Der Kult der Offensive

[FONT=Times New Roman, serif]Eine Woche vergangen und keine Reaktion der Kritiker. Wundert mich nicht...[/FONT] :evil:

[FONT=Times New Roman, serif]Dann mache ich den Anfang und äußere mich zu einem Werk, das eigentlich keine Erwähnung verdient, das hier aber in unkritischer Verehrung schon in der ersten Antwort mit den folgenden Worten gefeiert wurde:[/FONT]

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Der Klassiker ist sicherlich:
J. Wallach: Das Dogma der Vernichtungsschlacht.
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[FONT=Times New Roman, serif]Mein Kommentar dazu: Wenn DAS „der Klassiker“ ist, dann hat die Geschichtswissenschaft jeden Sinn verloren. Wallachs Werk trägt nämlich nichts zum Verständnis des Ersten Weltkriegs bei. Im Gegenteil. [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Der Kardinalfehler der Arbeit ist Wallachs Auslegung dessen, was Clausewitz über den Zusammenhang zwischen Politik und Krieg schreibt. Das mag auf den ersten Blick wie ein willkürlich herausgehobenes Detail wirken. Tatsächlich liegt hier aber der Kern des ganzen Problems. Sagt Wallach selbst immer wieder. Zwei besonders aussagekräftige Belege dafür. [/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Bei der Behandlung der Clausewitz´schen Theorie haben wir seine Auffassung über das Verhältnis zwischen Krieg und Politik ganz besonders hervorgehoben. Das war kein Zufall. Nach unserer Meinung stellt diese Konzeption einen der wesentlichen Bestandteile des ganze theoretischen Gebäudes bei Clausewitz dar.“ (S. 105)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]und:[/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Wir haben schon festgestellt, dass die Forderung Clausewitz´ nach dem Primat der Politik gegenüber dem Kriege als die tragende Säule innerhalb seines theoretischen Gebäudes anzusehen ist.“ (S. 289)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Hinweis: Hier erkennt man bereits einen „Wandel“ der Bedeutungen, die Wallach bestimmten Begrifflichkeiten zuweisen will. Dieses Bestreben ist typisch für sein ganzes Buch! Auf S. 105 schreibt er noch, dass Clausewitz eine „Auffassung“ vertreten habe, auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Dieses „semantische Umdefinieren“ von Begrifflichkeiten macht Wallach nicht „zweckfrei“. Ein sehr frühes Beispiel: [/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Hier könnte man fragen, ob die Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung in Deutschland, besonders in Kriegszeiten, mit den Lehren Clausewitz´ in Einklang gewesen sind. Die Behandlung dieses äußerst wichtigen und schwierigen Problems wird einen wesentlichen Teil des zweiten Buches dieser Studie einnehmen. “ (S. 24)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man beachte die unterstrichenen Passagen. Schon hier, im ersten Kapitel (!), sagt Wallach unmissverständlich, was er beabsichtigt und was er in seinem Buch durchgehend tut: Er versucht, die GRUNDLEGENDEN Aussagen von Clausewitz´ über den Zusammenhang zwischen dem Krieg und dem „politischen Verkehr“ zwischen den Völkern semantisch umzudeuten und stattdessen die „Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung“ für grundlegend zu erklären.

Dies tut Wallach mit einem klaren Ziel, das schon im 2. Kapitel sichtbar wird:
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„[FONT=Times New Roman, serif]Nach allem, was wir bereits über die Persönlichkeit Schlieffens und seiner Anschauungen wissen, sollte es uns nicht überraschen, wenn wir nun feststellen, dass das abstrakte Problem der Beziehungen zwischen Politik und Krieg seine Gedanken nie beschäftigt hat. Wie viele deutsche Soldaten nach ihm gab er sich völlig „unpolitisch“ und missachtete ganz und gar den Clausewitz´schen Grundsatz, dass der Krieg seine Grammatik hat, nicht aber seine eigene Logik, die von der Politik geliefert werden muss.“ (Wallach, S. 57)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Der Zweck der Wallach´schen Semantik ist im letzten Wort des Zitats erkennbar: Clausewitz hat nämlich nirgendwo behauptet, dass die Politik eine Logik liefern MUSS. Vielmehr hat er es als Gesetzmäßigkeit beschrieben, dass die Politik (genauer: der politische Verkehr zwischen den Völkern) unvermeidlich diese Logik LIEFERT. [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Dieses zweckgerichtete Umdefinieren von Wortbedeutungen zeigt sich in Aussagen Wallachs in seinem ganzen Buch:[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Auf S. 19 definiert er die Aussage von Clausewitz, dass der „Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“ sei, noch als „Feststellung“. Auf S. 105 spricht er von einer „Auffassung“. Auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Wenige Seiten später (S. 294) wandelt sich der Begriff „Politik“ dann zu „Staatsmänner“ und aus der angeblichen Clausewitz´schen „Forderung“ wird eine „Zubilligung von Rechten“:[/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Es erscheint rätselhaft, dass deutsche Staatsmänner Clausewitz nicht gekannt und nicht gewusst haben, welche Rechte er ihnen zubilligte.“ (S. 294)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Aus den „Staatsmännern“ wird dann letztlich die „Staatsführung“ und aus dem ursprünglichen Clausewitz´schen Primat der Politik gegenüber dem Krieg wird die Pflicht zur „bedingungslosen Anerkennung“ durch die Soldaten, dass sie sich der Staatsführung unterzuordnen hätten (eine Auffassung, die ich als Demokrat bedingungslos teile, die aber genau gar nichts mit Clausewitz zu tun hat!): [/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Es ist vor allem ein politisches Problem wie alle Beziehungen zwischen Nationen, Völkern und Ideologien. (….) Für Soldaten ist es schwer zu begreifen, dass sie sich trotz ihres fachlichen Könnens ,dummen Zivilisten´ unterordnen müssen. Ebenso scheuen sich auch Politiker leicht davor, ihr legitimes Recht der Mitsprache in militärischen Angelegenheiten auszuüben. Aber eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Staatsmännern und die bedingungslose Anerkennung, dass die Streitkräfte ein Instrument der Staatsführung sein müssen, sind von lebenswichtiger Bedeutung. Das deutsche Beispiel, wie es sich in zwei Weltkriegen manifestiert hat, ist zu abschreckend, um ignoriert zu werden.“ (Wallach, S. 449 f)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Dass Wallach hier nicht mehr nur vom Ersten Weltkrieg spricht, sondern seine Sicht der Dinge auch schon auf den Zweiten Weltkrieg anwendet, sei nur am Rande vermerkt.[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Was erreicht Wallach mit der für ihn typischen Semantik? Er „belegt“ damit, dass Schlieffen und „seine Jünger“ (Zitat Wallach) den Clausewitz nicht gekannt oder nicht verstanden haben und dass sie deshalb die Welt in zwei blutige Kriege getrieben und Deutschland zwei katastrophale Niederlagen eingebrockt haben. Der Grundvorwurf: Schlieffen und „seine Jünger“ haben all dies getan, indem sie dem Krieg das Primat über die Politik verschafft, die Politik marginalisiert und völlig entmachtet haben. [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Einer von vielen Belegen für dieses Urteil: [/FONT]

