Der Kriegsächtungspakt - Briand-Kellogg-Pakt (1928)

Gast schrieb:
Kann mir jemand erklären, was für einen Unterschied dies ausmacht?
Bei einer Absichtserklärung - eigentlich Letter of Intent - handelt es sich um eine schriftliche Vereinbarung zukünftig einen Vertrag abzuschließen. Ein Letter of Intent ist allerdings völlig unverbindlich, kann also keine Rechtsfolgen nach sich ziehen. Volkerrechtlich ist mir der Begriff allerdings weniger geläufig, Absichtserklärungen werden im Regelfall im Handelsrecht getroffen.

Ein völkerrechtlicher Vertrag hat allerdings bei Verstoß sehr wohl Rechtsfolgen bspw. beim Briand-Kellogg-Pakt den Nürnberger Prozess.

Gast schrieb:
Sind nicht alle Verträge Absichtserklärungen?
Nein, ein Vertrag ist verbindlich, eine Absichtserklärung ist eher eine Vorstufe zum Vertrag und unverbindlich.
 
1.
Auch im Völkerrecht gibt es Absichtserklärungen. Das Schlußdokument der KVAE stellt zum Beispiel eine Absichtserklärung dar.

2.
Wie Lili bereits gepostet hat, besteht der Unterschied zwischen einem Vertrag und einer Absichtserklärung darin, dass der Vertrag verbindlich und die Absichtserklärung unverbindlich ist. Dekliniert man diesen Unterschied für den Kriegsächtungspakt im Jahr 1939 durch, kommt meiner Meinungsverschiedenheit mit Repo folgende Bedeutung zu:

a) Hat der Pakt den Charakter einer Absichtserklärung, verbot er Hitler 1939 nicht, Polen anzugreifen. In diesem Falle würde das vor dem Pakt geltende Völkerrecht weiterbestehen, demzufolge auch Angriffskriege gerecht sein können, wenn sie der Durchsetzung völkerrechtlicher Ansprüche, z.B. der Rechte der deutschen Minderheit in Polen, dienen. England und Frankreich wären in diesem Fall als Aggressor in den Zweiten WK eingetreten, da sie sich nicht auf das Recht berufen könnten, Polen Nothilfe zu leisten.

b) War der Pakt hingegen ein Vertrag, verbot er Hitler 1939 den Angriffskrieg auf Polen "gleich aus welchem Grund", also unabhängig von der Frage, ob die Rechte der deutschen Minderheit von Polen verletzt wurden. In diesem Fall setzte er Deutschland als Aggressor ins Unrecht und traten England und Frankreich nothelfend, also verteidigend, in den Krieg ein.

Mithin kommt der Frage, ob es sich bei dem Pakt um einen verbindlichen Vertrag oder um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, eine große Bedeutung zu. An ihr entscheidet sich die (Evidenz der) Kriegsschuldfrage des Zweiten WK.

3.
Die These, dass es sich bei dem Pakt um eine Absichtserklärung handelt, läßt sich relativ einfach widerlegen: völkerrechtlich verbindliche Verträge werden ratifiziert. Mit der Ratifikation erklärt ein Vertrag, dass er einen von ihm unterzeichneten Vertrag als verbindlich anerkennt. Der Kriegsächtungspakt war seinem Wortlaut nach zu ratifizieren und wurde auch von den Unterzeichnerstaaten, inklusive Deutschland ratifiziert. Mithin ist er eindeutig als verbindlicher Vertrag und nicht als unverbindliche Absichtserklärung zu qualifizieren.

4.
Freilich attackierten die rassistischen Juristen der SS und ihrem Gefolge auch einzelne deutsche Völkerrechtler, vor allem Carl Schmitt, die vom Kriegsächtungspakt geregelte Unterscheidung zwischen dem geächteten Angriffskrieg und dem gerechtfertigten Verteidigungskrieg. Sie vertraten ein völkisch begründetes "Völkerrecht" (das "wahrhaftige Völkerrecht"). Für ein Volk, das angeblich um sein Lebensrecht zu kämpfen hatte, musste auch der Angriffskrieg ein gerechter Krieg sein. Infolgedessen wurden allerlei Konstruktionen bemüht, um dem Kriegsächtungspakt die Verbindlichkeit bzw. Gültigkeit abzusprechen. Eine Vielzahl dieser "Theorien" hat sich in revisionistischen Kreisen bis heute erhalten. Das Märchen von der moralischen, unverbindlichen Absichtserklärung stellt eine solche dar.
 
