Wo wir schon mal dabei sind: ich habe mich in den letzten Tagen mit Flavius Josephus befasst und seine Darstellung des Jüdischen Krieges gelesen. Darin beschreibt er Sikarier und Zeloten in den negativsten Tönen. Nicht weil sie gegen die Römer gekämpft hatten - er selber war ja Festungskommandant der galiläischen Festung Jotapata oder Yodefat - sondern weil sie Räuber etc. gewesen wären. Trotzdem sind gerade sie Sikarier, die gegen Ende des Aufstandes Masada besetzt hatten im Bewusstsein des heutigen Isarel ein Identifikationsmodell, man denke nur an die Vereidigungen der Rekruten auf Masada, die sich auf das Aushalten der Sikarier dort beziehen. Ich habe daraufhin die Seiten über den jüdischen Aufstand bei Menahem Stern in Haim Hillel Ben-Sasson, Geschichte des Jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart gelesen. Dieser bezieht sich sichtbar nur auf Flavius Josephus' Überlieferungen, schreibt aber über Sikarier und Zeloten mitunter ganz anderes, als Joseph bar Matitjahu uns überliefert.
Nun ist klar, dass Josephus, der aus der Priesterkaste kam und somit zum etablierten Bürgertum gehörte, kaum Sympathien für die sozialrevolutionären Bewegungen der Zeloten und Sikarier gehabt haben dürfte und daher ihre Greueltaten mitunter übertrieb oder ihnen unseriöse Motive unterschob.
Er richtet sich m.E. mit seiner Schrift einerseits an seine jüdischen Mitbrüder, andererseits an seine Gönner, die Flavier, somit hat er natürlich auch ein Interesse, die judäische Gemeinschaft im Römischen Reich zu beruhigen und die Flavier gegenüber den Judäern gnädig zu stimmen.
Zentrale Figuren der Sikarier, die bei Josephus als feige Terroristen auftauchen, die mit versteckten Messern und Dolchen die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, sind Eleazar, der Festungskommandant von Masada und sein Onkel Simon bar Giora, zentrale Figur der Zeloten Johannes bar Levi aus Gischala.
Bei Josephus werden Simon und Johannes als Tyrannen bezeichnet, die sich um die Herrschaft in Jerusalem streiten, selbst noch während der römischen Belagerung der Stadt. Bei M. Stern steht, dass "im Gegensatz zu Johannes aus Gischala [...] scheint er [Simon bar Giora] zumindest in einem bestimmten Abschnitt seiner Laufbahn, gern als König verehrt worden zu sein." Außerdem wird bei M. Stern die allmähliche Radikalisierung des Johannes beschrieben, was sich bei Josephus allerdings ganz anders darstellt: Josephus war demnach Oberbefehlshaber der Judäer von Galiläa, Johannes war einer seiner Stadtkommandanten, der gegen Josephus intrigierte und Anschläge auf ihn verübte.
Gibt es noch andere Quellen über den Bello Judaico, aus denen Stern seine Infos haben könnte? Immerhin widerspricht er ja jenseits aller Quellenkritik seinem zitierten Gewährsmann Flavius Josephus...