horse gilt als ein Nachfahre des Great Horse Of England (später auch bekannt als English Black). Die direkte Linie des mittelalterlichen englischen Streitrosses zum heutigen Shire Horse ist jedoch in der neueren Forschung inzwischen als Legende abgetan (Clutton-Brock, im eingangs genannten Buch), zumal das Shire Horse mit seinen 170...195 cm Größe erheblich über dem nachweisbaren Stockmaß der mittelalterlichen Pferde liegt.
Anm. dazu: Die von Henry VIII. um 1540 erlassenen Gesetze zum Idealmaß von Kriegspferden sprechen von einem "wünschenswerten Maß von wenigstens 15 Hand (entspr. ca. 150 cm - Anm. von mir)"!
Ich habe es dennoch hier aufgeführt, um ein (logischerweise vergrößertes) Bild des von der Erscheinung her tatsächlich ähnlichen Great Horse Of England zu verdeutlichen.
Ich bin übrigens bis zum Lesen des Buches auch der Legende vom Shire Horse als direkten Nachfahre des Great Horse Of England aufgesessen :rotwerd:

Von diesen drei Pferderassen habe ich ebenfalls noch Bilder eingestellt:
Ardenner (linkes Bild - zum Vgl. der Mensch am Bildrand angeschnitten)
Friese (mittleres Bild - Vgl. anhand der Umgebung - wieder schwierig)
Shire Horse (rechtes Bild - Vgl. mit der Zaunshöhe)
Anm.: Die abgebildeten Pferde sind natürlich z.T. deutlich größer als die damaligen Pferde; sie sollen lediglich den Körperbau verdeutlichen!
 

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Nicht wenige Recherchen und daraus folgende Rekonstruktionen zur mittelalterlichen Geschichte stützen sich neben den archäologischen Fundlagen auch auf Bildquellen und Skulptur der damaligen Zeit. Für das Thema "Pferd im Mittelalter" gibt es dazu im deutschen Sprachraum, genauer gesagt in Oberfranken, ein gutes Beispiel: den berühmten Reiter im Bamberger Dom oder auch genannt Bamberger Reiter (geschaffen zwischen 1225 und 1237).

Obwohl bis heute niemand mit Sicherheit sagen kann, welcher König (wenn überhaupt) damit dargestellt ist, so gibt die Skulptur dennoch ein gemäß der im Buch The Medieval Horse And Its Equipment spezifizierten Fundlagen authentisches Bild ab.
Anm.: Auch die Darstellung der Kleidung des Adligen gilt als eines der authentischen Zeugnisse für die Fachwelt!

Im Gegensatz zum Reiterdenkmal des Francesco "Cangrande" della Scala (Cangrande I. della Scala di Verona) in Verona, dessen Pferd - wahrscheinlich zur Verkörperung der Macht jenes Stadtherrn - in "Übergröße" gestaltet wurde, ist das Pferd des Bamberger Reiters wie oben geschrieben durchaus in realistischer Größe (im Vergleich zum Reiter) umgesetzt.
Anm.: Ungeachtet der Größe des Pferdes im Vergleich zum Reiter ist die Statur des Cangrande Pferdes aber "zeitgenössisch", wiewohl auch Cangrande selbst ein recht authentisches Skulpturzeugnis der ritterlichen Rüstung im nördlichen Italien (Reichsitalien) des frühen 14. Jh. wiedergibt!

Zur Verdeutlichung wieder einige Bilder mit Erläuterung...

Bereits im Ganzbild ist gut zu erkennen, daß das Pferd des Bamberger Reiters heutzutage keine Chance auf eine besondere Prämierung o.ä. hätte, weil es (a) zu klein und (b) auch etwas zu stämmig wäre. Pferde einer solchen Statur würden heutzutage für Gespann und Freizeitreiten eingesetzt, mehr aber auch nicht...

Die Nahaufnahme von vorn verdeutlicht dies nochmals.
Anm.: Verglichen mit den bisherigen Aussagen zu den Pferdetypen des Mittelalters ist jedoch bei diesem Pferd davon auszugehen, daß es sich um ein für damalige Verhältnisse vergleichsweise elegantes Tier gehandelt haben muß!