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Gandolf schrieb:
1.
Mithin kommt der Frage, ob es sich bei dem Pakt um einen verbindlichen Vertrag oder um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, eine große Bedeutung zu. An ihr entscheidet sich die (Evidenz der) Kriegsschuldfrage des Zweiten WK.

Die etwas verzwickte juristische Sachlage war den Anklägern der Nürnberger Prozesse wohl präsent. Die individuelle Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher ließ sich dann über eine durch die erdrückende Beweislage hergeleitete Anklage wegen "Verschwörung zu einem Angriffskrieg " bewerkstelligen.
Die verbrecherische "Verschwörung" war dann wohl der Hebel ,eine dann folgende Prozessflut gegen einzelne Repräsentanten der Führung von verbrecherischen Organisationen wie ; SS, Reichsregierung, SA, und einzelne Heerführer durchzuführen.
 
Arcimboldo schrieb:
Die etwas verzwickte juristische Sachlage war den Anklägern der Nürnberger Prozesse wohl präsent. Die individuelle Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher ließ sich dann über eine durch die erdrückende Beweislage hergeleitete Anklage wegen "Verschwörung zu einem Angriffskrieg " bewerkstelligen.
Die verbrecherische "Verschwörung" war dann wohl der Hebel ,eine dann folgende Prozessflut gegen einzelne Repräsentanten der Führung von verbrecherischen Organisationen wie ; SS, Reichsregierung, SA, und einzelne Heerführer durchzuführen.
Vorsicht: dass der Kriegsächtungspakt als völkerrechtlich verbindlicher Vertrag zu qualifizieren ist, war in Nürnberg eigentlich kein Rechtsproblem. In Nürnberg wurde eher über die Fragen gestritten, ob das "Verbrechen gegen den Frieden" mit dem Grundsatz "nulla poena sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz) vereinbar ist, ob es aus dem Kriegsächtungspakt abgeleitet werden kann und ob Einzelpersonen für einen von einem Staat begangenen Paktbruch bestraft werden können. Vgl. Punkt 5 meines Eingangsbeitrages in http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8084
 
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Hallo,

Gandolf hat ein sehr interesssantes Thema der (Völker-)Rechtsgeschichte dargestellt. Ich möchte das um einen Aspekt erweitern, nämlich die deutsche Betrachtungsweise des Paktes und ihre Entwicklung von 1929-1945.

Quellen: findet man hier: http://www.zaoerv.de

Interessant ist zunächst der Aufsatz von Mandelsloh, zur Auslegung des Paktes durch Stimson. Zur Einordnung: Der Aufsatz wurde im Dezember 1932 abgeschlossen und ist in der 33er Ausgabe veröffentlicht. Viele der diskutierten Problem sind darin bereits angesprochen, die Zusatznoten einzelner Staaten bei Unterzeichnung, das Konsultationsverfahren, den Unterschied zum Vökerbundspakt, die Abgrenzung vom Angriffskrieg zum Selbstverteidigungsrecht der Völker.
Graf Mandelsloh, Die Auslegung des Kelloggpaktes durch den amerikanischen Staatssekretär Stimson, Zaörv 1933.

Man kann in mehreren Beiträgen die deutsche Einstellung zum Pakt betrachten, die dann in den - natürlich später politisch/nationalsozialistisch motivierten Beiträgen - von 1940 ihren Abschluss findet. Der Pakt wird instrumentalisiert (nebenbei wird damit erstaunlicherweise seine Anwendbarkeit von Völkerrechtlern im Dritten Reich bestätigt, natürlich Nürnberg noch nicht vor Augen) und zum Vorwurf gegen Grossbritannien und Frankreich aufgrund ihrer Kriegserklärung verwendet:
Bilfinger: Die Kriegserklärungen der Westmächte und der Kelloggpakt, Zaörv 1940, dort zu finden.
Wie immer bei juristischen Fragestellungen kommt es dabei entscheidend darauf an, ob der Sachverhalt richtig aufgeklärt ist. Und insoweit geht der Beitrag von Bilfinger von unrichtigen Sachverhalten aus und ist nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Kernprobleme würde ich wie angesprochen in der Feststellung des Angriffskrieges sehen, daneben in der Umsetzung des Vertrages vom Völkerrecht zum "Völkerstrafrecht", wie später erfolgt. Literatur dazu:
Schlepple, Eberhard,
Das Verbrechen gegen den Frieden und seine Bestrafung
Unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes «nulla poena sine lege»
Reihe Europäische Hochschulschriften, III/187, aus 1982 (allerdings Nachdruck einer Dissertation aus den 50ern)
 