„[FONT=Times New Roman, serif]Der schlagendste Beweis dafür, dass Schlieffen den Primat der Politik gegenüber dem Kriege nicht anerkannt hat, ist seine Haltung in der Frage der belgischen Neutralität gewesen.“ (Wallach, S. 61)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Am Ende seiner „Argumentationskette“ stellt Wallach folglich eine Behauptung auf, die in krassem Widerspruch zu allem steht, was Clausewitz je gesagt hat: Wallach behauptet, dass es überhaupt möglich ist, den Krieg über die Politik zu stellen, die Politik geradezu beiseitezudrängen und zu entmachten. Letztlich behauptet er damit, dass der Krieg „ein eigenes Ding“ ist, das unabhängig von der Politik existiert und eigenen und von der Politik unabhängigen Gesetzen folgt. Quasi ein Kisten-Teufel, den man nicht aus seiner Box lassen darf, weil er sonst Unsinn anstellt.[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Das ist die Kernaussage des Buchs „Das Dogma der Vernichtungsschlacht“. Diese Kernaussage stützt sich formal auf Clausewitz – und entstellt sein Werk dabei bis zur Gesichtslosigkeit, verkehrt die Grundaussagen von Clausewitz geradezu in ihr Gegenteil! [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Wie schon weiter oben angedeutet, hat Clausewitz nämlich nicht die „Forderung“ gestellt, dass die Politik das Primat gegenüber dem Krieg haben müsse. Er hat durch empirisch-analytische Betrachtung der ihm bekannten Kriege die Gesetzmäßigkeit herausgearbeitet, dass Krieg grundsätzlich immer und unvermeidlich Ausdruck und Mittel des politischen Verkehrs zwischen Völkern/Nationen sei. [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Die von Wallach aufgestellte These, dass Schlieffen und „seine Jünger“ stattdessen dem Krieg ein Primat gegenüber der Politik verschafft hätten, ist nach den Aussagen von Clausewitz völlig widersinnig weil unmöglich. Hierzu Clausewitz: [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Diese Einheit nun [die zwischen Krieg und Politik] ist der Begriff, daß der Krieg nur ein Teil des politischen Verkehrs sei, also durchaus nichts Selbständiges.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man weiß freilich, daß der Krieg nur durch den politischen Verkehr der Regierungen und der Völker hervorgerufen wird; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, daß mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, daß dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern daß er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient ... “ (Buch 8, 6. Kapitel: B. Der Krieg ist ein Instrument der Politik)[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Dass der Krieg nach Ansicht von Clausewitz gar nicht als von der Politik getrennt gedacht werden kann, wird noch deutlicher in der folgenden Passage im selben Kapitel: [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Und wie wäre es anders denkbar? Hören denn mit den diplomatischen Noten je die politischen Verhältnisse verschiedener Völker und Regierungen auf? Ist nicht der Krieg bloß eine andere Art von Schrift und Sprache ihres Denkens? Er hat freilich seine eigene Grammatik, aber nicht seine eigene Logik. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Hiernach kann der Krieg niemals von dem politischen Verkehr getrennt werden, und wenn dies in der Betrachtung irgendwo geschieht, werden gewissermaßen die Fäden des Verhältnisses zerrissen, und es entsteht ein sinn- und zweckloses Ding. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif](…) denn alle die Gegenstände, auf welchen er [der Krieg] ruht (…), sind sie nicht politischer Natur, und hängen sie nicht mit dem ganzen politischen Verkehr so genau zusammen, daß es unmöglich ist, sie davon zu trennen?[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die unterstrichene Passage soll belegen: Clausewitz sagt hier nicht, dass der Krieg sinn- und zwecklos wäre, wenn man ihn von der Politik trennen würde. Er sagt, dass eine Betrachtung, die ihn von der Politik trennen will, sinn- und zwecklos wäre. Außerdem wird unmissverständlich klar, dass Clausewitz mit „Politik“ nicht die Politiker oder die Staatsführung meint.[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Mein Urteil zu "Das Dogma der Vernichtungsschlacht": Wallach entstellt die Aussagen von Clausewitz, um seine These von einem angeblichen Dogma, das die Politik in Fesseln gelegt habe, und von der „Überschichtung“ der Politik durch das Militär aufrecht erhalten zu können. Nun könnte man einwenden, dass Clausewitz Unrecht hatte und Wallach die Sache besser verstanden hat. Selbst wenn dieser Einwand stichhaltig wäre, würde das aber nichts ändern, denn entscheidend ist, wozu das Vorgehen Wallachs führt:[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Wallach suggeriert, dass das Militär den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Weltkriegs verursacht hat. Er sagt nicht, dass das Militär EINEN Anstoß zum Kriegsausbruch gegeben habe, sondern dass es DEN EINZIGEN Anstoß gegeben habe. Denn: Wenn das Militär die Politik entmachtet hat, dann muss man gar nicht mehr nach möglichen politischen Hintergründen für den Krieg fragen... [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Folgerichtig fragt Wallach auch nicht danach. Mögliche politische Hintergründe nennt er überhaupt nicht. Er erwähnt nicht mal, dass es abseits der von ihm untersuchten militärischen Faktoren überhaupt noch politische Hintergründe gegeben haben könnte! In seiner Weltsicht (besser: in dem, was er davon zur Schau stellt) ist der ganze Krieg mit der „Erkenntnis“, dass Schlieffen dem Cannae-Wahn anhing und ein Dogma der Vernichtungsschlacht begründet hat, hinreichend erklärt. Weitere Fragen sind unnötig.[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Dass das osmanische Reich zerbröckelt ist, dass sich im Machtvakuum seiner ehemaligen Gebiete (insbesondere auf dem Balkan) Spannungen immer wieder in blutigen Kriegen entladen haben, dass diese Konflikte in das ethnisch ähnlich strukturierte Österreich-Ungarn hineingewirkt haben, dass Russland auf Kosten des osmanischen Reichs einen Zugang zum Mittelmeer herstellen wollte, dass England beim Versuch der Sicherung seiner weltbeherrschenden Stellung an die Grenzen seiner Kraft gestoßen war, dass Frankreich und Deutschland seit Jahrzehnten eine herzliche Feindschaft pflegten, dass Deutschland zur Weltmacht aufsteigen wollte und die anderen Mächte das nicht lustig fanden, dass die Verantwortlichen in Deutschland unter kollektiver Umzingelungsparanoia litten, dass innerhalb der Staaten „Machtverschiebungen“ vom alten Adel zum Bürgertum und weiter zur Arbeiterschaft stattfanden – all das und vieles mehr ist in Jehuda Wallachs Welt völlig nebensächlich! Es muss nicht mal erwähnt werden! Schließlich sind ja alle Fragen längst damit beantwortet, dass Schlieffen und „seine Jünger“ verbohrte Irre waren.

Fazit folgt...
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Mein Fazit:

[FONT=Times New Roman, serif][FONT=Times New Roman, serif]Großartige Analyse von Herrn Wallach!
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[FONT=Times New Roman, serif][FONT=Times New Roman, serif]So großartig, dass ich diese "Analyse" keiner Besprechung für wert gehalten habe. Aber der missionarische Eifer und die Überheblichkeit, mit denen Wallachs "Werk" hier gelobt wurde, machen es mir schwer, zu schweigen.
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[FONT=Times New Roman, serif][FONT=Times New Roman, serif] Eine Untersuchung, die zu derart eindimensionalen und irreführenden Ergebnissen kommt, verdient das Etikett „wissenschaftlich“ nicht. Sie verdient in Grunde nichtmal, überhaupt diskutiert zu werden, denn sie erklärt NICHTS über die Hintergründe des Krieges. Sie suggeriert stattdessen, dass der Erste Weltkrieg ein „schicksalhaftes Ereignis“ war, das man nur in dem einen Augenblick hätte abwenden können, in dem die Verantwortlichen in Deutschland die Grundsatzentscheidung gefällt haben, ob sie Krieg wollen oder nicht. Wenn DAS das Fazit aus der Situation im Juli 1914 ist, dann können wir hier jede Diskussion über Geschichte beenden und die Vereinten Nationen gleich mit abschaffen.[/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Genau hier liegt die grundlegende Kritik, die ich von Beginn an geäußert habe. So eine Untersuchung trägt nicht zum Verständnis der Hintergründe des Ersten Weltkriegs bei. Sie liefert NICHTS, was uns helfen könnte, mögliche künftige Kriege zu vermeiden. Sie macht sogar jedes Verständnis unmöglich – wenn man so dämlich ist, den ganzen Quark zu glauben! [/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Entsprechend lächerlich fand ich es, dass in unserer Diskussion die Arbeit Wallachs sogar noch in kritikloser Verehrung und mit einer erschreckenden Mischung aus Arroganz und Herablassung zu einem „Standardwerk“ der Wissenschaft hochstilisiert worden ist![/FONT]

[FONT=Times New Roman, serif]Das Einzige, was an Wallachs Buch wissenschaftlich ist, ist seine ausgezeichnete Quellenarbeit. Er macht eine überaus große Menge an Informationen nutzbar. Und nur deshalb lohnt es sich, Wallach zu lesen. Meiner Vermutung nach liegt hier der Grund dafür, dass Wallach in der einschlägigen Literatur oft zitiert, aber praktisch nirgendwo besprochen oder diskutiert wird...[/FONT]


[FONT=Times New Roman, serif]MfG[/FONT]


[FONT=Times New Roman, serif]P.S.: Sollte jetzt jemand den Eindruck haben, dass meine Kritik an der Arbeit Wallachs sich auf den Bereich „Primat der Politik“ beschränkt, dann muss ich sagen – weit gefehlt! Wenn Interesse an einer Diskussion darüber besteht, bin ich gern bereit, weitere Kritikpunkte „substanziiert“ darzulegen.[/FONT]
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Interessanter Standpunkt.

Wenn man es mal kurz und knackig von der Clausewitz-Debatte auf folgende konkreten Fragestellungen verdichtet:

1. Einfluss:
welchen nachweislichen Einfluss hatte das Kaiserliche Militär, u.a. mit seinem Exponenten Moltke in der letzten Juli-Dekade auf die (Politik, die mit dem "kalkulierten Risiko" die Eskalation eingeleitet hatte, nun aber zögerte)? War dieser Einfluss für die deutsche Seite entscheidend?

2. Planungen und Wahrnehmung der Lage:
von welchen dokumentierten Vorstellungen über die Führbarkeit und Gewinnbarkeit dieses Krieges und Prognosen über einen späteren Krieg war das Kaiserliche Militär entscheidend geprägt, welche Optionen stellte es konkret in Juli 1914 der Politik zur Verfügung und welche (militärisch-politisch) relevanten Planungen, und wie wirkten sich diese existierenden Planungen und vorhandenen Prognosen auf den unter 1. zu bestimmenden Einflusses aus?

Welches sind dann die Antworten?
 
Interessanter Standpunkt.

Wenn man es mal kurz und knackig von der Clausewitz-Debatte auf folgende konkreten Fragestellungen verdichtet:

1. Einfluss:
welchen nachweislichen Einfluss hatte das Kaiserliche Militär, u.a. mit seinem Exponenten Moltke in der letzten Juli-Dekade auf die (Politik, die mit dem "kalkulierten Risiko" die Eskalation eingeleitet hatte, nun aber zögerte)? War dieser Einfluss für die deutsche Seite entscheidend?

2. Planungen und Wahrnehmung der Lage:
von welchen dokumentierten Vorstellungen über die Führbarkeit und Gewinnbarkeit dieses Krieges und Prognosen über einen späteren Krieg war das Kaiserliche Militär entscheidend geprägt, welche Optionen stellte es konkret in Juli 1914 der Politik zur Verfügung und welche (militärisch-politisch) relevanten Planungen, und wie wirkten sich diese existierenden Planungen und vorhandenen Prognosen auf den unter 1. zu bestimmenden Einflusses aus?

Welches sind dann die Antworten?
Interessante Fragestellung.

Welchen Standpunkt zu Themen wie "Einfluss" und "Planung" soll ich denn hier vertreten haben? Beide Beiträge bezogen sich auf - meiner Ansicht nach! - existierende Mängel in der Argumentation eines Autors, dessen Werk hier als "Standardliteratur" verklärt worden ist.

Was Deine beiden Fragen angeht: Es würde sich wirklich lohnen, darüber zu diskutieren. Die Fragen lassen sich aber mit dem Instrumentarium, von dem Jehuda Wallach Gebrauch macht, nicht beantworten. Dazu müsste man auf die politischen Hintergründe eingehen, deren Erörterung Menschen wie Wallach für überflüssig erklärt haben.