Das Bild, welches den Bamberger Reiter von der Seite zeigt, gibt eine gute Abschätzung der Pferdegröße; ich wage eine Schätzung des Stockmaßes auf 150...155 cm, wenn ich davon ausgehe, daß der Reiter der hochmittelalterlichen Durchschnittsgröße im 13. Jh. von 170...175 cm entspricht.
Daneben ist sehr gut der Pferdesattel des hohen Mittelalters mit den beiden mehrere Handbreit hohen Lehnen erkennbar sowie die typische - auch auf Bildquellen zu findende - relativ gestreckte Beinhaltung des Reiters, der fast mehr in den Steigbügeln steht als sitzt!
Anm.: Leider habe ich das Bild nur in Schwarz-Weiß gefunden...

Schließlich habe ich mir erlaubt, ein Ganzbild des Reiterdenkmals des Cangrande di Verona einzustellen, um die oben angeführten Betrachtungen zu verdeutlichen.
Anm.: Das Stockmaß des Pferdes wäre schätzungsweise um die 170 cm, es sei denn, der Adlige wäre nur etwa 150 cm groß gewesen und "realistisch umgesetzt" worden - was aber kaum anzunehmen ist!
 

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Vieleicht interessiert dich das Bild auch noch.
Es stellt Otto I mit seinem Pferd dar ( auch bekannt als der Magdeburger Reiter). Das ist das Original. Zu sehen im Kulturhistorischen Museum Magdeburg.
 
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florian17160 schrieb:
Vieleicht interessiert dich das Bild auch noch.

Aber logisch; ich weiß gar nicht, warum ich den vergessen hatte - wo ich doch dem ottonischen Teil Magdeburgs auch schon meine Aufwartung gemacht habe :autsch:

florian17160 schrieb:
Es stellt Otto I mit seinem Pferd dar ( auch bekannt als der Magdeburger Reiter). Das ist das Original. Zu sehen im Kulturhistorischen Museum Magdeburg.

Diese Skulptur unterstreicht wunderbar die Dinge, welche ich bereits beim Bamberger Reiter angesprochen hatte, wiewohl das Pferd wohl auch etwas vergrößert erscheint.
Naja, und einmal abgesehen davon, daß man mit einiger Sicherheit weiß, wer dargestellt ist...

Ach ja - danke, Flo!
 
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Muß noch eine Korrektur zu folgender Aussage nachliefern...

timotheus schrieb:
Diese Skulptur unterstreicht wunderbar die Dinge, welche ich bereits beim Bamberger Reiter angesprochen hatte, wiewohl das Pferd wohl auch etwas vergrößert erscheint.

Das Pferd erschien mir nur aufgrund des obigen Bildes im Vergleich zum Reiter (Otto I. "den Großen") vergrößert. Wahrscheinlich lag dies an der Perspektive des Fotos und an dem Fakt, daß mein Besuch in Magdeburg inzwischen auch schon über 10 Jahre zurück liegt...
Anm. noch zur zeitlichen Einordnung: Das Reiterstandbild Otto I. entstand um 1240!

Ich habe mir deswegen erlaubt, noch ein wenig nach anderen Bildern des Magdeburger Reiters zu googeln, und ich habe auch zwei weitere gefunden, die zeigen, daß die Größenverhältnisse auch bei dieser Skulptur stimmen - analog zum Bamberger Reiter.
Die Abschätzung vom Stockmaß des Pferdes und der angenommenen Reitergröße kann ich folglich wie beim Bamberger Reiter auch machen. Ebenso bestätigt auch Ottos Reiterstandbild meine obigen Aussagen zum hochmittelalterlichen Sattel und zur Sitzhaltung des Reiters...
Anm. zu den von mir eingestellten Bildern(s. Anhänge): Leider liefert Googles Bildsuche nicht halb so viel Bilder zum Magdeburger Reiter wie zum Bamberger Reiter. Zudem sind die Bilder auch von der Größe her recht klein, so daß ich sie jeweils hochskalieren und mittels Schärfefilter bearbeiten mußte. Besonders dramatisch war dies beim Bild zur Seitenansicht des Reiterstandbildes, weil ich dieses nur als Titelfoto auf einem Katalog gefunden habe - und darüberhinaus auch nur in Schwarz-Weiß!
Die Qualität der beiden Bilder fällt somit leider etwas bescheiden aus...