Zuletzt bearbeitet:
...Der Pakt wird instrumentalisiert (nebenbei wird damit erstaunlicherweise seine Anwendbarkeit von Völkerrechtlern im Dritten Reich bestätigt, natürlich Nürnberg noch nicht vor Augen)...
Der von Dir zitierte Bilfinger (Zaörv 1940, S. 7) schreibt folgendes: "Die Kritik hat mit Recht dem Kelloggpakt den Charakter eines rechtlich verpflichtenden Instrumentes abgesprochen (...); daher wäre die »Verpflichtung«, die Deutschland verletzt haben soll, falls es im polnisch-deutschen Streit mit den Kriegshandlungen begonnen hätte, keine rechtliche Verpflichtung." Bilfinger bestreitet also, dass sich aus dem Kelloggpakt rechtliche Verpflichtungen ergaben. - Das musste er wohl auch, um die Kriegsschuld Deutschlands am Ausbruch des 2. WK verwischen zu können.
 
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Bilfinger bestreitet also, dass sich aus dem Kelloggpakt rechtliche Verpflichtungen ergaben.

Ja, das stimmt: er stützt sich wesentlich auf den Aspekt fehlender rechtliche Verpflichtungen.

"Daß es Stimmen gibt, die dem Kelloggpakt eine unmittelbar verpflichtende, das Wehrrecht aller Staaten durchbrechende Rechtswirkung beimessen, soll hier nicht verschwiegen werden. Wir finden bei Wehberg, Die Ächtung des Krieges, Berlin 1930,S. 111, die Meinung, eine Folge des Kelloggpaktes sei es u. a., daß fortan im Falle eines Angriffskrieges die Bürger aller Staaten, die den Kelloggpakt ratifiziert haben, berechtigt und verpflichtet sind, den Kriegsdienst zu verweigern." (Weiteres aus dem angelsächsischen Raum wird im Folgenden angeführt).


Die Bemerkung war von mir so gemeint, dass die Einwendungen von Bilfinger auf die Anwendbarkeit für den laufenden Krieg überprüfbar sind. Dass er den Pakt "juristisch nicht ernst nehmen" will (S. 18), beruht zudem auch auf der behaupteten Instrumentalisierung durch die Westmächte.
 
Wenn Hitler verpflichtet ist, alle völkerrechtlichen Verträge einzuhalten, die vor seiner Regierungszeit geschlossen wurden, ist dann auch umgekehrt Merkel verpflichtet, alle Verträge einzuhalten, die Hitler geschlossen hat? Könnte also Merkel verurteilt werden, weil sie einen Vertrag nicht eingehalten hat, den Hitler abgeschlossen hat?
 
Wenn Hitler verpflichtet ist, alle völkerrechtlichen Verträge einzuhalten, die vor seiner Regierungszeit geschlossen wurden, ist dann auch umgekehrt Merkel verpflichtet, alle Verträge einzuhalten, die Hitler geschlossen hat? Könnte also Merkel verurteilt werden, weil sie einen Vertrag nicht eingehalten hat, den Hitler abgeschlossen hat?


Nein, ich würd das damit erklären, dass es sich bei der BRD um einen ganz neuen Staat handelt und der alte ja aufgelöst wurde, also auch dessen Gesetze nicht mehr gelten.Jedoch bin ich mir nicht ganz sicher ob der alte Staat wirklich aufgelöst wurde oder nur "umgeformt" wurde!
 
Die BRD ist Rechtsnachfolger des 3. Reiches. Darum gings mir aber nicht. Die Frage ist, wenn Hitler einen völkerrechtlichen Vertrag einhalten muß, den er niemals so abgeschlossen hätte, der seiner ganzen Ideologie widerspricht, dann müsste das im Prinzip ja auch umgekehrt so sein.

Wenn also Hitler einen völkerrechtlichen Vertrag abgeschlossen hätte mit Japan, niemals mit einer Demokratie einen Handelsvertrag abzuschließen (mir fällt grad nix gutes ein), dann wäre Merkel heute daran gebunden und würde sich strafbar machen, wenn sie so einen Handelsvertrag abschließt.
 
Die BRD ist Rechtsnachfolger des 3. Reiches.
...
Wenn also Hitler einen völkerrechtlichen Vertrag abgeschlossen hätte mit Japan, niemals mit einer Demokratie einen Handelsvertrag abzuschließen (mir fällt grad nix gutes ein), dann wäre Merkel heute daran gebunden und würde sich strafbar machen, wenn sie so einen Handelsvertrag abschließt.