Wenn Du an meinen Aussagen zu Wallach etwas auszusetzen hast, dann artikuliere es doch bitte mit Aussagen und nicht mit Fragen. Genug Thesen und belegende Zitate, die Du möglicherweise angreifen könntest, habe ich ja nun genannt.

MfG
 
Es ist nicht notwendig, unentspannt von "angreifen", oder oben missionarisch etc. auszugehen.

Mit den Fragestellungen wollte ich eigentlich nur auf zweierlei in der Sache hinweisen:

- die begrifflichen oder semantischen Dispute auf den Stand der Forschung lenken, bei dem man bekanntlich drei konträre "Denkschulen" zu den Clausewitzschen Einflüssen* auf Schlieffen, Moltke und Co. unterscheiden kann: 1. C. kaum oder nicht gelesen 2. C. als primäre Quelle strategischer oder operativer Dogmen 3. C. nicht verstanden oder missverstanden (in die letzte Gruppe gehört Wallach). Die Gegensätzlichkeiten kann man leicht erkennen.

- diesen Disput über den Clausewitzschen Einfluss* (plakativ: Clausewitz -> Moltke etc.) sorgfältig zu trennen von der Frage des Einflusses der deutschen militärischen Führung in der Julikrise (plakativ: Moltke etc. -> Wilhelm, Bethmann, etc.). Hier gibt es einen Forschungsstand, welches Ausmaß dieser Einfluss annahm, und worauf er basierte (Schlieffens Operationsplanung, der Moltkeplan als fortgeführte strategische, angriffsweise Antwort auf einen Zweifrontenkrieg, mit den bekannten Mängeln sowie "born out of despair" (Herwig/Mombauer/Röhl etc.)

Begriffliche Dispute über die Thesen von Clausewitz* und ihre Perzeption durch den deutschen Generalstab haben somit erstmal nichts zu tun mit den Frage von real existenten Einflüssen und Beteiligungen des Generalstabes an der Julikrise.

Sie haben mit der Frage zu tun, von welcher dogmatischen Basis der deutsche Generalstab vor der Julikrise geprägt war, und ob diese "dogmatische Basis" die Akteure irgendwie oder maßgeblich beeinflusst hat.

Die theoretisierende Frage des Einflusses ist weiterhin scharf zu trennen von Betrachtung der real existenten Operations- und Mob-pläne sowie Aufmarschanweisungen, sowie das Bild der militärischen Prognosen über künftige Kräfteverhältnisse, und was daraus für die konkreten Aktivitäten des Generalstabes hinsichtlich Einflussnahme auf die Politik in der Julikrise folgte.

Ich habe Wallach vor längerer Zeit gelesen, und abseits der Semantik-Diskussion zur deutschen Übersetzung habe ich seine Grundaussage in Form einer Argumentationskette dergestalt verstanden:

1. nicht die Dogmen oder Maximen Clausewitz, auch kein theoretischer Streit darüber, sondern die ureigenen Interpretationen derselben durch die Akteure waren prägend für die Entwicklungsgeschichte der Schlieffen-Planung.**
2. der real existierende Stand dieser Planung, verbunden mit bestimmten Prognosen über künftige Kräfteverhältnisse, waren kausal für die Handlungen der militärischen Akteure.
3. dieses führte in der Endphase der Julikrise zu einem wesentlichen Einfluss auf die Politik.

Diese Kausalkette ist natürlich Gegenstand der Forschung (siehe Fragen oben), wobei sich die Kontroverse über das Clausewitz-Verständnis als nebensächlich erweisen. Schaut man sich zB die detaillierte Mombauer-Studie an, beschränkt sich die Beschäftigung mit diesem Streit auf die fehlende Berücksichtigung von "Friktionen" in der Schlieffen-/Moltke-Planung (Wallach, Kriegstheorien und Wallach: Schlieffen, in MGFA: GFM Moltke). Dass eine militärisch-politische Studie wie die von Mombauer diese semantischen oder militärisch-philosophischen Dispute* über Clausewitz als nebensächlich ansieht, sieht man an der fehlenden Erwähnung (S. 85) derselben.

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* in dem Denkschulenstreit ist außerdem zwischen dem militärischen Clausewitz (Schössler, Hobson etc.) in der preußischen Kriegsakademie/Generalstab und dem Bild des philosophischen Clausewitz zu unterscheiden. Wallach stellt bzgl. der genannten Wurzeln und Dogmen bzw. der Kausalkette auf den militärischen Clausewitz ab.

** und da mag man weiteren Randdiskussionen wie bei Stig Förster folgen, ob der Vernichtungsgedanken bei Schlieffen durch Wallach überbetont wird oder nicht, ob nach Wallach Schlieffens Cannae-Prägung eine Durchbrechung von Maximen des "militärischen Clausewitz" darstellt oder nicht, usw. usf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Begriffliche Dispute über die Thesen von Clausewitz* und ihre Perzeption durch den deutschen Generalstab haben somit erstmal nichts zu tun mit den Frage von real existenten Einflüssen und Beteiligungen des Generalstabes an der Julikrise.

Offenbar missverstehst Du mich. Es geht mir nicht um den Einfluss von Clausewitz auf Schlieffen, Moltke und Co. oder um seine „Perzeption“ im deutschen Generalstab. Es geht mir um Wallach und um die hier laufende Diskussion. Dabei steht Wallach exemplarisch für einen Zweig der Forschung, der das Phänomen „Erster Weltkrieg“ auf tatsächliche oder bloß behauptete „Dogmen“ im Militär reduzieren will.

Wallach ist derjenige, der (völlig zu Recht!) die Politische Theorie des Krieges zur „tragenden Säule“ der ganzen Arbeit von Clausewitz erklärt hat; und Wallach ist derjenige, der diese politische Theorie des Krieges in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellt (um sie dann zu verdrehen). Zitate, die das belegen, habe ich oben angeführt.

Wenn Clausewitz die Sache richtig beurteilt hat, dann gilt: Der Krieg ist grundsätzlich ein Mittel der Politik. Er dient grundsätzlich dazu, politische Ziele zu verfolgen. Ob deutsche Generäle Clausewitz richtig oder falsch verstanden haben, ist dabei völlig belanglos. Es spielt nicht mal eine Rolle, ob sie ihn überhaupt kannten.

Daraus folgt, dass man heute – in der rückschauenden Betrachtung des Krieges – zuerst nach den politischen Hintergründen suchen muss. Das habe ich ganz zu Anfang unter dem Stichwort „Legitimität der Ziele“ angesprochen. Erst wenn man hier einigermaßen Klarheit hat, macht es Sinn, zu fragen, ob die Art der Kriegführung geeignet war, die politischen Ziele zu erreichen. Das ist dann die Frage nach der „Funktionalität der Mittel“. Das sind zwei getrennte Ebenen, die auch getrennt bleiben müssen.

Wallach ignoriert das. Er betrachtet von Beginn an die Art der Kriegführung und behauptet dann, sie habe fundamentalen Einfluss auf die Politik gehabt. Damit vermischt er die beiden Ebenen und drängt uns eine Untersuchung über die „Legitimität der Mittel“ auf. Im vorliegenden Fall mit dem Ergebnis, dass Wallach all die politischen Hintergründe für den Ersten Weltkrieg mit keinem einzigen Wort würdigt.

Sie haben mit der Frage zu tun, von welcher dogmatischen Basis der deutsche Generalstab vor der Julikrise geprägt war, und ob diese "dogmatische Basis" die Akteure irgendwie oder maßgeblich beeinflusst hat.
Hier liegt das Problem: Für Dich steht a priori fest, dass es eine „dogmatische Basis“ gab. Meiner Ansicht nach müsste die Existenz solcher Dogmen erstmal belegt werden (da ist wieder die Frage nach der Funktionalität der Mittel), ehe man über ihre möglichen Einflüsse auf die Akteure spekulieren kann. Wallach jedenfalls kann den Nachweis nicht erbringen. Im Interesse seiner Arbeit versucht er bloß, ihn zu konstruieren.

Diese Art der Herangehensweise ist inakzeptabel, weil dadurch der Blickwinkel allein auf die Julikrise reduziert wird. Alles was davor passiert ist, wird ausgeblendet. Siehe:

- diesen Disput über den Clausewitzschen Einfluss* (plakativ: Clausewitz -> Moltke etc.) sorgfältig zu trennen von der Frage des Einflusses der deutschen militärischen Führung in der Julikrise
Welchen Einfluss die Militärs in der Julikrise ausgeübt haben, muss man im Grund gar nicht mehr betrachten. Da war alles längst zu spät. Lehren kann die Politik heute nur aus dem ziehen, was Wochen, Monate und Jahre vor der Julikrise alles versäumt oder bewusst unterlassen worden ist.

Es sei jedem unbenommen, Wallachs eindimensionale Geschichtsbetrachtung trotzdem für großartig zu halten. Das lässt mich kalt. Die Betreffenden sollten sich dann aber wenigstens herablassendes Auftreten gegenüber Diskussionsteilnehmern sparen, die das alles anders sehen.

MfG
 
Wenn Clausewitz die Sache richtig beurteilt hat, dann gilt: Der Krieg ist grundsätzlich ein Mittel der Politik. Er dient grundsätzlich dazu, politische Ziele zu verfolgen.

Vorab: Den Wallach habe ich nicht gelesen, und auch Clausewitz kenne ich nur auszugsweise.

Dennoch erlaube ich mir hier eine Frage:

Sollte man das von dir o. gesagte nicht quasi als "Idealzustand" beschreiben, und dann hinterfragen, ob das tatsæchlich so der Fall war bei unserem "Beispiel" 1.Weltkrieg?
Ich sehe es eher so, dass hier das Militær Oberhand ueber die Politik bekam - der Krieg also fast schon "um seiner selbst Willen", jedenfalls als etwas Unausweichliches, zu dem man bestenfalls den Termin bestimmen konnte.
Politische Ziele? Ich sehe sie nur nebuløs...