PS (EDIT) @Flo: Zur Zeit kann ich Dich leider noch nicht wieder bewerten; aber ich verspreche Dir jetzt schon für Deinen Hinweis auf das Reiterstandbild Otto I. einen Grünen - wird nachgeliefert :yes:
 

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Nachtrag: Zelter und seine Gangart

Der Zelter

Der in der Literatur - d.h., in der Fachliteratur wie auch in Romanen - zu findene Zelter bzw. das Zeltende Pferd bezeichnete im Mittelalter ein leichtes Reitpferd oder aber auch ein Maultier, welches den ruhigen und für den Reiter bequemen Zeltgang ging. Unter dem Zeltgang versteht man die Spezialgangarten Paß (siehe Eingangsbeitrag) und Tölt (dazu schreibe ich gleich noch etwas).

Zelter, die im Paßgang oder im Tölt des Schritt-Tempos gingen, waren als Reisepferde und als Reitpferde für Frauen und Geistliche üblich und verbreitet.
Die eingangs erwähnten gradarii oder amblers fallen damit auch unter diese Bezeichnung...

Daneben waren zwei Zelter, die ein moderates Tempo gingen, auch geeignet, zwischen sich eine Sänfte zu tragen.
Elegante Zelter wiederum sollen als Paradepferde für Hochadel und hohen Klerus im Spätmittelalter gedient haben.

Der Zelter als Damenpferd ist für das Hochmittelalter übrigens literarisch zeitgenössisch überliefert, z.B. im Erec des Hartmann von Aue (1180/90), wo dieser den schwarz-weißen Zelter der Enite beschreibt.

Gangart Tölt

Wie auch Paß ist Tölt eine Spezialgangart, und im Gegensatz zu Trab und Galopp hat Tölt keine Sprungphase, sondern ist eine gelaufene Gangart, die zudem vom Reiter kaum eigene Körperbewegung erfordert.
Im Gegensatz zum Paß hat Tölt jedoch eine hohe Tempovarianz zwischen Schritt und Galopp, d.h., ein töltendes Pferd kann verschieden schnell gehen, und zudem kann dies von Pferd zu Pferd variieren.
Der Tölt ist mit einem Satz schwerer zu beschreiben als der Paß, da sich laterale und diagonale Zweibeinstützen sowie Einbeinstützen abwechseln.
Deshalb an dieser Stelle die korrekte Phasenfolge des Tölts:

1. hinten links fußt auf - Einbeinstütze hinten links
2. vorne links fußt auf - laterale Zweibeinstütze
3. hinten links fußt ab - Einbeinstütze vorne links
4. hinten rechts fußt auf - diagonale Zweibeinstütze
5. vorne links fußt ab - Einbeinstütze hinten rechts
6. vorne rechts fußt auf - diagonale Zweibeinstütze
7. hinten rechts fußt ab - Einbeinstütze vorne rechts
8. hinten links fußt auf - diagonale Zweibeinstütze

Ursprünglich hatten wohl alle europäischen Pferderassen eine genetische Veranlagung für den Tölt; mit dem Aufkommen des Kutschfahrens aber wurden bequeme Reitpferde unwichtig, worauf sich die Gangart des Reitens änderte. Aufgrund der im Tölt fehlenden Sprungphase konntee außerdem im Zug keine einem trabenden Pferd adäquate Leistung erbracht werden, weshalb töltende Pferde aus den meisten Pferdezuchten (eine Ausnahme sind die Isländer) verschwanden.

Zum Abschluß dieses Beitrages eine Bildquelle zum Zelter - es ist dies ein Ausschnitt aus dem Bild Jagdausflug, zwei Zeltende Pferde (Monatsdarstellung August aus den Tres Riches Heures du Duc de Berry, 1412/16) :fs:
 

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Ich hab auch noch ein schönes Reiterstandbild gefunden welches Florian sicher auch persönlich kennt :D

http://img516.imageshack.us/img516/4589/roland7lh.jpg

Übrigens der einzige " Reitende Roland " der noch existiert.

