Der Wert von Kultur

ursi schrieb:
Kinder sind sehr empfänglich für Kultur wenn man sie lässt, da sind aber die Eltern gefordert, nicht nur die Schulen.

Dein Wort in Gottes Ohr. :yes: Freilich sind die Eltern gefordert. Leider ist die jüngere Elterngeneration so mit Fulltimejob und sonstigen Einnahmequellen beiderseits so beansprucht , um den immer steigenden materiellen "Bedarf " auch zu bezahlen. Da die nicht materiellen Werte vorallem Zeit beanspruchen,
passen sie oft nicht mehr in die austerminierte Woche.

Meine Anregungen beziehen sich auch eher auf die problematischen sozialen
Schichten, indenen von Eltern schlichtweg keine Anregung zu erwarten ist hinsichtlich der Ziele, die über den jeweiligen Alltagshorizont hinausgreifen.
Hier beginnt mit dem Kindergarten, dem obligaten Deutschunterricht für Kinder ausländischer Eltern die gesellschaftl. Wahrnehmung der heranwachsenden Generation , die dann z.B. in Tageshauptschulen oder Tages-Gesamtschulen zeitlich unter Anleitung von der Straße, vom PC :D und Videospiel abgehalten sind und sich nicht allein überlassen sind mit den Resttag.
Die Schulformen in Deutschland bieten da bisher zu wenig Auffangmöglichkeit.
Das soll sich jetzt ja ändern, mit Tagesschulangeboten etc. Aber wie es mit Reformen so geht hierzulande dauerts oft Generationen von Schülern bis sich was bewegt und dann kostet es auch noch Geld.
Der Zeit-Artikel macht m.M. zurecht diese Problemgruppen aus , denen jetzt ernsthaft eine Alternative zur Schulkarriere in die verwaltete Arbeitslosigkeit mit all ihren folgen für die Gesellschaft geboten werden muß !
Diese Wahrnehmung zu schärfen ist in Deutschland mit seiner traditionell ständisch-klassenorientierten , unproportional an materiellen Gütern ausgerichteten Gesellschaftsordnung ein politischer Tagesordnungspunkt erster Klasse.

p.s. werde mich bemühen mal kürzere Sätze zu finden :rotwerd:
 
Arcimboldo schrieb:
Ja, die schon, aber zuviele kriegen es nicht -oder zu spät mit.
Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden mit höherem Einstiegsalter einfach schlechter, da die dann jüngeren Konkurrenten erstmal einen Vorteil haben.

Bei ein par Bewerbungen jedoch wurde ich abgelehnt weil ich zu Jung war (aber das ist noch mal ein anderesn Thema, nur am Rande).
Ansonsten hast du zwar Recht, doch ist es nur menschlich wenn die einen früher, die anderen später und wieder andere garnicht auf den Trichter kommen.
Das gab es zu allen Zeiten.

Meine Bedenken hinsichtlich der kritiklosen medialen Berieselung betrifft
die Persönlichkeitsentwicklung in jugendlichem noch beeinflußbarem Alter. Hier werden von Medien soziale Verhaltensmuster ausgeprägt , die vorallem den Menschen als Konsumenten umwerben und formen.
Da will ich dir soweit zustimmen.
Doch bringt es dabei nichts irgendwelche Sendungen zu dämonisieren (was das ganze dann ja auch noch reizvoller macht) sondern das man als Elternteil halt darauf aufpasst.
Heißt nicht heilloses verbieten, sondern darauf zu achten das dies Ausgewogen bleibt.

Um eine wirkliche Wende im Bewußtsein der Bedeutung von Bildung= Kultur herbeizuführen, bedarf es den Ansatz schon im Kindergarten und Grundschule.
Nicht im Sinne einer Aufzucht von irgendwelchen Eliten, sondern im Heranführen von Bildungsangeboten die auch Spaß machen können, jedenfalls aber eine zeitliche Eingrenzung bringen von Game Boy. Playstation...und wie die phantasietötenden Erzeugnisse der Ablenkungsindustrie noch so alle heißen. :rolleyes:
Hierbei fasse ich mich einmal ganz kurz.
Dabei schließe ich mich dem an was Ursi und Lili schrieben.

Edit: Wie ich sehe schließt du dich dem auch an.
Klasse man ist dahingehend einer Meinung :) :cool:
 
manganite schrieb:
Hier mal ewtas zum Thema "Unterschichtenfernsehn". Wieder aus der Zeit:

http://www.zeit.de/2005/11/Titel_2fUnterschicht_11

Spannender Artikel, vor allem dieses hier ist überaus aussagekräftig:

In den Siebzigern wunderte sich die Junge Linke, warum die Arbeiter nach Feierabend nicht mit ihnen gemeinsamen die Revolution ausrufen wollten. Die Antwort: Sie wollten sich nicht auch noch abends mit ihren Problemen befassen. Heute tun sie das – weil die Privatsender, anders als die Linken, ihren Alltag nicht verändern wollen, sondern schlicht abbilden und damit veredeln. Keine Kritik, reine Affirmation.
 