Gruss, muheijo
 
Offenbar missverstehst Du mich. ...Dabei steht Wallach exemplarisch für einen Zweig der Forschung, der das Phänomen „Erster Weltkrieg“ auf tatsächliche oder bloß behauptete „Dogmen“ im Militär reduzieren will.
Doch, die Aussage habe ich schon verstanden.
Wallach "reduziert" nichts, das habe ich oben mit dem Hinweis auf den Forschungsstand deutlich gemacht. Wallachs Schriften lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen: Kritik des Schlieffenplanes anhand des "militärischen Clausewitz" (bei Wallach noch mit dem überzogenen Cannae-Motiv, was man inzwischen anders sieht, vgl. Terence M. Holmes, Classical Blitzkrieg: The Untimely Modernity of Schlieffen's Cannae Programme, JoMH 2003, S. 745). Das betrifft lediglich die oben genannte "Stufe 1" (Clausewitz -> Schlieffen-/Moltke-Plan), insbesondere findet man nicht die im Zitat weiter oben unterstrichene Aussage.
Wallach ist derjenige, der (völlig zu Recht!) die Politische Theorie des Krieges zur „tragenden Säule“ der ganzen Arbeit von Clausewitz erklärt hat; und Wallach ist derjenige, der diese politische Theorie des Krieges in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellt (um sie dann zu verdrehen). Zitate, die das belegen, habe ich oben angeführt.
Weder war es Wallach, der den "philosophischen Clausewitz" erklärt hat, noch steht diese Argumentation im Mittelpunkt. Der Mittelpunkt bei Wallach ist vielmehr der Clausewitzsche Einfluss auf die Moltke-/Schlieffenplanung sowie Kritik derselbigen anhand des "militärischen Clausewitz".
Wenn Clausewitz die Sache richtig beurteilt hat, dann gilt: Der Krieg ist grundsätzlich ein Mittel der Politik. Er dient grundsätzlich dazu, politische Ziele zu verfolgen. Ob deutsche Generäle Clausewitz richtig oder falsch verstanden haben, ist dabei völlig belanglos. Es spielt nicht mal eine Rolle, ob sie ihn überhaupt kannten.
Das wäre dann die neue 4., sozusagen die Maelonn-Schule. Siehe oben zu den anderen 3 den #145. Für alle drei geht es um folgenden Kern, die Ausgangsfrage der Wirkungsmacht der militärischen Planung auf die Akteure: wie sind die militärischen Planungen und Prognosen entstanden, die den Verlauf der Juli-Krise auf deutscher Seite beeinflusst haben? Dass sie diese beienflusst haben, ist Forschungsstand und gut nachlesbar. Zitate bei Bedarf.
Daraus folgt, dass man heute – in der rückschauenden Betrachtung des Krieges – zuerst nach den politischen Hintergründen suchen muss. ...Erst wenn man hier einigermaßen Klarheit hat, macht es Sinn, zu fragen, ob die Art der Kriegführung geeignet war, die politischen Ziele zu erreichen. Das ist dann die Frage nach der „Funktionalität der Mittel“. Das sind zwei getrennte Ebenen, die auch getrennt bleiben müssen.
Die Fragen einer Reihenfolge ist rein theoretisch, und hier irrelevant.

Es geht hier thematisch handfest um die praktische Bedeutung des Einflusses der militärischen Führung auf die deutsche Politik während der Juli-Krise und ihren Beitrag zur Eskalation. Vorgesetzt ist die Fragestellung, wie dieser Generalstab bzgl. seiner Planungen und Prognosen geprägt war.

Der Qualm des philosophischen Clausewitz spielt in der Tat für diese Untersuchung der Wirkmacht keine Rolle: es gibt sie, oder es gibt sie eben nicht.
Wallach ignoriert das.
Zurecht. Irgendwelche theoretischen Debatten spielen für die Bewertung der Wirkmacht und ihren (Quellen-)Nachweis keine Rolle.
Er betrachtet von Beginn an die Art der Kriegführung und behauptet dann, sie habe fundamentalen Einfluss auf die Politik gehabt.
Zurecht. Er entspricht damit Ritter, der das auch weitgehend behauptet und widerspricht zB Turner, der das weitgehend abgelehnt hat. Bestätigt wurde das bekanntermaßen durch Mombauer etc.
Damit vermischt er die beiden Ebenen und drängt uns eine Untersuchung über die „Legitimität der Mittel“ auf. Im vorliegenden Fall mit dem Ergebnis, dass Wallach all die politischen Hintergründe für den Ersten Weltkrieg mit keinem einzigen Wort würdigt.
Ob er da etwas im Sinne des philosophischen Clausewitz vermischt, wäre ohnehin für die Untersuchung der praktischen Wirkmacht egal, da es hier um Nachvollzug eines historischen Ereignisses, und nicht ein militärisch-politisches Planspiel geht. Die Wirkmacht ist gegeben und nachgewiesen, oder sie ist nicht gegeben. All das ist aber nicht Wallachs Thema: dem geht es um die Kritik des Schlieffenplanes, Kritik der Idee der "battle of annihilation", und Kritik dieser an Quellen nachvollziehbaren Dogmatik aus Sicht des (rein) militärischen Clausewitz. An diesem Untersuchungsgegenstand und den Methoden habe ich nichts auszusetzen.

Die politischen Hintergründe, resp. die Wirkmacht der Militärs, haben inzwischen dagegen andere hinreichend untersucht, siehe oben. Damit ist auch diese Forschungslücke geschlossen.
Welchen Einfluss die Militärs in der Julikrise ausgeübt haben, muss man im Grund gar nicht mehr betrachten. Da war alles längst zu spät. Lehren kann die Politik heute nur aus dem ziehen, was Wochen, Monate und Jahre vor der Julikrise alles versäumt oder bewusst unterlassen worden ist.
Das widerspricht schlicht dem Stand der Forschung.

Die Untersuchungen der Auswirkungen dieser Planung ("Stufe 2": Militär -> Politik) sind grundlegend beginnend bei Turner und jüngst Mombauer (Moltke), Isabel V. Hull (Absolute Destruction) etc. zu sehen.
 
Weder war es Wallach, der den "philosophischen Clausewitz" erklärt hat, noch steht diese Argumentation im Mittelpunkt.
Ich habe Wallachs Aussagen dazu oben zitiert. Lies es einfach nach.

Das wäre dann die neue 4., sozusagen die Maelonn-Schule.
Dazu habe ich Clausewitz oben zitiert. Kann man auch nachlesen.

Die Fragen einer Reihenfolge ist rein theoretisch, und hier irrelevant.
Sie ist von höchst praktischer Bedeutung, da man die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten "zweckmäßig" ist, immer erst beantworten kann, wenn man den Zweck kennt.

Es geht hier thematisch handfest um die praktische Bedeutung des Einflusses der militärischen Führung auf die deutsche Politik während der Juli-Krise und ihren Beitrag zur Eskalation. Vorgesetzt ist die Fragestellung, wie dieser Generalstab bzgl. seiner Planungen und Prognosen geprägt war.
(...)
Zurecht. Irgendwelche theoretischen Debatten spielen für die Bewertung der Wirkmacht und ihren (Quellen-)Nachweis keine Rolle.
Wenn man sich bei der Betrachtung des Themas immer auf die Julikrise selbst beschränkt, kann man zu keiner anderen Sicht der Dinge kommen. Ja, das Militär ist zum Krieg aufmarschiert, und, ja, die Lage ist eskaliert. Dass das Militär der Auslöser der Eskalation war, ist damit nicht bewiesen. Jedenfalls nicht durch Wallachs Werk.

Die Wirkmacht ist gegeben und nachgewiesen, oder sie ist nicht gegeben. All das ist aber nicht Wallachs Thema: dem geht es um die Kritik des Schlieffenplanes, Kritik der Idee der "battle of annihilation", und Kritik dieser an Quellen nachvollziehbaren Dogmatik aus Sicht des (rein) militärischen Clausewitz.
Nochmal: Ich habe Wallach zitiert. Daraus kannst Du ablesen, welche Bedeutung er selbst diesem Thema beigemessen hat. Außerdem habe ich geschrieben, dass er an diesem Punkt den Kardinalfehler macht, dass ich auf Wunsch aber problemlos andere Punkte nennen kann, die in seinem Werk kritikwürdig sind. Zum Beispiel seine Aussage, dass Schlieffen nur an Offensive, nur an Umfassung und nur an Vernichtungsschlacht habe denken können. Das war bislang aber nicht mein Thema.

MfG
 
Sollte man das von dir o. gesagte nicht quasi als "Idealzustand" beschreiben, und dann hinterfragen, ob das tatsæchlich so der Fall war bei unserem "Beispiel" 1.Weltkrieg?
Clausewitz beschreibt es als Gesetzmäßigkeit, und ich denke, er hat damit recht. Er geht davon aus, dass zwischen zwei benachbarten Nationen immer ein "politischer Verkehr" herrscht, der nur zum Teil aus Diplomatie besteht. Welcher Art dieser politische Verkehr ist, prägt dann unter anderem die Form, die ein Krieg zwischen den beiden Ländern annehmen kann. Jedenfalls entsteht Krieg nicht nur deshalb, weil es möglich ist ihn zu führen. Er entsteht aus dem politischen Verkehr heraus und er wird dann zur Erreichung ganz bestimmter Zwecke geführt.

Ich sehe es eher so, dass hier das Militær Oberhand ueber die Politik bekam...
Das Militär bekam die Oberhand über die Politiker, über das politische System. Das ist sicher richtig. Damit endete aber nicht die Politik. Militärs, die in die Rolle von Politikern schlüpfen, machen dann auch Politik - die nicht unbedingt "gute Politik" sein muss, wie wir Deutschen erfahren haben.