Roland

Das Rolandstandbild von Haldensleben ist der einzige reitende Roland in Europa und war zudem noch drehbar. Er ist ein Symbol städtischer Marktrechte. 1419 wurde die Rolandfigur erstmalig in den Stadtbüchern von Haldensleben erwähnt. Sie ging unter und wurde 1528 durch einen steinernen Nachfolger ersetzt. 1925 entschloss sich der Magistrat dazu, den von der Witterung arg beanspruchten Reiter durch eine originalgetreue Replik zu ersetzen. Das Original hat seitdem seinen Platz im Museum. Es wird angenommen, dass man sich einst an dem Magdeburger Reiter orientierte. Direktes Vorbild waren wohl aber eher die damals zeitgemäßen Darstellungen Maximilians I.

http://de.wikipedia.org/wiki/Haldensleben
 
Hotte143114 schrieb:
Ich hab auch noch ein schönes Reiterstandbild gefunden welches Florian sicher auch persönlich kennt :D

http://img516.imageshack.us/img516/4589/roland7lh.jpg

Übrigens der einzige " Reitende Roland " der noch existiert.
...

Leider ist die Perspektive (Froschperspektive) ungünstig, um die Größenverhältnisse bzw. deren Stimmigkeit beurteilen zu können. Ich habe bei Googles Bildersuche jedoch noch ein Bild vom Original(?) im Museum von Haldensleben entdeckt (s. Attachment)...

Auf diesem Bild wird es deutlich: abgesehen davon, daß mir die Beine des Roland überproportional lang erscheinen - diese scheinen vom Künstler unter der Hüfte "angehängt" anstatt "integriert" worden zu sein -, ergibt sich für das Verhältnis "Pferd zu Reiter" wiederum weitgehend eine Bestätigung der bisherigen Aussagen. Interessant!
 

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Dextrarii oder Destriers im zeitgenössischen Bild

Quelle: Manessische Liederhandschrift oder Codex Manesse (Bildminiaturen stammen sämtlich aus dem 14. Jh., stellen jedoch mitunter wohl Bekleidungsstandards u.a. aus früheren Zeiten dar)

Die Miniaturen der Liederhandschrift sind idealisierte Darstellungen, d.h., sie sind im Vergleich zur Realität geschönt.
Dies bedeutet im Kontext des Themas, daß die Pferde der abgebildeten ritterlichen Herren - ich habe drei Beispiele ausgewählt - entgegen dem durch Fundlagen nachgewiesenen Erscheinungsbild geradezu schlank, grazil und feingliedrig dargestellt sind.

Doch darum soll es bei den Beispielen in diesem Beitrag auch gar nicht gehen...

Was auffällt, ist die recht eindeutige Wiedergabe der Gangart der dextrarii/destriers: es handelt sich meines Erachtens um einen Galopp - wenn auch vielleicht nicht um Galopp i.S.v. heutigem Renngalopp o. dgl. (zumal die realistische bildliche Umsetzung dieser Gangart auch erst im späten 19. Jh. möglich wurde und die Manessemaler daher stark stilisierten)
Gegen einen schnell gelaufenen Tölt spricht die explizite Darstellung einer springenden Gangart, gegen die andere Gangart mit Sprungphase (Trab) die Tatsache, daß diese für einen gepanzerten Ritter äußerst qualvoll ist...

Der Vollständigkeit halber noch die ausgewählten Bilder, wobei auch auf anderen genau die selbige Gangart des Streitrosses zu sehen ist:
Hartmann von Aue (eigtl. Hartmann von Owen, denn es ist nicht der Ort im Erzgebirge gemeint, sondern der in Schwaben)
Ulrich von Liechtenstein
Konrad der Püller
(Bildreihenfolge von links nach rechts)
 

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timotheus schrieb:
es handelt sich meines Erachtens um einen Galopp - wenn auch vielleicht nicht um Galopp i.S.v. heutigem Renngalopp o. dgl
Ich vermute, daß die Tiere im Moment des Galoppansprunges dargestellt sind. Der Hintergrund ist, daß versucht wurde, im Moment vor dem Aufprall auf den Gegner daß Pferd komplett im Galoppsprung - also ohne Bodenberührung - zu haben, um den Impuls des gesamten Pferdekörpers in den Treffer legen zu können. Dieser Zustand galt meines Wissens als besonders erstrebenswert und Reitkampfkunst in höchster Vollendung. Es wäre also nur zu verständlich, wenn genau das dargestellt würde, um die Fähigkeiten des dargestellten Reiters besonders zu würdigen.

Bye
Suedwester
 
Suedwester schrieb:
Ich vermute, daß die Tiere im Moment des Galoppansprunges dargestellt sind.

Das deckt sich auch mit meinen Überlegungen - ich hatte es nur komplizierter formuliert...