Mir ist zwar schleierhaft, wozu diese Überlegungen dienen sollen, aber:

1. ist die BRD nicht "Rechtsnachfolger", sondern identisch mit dem Deutschen Reich (und gebietsbezogen, was allerdings völkerrechtlich ohne Belang ist, teilidentisch)- zB 2 BvF 1/73

2. sind Verträge üblicherweise kündbar - weshalb das Beispiel mit einem x-beliebigen Handelsvertrag unsinnig ist. Es kommt also auf die Kündigungsregelung an.

3. können Verträge fest und optionale Laufzeiten enthalten, es kommt also auf den Einzelfall an

4. ist speziell der Briand-Kellogg-Vertrag unkündbar, was nach wohl herrschender Auffassung seine Anwendbarkeit neben der Gewaltverzichtsklausel der UNO-Charta bis heute bedeutet.

5. sind völkerrechtliche Verträge nicht "personalisierbar", binden somit die jeweiligen Staaten.

6. falls das Bild mitschwingen sollte: "jeder hält nur die von ihm geschlossenen Verträge ein", ist der Hitler-Vergleich schon deshalb abwegig, weil der nicht einmal seine eigenen Verträge (zB Nichtangriffspakt Polen, geschlossen 1934 auf 10 Jahre) eingehalten, sondern vertragswidrig gekündigt hat.
 
Der Handelvertrag war ein adhoc Beispiel. Angenommen, der Briand-Kellogg-Vertrag wäre 1940 zwischen allen faschistischen Staaten abgeschlossen worden, unkündbar, des Inhalts, dass die Unterzeichnerstaaten niemals einen Staat mit mehrheitlich jüdischer Bevölkerung anerkennen werden. Wenn nun Merkel Israel 30 Jahre später Israel trotzdem anerkennen würde, bricht sie dann einen international gültigen Vertrag und macht sich persönlich strafbar? Mit welchem Strafmaß muß ein Staatoberhaupt für den Straftatbestand "Bruch eines int. Vertrages" gegebenenfalls rechnen? Macht so eine Herangehensweise überhaupt Sinn?
 
Der Handelvertrag war ein adhoc Beispiel. Angenommen, der Briand-Kellogg-Vertrag wäre 1940 zwischen allen faschistischen Staaten abgeschlossen worden, unkündbar, des Inhalts, dass die Unterzeichnerstaaten niemals einen Staat mit mehrheitlich jüdischer Bevölkerung anerkennen werden

Der ordinäre Handelsvertrag ist eben kein Vergleichsmaßstab.

Allmählich wird das aber klarer, was wohl gemeint ist, wenn auch kompliziert umschrieben. Dazu gibt es ein geeignetes Beispiel, ohne etwas konstruieren zu müssen: den innerhalb der Laufzeit von 10 Jahren (1939-1949) unkündbaren Hitler-Stalin-Pakt.

Der Vertrag ist aufgrund des Geheimen Zusatzprotokolls völkerrechtswidrig (zB Gilbert-Hanno Gornig: Der Hitler-Stalin-Pakt, Eine völkerrechtliche Studie, Schriften zum Staats- und Völkerrecht 41). Die Wirkungen sind recht unterschiedlich zu beurteilen:

- der Vertrag als solcher wäre wirksam und durch den Einmarsch deutscher Truppen mit Wirkung ex nunc beendet worden. Der Einmarsch wiederum stellt nicht nur eine Vertragsverletzung, sondern eine Völkerrechtsverletzung dar. Ansprüche aus dem Vertrag würden auf Wiederherstellung des Zustandes bestehen, völkerstrafrechtliche Folgen können nicht aus dem bilateralen Vertrag hergeleitet werden.
- die Nichtigkeit in Bezug auf das Geheime Zusatzprotokoll (Verletzung der territorialen Integrität dritter Staaten, Verstoß gegen Briand-Kellogg-Pakt - Interventions- bzw. völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Annexionsverbot) führt zur Unwirksamkeit dieser Regelungen ex tunc.
 