Der für entscheidende Absatz ist dieser

Die Botschaft des Begriffs Unterschichtenfernsehen ist eindeutig: Guckt nicht mit den Schmuddelkindern.

Es scheint, als wolle sein junges Publikum sich mit diesem Lachen von den anderen distanzieren nach dem Motto: Mit der Unterschicht haben wir nichts zu tun! Wir sehen ARD, öffentlich-rechtliches Fernsehen! Wir sind gebildet

Denn das ist es was ich u.a. Kritisiert habe.
Das sich distanzieren oder gar abschotten all dem.

Überhaupt diese Einteilung zu "Schmuddelkindern" ist von den leuten hochmütig, und zeigt wie tief diese Vorurteile schon sitzen.
Auch aus wenn dieser Hochmut oft aus selbstschutz resultiert bessert es die Sache nicht.
Im gegenteil.

Dabei kann es nicht das Ziel sein die angeblich "minderwertige" Fernsehsendungen auszuradieren oder auszurotten, sondern die Vorurteile gegen ihre Konsumenten auszuräumen.

Aber ich merke ich wiederhole mich schon wieder. :rolleyes:
 
M.A. Hau-Schild schrieb:
Denn das ist es was ich u.a. Kritisiert habe.
Das sich distanzieren oder gar abschotten all dem.

Ja genau, das darf nicht passieren. Eine Mehrklassengesellschaft, in der nicht mehr nach Jerrkunft oder Geld, sondern nach Bildung sortiert wird. Solch eine Denkweise ist toedlich fuer das Miteinander. Aber dagegen hilf tes nicht, wenn man negiert, dass es Unterschiede gibt und immer geben wird oder das man Probleme totschweigt, weil man niemanden verletzen will.

Die Gesellschaft scheint sich hinsichtlich Bildung in zwei sich nicht mehr durchdringende Bloecke zu zerteilen und da muss man aufpassen, dass die sich am Ende nicht nicht mehr verstehen und nur noch nebeneinanderher existieren.

Totale Gleichheit kann man nicht erreichen, aber Graeben muss man vermeiden und fuer fliessende Uebergaenge sorgen, ein Miteiander, in dem jeder seinen Platz finden kann, der auf seine Faehigkeiten und Interessen zugeschnitten ist.
 
Für das Phänomen der beiden Bildungsblöcke und die damit einhergehenden sozialen und beschäftigungsbedingten Folgen gibts in den WiWi nen Fachausdruck - das Tittitainment, wobei Titti~ für das durchfüttern und ~tainment für das Unterhalten der "Bildungsunterschicht" steht "um sie bei Laune" zu halten. Geprägt wurde der Begriff von Schumann und Martin bereits 1997 in ihrem Buch "Die Globalisierungsfalle". Neben der äußerst prägnant und realistisch dargestellten Entwicklung hin zum Tittitainment (wie wir sie die letzten Jahre auch verstärkt beobachten konnten), werden auch Wege aus der Misere aufgezeigt. Für Interessierte auf jeden Fall lesenswert!
 
Dieses Tittitainment gehört meiner Meinung nach auch nur in die WiWi, denn ist nur aus Sicht er Wirtschaft hinsichtlich "Konsumerziehung" haltbar. Bei dem sogenannte Bildungsunterschicht kann es nicht nur darum gehen, sie bei Laune zu halten. Zwar waren Brot und Spiele schon im römischen Reich erfolgreich und in manchen Phasen vielleicht sogar staatstragend. Jedoch scheute sich ja auch die Bildungsoberschicht nicht den Spielen beizuwohnen (es gab in dieser Schicht natürlich auch Kritiker) und das nicht nur, um Volksnähe zu demonstrieren. Es steckt etwas anderes hinter dieser "Unterschichtenkultur".

Vergleichen wir es mit Fussball: Fussball ist höchst emotional, nicht besonders anspruchsvoll an die Bildung und wird doch von Bürgern aller Bildungschichten geschätzt. Auch nach einer Niederlage übrigens kommt es nicht zu Systemumstürzen(so viel zur "Beruhigung des Pöbels", der hängt viel mehr am persönl. Wohlstand) Nun hat Bildung, Kultur und Humanismus meiner Meinung nach stets auch mit Emotionen zu tun. Nur wird ein Analphabet beispielsweise diese Emotionen nicht kennen lernen können und in Hinblick auf Literatur lediglich Frustration und Minderwertigkeitsgefühle erfahren. Also geht es viel meht darum, dass sich das Volk selbst Unterhaltung und Kulturformen/-elemente sucht die ihnen auf Grund ihrer Bildung zugänglich sind. Ich kann nichts dagegen haben, dass sich jemand auf Basis oder auch trotz seiner intelektuellen Fähigkeiten für Big Brother oder ähnliches begeistert.