Suedwester schrieb:
Der Hintergrund ist, daß versucht wurde, im Moment vor dem Aufprall auf den Gegner daß Pferd komplett im Galoppsprung - also ohne Bodenberührung - zu haben, um den Impuls des gesamten Pferdekörpers in den Treffer legen zu können. Dieser Zustand galt meines Wissens als besonders erstrebenswert und Reitkampfkunst in höchster Vollendung. Es wäre also nur zu verständlich, wenn genau das dargestellt würde, um die Fähigkeiten des dargestellten Reiters besonders zu würdigen.

Es gibt noch eine andere Möglichkeit, die dazu aber nicht im Widerspruch stehen muß.
Danach ist es ebenso möglich, daß der Ansprung dargestellt wurde, um die ritterliche Einheit "Roß und Reiter" (dextrarius et miles) zu verdeutlichen.
Denn nach den bisherigen Betrachtungen (vgl. bspw. John Clark (Hrsg.; Museum of London) The Medieval Horse And Its Equipment) gingen andere Pferde - wenn überhaupt - nur selten im Galopp...
 
An der Stelle erlaube ich mir noch einmal eine nachträgliche Anmerkung zu folgender Problematik...
(Naja, und das Thema ruhte ja auch einige Zeit...)

Was wäre denn nach der obigen Klassifizierung Timos ein "Courser"?

Marbod, das ist in diesem Thema ein interessanter Terminus - und die Frage ist alles andere als simpel.
Courser kenne ich einmal als Bezeichnung eines Rennpferdes bzw. für den Vorläufer der Rennpferde - also i.S.v. Vollblutpferd.
...
Solche Pferde (Vorläufer der Rennpferde) waren wohl kaum die "Einheimischen", sondern einzelne Importe aus Persien oder dem Orient - ich wollte auf einen entsprechenden Link verweisen, doch der führt in einen "Time Out". Ich habe diesbezüglich übrigens auch keine gesicherte Information gefunden, ob und - wenn ja - in welchem Maße orientalische Pferde bereits im Mittelalter nach Europa kamen!
Derartige Pferde dürften demnach im Abendland so einzigartig und vor allem selten gewesen sein, daß sie ein William Fitz Henry nicht für den "normalen" Pferdehandel gelistet hat.

Der genannte Link funktioniert wieder; er führt zur Präsentation Thomas Druml "Das Pferd im Mittelalter?" - Institut für Nutztierwissenschaften, BOKU Wien
http://www.pferdewissenschaften.at/mittelalter.ppt

Kurz daraus die Stichpunkte zu Pferdetypen:
Seite 7 - Schlachtroß (destrier)
Seite 8 - Klepper (Palfrey) -> Reise- und Alltagspferd (s.a. Bamberger Reiter)
Seite 9 - Courser -> Vorläufer der Rennpferde -> Orientale, Perser

Anm.: Leider geht die Präsentation nicht über diese Stichpunkte hinaus...
 
Hmmm ... die Präsentation hat meiner Meinung nach einige Punkte, die zu hinterfragen wären:
1. Teppich von Bayeux: Jaja ... 190 Pferde mag schon stimmen, gezählt hab ichs nicht. Aaaaber ;) ... Wer hatte den Pferde? Die Etymologie von Ritter/Reiter und Chevalier/Chevalle/Pferd ist ja bekannt. Wer oder was sollte also dargestellt werden? Die Bedeutung der Reiterei oder die ihrer Reiter? Viele Reiter = Der ganze Adel machte mit? Gegenargument dazu: Es wurden auch eine Menge "einfaches" Volk dargestellt .. hier könnte man noch nachhaken ...
2. Die Bilder unter "schwerer Kavallerie" und "Pferdetypen" (insbesondere links) und "Pferdezucht" - wie sind die zeitlich einzuordnen? Quellen? So "typisch" mittelalterlich ja wohl nicht. Was jetzt keine Diskussion über die zeitliche Eingrenzung des MA antreten soll ;) Die einzigen die ich (!) auf Anhieb einordnen kann, sind das Standbild und der Ausschnitt aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry. Wobei da auch wieder geklärt werden müsste (mein Exemplar hab ich mal verborgt und werde es wohl leider nie wiederbekommen :( ) ob es ein Bild aus dem frühen, originalen Teil oder aus dem späteren, nachgearbeiteten ist. Ohne es jetzt belegen zu können befürchte ich aber letzteres.

Bye

Suedwester
 
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