Der Handelvertrag war ein adhoc Beispiel. Angenommen, der Briand-Kellogg-Vertrag wäre 1940 zwischen allen faschistischen Staaten abgeschlossen worden, unkündbar, des Inhalts, dass die Unterzeichnerstaaten niemals einen Staat mit mehrheitlich jüdischer Bevölkerung anerkennen werden. Wenn nun Merkel Israel 30 Jahre später Israel trotzdem anerkennen würde, bricht sie dann einen international gültigen Vertrag und macht sich persönlich strafbar? Mit welchem Strafmaß muß ein Staatoberhaupt für den Straftatbestand "Bruch eines int. Vertrages" gegebenenfalls rechnen? Macht so eine Herangehensweise überhaupt Sinn?
Unkündbarkeit bedeutet ja nur, dass ein Vertrag nicht einseitig unwirksam gemacht werden kann. Im Einvernehmen aller Vertragsparteien können solche Verträge jederzeit aufgehoben werden. Hier zeigt sich aber auch der Unterschied zwischen Verträgen, die nur zwischen 3 oder 4 Staaten abgeschlossen werden, und solchen Verträgen, die wie der Briand-Kellogg-Pakt zwischen 62 Staaten abgeschlossen wurden. Die ersteren Verträge sind leicht abänderbar und aufhebbar. Die letzteren Verträge hingegen drücken das Rechtsbewusstsein der Staatenwelt in einem solchen Maße aus, das sie nahezu unaufhebbar sind. Einer Aufhebung müssten ja alle Vertragspartner zustimmen. Das Verbot des Angriffskrieges hatte also durch den Kriegsächtungspakt seine feste Verankerung im Völkerrecht bekommen, unabhängig von dem Auffassungswandel eines einzelnen Vertragsstaates oder zweier Vertragsstaaten oder dreier Vertragsstaaten etc.
 
Im Einvernehmen aller Vertragsparteien können solche Verträge jederzeit aufgehoben werden. Hier zeigt sich aber auch der Unterschied zwischen Verträgen, die nur zwischen 3 oder 4 Staaten abgeschlossen werden, und solchen Verträgen, die wie der Briand-Kellogg-Pakt zwischen 62 Staaten abgeschlossen wurden.


Hallo Gandolf,

wie sieht es dann mit Locarno aus?
documentArchiv.de - Vertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien [Bestandteil der Verträge von Locarno] (16.10.1925)

Dessen einseitige deutsche Kündigung 1936 wurde vorderhand mit dem frz.-sowjet. Vertrag begründet, wobei mit der Sowjetunion andererseits der Berliner Vertrag von 1926 bestand und unter Hitlers Regierung (bei Papen und Schleicher funktionierte das nicht, da nicht über Notverordnung machbar) auch umgehend verlängert wurde.
 
Hallo Silesia,

zielt Deine Frage darauf ab, ob das Deutsche Reich den Locarno-Pakt kündigen durfte bzw. der frz.-sowj. Vertrag mit dem Locarnopakt vereinbar war?
 
zielt Deine Frage darauf ab, ob das Deutsche Reich den Locarno-Pakt kündigen durfte bzw. der frz.-sowj. Vertrag mit dem Locarnopakt vereinbar war?

Ganz genau, möglw. beides in Kombination.

Wenn ich das richtig weiss, wurden in GB entsprechende Untersuchungen angestellt. Von der frz. Seite ist mir nichts bekannt, das vermischte sich natürlich alles im Ergebnis (also den erwogenen Sanktionen) mit dem Rheinland-Einmarsch und der Abessinien-Krise bzw. den Boykott-Problemen.
 
Ich habe es so in Erinnerung, dass der Vertrag von Locarno nur durch die in seinem Artikel 8 vorgesehene Erklärung des Völkerbundrats beendet werden konnte. Der Vertrag konnte weder ordentlich gekündigt werden noch außerordentlich wegen eines etwaigen vorherigen französischen Rechtsbruchs.

In Artikel 3 des Locarno-Vertrags verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten, "alle Fragen, bei denen die Parteien über ihre beiderseitigen Rechte im Streite sind", einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des Locarno-Paktes zwischen Deutschland und Frankreich ein Schiedsabkommen (1925) unterzeichnet. Hitler hätte also seine Einwände gegen den sowjetisch-französischen Beistandspakt (2.5.1935) einem Schiedsgericht vorlegen müssen. Hätte dieses Schiedsgericht in diesem Pakt eine Rechtsverletzung des Locarno-Vertrags erblickt, hätte der Beistandspakt nur unter Beachtung der sich aus diesem Urteil ergebenden Einschränkungen gegolten.
 
So sehe ich das auch.

Die Kündigung ist folglich nichtig bzw. unwirksam. Interessanterweise wurde der Vertrag beim IMT Nürnberg mW nicht benutzt (vielleicht, weil die Verletzung des B-K-Paktes hinreichend erschien, oder wurde die Beweisführung hier als problematisch erachtet?)
 
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