- der Krieg also fast schon "um seiner selbst Willen", jedenfalls als etwas Unausweichliches, zu dem man bestenfalls den Termin bestimmen konnte.
Politische Ziele? Ich sehe sie nur nebuløs...
Genau deshalb halte ich es für gefährlich, wenn Leute wie Wallach (oder auch van Evera) den Blickwinkel so auf die angebliche "Wirkmacht" militärischen Handelns verengen. Dann sieht Krieg wie ein "schicksalhaftes Ereignis" aus, gegen das man gar nichts tun kann. Tatsächlich hätte man aber in allen europäischen Großmächten sehr viel tun können, um dieses Blutvergießen zu vermeiden. Dafür hatte die Politik Jahrzehnte lang Zeit. Selbst als Franz Ferdinand in Sarajewo erschossen wurde, hätte es noch Möglichkeiten gegeben, eine Eskalation zu verhindern. In der Phase ist aber in Deutschland entschieden worden, die Sache bewusst zu eskalieren. Das war eine politische Entscheidung! Man wollte den Krieg, weil die Gelegenheit "günstig" erschien, die vermeintliche Umklammerung durch Russland und Frankreich zu brechen.

Dass zu dem Zeitpunkt in Deutschland der Generalstabschef eine hohe Position einnahm und großen Einfluss auf die Politik hatte (direkter Zugang zum Kaiser, keine parlamentarische Kontrolle des Militärs) spielte dabei sicher eine Rolle. Moltke hat die Entscheidung aber nicht erzwungen. Deutschland wurde nicht vom aufmarschierenden Militär in den Krieg getrieben. Das Militär ist aufmarschiert, weil der Krieg beschlossen worden war. Von dem Moment an gab es natürlich kein "Zurück" mehr.

MfG
 
Ich habe Wallachs Aussagen dazu oben zitiert. Lies es einfach nach.

Dazu habe ich Clausewitz oben zitiert. Kann man auch nachlesen.

Für die ereignisgeschichtliche Fragestellung des "Tatsächlichen" steht da nichts, sondern das betrifft Ausführungen des "philosophischen Clausewitz".
Für das "Tatsächliche" lässt sich damit nichts fangen, wie hier zu sehen:


Sie ist von höchst praktischer Bedeutung, da man die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten "zweckmäßig" ist, immer erst beantworten kann, wenn man den Zweck kennt.

Das ist ein Masstab, der für die Ereignisgeschichte des Kriegsausbruches, hier speziell die Wirkmacht des Militärs auf die Entscheidungen, irrelevant ist. Wir können natürlich auch über solche nachträglichen Bewertungen plaudern, dass trifft aber nicht die Fragestellung, "wie" und "warum" (Clark) das Militär Einfluss ausübte und ob ein ggf. ausgeübter Einfluss entscheidungserheblich für den Kriegsausbruch gewesen ist.

Die Zielstellung war, nachdem der deutsche Generalstab zunächst eine zurückhaltende Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Eskalation zum Krieg vorgenommen hatte und sich noch Mitte Juli parallel mit neuen Rüstungen beschäftigte, dann am 17.7.1914 klar:

"Was dann? Soll dann der schöne Anlauf wieder versanden?* Berchtold hat Angst vor dieser Wendung. Da müssen meiner Ansicht nach die Militärs dafür sorgen, dass eine Umkehrung nicht mehr möglich ist." (Kageneck an Waldersee, weitergeleitet an Jagow)
* man hatte Bedenken, Österreich würde kneifen oder Serbien sich fügen.

Das kam bei Moltke an:
"Es tut mir leid, daB ich nicht noch eine Woche hier bleiben kann, aber ich muß nach Berlin zurück. Morgen, der 23. ist ja der kritische Tag!** Ich bin begierig was erfolgen wird."
** Ultimatum ÖU.

Entsprechend verliefen dann die Einflussnahmen, auch gegen die wiederholt beim Kaiser kippenden Stimmungen, damit "die Kugel läuft". Jeder nahm sich mal die Phase sinkender Zuversicht heraus, so auch Moltke, der dann von Falkenhayn wieder "auf Kurs" gebracht wurde. Mit dem Damoklesschwert wirkte er auf Moltke ein:
"Übrigens habe ich Verstandnis für diese Entscheidung; denn wer noch an die Erhaltung des Friedens glaubt, oder sie wenigstens wünscht, kann natürlich dem "Ausspruch der drohenden Kriegsgefahr" bei uns nicht beitreten. Freilich kommen wir durch diese Entscheidung militarisch in Nachteil, aber wenn das Moltke zu vertreten in der Lage ist, kann ich mich nicht widersetzen."

Natürlich konnte Moltke nach dem Wink mit der Dachlatte dieses "nicht vertreten".

Und Wenninger berichtet von Moltke, nachdem der seine Zögerlichkeiten überwunden hatte:

"Er setzt seinen ganzen Einfluß darein, daß die selten günstige militärische Lage zum Losschlagen genutzt werden solle; er weist darauf hin, dass Frankreich 'geradezu in militärischer Verlegenheit sich befinde', dass Russland militärisch sich nichts weniger als sicher fühle; dazu die günstige Jahreszeit, die Ernte grossenteils geborgen, die Jahresausbildung vollendet."

General von Leuckart erklärt deckungsgleich mit Wenninger, warum***:

"Generaloberst v. Moltke soll gesagt haben, dass wir es nie wieder so günstig treffen würden wie jetzt, wo weder Frankreich noch Russland mit dem Ausbau ihrer Heeresorganisation fertig sind"

Den von Falkenhayn erhaltenen Druck, den obigen Wink mit der Dachlatte, gab Moltke an Wilhelm und Bethmann 1:1 weiter:

"Je weiter die Vorbereitungen unserer Nachbarn fortschreiten, um so schneller werden sie ihre Mobilmachung beendigen können. Die militarische Lage wird dadurch für uns von Tag zu Tag ungünstiger und kann, wenn unsere voraussichtlichen Gegner sich weiter in aller Ruhe vorbereiten, zu verhängnisvollen Folgen für uns führen."

Wie Mombauer erwähnt, wurde in keinster Weise parallel hierzu die (militär-intern sehr wohl diskutierte) Problematik ungünstiger Erfolgsaussichten der Westoffensive kommuniziert. Was bereits Geiss zum Resümee veranlasste:

"am 29. Juli [hat Moltke] mit seiner robusten Intervention in die deutsche Politik diesen "schrecklichen Krieg" [so Moltke] in entscheidender Weise mit herbeigeführt."

Seine kurzzeitigen erneuten (internen!) Zögerlichkeiten wechselten mit dieser "robusten Intervention" ab und nun war es Moltke, der Bethmann zur Räson brachte, wie der stets kriegsrobuste Falkenhayn zu berichten wusste:

"Am späten Abend beim Reichskanzler [sic!] eine Auseinandersetzung zwischen ihm und Moltke darüber, wer die Verantwortung für einen etwaigen Krieg zu tragen hat. [...] Moltke spricht sich in sehr entschiedener Weise für den Krieg sans phrase aus. Seine Stimmungswechsel sind kaum oder gar nicht zu erklären."

Und das Sahnehäubchen: Moltke war zu diesem Gespräch bei Bethmann gar nicht eingeladen,* in dem Bethmann versuchen wollte, die kriegsfordernde Militärlobby "aufzubrechen". Moltke "wurde vom Kriegsministerium ... verständigt und erschien ungebeten".
*laut Wenninger.


Wenn man sich bei der Betrachtung des Themas immer auf die Julikrise selbst beschränkt, kann man zu keiner anderen Sicht der Dinge kommen. Ja, das Militär ist zum Krieg aufmarschiert, und, ja, die Lage ist eskaliert. Dass das Militär der Auslöser der Eskalation war, ist damit nicht bewiesen. Jedenfalls nicht durch Wallachs Werk.
Ich habe mich nirgends mit Bezug auf den aktuellen Forschungsstand (für das "wie und warum") zeitlich auf die Julikrise beschränkt. Das Gegenteil ist bzgl. der hier besprochenen militärischen Aspekte der Fall, gerade der "Kult der Offfensive" zielt auf "den langen Weg in den Krieg". Was meinst Du, wieso ich oben und anderswo im Forum detailliert die Planentwicklung dargestellt habe? Wen also meinst Du?

Dass hier anhängige Thema greift vielmehr die historische Entwicklung der langfristigen Planungen und Prognosen auf, die wiederum die kurzfristigen Handlungen der Akteure als Kontext bestimmten, hinsichtlich des deutschen Generalsstabes auf und analysiert sie sorgfältig als Entscheidungsrahmen.

Das sind natürlich alles nur Schlaglichter zur Ereignisgeschichte. Im Gegensatz zum Plaudern über den philosophischen Clausewitz spielt hierbei die zeitgenössische Interpretation des "militärischen Clausewitz" durchaus eine Rolle, denn sie ist geeignet, die Entstehungsgeschichte der Planungen und Prognosen vor der Krise zu erklären, die Handlungsrahmen und somit gewissermaßen eine Art Konditionierung der Akteure (ein "Reiz-Reaktions-Muster") in der Krise bildeten.

Soweit ausholend, vermitteln Wallach und folgende Historiker mit der Beschreibung des Dogmas der Vernichtungsschlacht - im folgend die Nichtexistenz von "Plan B" im Juli 1914 - einen Eindruck der Krisendynamik. Diese Konzentration auf das ereignisgeschichtlich "Tatsächliche" ist der Kern.

Was natürlich nicht ausschließt, philosophisch darüber zu plaudern, vielleicht um daraus zu lernen und Krisendynamiken sozusagen am Fall zu verstehen.

*** Anzumerken ist, dass parallel und aus gleicher Lagebeurteilung seit Monaten der anlauf zur nächsten Heeresvermehrung lief: Stein, Die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890-1914: "Der einzige Weg, der dem Generalstab gangbar erschien, war der einer sofortigen Heeresvermehrung. Seine militärische Strategie zu ändern, z.B. einen Defensivplan zu erstellen, oder dem Reichskanzler die drohende Ausweglosigkeit der Situation deutlich zu machen, kam Moltke nicht in den Sinn. Sollte nicht bald, in jedem Falle aber noch vor 1917, ein Krieg ausbrechen, so mußte nach seiner Auffassung Deutschland vollends ins Hintertreffen geraten und wäre damit zugleich dem mißtrauisch erwarteten feindlichen Angriff unrettbar ausgeliefert. In diesem Sinne war es nur konsequent, daß sich Moltke einen möglichst baldigen Präventivkrieg herbeisehnte."
 