Daher erscheint mir der Begriff Unterschichtenfernsehen doch sehr arrogant. Schlimm nur, dass er auch etwas wahres hat: Bildung korreliert immer noch mit der sozialen Schicht! Da muss, wie das Eingangsstatement des threads zeigt etwas getan werden. Allerdings ist Kultur jedem zugänglich, zumal man sie doch gewissermaßen individuell wahrnimmt, bewertet und somit erst für sich persönlich erschafft.

So und jetzt spielt Unterhaching- ich muss weg :D
volpe
 
Zuletzt bearbeitet:
Der MTV-Vizepräsident Dieter Gorny hat in einem Interview der Sächsichen Zeitung angesprochen, dass Kultur nicht länger eine Zierde der Gesellschaft sein dürfe, dass es eines Umdenkens bedürfe, das außerhalb von Deutschland in Europa bereits diskutiert wird. Ich kann diesen Artikel aus dem Kulturteil der Online-Ausgabe leider nicht verlinken, er ist – das passt ganz gut zur Diskussion – kostenpflichtig. Es wird angesprochen, dass im kreativen Bereich Arbeitsplätze entstehen könnten, während sie in der Produktion zunehmend verloren gehen.
Eine lobenswerte Ausnahmemeinung, finde ich, und wenn sie sich nicht als Utopie oder Wunschdenken von ein paar Idealisten entpuppt, wenn technischer Fortschritt hin und wieder mehr Kultur (und nicht nur ein Mehr an Kultur für eine immer kleinere Minderheit) ermöglichen könnte, wäre das sehr schön.
 
Marcia schrieb:
Es wird angesprochen, dass im kreativen Bereich Arbeitsplätze entstehen könnten, während sie in der Produktion zunehmend verloren gehen.

Sicher, aber wie kommen wir von der Kreativität zum Einkommen? Nehmen wir Patentanmeldungen! Firmengründungen! Medienformate! Bezogen auf Deutschland muss man sagen: Es könnte besser sein ...

Eine schnelle These: Es fehlt den Kreativen an Unternehmergeist, den Tüchtigen an Kreativität. Und wer fleißig, risikobereit und kreativ ist, der verdient in Amerika sowieso das Dreifache.

Daher ist die Sache nicht ganz so einfach, wie es aussieht...

(vielleicht geht das Interview tiefer, aber ich komme grade nicht an die Papierversion der Sächsischen Zeitung heran)
 
Daher ist die Sache nicht ganz so einfach, wie es aussieht...

Das ist auch meine Meinung, vielleicht ist das in meinem Beitrag verborgene Fragezeichen nicht deutlich genug...
Nein, der Artikel geht nicht tiefer. Ich wäre sehr gespannt auf diese Diskussionen, wenn sie denn geführt würden. Ich sehe ähnliche Probleme wie du, sehe aber Lösungen eher im Kleinen, d.h. in ehrenamtlichen oder gering bezahlten Engagement, also weniger Haben zugunsten von Sein. Klingt sicher sehr idealistisch, wird aber von vielen Kreativen schon so gehandhabt. Die Grenze zur Liebhaberei ist fließend. Man muss sich Kultur nicht nur leisten können, sondern leisten wollen. (Aber das ist meine Meinung.)
 
Man sollte Bildung und Kultur nicht vermengen. Kultur ist die Summe aller Dinge und Handlungen, die sich in einem sozialen Kontext entwickeln. Kultur ist nicht alleine Oper und Theater. Mag Rovere@ vielleicht eher in einem akademischen Millieu beheimatet sein, so heißt das nicht, daß nicht Quintus Fabius in der Lage wäre, ganz eigene kulturelle Leistungen zu entwickeln, die im Malochermillieu oder der plötzlich entdeckten "Unterschicht" beheimatet sind, denn Quintus Fabius besitt ja die Fähigkeit, sich zu artikulieren.
Ich will ja mit meinen Ausführungen wirklich keinem zu nahe treten. Aber mir fiel da in diesem Zusammenhang ein Beispiel für eine wirklich gelungene Realsatire und "Unterschichtenkultur" ein: Die Figur Dittsche, aus dem "wahren Leben". Das kann man nicht machen, wenn man nicht selbst mal am Puls der Zeit von Hartz IV gelebt hat. Das "Unterschichtenfernsehen" ist kulturhistorisch sehr interessant, aber es ist eine Trashkultur, ein Triumph der Phrase, der geistigen Minderwertigkeit, und im Grunde mit seinem vulgären Voyeurismus etwas höchst infames und perfides. Es verhöhnt die Underdogs, die sprachlosen Vollprolls, führt sie vor. Es suggeriert, daß es sich bei Hartz IV Empfängern grundsätzlich um Betrüger handelt, die sich vor der Spargelernte drücken wollen.
Aber man kann es den Underdogs noch nicht einmal verdenken, daß sie diesen Scheiß konsumieren, weil es das einzige Podium ist, in denen sie überhaupt zu Wort kommen können.
Das Ganze ist ein erbärmliches Mittel, die selbst den Abstieg fürchtenden Kleinbürger gegen die "Asozialen" aufzuwiegeln, als seien die schuld an allem.
 
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