Zuletzt bearbeitet:
Für die ereignisgeschichtliche Fragestellung des "Tatsächlichen" steht da nichts, sondern das betrifft Ausführungen des "philosophischen Clausewitz".
Für das "Tatsächliche" lässt sich damit nichts fangen, wie hier zu sehen:
Ich weiß zwar nicht, was das folgende Zitat damit zu tun haben soll, aber egal. Jedenfalls äußert sich Wallach nicht zum "philosophischen Clausewitz", sondern er ruft Clausewitz als Zeugen dafür auf, dass Schlieffen und seine Nachfolger die deutsche Politik quasi entmachtet hätten - nicht philosophisch, sondern ganz tatsächlich.

Sie ist von höchst praktischer Bedeutung, da man die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten "zweckmäßig" ist, immer erst beantworten kann, wenn man den Zweck kennt.
Das ist ein Masstab, der für die Ereignisgeschichte des Kriegsausbruches, hier speziell die Wirkmacht des Militärs auf die Entscheidungen, irrelevant ist. Wir können natürlich auch über solche nachträglichen Bewertungen plaudern, dass trifft aber nicht die Fragestellung, "wie" und "warum" (Clark) das Militär Einfluss ausübte und ob ein ggf. ausgeübter Einfluss entscheidungserheblich für den Kriegsausbruch gewesen ist.
Richtig. Es betrifft nicht das "wie" oder das "warum". Es betrifft die Frage "ob überhaupt". Wenn man - wie Du - von vornherein als gegeben betrachtet, dass es einen "entscheidungserheblichen Einfluss" gab, muss man die Frage nach dem "ob" tatsächlich nicht stellen. Wenn man - wie ich - dies nicht a priori annimmt, ist die Frage nach dem Ob zwingend zu beantworten, ehe man nach dem Wie oder dem Warum fragt.

Das ist dann auch kein Geplauder über nachträgliche Bewertungen. Vielmehr ist es entscheidend für die ganze hier diskutierte Frage: Kann man die "Ereignisgeschichte" mit einem angeblichen Kult der Offensive im Militär erklären? Oder ergab sich das konkrete militärische Handeln aus den politischen Absichten, die mit dem Krieg verfolgt werden sollten?

Wenn Dir diese Frage irrelevant erscheint, so ist das Deine Sache. Mich interessiert Geschichte, weil ich wissen will, welche Ursachen bestimmte Entwicklungen und Erscheinungen hatten - im vorliegenden Fall der Weltkrieg. Die Offensiv-Kult-These kann solche Antworten nicht geben.

Nebenbei: van Evera und Wallach sagen nicht, dass die Militärs politische Entscheidungen bloß "beeinflusst" hätten. Sie sehen im Wirken des Militärs eine wesentliche Ursache für den Krieg.

Ich habe mich nirgends mit Bezug auf den aktuellen Forschungsstand (für das "wie und warum") zeitlich auf die Julikrise beschränkt. Das Gegenteil ist bzgl. der hier besprochenen militärischen Aspekte der Fall, gerade der "Kult der Offfensive" zielt auf "den langen Weg in den Krieg". Was meinst Du, wieso ich oben und anderswo im Forum detailliert die Planentwicklung dargestellt habe? Wen also meinst Du?
Ich meine den Diskussionsteilnehmer, von dem die folgenden Zitate stammen.
…sorgfältig zu trennen von der Frage des Einflusses der deutschen militärischen Führung in der Julikrise
(…)
…erstmal nichts zu tun mit den Frage von real existenten Einflüssen und Beteiligungen des Generalstabes an der Julikrise.
(…)
…für die konkreten Aktivitäten des Generalstabes hinsichtlich Einflussnahme auf die Politik in der Julikrise folgte.
(…)
...dieses führte in der Endphase der Julikrise zu einem wesentlichen Einfluss auf die Politik.

und das hier:
Es geht hier thematisch handfest um die praktische Bedeutung des Einflusses der militärischen Führung auf die deutsche Politik während der Juli-Krise und ihren Beitrag zur Eskalation.

MfG
 
Da ich am Nachmittag nur begrenzt Zeit hatte, habe ich mich auf das Wesentliche beschränkt. Deshalb hier jetzt der Nachklatsch:


Lieber @Silesia, dass Du jetzt erklärst, es sei Dir nie um die Julikrise 1914 gegangen und Du habest immer auf den „langen Weg in den Krieg“ abgestellt, macht die Diskussion endgültig zur Farce. Erinnerst Du Dich etwa nicht mehr daran, dass wir an dem selben Punkt schonmal waren, dass wir uns ihm damals nur von der anderen Seite genähert haben? Wenn nicht: Lies nochmal die Beiträge #108 und #98.


Je länger wir diskutieren, desto unklarer wird, was die Urheber der Offensivkult-Theorie und „ihre Jünger“ (modifizierte Verwendung einer Aussage von Wallach) in diesem Forum eigentlich sagen wollen. Die Grundlage der These ist erbärmlich dünn und ihr „Nutzwert“ gleich Null. Einen Weltkrieg mit so einer dümmlichen „Theorie“ erklären zu wollen, ist unsäglich. Und die Versuche, in unserer Diskussion das alles zu verteidigen sind bestenfalls „rührend“.


Daran ändert auch die exzessive Verwendung der Formel „Stand der Forschung“ nichts. Auch häufige Verwendung macht diese Formel nicht zum Synonym für „erwiesene absolute Wahrheit“. Der von Dir so benannte „Stand der Forschung“ ist keine „absolute Wahrheit“, schon gar keine erwiesene. Es ist nichtmal ein Konsens der Angehörigen dieser Wissenschaftsdisziplin. Es ist schon gar nicht eine Aussage einer Mehrheit der Angehörigen dieser Wissenschaftsdisziplin, wonach den Offensivkult-Befürwortern irgendeine "Deutungshoheit" verliehen worden wäre.

Was Du mit „Stand der Forschung“ bezeichnest, ist nichts als stumpfsinnige Statistik: Es gibt mehr Befürworter als Gegner der Idee, dass es einen „Kult der Offensive“ gab (van Evera) oder dass es dem Militär gelungen ist, sich „wirkmächtig“ über politische Erwägungen hinwegzusetzen (Wallach).

Es stellt sich hier nur die Frage, welche Relevanz die Statistik in diesem Fall hat. Es gibt nämlich nur eine verschwindend geringe Minderheit von Historikern, die sich zu diesem ganz speziellen Spezialaspekt des Weltkriegs überhaupt inhaltlich äußert. Die breite Mehrheit der Historiker nimmt die behauptete Existenz eines „Kults der Offensive“ einfach nur zur Kenntnis, verweist mit Fußnoten auf das Vorhandensein dieser Kenntnis – und untersucht dann unbeeindruckt ganz andere Themen. Daran kann man ablesen, welche Bedeutung die Mehrheit der Historiker der Offensivkult-Theorie beimessen...

Einer der Wissenschaftler, die in ihrer Betrachtung des Kriegs ganz anderen Phänomenen Aufmerksamkeit widmen, ist Münkler. Aber warum schreibe ich das eigentlich. Du hast Münkler ja schon bescheinigt, dass er keine Forschungsleistung erbracht habe.

Auch egal. Jedenfalls ist Wallach einer der Urheber der These, dass die Militärs und nicht die Politiker entschieden haben. Wie blödsinnig seine Aussagen zu einem Themenkreis sind, den er selbst als „von zentraler Bedeutung“ definiert, habe ich weiter oben geschrieben – und halte das weiterhin für gültig, auch wenn Du für Dich in Anspruch nimmst, die Absichten von Wallach besser zu kennen als Wallach selbst. Ich biete jetzt nochmal an: Wir können die Debatte gern erweitern auf die Frage, wie „sinnig“ das ist, was Wallach über konkretes militärisches Handelns sagt.

Gerafftes Beispiel hierfür: Er sagt Schlieffen nach, dass der nicht erkannt habe, wie gefährlich es sei, mit „deutlich unterlegenen“ Kräften eine feindliche Stellung umgehen zu wollen. Und dann empfiehlt er, mit diesen „deutlich unterlegenen“ Kräften stattdessen einen Frontalangriff gegen die Front – also gegen den am stärksten verteidigten Punkt des Feindes – zu versuchen und dort einen Durchbruch zu erzwingen. So einen Blödsinn empfiehlt Wallach – um dann kurz darauf mit einem Zitat zu belegen, warum Schlieffen so lieber nicht vorgehen wollte.

Sag mal: Geht es vielleicht noch ein bisschen bescheuerter? (Auf Wunsch gerne Details mit beliebig vielen Zitaten!)

Nochmal: Wallach ist einer der wichtigsten Urheber der Thesen, die Du hier zu verteidigen versuchst. Wenn ich böse wäre, würde ich sogar sagen, dass Wallach jemand ist, dessen Werk in der hier laufenden Diskussion quasi mit dem Evangelium gleichgestellt wurde: Wer Wallach nicht kennt oder seine Kenntnis nicht durch Zustimmung zu dem von ihm geäußerten Blödsinn dokumentiert, darf hier gar nicht mitdiskutieren...

MfG
 
Die Grundlage der These ist erbärmlich dünn und ihr „Nutzwert“ gleich Null. Einen Weltkrieg mit so einer dümmlichen „Theorie“ erklären zu wollen, ist unsäglich. Und die Versuche, in unserer Diskussion das alles zu verteidigen sind bestenfalls „rührend“.
..
MfG

Die "These" ist weder "dünn", noch "erbärmlich", noch "dümmlich", sondern Stand der historischen Forschung.
Sie will auch nicht "einen Weltkrieg" "erklären", sondern einen Hinweis auf eine Zeitverdichtung geben, die eine diplomatische Lösung erschwerte und geeignet war die Logik militärisch verkürzter Interpretationen in das Zentrum der Entscheidungen zu rücken.

Und man soll ja gewiss nicht eine Kritik mit einer Unterstellung begründen.
 
Und man soll ja gewiss nicht eine Kritik mit einer Unterstellung begründen.
Da gebe ich Dir Recht. Einschränkend würde ich nur hinzufügen, dass von einer "Unterstellung" nur die Rede sein kann, wenn man eine Aussage macht, die man nicht belegen kann...

Die "These" ist weder "dünn", noch "erbärmlich", noch "dümmlich", sondern Stand der historischen Forschung.
Du willst hier tatsächlich behaupten, dass es in der "historischen Forschung" Konsens ist, dass es einen "Kult der Offensive" gegeben habe??? "Konsens" ist das nur unter den Historikern, die den angeblichen "Kult der Offensive" überhaupt für wert befinden, ihn zu untersuchen. Die Mehrheit der Historiker tut das nämlich nicht.

Sie will auch nicht "einen Weltkrieg" "erklären", sondern einen Hinweis auf eine Zeitverdichtung geben, die eine diplomatische Lösung erschwerte und geeignet war die Logik militärisch verkürzter Interpretationen in das Zentrum der Entscheidungen zu rücken.
Jetzt widersprichst Du aber ganz heftig der jüngsten Interpretation von @Silesia! Der hat doch in seinem jüngsten Beitrag in dieser Debatte energisch bestritten, dass es ihm um die "Zeitverdichtung" auf "die Julikrise" oder auf "den Juli 1914" gegangen sei. Er hat doch ganz energisch darauf hingewiesen, dass er "immer" (wobei "immer" wohl mit "seit Beitrag 98" übersetzt werden muss) gegangen sei. Er hat sogar explizit gesagt, ihm sei es immer um den "langen Weg in den Krieg" gegangen. Und jetzt erzählst Du mir, dass DU über "Zeitverdichtung" und den kurzen Weg in den Krieg reden willst....

Leute... Was denn nun? Werdet Euch mal einig! Obwohl... intelligenter wird die dümmliche These vom Kult der Offensive dadurch auch nicht.

Und zu Deiner These, dass es nicht darum gehe "einen Weltkrieg zu erklären": Hast Du Dir eigentlich mal die Mühe gemacht, die Arbeiten von den Herren Wallach oder van Evera zu lesen, ehe Du hier solche vollmundigen "Wahrheiten" verkündest? Die beiden versuchen GENAU DAS und NICHTS ANDERES!

Bezüglich Wallach biete ich nochmal an: Kann ich gerne alles mit vielen Zitaten belegen. Bezüglich van Evera liefere ich schon jetzt folgendes als Beleg:

"This article will argue that the cult of the offensive was a principal cause of the First World War, creating or magnifying many of the dangers which historians blame for causing the July crisis and rendering it uncontrollable."

Mit diesen Worten beginnt der zweite Absatz von van Everas Aufsatz über den "Kult der Offensive" in "International Security, Vol. 9, No. 1 (Summer, 1984)"

Wo steht da ein Hinweis auf "Zeitverichtung" und was meint wohl die Formulierung "a prinzipal cause" in diesem Zusammenhang bezogen auf den Ersten Weltkrieg?

Dünn, erbärmlich, dümmlich. Und ich füge hinzu: in krassem Widerspruch zu den historischen Fakten.

Aber glaub ruhig weiter was Du glauben willst.

MfG

P.S.: Bei der Forengemeinde entschuldige ich mich, dass ich hier ein englischsprachiges Zitat geliefert habe. Ich hätte es normalerweise übersetzt zitiert, aber in dem Fall.... Kommt nicht wieder vor.
 
@hatl. Lass es gut sein, er weiss es vermutlich nicht besser, wie er ausführlich durch viele Behauptungen und wenige Belege dokumentiert hat. Er kennt weder die Zusammenhänge der Diskussion im Bereich der Militärhistorie, noch kennt er die historischen Zusammenhänge des Juli/August 1914. Eine Diskussion der Fakten und der aktuellen Literatur hat er weitgehend verweigert. Immerhin war er ja damit beschäftigt, Münkler zu lesen.

Er möchte einfach ein wenig provozieren, da er offensichtlich nicht die Aufmerksamkeit erhält, die er für sich als angemessen empfindet. Um dann weiterhin den Ritter von der Mancha im Kampf gegen die Windmühlen zu geben und mit seinen letzten provozierenden Postings da weiter zu machen, wie er sich in das Forum bereits im Anfang eingeführt hat. Als aufrechter Kämpfer gegen die versammelte Fachdisziplin der spezialisierten Politologen und Historiker.

Wozu Faktenwissen, wenn man beliebig viele Behauptungen aufstellen kann.

Das, was er anfangs geschrieben hat, hält er immerhin konsequent durch, auch wenn es nicht richtiger geworden ist.

Ich stelle fest, dass es in der modernen Geschichtswissenschaft herrschende Meinung ist, dass der WKI eine Folge des deutschen Militarismus ist und dass der Kriegsausbruch mit einem angeblichen "Kult der Offensive" erklärt wird.

Dank der von mir unterstellten Unzulänglichkeit der historischen und politischen Wissenschaften ist es zur "herrschenden Meinung" geworden, dass der Erste Weltkrieg ausgebrochen und in dieser Weise geführt worden ist, weil "das Militär" Amok gelaufen ist. So entstand die dünnsinnige Idee vom "Kult der Offensive".

Es grenzt dabei leicht an "Übertreibung", dass ein User des Forums in einem Rundumschlag sowohl der historischen wie auch der politischen Wissenschaft die Kompetenz abspricht, den Ausbruch des WW1 zu erklären. Einfach, weil er etwas unterstellt und durch ein "breites Wissen" der unterschiedlichen Diskussionssträge auch "kompetent" mehr als "ausreichend" unter Beweis gemeint gestellt zu haben.

Wobei Wallach, und Silesia wies bereits darauf hin, durch die aktuellesten historischen Studien (Mombauer, Herwig etc.) in seiner grundsätzlichen Sicht bestätigt worden ist. Aber das sind ja die, die eh nix blicken, dummerwiese aber den aktuellen Forschungsstand definieren. Da kann der Herr von der Mancha sich auf den Kopf stellen, er wird es nicht ändern.
 
Zuletzt bearbeitet:
@hatl. Lass es gut sein, er weiss es vermutlich nicht besser, wie er ausführlich durch viele Behauptungen und wenige Belege dokumentiert hat. Er kennt weder die Zusammenhänge der Diskussion im Bereich der Militärhistorie, noch kennt er die historischen Zusammenhänge des Juli/August 1914. Eine Diskussion der Fakten und der aktuellen Literatur hat er weitgehend verweigert. Immerhin war er ja damit beschäftigt, Münkler zu lesen.
Da ist sie wieder, die herablassende Arroganz, die ich bei einigen Diskutanten hier beklage. Es ist Dir nichtmal aufgefallen, dass ich mich die ganze Zeit nicht mit Münkler sondern mit Wallach befasst habe, den Du mit dem Evangelium gleichgestellt hast und den ich Deiner tiefintellektuellen Meinung nach nicht mal kenne.

Bei jedem anderen Diskussionsteilnehmer hätte ich jetzt vorgeschlagen: Lass uns doch inhaltlich drüber reden. Aber bei Dir sehe ich darin keinen Sinn mehr. Dabei hatte ich von Dir mal einen anderen Eindruck. Genieß Deine einfache kleine Weltsicht auf den WKI.

MfG
 
Nein, das ist keine Arroganz, sondern es ist ein massives Unverständnis, dass Du Dich hier im Forum als jemand präsentierst, der kompetent wäre, einen universalen Rundumschlag gegen die Forschung aus dem Umfeld der Politologie und der historischen Wissenschaft zu führen.

Dein massiv provozierendes Vokabular, dass seine provokative Wirkung offensichtlich durch Wiederholungen in seiner Wirkung unterstreichen soll, ist zudem ein anderen Thema, aber nicht meines.

Allerdings, um dann gleichzeitig unter weitgehender Abstinenz zu relevanten Autoren und ihren Publikationen zur Forschung zum Ausbruch des WW1 eine "Schmalspur-Diskussion" zu führen, die im wesentlichen in einem Bashing von Wallach besteht. Ein Autor, der als Referenz von aktuellen Studien zwar zitiert wird, der aber sicherlich nicht als "Evangelium" dargestellt wird.

Und es wird an der Diskussion zudem deutlich, dass Du die entsprechende Literatur, speziell auch zur deutschen Armee bzw. dem Generalstab entweder nicht kennst oder vorsätzlich nicht verwenden möchtest, wie beispielsweise die Arbeit von Craig oder "Der Schieffenplan".

Zumal in den letzten Buch sämtliche Aufmarschvarianten des Schlieffenplans dokumentiert sind. Wo ist die entsprechende Dokumentation der ganzen defensiven "Plan B"-Varianten???????

Und abschließend: Trotz vieler wortreicher Beiträge hast Du bisher keinen einzigen Beleg erbringen können für einen Plan B. Und das ist Dein nicht vorhandener "Schlusstein", der Dein Kartenhaus immer einstürzen läßt.

Und deswegen ist die Formulierung von Wallach, Evera oder Snyder richtig, dass das Konstrukt des "Kults der Offensive" zu einer einseitigen offensiven Militärplanung im DR geführt hat, die der Politik nicht die notwendige Zeit zum Verhandeln verschafft hat. Aber das wurde ja schon alles sehr ausführlich dargestellt.

Bei jedem anderen Diskussionsteilnehmer hätte ich jetzt vorgeschlagen: Lass uns doch inhaltlich drüber reden. Aber bei Dir sehe ich darin keinen Sinn mehr.

Richtig, es macht keinen Sinn!
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber @Silesia, dass Du jetzt erklärst, es sei Dir nie um die Julikrise 1914 gegangen und Du habest immer auf den „langen Weg in den Krieg“ abgestellt, macht die Diskussion endgültig zur Farce.
Wiederholt die freundliche Bitte, auf derartige polemische Verdrehungen zu verzichten. Es geht um diese "Ausschnitte" von mir:
Ich meine den Diskussionsteilnehmer, von dem die folgenden Zitate stammen.
…sorgfältig zu trennen von der Frage des Einflusses der deutschen militärischen Führung in der Julikrise
(…)
…erstmal nichts zu tun mit den Frage von real existenten Einflüssen und Beteiligungen des Generalstabes an der Julikrise.
(…)
…für die konkreten Aktivitäten des Generalstabes hinsichtlich Einflussnahme auf die Politik in der Julikrise folgte.
(…)
...dieses führte in der Endphase der Julikrise zu einem wesentlichen Einfluss auf die Politik.
und das hier:
Es geht hier thematisch handfest um die praktische Bedeutung des Einflusses der militärischen Führung auf die deutsche Politik während der Juli-Krise und ihren Beitrag zur Eskalation.
MfG
Hier wird es erklärt:
Dass hier anhängige Thema greift vielmehr die historische Entwicklung der langfristigen Planungen und Prognosen auf, die wiederum die kurzfristigen Handlungen der Akteure als Kontext bestimmten, hinsichtlich des deutschen Generalsstabes auf und analysiert sie sorgfältig als Entscheidungsrahmen
Um es noch einmal simpel zu beschreiben: der "lange Weg" in den Krieg besteht aus zwei Betrachtungen:
1. den konkreten Handlungen in der Julikrise: wer agierte wie?
2. der Ursachen und die "Vorprägung" dieser Handlungen: warum?


Damit läßt sich ganz einfach arbeiten: mal geht es in einem Beitrag um die Handlungen in der Julikrise [1], mal um ihren Kontext und ihre Entstehung [2]. Das sollte an sich nicht schwer zu verstehen sein. Komplizierter beschrieben hier in #72:
Der Problemkreis "Cult of Offensive" stellt nämlich nach dem Forschungsstand darauf ab, dass in der letzten Phase der Julikrise politische Deeskalationen und ein "vermiedener Krieg" (Dülffer) durch die Logik der Aufmarsch- und Operationspläne der Militärs ganz erheblich erschwert bis unmöglich gemacht worden sind. Politische Lösungen sind in diesem Kontext durch die zeitliche Brisanz der Aufmarschpläne (diese wiederum Resultanten der Operationsplanungen) beschnitten oder abgeschnitten worden. [siehe oben 1.]
...
Ein Beispiel für diese einschneidende, zeitkritisch wirkende und eskalierende Wirkung ist die negative Antwort von Moltke auf den Kaiser, eine politische Option an der Westgrenze (Verzicht auf den dort vorgesehenen Aufmarsch) zu erwägen, indem der aufmarsch auf die Ostgrenze umgesteuert wird, mit der bloßen Chance auf eine Begrenzung oder Beherrschung des Konflikts. Glasklar legte das Militär hier der politischen Führung eine Alles-oder-nichts-Entscheidung auf den Tisch, mit dem Ergebnis, dass es beim Westaufmarsch mit sofortiger westoffensive geblieben ist.

Warum konnte keine Alternative vorgelegt werden, wieso entstand dieser eskalierende Druck? Die Frage läßt sich beantworten, indem man die historische Entwicklung bis zum Verzicht auf den Großen Ostaufmarsch skizziert (was nebenbei auch den hier diskutierten Offensivcharakter skizziert):[siehe oben 2.]

...das Dogma vom Vorteil der Initiative, das Gesetz des Handelns, die "überraschende Schwerpunktbildung", die vom Angreifer "gewählte Hauptangriffsrichtung", die vom Angreifer bestimmte "Gefechtsentfernung" wurden vollständig verinnerlicht. Ergo: "Überhaupt geht die deutsche Operationsführung von einer rücksichtslosen Offensive verbunden mit einem Schlag auf Schlag ausgeführten Entscheidungskampf aus" (Goltz). Die Numerik wurde infolgedessen marginalisiert, die "Heeresqualität" war für diese Sieg-Faktoren entscheidend. "Umgehung und Flankierung" dominierten, "auf die geschickte Anwendung kommt es an" (Falkenhausen).

Hierfür kann man bei Bedarf Hunderte Nachweise beibringen.

Dieser Stand, lege artis, wurde nun mit der Durchsetzung der Auffassung Schlieffens kombiniert, "mechanische Kriegsführung" zu betreiben. Im Klartext: die Aufmarsch- und Operationsplanung, die Geschwindigkeit ihrer Durchführung wird entscheidend für den Schlachtenverlauf. Eine eventuelle "zeitliche Krisis" entscheidet nun über den Erfolg dieser Operationsführung, die es folglich zu vermeiden galt. Der Schlüssel: die in die Perfektion getriebene Mob.- und Aufmarschplanung, die "freie Gestaltung der Operationsführung" zwingend zu vermeiden hatte, weil diese nur den Erfolg gefährdet.
...
Das ist der Weg in das alles dominierende "operative System" und das "Siegesrezept".

Da das Spielchen mit den Zitatschnipseln in Bezug auf mich hier jetzt wiederholt läuft (wir hatten das schon ;) ), eine Zusicherung:

Wenn ich meine Meinung in einer Diskussion ändere, schreibe ich das auch auf deutsch und deutlich.

Je länger wir diskutieren, desto unklarer wird, was die Urheber der Offensivkult-Theorie und „ihre Jünger“ (modifizierte Verwendung einer Aussage von Wallach) in diesem Forum eigentlich sagen wollen. Die Grundlage der These ist erbärmlich dünn und ihr „Nutzwert“ gleich Null. Einen Weltkrieg mit so einer dümmlichen „Theorie“ erklären zu wollen, ist unsäglich. Und die Versuche, in unserer Diskussion das alles zu verteidigen sind bestenfalls „rührend“.

Häufig wird etwas laufend unklarer, wenn man für sich selber Neues hört oder liest. Das geht mir auch so. Auf Vorurteile wie dümmlich, dünn, nutzlos, unsäglich, bestensfalls rührend sollte manin der Zwischenzeit verzichten. Es sollte auch nicht das Engagement beeinträchtigen, sich mit Neuem zu beschäftigen und "zuzulesen".

Daran ändert auch die exzessive Verwendung der Formel „Stand der Forschung“ nichts. Auch häufige Verwendung macht diese Formel nicht zum Synonym für „erwiesene absolute Wahrheit“. Der von Dir so benannte „Stand der Forschung“ ist keine „absolute Wahrheit“, schon gar keine erwiesene. Es ist nichtmal ein Konsens der Angehörigen dieser Wissenschaftsdisziplin. Es ist schon gar nicht eine Aussage einer Mehrheit der Angehörigen dieser Wissenschaftsdisziplin, wonach den Offensivkult-Befürwortern irgendeine "Deutungshoheit" verliehen worden wäre.

Was Du mit „Stand der Forschung“ bezeichnest, ist nichts als stumpfsinnige Statistik:
Folgt eigentlich dem bekannten Schnipsel-Schema: hier mit dem Stichwort "Forschungstand".

Ob "Wahrheiten" oder "Dummheiten" vorliegen, sollte man nach Kenntnisnahme entscheiden. Ein guter Einstieg ist der Dir zuvor unbekannte und leider so runtergemachte "Herr Groß" (Geschichte des operativen Denkens im deutschen Generalstab):
silesia schrieb:
Die von Dir aufgelisteten Zitate zeigen, dass die These vom "Kult der Offensive" von Leuten belegt wird, deren Urteile [Anm: gemeint ist Groß!] sich auf begrenztes Wissen über Militär stützen. Strategie wird fröhlich mit Taktik oder Operation vermischt, die Definitionen von Defensive und Offensive sind nicht wirklich bekannt etc.. Und wenn was nicht passt, behilft man sich mit Kunstbegriffen wie „defensiv-offensiv“ kommt.
...
Da hat Herr Groß offenbar den Clausewitz nicht verstanden.

Gerhard P. Groß ist nicht irgendjemand, man kann ihm gerade zu diesen Fragen Expertise zutrauen, er ist einer der renommiertesten deutschen Militärhistoriker und inzwischen Leiter der Militärhistorischen Abteilung beim deutschen Militärgeschichtlichen Forschungsamt MGFA sowie zuvor 2003-2010 Projektleiter "Erster Weltkrieg" im Forschungsbereich "Zeitalter der Weltkriege" (setze ich mal als bekannt voraus, auch wenn wir hier über Clausewitz fachsimpeln wollen).
Du wirst mich verstehen, wenn ich bei solchem Schäfchenzählen wie "Forschungsstand" und "Julikrise" und anschließenden Rundumschlag gegen den Forschungsstand seufzen muss?
 
Die "These" ist weder "dünn", noch "erbärmlich", noch "dümmlich", sondern Stand der historischen Forschung.
Sie will auch nicht "einen Weltkrieg" "erklären", sondern einen Hinweis auf eine Zeitverdichtung geben, die eine diplomatische Lösung erschwerte und geeignet war die Logik militärisch verkürzter Interpretationen in das Zentrum der Entscheidungen zu rücken.

Das ist die Zusammenfassung.

Und der Hinweis auf die Literatur ist richtig: Mombauers "Moltke", Afflerbachs "Falkenhayn", Groß "operatives Denken", Herwig, Gooch, Kennedy, Holmes, Geiss, Stein etc. belegen diesen Zusammenhang.

Man kann mal anders herum fragen: wer bestreitet diesen Aspekt eigentlich in der Forschung?
 
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